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Steuerrecht
21.11.2019
Steuerrecht
FG Köln: Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG

FG Köln, Urteil vom 12.9.2018 2 K 1950/15

ECLI:DE:FGK:2018:0912.2K1950.15.00

Volltext BB-Online BBL2019-2837-5

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Freistellung von Abzugsteuern i.S.d. § 50a EStG zusteht. Dabei ist insbesondere streitig, ob die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG erfüllt sind.

Die Klägerin ist eine in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft. Ihre Anteilseigner sind der in Deutschland ansässige Herr B zu 99,9 % und der in der Schweiz ansässige Herr C zu 0,1 %, der zugleich Verwaltungsrat ist. Herr C war Leiter der Schweizer ... Q. Die Klägerin unterhielt von 1999 bis 2011 Büros in Form einer Bürogemeinschaft mit der K AG von Herrn C in einem Geschäftshaus in der G-Straße ... in R/Schweiz. Wegen der näheren Einzelheiten der Büroüberlassung wird insoweit auf die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der K AG vom 17. Mai 1999 Bezug genommen (Bl. 50 der FG-Akte). Anlässlich einer Generalsanierung dieser Immobilie wurde der Gesellschaftssitz an die Wohnadresse von Herrn C verlegt und wurden die Geschäfte auch von dort geführt. Die K AG stellte 2011 ihre Tätigkeit ein und wurde 2015 aus dem Handelsregister gelöscht. Seit 2015 verfügt die Klägerin über Büros in der Geschäftsadresse M-Straße ... in T/Schweiz, wohin auch der Sitz verlegt wurde.

Herr B gründete in den frühen 1990er Jahren zusammen mit seinem Vater, Herrn B1 – beide promovierter ... – die in P ansässige W GmbH, deren Führung er 2012 von seinem Vater übernahm.

Die Klägerin übt ihre Tätigkeit durch ihren Verwaltungsrat, Herrn C aus. Sie hat eigene Arzneimittelzulassungen in der Schweiz beantragt und erhalten, z.B. im Jahr 2000 bezüglich der N und 2004 bezüglich der E (mit Verlängerung im Jahre 2010). Das Arzneimittelzulasssungsverfahren ist in der Schweiz weniger aufwendig als in Deutschland und erfordert einen Schweizer Rechtsträger als Zulassungsempfänger. Die Klägerin vertreibt darüber hinaus als Inhaberin der Zulassung für die Schweiz auch selbst das Produkt E sowie die N mit verschiedenen Handelspartnern in der Schweiz.

Die der Klägerin gehörende Marke „E“ war ursprünglich auf die W von Herrn B1 in P registriert gewesen. Herr B1 hatte die Idee zur Schaffung der E und entwickelte diese gemeinsam mit Herrn B und Herrn C – ebenfalls .... Herr B1 ließ die Marke E schützen, betrieb jedoch nicht das Arzneimittelzulassungsverfahren. Im Jahr 1999 erwarb die Klägerin diese Marke. Wegen der Einzelheiten wird auf den entsprechenden Kaufvertrag vom 10./15. März 1999 Bezug genommen (Bl. 57 der FG-Akte). Die Klägerin betrieb sodann das Arzneimittelzulassungsverfahren.

Mit Vertriebsvertrag vom 24. Januar 2008 zwischen der W GmbH (im folgenden: W), der Klägerin und der A (im folgenden: A) erwarb die A u.a. die Nutzungsrechte an der Marke E von der Klägerin und zahlt hierfür an die Klägerin eine Lizenzgebühr. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertriebsvertrag vom 24. Januar 2008 Bezug genommen (Bl. 4 ff. der Steuerakte des Beklagten).

Mit Anträgen vom 22. Juli 2013 (Posteingangsdatum: 21. August 2013) beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf § 50d Abs. 1 und 2 EStG i.V.m. Art. 12 DBA-Schweiz die Freistellung von der bzw. Erstattung der deutschen Abzugsteuer und bat jeweils um Erteilung eines Freistellungsbescheides. Der hier allein streitige Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung wurde mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gestellt.

Mit Freistellungsbescheinigung vom 5. Januar 2015 erfolgte eine Teilfreistellung für den Zeitraum 21. August 2013 bis 31. Juli 2016 dahingehend, dass die Freistellung auf 0,1 % der Vergütung beschränkt ist. Im Übrigen wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass eine volle Freistellung aufgrund der Regelung des § 50d Abs. 3 EStG nicht erteilt werden könne, da die persönliche Entlastungsberechtigung der Klägerin insoweit nicht gegeben und die sachliche Entlastungsberechtigung nicht ersichtlich sei.

Der hiergegen fristgemäß eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer hiergegen fristgemäß erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass die Freistellung der streitigen Lizenzgebühren zu 100 % zu erfolgen habe.

Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG (2012) seien nicht erfüllt.

Im Hinblick auf die Historie und die Gründe für ihre Errichtung seien wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für ihre Einschaltung gegeben.

Die W GmbH habe ihre Aktivitäten zur Stärkung des Exports schnell auf das angrenzende Ausland ausgeweitet. In diesem Zusammenhang habe Herr B Ende der 1990er Jahre den in der Schweiz wohnhaften Schweizer Staatsangehörigen C in seiner damaligen Funktion als Leiter der Schweizer ... Q kennengelernt.

Da das Zulassungs- und Anerkennungsverfahren, insbesondere für pflanzliche Wirkstoffe, in der Schweiz deutlich unbürokratischer und schneller ablaufe, als bei der in Deutschland zuständigen Aufsichtsbehörde und nach dem Schweizer Arzneimittelgesetz ein in der Schweiz domizilierter Rechtsträger eingeschaltet werden müsse, dem die Zulassung erteilt werde, habe sich die Familie B dazu entschlossen, einen eigenen Rechtsträger für die Zulassungsverfahren zu gründen. Damit bestehe ein nicht steuerlicher, wirtschaftlich aber beachtlicher Grund für ihre, der Klägerin, Einschaltung. Sie sei Trägerin der entsprechenden Zulassungsrechte.

Dabei würden die hervorragenden Kenntnisse des Herrn C bezüglich der Verfahren und Prozesse im schweizerischen Arzneimittelzulassungsverfahren große Vorteile bringen.

Sie, die Klägerin, trage die Kosten der Entwicklung, Rechteerlangung und Rechtspflege, weshalb der Anspruch auf Lizenzzahlungen auch unbestritten sei.

Darüber hinaus übe sie eine eigene Geschäftstätigkeit aus. Sie erziele die Lizenzerträge aus der Nutzung von Rechten an Arzneimitteln und Wirkstoffpräparaten, die durch sie oder in ihrem Auftrag entwickelt worden seien. Außerdem erziele sie Erträge für die Betreuung von Arzneimittelzulassungsverfahren. Bereits im Jahr 1999 habe sie mehrere nicht markteingeführte Marken übernommen, um diese marktgängig zu machen. Insoweit sei die Markenentwicklung – entgegen der Auffassung des Beklagten – sehr wohl durch sie erfolgt und es handele sich nicht nur um die vom Beklagten behauptete schädliche Vermögensverwaltung. Insbesondere handele es sich dabei um das Produkt N. Hierfür würden nicht nur die ursprünglichen Markenrechte, sondern auch die Arzneimittelrechte und damit die Rechte zum Vertrieb von Arzneimitteln bei ihr, der Klägerin, liegen. Insoweit legt die Klägerin die Registrierungsurkunde dieses Produktes vom 26. Mai 2000 vor.

Es sei unschädlich, dass sie die klinischen Studien für ein neu zuzulassendes Produkt nicht selbst durchführe. Solche Studien seien aufwändig und teuer. Auch große Pharmakonzerne würden derartige Studien weltweit nur einmal durchführen und die jeweils national durchzuführenden Zulassungsverfahren auf diesen Studien aufbauen. Genauso habe sie, die Klägerin, sich auch der Studie der deutschen Schwestergesellschaft für den Wirkstoff „N1“ bedient, um ein eigenständiges Zulassungsverfahren des Präparats N in der Schweiz selbst durchzuführen. Insgesamt würden allein die Zulassungsunterlagen, ohne die Dokumentation der international verwendbaren klinischen Studien, regelmäßig zwischen fünf und zehn dicke Ordner umfassen. Die Erarbeitung von Zulassungsunterlagen für eine Zulassung in einem bestimmten Land sei ein wesentlicher bzw. entscheidender Teil der marktreifen Produktentwicklung eines Arzneimittels. Diese sei durch sie, die Klägerin, für die Schweiz durchgeführt worden. Eine reine Fokussierung auf einen Teilaspekt wie klinische Studien – so der Beklagtenvortrag – werde dem jahrelangen, komplexen Sachverhalt einer Arzneimittelentwicklung und -zulassung, an dem immer zahlreiche Parteien beteiligt seien, in keiner Weise gerecht.

Es sei unverständlich, dass der Beklagte behaupte, sie, die Klägerin, sei nicht Teil der Lieferkette. Keiner der großen Pharmakonzerne betreibe einen eigenen Vertrieb, sondern auch sie würden ihre Produkte über Großhändler vertreiben und diese wiederum Apotheken beliefern. Genauso gehe auch sie, die Klägerin, vor. Genauso stünden aber auch die Pharmakonzerne als Inhaber der Zulassungs- und Vertriebsrechte als rechtlich unverzichtbarer Inverkehrbringer der Arzneimittel für diese ein, obwohl das physische Verbringen von meistenteils unabhängigen Großhändlern übernommen werde. So werde sie, die Klägerin, auch auf der Verpackung der N als Vertrieb genannt.

Zum weiteren Nachweis ihrer Aktivitäten werde eine Liste von 44 der ihr erteilten Marken in verschiedenen Ländern, insgesamt 123 eingetragene Schutzrechte, vorgelegt. Die Anmeldung, Aktivierung und Pflege dieser Markenrechte für ihre Firma an sich und ihre Produkte erfolge seit 1999. Insoweit hat die Klägerin eine Liste erteilter Marken vorgelegt. Wegen der näheren Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen (Bl. 81 der FG-Akte).

Die Klägerin trägt vor, dass sie seit ihrer Gründung hauptsächlich in vier Geschäftsfeldern tätig sei:

2324

•1. Erstellung von Zulassungsunterlagen für Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel, ergänzend bilanzierte Diäten und Kosmetika,

•2. Einreichung sowie Durchführung und Begleitung der Anträge dieser Produkte bei den zuständigen Behörden,

•3. Halten von Zulassungen und Vertrieb von Arzneimitteln in der Schweiz,

•4. Anmeldung, Aktivierung und Pflege von Marken (Warenzeichen), national und international.

Soweit der Beklagte auf das Unternehmen K AG von Herrn C hinweise, sei dem entgegenzuhalten, dass dieses Unternehmen bereits 2011 seine Aktivitäten eingestellt habe, nachdem Herr C immer mehr durch ihre, der Klägerin, sich ausweitenden Aktivitäten beansprucht worden sei und werde.

Der tatsächliche Geschäftsbetrieb, der zwar klein und überschaubar, deshalb aber nicht weniger real sei, stelle nur sehr geringe Anforderungen an seine Infrastruktur. Sie werde durch ihren Verwaltungsrat – einer der führenden Fachleute auf diesem Gebiet in der Schweiz – vor Ort geführt. Auch erbringe dieser die wesentlichen Leistungen im Bereich Arzneimittelzulassung. Sie, die Klägerin, habe in der Zeit von 2011 bis 2015 ihren Sitz in dessen Wohnhaus gehabt und sei in dieser Zeit aus dem Arbeitszimmer im Wohnhaus von Herrn C geführt worden. Bei der aktiven Tätigkeit durch eine Person bedürfe es keiner großen Büroräumlichkeiten. Ein Schreibtisch und der ohnehin vorhandene Telefon- und Internetanschluss würden genügen. Insoweit sei die Zusammenarbeitsvereinbarung vom 17. Mai 1999 für die Nutzung der Büroräume ab 2011 auch in der Zeit der Nutzung des Wohnhauses von Herrn C weiter vollzogen und Miete gezahlt worden. Insoweit legt die Klägerin Kontenblätter vor, aus denen sich ihr Raumaufwand ergibt. Hierauf wird Bezug genommen (Bl. 74 ff. der FG-Akte).

Unter Bezugnahme auf die EuGH-Entscheidungen C-504/16, C-613/16 und C-440/17 trägt die Klägerin vor, dass die Kapitalverkehrsfreiheit verletzt sei und § 50d Abs. 3 EStG nicht zur Anwendung gelange.

Im Laufe des Klageverfahrens sind für die Klägerin von ihrer Vergütungsschuldnerin u.a. folgende Steuerabzugsbeträge einbehalten und an das örtlich zuständige Finanzamt abgeführt worden:

I/2016: 2.226,93 €

II/2016: 2.892,68 €

III/2016: 2.770,29 €

Die Klägerin beantragt,

1.) unter Änderung der Freistellungsbescheinigung vom 5. Januar 2015 und unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2015 den Beklagten zu verpflichten, die Freistellungsbescheinigung bezüglich der Lizenzgebühren für die Überlassung der Wort- und Bildmarke an die A GmbH zu 100 % zu erteilen;

2.) hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG (2012) erfüllt seien.

Dem Hauptaktionär der Klägerin, Herrn B, stünde eine Entlastung nicht zu.

Deren anderer Gesellschafter, Herr C, sei schweizerischer Staatsbürger und in der Schweiz ansässig. Ihm verleihe das DBA-Schweiz dieselben Rechte wie der Klägerin, so dass im Umfang des Anteilsbesitzes von Herrn C, also zu 0,1 %, die beantragte Freistellung bereits festgesetzt worden sei.

Es liege auch keine eigene wirtschaftliche Aktivität der Klägerin (§ 50d Abs. 3 Satz 1 EStG) vor. Die gesamten Bruttoerträge würden nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, da die Klägerin ihre Erträge ausschließlich in Form von Lizenzerlösen aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erziele, die durch andere Gesellschaften ihres sie beherrschenden Gesellschafters, Herrn B, entwickelt worden seien. Zwar gebe die Klägerin an, während des streitigen Zeitraums neben der Verwertung der von ihr gehaltenen Markenrechte auch Erträge aus Dienstleistungen zu erzielen, indem ihr Verwaltungsrat, Herr C, Unternehmen mit seinem Fachwissen bei der rechtlichen Zulassung medizinischer Produkte in der Schweiz entgeltlich unterstütze. Allerdings erscheine es wenig wahrscheinlich, dass Herr C die auf seinem persönlichen Einsatz beruhenden Dienstleistungen im Rahmen der Unterstützung anderer Unternehmen bei deren Bestreben, ihre medizinischen Produkte in der Schweiz rechtlich zuzulassen, unter der Firma der Klägerin, an welcher er lediglich einen Anteil von 0,1 % halte, vermarkte. Vielmehr sei davon auszugehen, dass Herr C solche Aufträge auch weiterhin unter dem Dach seines ihm allein gehörenden Unternehmens erbringe.

Lediglich die Vermarktung selbst entwickelter Produktrechte könne zu unschädlichen Erträgen i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG führen. Insoweit würden jedoch keine Informationen vorliegen.

Auch soweit die Klägerin eine Auflistung der von ihr gehaltenen Produktrechte vorgelegt habe, sei davon auszugehen, dass die Klägerin keines dieser Produkte selbst entwickelt habe.

Mit Blick auf den Vortrag der Klägerin zu dem Produkt N reiche die bloße Berechtigung zum Vertrieb nicht für den Nachweis einer wirtschaftlichen Aktivität aus. Der Verkauf des Produktes erfolge über Apotheken, welche ihrerseits von Großhändlern beliefert würden. Die Klägerin sei nicht Teil der Lieferkette. Auch aus den aktenkundigen Aufschlüsselungen der Erträge der Klägerin sei ersichtlich, dass die Klägerin selbst keine Arzneimittel in den Verkauf bringe.

Angesichts ihrer sparsamen personellen und materiellen Ausstattung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin selbst die Studien für die Zulassung von Arzneimitteln durchgeführt habe, sondern diese vielmehr von Dritten durchgeführt worden seien. Insoweit sei auch nicht erkennbar, wie die Klägerin das Produkt N entwickelt haben solle.

Es bestünden auch keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe (§ 50d Abs. 3 Satz 1 EStG) für die Einschaltung der Klägerin. Die Klägerin gehe nicht auf die außersteuerlichen Gründe ein, wann, wie und warum die streitigen Markenrechte des Produktes E auf sie übertragen worden seien, um Gegenstand des Vertrages mit der GmbH zu werden.

Darüber hinaus nehme die Klägerin nicht mit einem für ihren Geschäftszweig angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Die Klägerin verfüge an ihrer schweizerischen Sitzadresse nicht über einen eingerichteten Geschäftsbetrieb. Sie nutze lediglich ein Arbeitszimmer im Wohnhaus ihres Verwaltungsrates, Herrn C. Außerdem würden keine eigenen Festnetzanschlüsse bestehen und es würden keine Arbeitnehmer beschäftigt.

Es erscheine zwar glaubhaft, dass die Klägerin für die Ausübung ihrer Tätigkeiten nur eine kleine Bürofläche und überschaubare Ressourcen benötige. Jedoch sei es bislang nicht belegt, inwieweit der Klägerin im Zeitpunkt der Antragstellung entgeltlich abgetrennte Räumlichkeiten im Privathaus ihres Verwaltungsrates zur Verfügung gestanden hätten.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet.

A.

Mit Blick auf die Zulässigkeit der Klage ist insbesondere das Rechtsschutzinteresse gegeben. Dem steht nicht die für die Steueranmeldungen geltende Festsetzungsfrist entgegen.

Hat der Vergütungsschuldner die Abzugsteuern entsprechend den Vorgaben des § 50a Abs. 4 und 5 EStG einbehalten, angemeldet und an die Finanzämter abgeführt und können die in den Steueranmeldungen zu sehenden Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nicht mehr gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO geändert werden, weil der Vorbehalt der Nachprüfung inzwischen wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist entfallen ist, fehlt es am Rechtsschutzinteresse für eine Freistellungsbescheinigung (vgl. BFH-Urteil vom 25. April 2018 – I R 59/15, BStBl II 2018, 624).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Nach Abtrennung eines Teils des Klageverfahrens durch Beschluss vom 12. September 2018 ist (nur) noch der Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2016 Gegenstand der Klage. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist bezüglich der Steueranmeldungen die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen.

Die regelmäßige Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsverjährung beginnt nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Ist hingegen eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen, beginnt die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung oder die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Hinsichtlich des „ältesten“ Zeitraums – des IV. Quartals 2013 – für den die Vergütungsschuldnerin A im Folgejahr eine Steueranmeldung eingereicht hat, endet die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2018, so dass insoweit ein Rechtsschutzinteresse besteht. Für die Quartale ab 2014 gilt dies folglich erst recht.

B.

Die Klage ist zudem begründet.

Die Freistellungsbescheinigung vom 5. Januar 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

Die Ablehnung des Erlasses der Freistellungsbescheinigungen durch den Beklagten war rechtswidrig i.S.d. § 101 Satz 1 FGO. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu. Dem steht insbesondere nicht § 50d Abs. 3 EStG (2012) entgegen, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

I.

Nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Schuldner einer Vergütung i. S. des § 50a Abs. 4 EStG – um eine solche geht es im Streitfall (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG) – auch dann zur Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der gesetzlich vorgesehenen Abzugsteuer (§ 50a Abs. 5 EStG) verpflichtet, wenn die Vergütung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht oder nur mit einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden kann.

Der Vergütungsschuldner kann indes den Steuerabzug unterlassen oder nach einem niedrigeren Steuersatz vornehmen, wenn das Bundeszentralamt für Steuern dem Gläubiger auf Grund eines von ihm nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gestellten Antrags bescheinigt, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen (Freistellung im Steuerabzugsverfahren im Wege der Freistellungsbescheinigung, § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG).

II.

Eine solche Freistellungsbescheinigung i.S.d. § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG ist im Streitfall im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 DBA-Schweiz zu erteilen, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies wird auch von den Beteiligten nicht bestritten.

III.

Der Erteilung der Freistellungsbescheinigung steht nicht § 50d Abs. 3 EStG 2012 entgegen.

1.

Gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (2012) hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Freistellung, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie

1. in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder

2. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

Dabei sind ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgebend; organisatorische, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Merkmale der Unternehmen, die der ausländischen Gesellschaft nahe stehen (§ 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes), bleiben außer Betracht (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG). An einer eigenen Wirtschaftstätigkeit fehlt es, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt (§ 50d Abs. 3 Satz 3 EStG).

Die Versagung der Erstattung der Kapitalertragsteuer wird also gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (2012) in drei Stufen geprüft:

1.)    Fehlende persönliche Entlastungsberechtigung,

2.)    das Nichtvorliegen von Erträgen aus eigener Wirtschaftstätigkeit und

3.)    fehlende beachtliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft oder das Nichtvorliegen eines für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichtetenGeschäftsbetriebs.

2.

Gegen die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG im Streitfall bestehen im Hinblick auf die europarechtlichen Grundfreiheiten keine Bedenken. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus der jüngsten EuGH-Rechtsprechung zu § 50d Abs. 3 EStG (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2017, C-504/16 und C-613/16, Deister Holding, ABl EU 2018, Nr C 72, 24; DStR 2018, 119; Beschluss vom 18. Juni 2018, C-440/17, ABl EU 2018, Nr C 328, 24, DStR 2018, 1479) nichts anderes. Da die Klägerin in der Schweiz ansässig ist, die weder Mitglied der EU noch des EWR ist, sind die europarechtlichen Grundfreiheiten grundsätzlich nicht generell anwendbar.

a.

Im Streitfall wäre grundsätzlich die Dienstleistungsfreiheit tangiert. In Drittstaaten ansässige Personen können sich hierauf indes nicht berufen. Im Gegensatz zu dem den freien Kapitalverkehr betreffenden Kapitel des Vertrages enthält dasjenige über den freien Dienstleistungsverkehr keine Bestimmung, wonach dessen Vorschriften Dienstleistungserbringern, die nicht in der Europäischen Union ansässige Drittstaatsangehörige sind, zugute kämen (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, C-452/04, Slg 2006, I-9521-9582, DStRE 2007, 261). Der freie Dienstleistungsverkehr i.S.d. Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) soll ausschließlich zugunsten der Angehörigen der Mitgliedstaaten gewährleistet werden (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, C-452/04, Slg 2006, I-9521-9582, DStRE 2007, 261). Daher kann sich ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat – wie die Klägerin – nicht hierauf berufen.

b.

Als europarechtlicher Prüfungsmaßstab kommt allein die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV, ex-Art. 56 EG) in Betracht. Denn nur diese Grundfreiheit ist auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007, C101/05, A, Slg. 2007, I-11531, IStR 2008, 66). So bestimmt Art. 63 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 56 EG), dass alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind.

c.

Allerdings tritt die Kapitalverkehrsfreiheit im Streitfall gegenüber der Dienstleistungsfreiheit zurück. Denn der Kapitalverkehr erschöpft sich im Streitfall in der Bezahlung der Lizenzgebühr durch die A als Gegenleistung für die Überlassung der Marke E durch die Klägerin.

aa.

Betrifft eine innerstaatliche Maßnahme sowohl den freien Dienstleistungsverkehr als auch den freien Kapitalverkehr, ist zu prüfen, inwieweit diese Maßnahme die Ausübung dieser Grundfreiheiten berührt und ob eine von ihnen hinter die andere zurücktritt (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, C-452/04, Slg 2006, I-9521-9582, DStRE 2007, 261 m.w.N. der EuGH-Rspr.). Eine Maßnahme ist grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Freiheiten zu prüfen, wenn sich herausstellt, dass unter den Umständen des Einzelfalls eine der beiden Freiheiten der anderen gegenüber völlig zweitrangig ist und ihr zugeordnet werden kann (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, C-452/04, Slg 2006, I-9521-9582, DStRE 2007, 261; vom 8. September 2009, C-42/07, Slg. 2009, I-7633).

Der Transfer von Zahlungsmitteln stellt keinen Kapitalverkehr i.S. des Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 Abs. 1 EG) dar, wenn diesem Transfer eine Zahlungsverpflichtung entspricht, die sich aus einer Transaktion auf dem Gebiet des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ergibt (vgl. EuGH-Urteil vom 31. Januar 1984, C-286/82, Luisi und Carbone, Slg. 1984, I-377).

bb.

Vor diesem Hintergrund tritt im Streitfall die Kapitalverkehrsfreiheit zurück, so dass die Klägerin sich nicht hierauf berufen kann. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist gegenüber der konkurrierenden Dienstleistungsfreiheit im Streitfall völlig zweitrangig. Das Leistungsverhältnis wird nämlich durch die Gewährung einer Lizenz geprägt. Die Zahlung der Lizenzgebühr stellt lediglich einen Transfer von Zahlungsmitteln dar, der für die Gewährung der Lizenz als Dienstleistung erbracht wird und folglich der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit entgegensteht.

cc.

An der Nachrangigkeit der Kapitalverkehrsfreiheit ändert sich auch dann nichts, wenn die Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit – wie im Streitfall – nur deshalb keine Anwendung finden, weil die Dienstleistung in einem Drittstaat ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 – X R 3/11, BStBl II 2012, 585).

d.

Angesichts dessen ist § 50d Abs. 3 EStG dem Grunde nach im Lichte der EuGHRechtsprechung zu § 50d Abs. 3 EStG nicht unanwendbar oder einzuschränken, denn es gibt keine Grundfreiheit, auf die sich die Klägerin berufen könnte. Die Ausführungen des EuGH zu den Grenzen einer Missbrauchsvorschrift knüpfen jedoch an die Frage der Verletzung einer Grundfreiheit bzw. der Mutter-Tochter-Richtlinie an. Die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie ist ebenfalls auf in den Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften beschränkt und folglich nicht auf die Klägerin anwendbar. Mangels einschlägiger Grundfreiheit bzw. Mutter-Tochter-Richtlinie greifen die Erwägungen des EuGH im Streitfall nicht.

3.

Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG sind im Streitfall indes nicht erfüllt.

a.

Zwar ist die Voraussetzung der fehlenden persönlichen Entlastungsberechtigung des Herrn B gegeben, da er in Deutschland ansässig ist und Lizenzeinkünfte, die er aus der Schweiz beziehen würde, gemäß Art. 12 Abs. 1 DBA-Schweiz in Deutschland nicht steuerfrei wären.

b.

Die Klägerin erfüllt jedoch nicht den Ausschlusstatbestand, dass ihre im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen (§ 50d Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz, 2. Tatbestandsmerkmal EStG), da es sich bei der Lizenzvergabe nicht lediglich um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handelt, sondern die Klägerin vielmehr auch die den Lizenzen zugrunde liegenden Zulassungsverfahren für die entsprechenden Produkte sowie deren Vertrieb betreut.

aa.

Das Gesetz definiert nicht, welche Voraussetzungen eine wirtschaftliche Tätigkeit erfüllen muss.

(1)

Es enthält lediglich eine Negativabgrenzung in § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG. Hiernach fehlt es an einer eigenen Wirtschaftstätigkeit, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt.

Das Tatbestandsmerkmal der „Verwaltung von Wirtschaftsgütern“ ist sehr weit gefasst. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung Einkünfte von der Entlastungsmöglichkeit ausschließen, die letztlich nicht „am Markt“ erzielt werden, also nicht aus der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr stammen (BT-Drucks. 16/2712, Seite 60). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich dabei regelmäßig um Einkünfte aus der Vermögensverwaltung bzw. der Verwaltung von Wirtschaftsgütern handelt.

(2)    Maßgeblich sind die Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit „im betreffenden Wirtschaftsjahr“. Zu der Bedeutung dieses Begriffs gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Im Schrifttum wird hierzu die Auffassung vertreten, dass auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BZSt abzustellen sei (vgl. Boochs, in Lademann, EStG, § 50d Rn. 214). Gemäß dem BMF (BMF vom 24. Januar 2012 - IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl I 2012, 171 Tz.5) ist im Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 2 EStG das Jahr der Antragstellung maßgeblich.

bb.    Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz, 2. Tatbestandsmerkmal EStG nicht erfüllt.

Die Klägerin erzielt die Lizenzerträge im betreffenden Wirtschaftsjahr – sowohl im Sinne des Zeitpunkts der Entscheidung des Beklagten im Jahre 2015 als auch im Sinne des Jahres der Antragstellung 2013 – aus der Nutzung von Rechten an Arzneimitteln und Wirkstoffpräparaten. Ihre Tätigkeit erschöpft sich jedoch nicht in der schlichten Vergabe von Lizenzen. Vielmehr wurden bzw. werden die Arzneimittel und Wirkstoffpräparate, die der Lizenzvergabe zugrunde liegen, durch sie oder in ihrem Auftrag entwickelt.Außerdem erzielt sie die Erträge für die Betreuung von Arzneimittelzulassungsverfahren, u.a. bezüglich der N und der E. Insbesondere die Lizenzerträge aus der Überlassung der Marke E sind Gegenstand der streitigen Freistellungsbescheinigung. Die Betreuung von Arzneimittelzulassungsverfahren erfordert dabei die Erstellung von Zulassungsunterlagen sowie die Einreichung, Durchführung und Begleitung der Anträge bei den zuständigen Behörden.

Angesichts dieser aktiven wirtschaftlichen Tätigkeit ist es – entgegen der Auffassung des Beklagten – unerheblich, dass die Klägerin die klinischen Studien für ein neu zuzulassendes Produkt nicht selbst durchführt. Es reicht aus, dass sie sich im Rahmen des durch sie betreuten Arzneimittelzulassungsverfahrens der bereits durch andere Gesellschaften durchgeführten Studien bedient. Denn ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt darin, Marken zur Marktfähigkeit zu führen, indem sie entsprechende Arzneimittelzulassungsverfahren betreut.

Der Einwand des Beklagten, dass die Klägerin nicht Teil der Lieferkette sei, verfängt nicht. Um zumindest Teil des Vertriebs zu sein, ist keine eigene physische Liefertätigkeit erforderlich. Vielmehr reicht es aus, Inhaber der Vertriebsrechte und folglich als rechtlicher Inverkehrbringer der Arzneimittel tätig zu sein.

Entgegen des Einwands des Beklagten ist Herr C auch tatsächlich für die Klägerin und nicht für die K AG tätig gewesen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die K AG ihre Aktivitäten 2011 eingestellt hat und 2015 im Handelsregister gelöscht wurde.

c.

Das mangelnde Vorliegen der Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz, 2. Tatbestandsmerkmal EStG reicht bereits aus, um die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG auszuschließen. Ungeachtet dessen sind jedoch auch die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, Nr. 1 und 2 EStG nicht gegeben, so dass auch diesbezüglich eine Versagung der Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 3 EStG ausscheidet.

§ 50d Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, Nr. 1 und 2 EStG versagt die Freistellung, wenn beachtliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft fehlen oder ein für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht vorliegt. Das bedeutet, dass die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG nur ausgeschlossen ist, wenn keines der beiden TB-Merkmale erfüllt ist.

aa.

Gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, Nr. 1 EStG ist die Entlastung von Kapitalertragsteuer ausgeschlossen, soweit in Bezug auf die Bruttoerträge, die nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

Für die Einschaltung der Klägerin bestehen wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe. Beschränkt man die Betrachtung – unter Beachtung des Verbots der Merkmalsübertragung des § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG – nur auf die Klägerin und nicht auf ihre Bedeutung für die „Unternehmensgruppe“ (Stärkung des Exports), so wurde die Klägerin durch Herrn B bzw. die Familie B eingeschaltet, um in der Schweiz Arzneimittelzulassungsverfahren betreiben zu können. Der Standort Schweiz hatte den Vorteil, dass das Arzneimittelzulasssungsverfahren in der Schweiz weniger aufwendig als in Deutschland ist. Allerdings hätte Herr B insoweit nicht in eigener Person tätig werden können, da das Arzneimittelzulassungsverfahren in der Schweiz einen in der Schweiz ansässigen Rechtsträger als Zulassungsempfänger erfordert. Deshalb wurde die Klägerin als in der Schweiz domizilierte juristische Person eingeschaltet. Hinzu kam, dass es auf diese Weise möglich war bzw. ist, die Dienste des in der Schweiz ansässigen Herrn C zu nutzen, der aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse der Verfahren und Prozesse im schweizerischen Arzneimittelzulassungsverfahren große Vorteile gebracht hat. Dass es möglicherweise auch möglich gewesen wäre, dessen Fachkenntnisse mit anderen rechtlichen Gestaltungen zu nutzen, ist irrelevant, weil insoweit dem Unternehmer ein unternehmerischer Entscheidungsspielraum zuzubilligen ist.

bb.

Gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, Nr. 2 EStG ist die Entlastung von Kapitalertragsteuer trotz Nicht-Vorliegens der Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, Nr. 1 EStG ausgeschlossen, wenn die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Indes ist auch diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt.

Geht man vom Tätigkeitsbereich der Klägerin aus, so sind das Betreiben von Zulassungsverfahren, das Vermarkten von Marken und der Vertrieb von Arzneimitteln organisatorische Tätigkeiten, die keine umfangreiche Infrastruktur benötigen, sondern von einem fachkundigen Mitarbeiter „vom Schreibtisch“ aus durchgeführt werden können. So verhält es sich im Streitfall. Auch der Beklagte hat dies anerkannt. Dass die Klägerin mit Blick auf den streitigen Zeitraum teilweise das Arbeitszimmer von Herrn C in dessen privatem Wohnhaus genutzt hat, ist unschädlich. Herr C als ihr Verwaltungsrat hat ihr dieses inklusive Telekommunikationsanschlüsse zur Verfügung gestellt und hierfür auch einen Mietzins erhalten. Ab 2015 – also innerhalb des Streitzeitraums – verfügt die Klägerin außerdem (wieder) über externe Büros in der Geschäftsadresse M-Straße ... in T/Schweiz.

Das Verbot der Merkmalsübertragung gemäß § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG steht dem nicht entgegen. Gemäß § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG sind ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgebend; organisatorische, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Merkmale der Unternehmen, die der ausländischen Gesellschaft nahe stehen (§ 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes), bleiben außer Betracht. Herr C ist indes weder ein Unternehmen noch steht er der Klägerin nahe in diesem Sinne.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VI.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.

Wegen der Bemessung der Höhe des Streitwerts wird Bezug genommen auf den BFH-Beschluss vom 18. Juni 1999 (I E 1/99, BFH/NV 1999, 1505). Hiernach bemisst sich die Bedeutung der Sache i.S. des § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aufgrund der Freistellungsbescheinigung „ergebenden“ Steuerersparnis. Die Klägerin hatte vorgetragen, dass der Streitwert 86.812 € betrage und dies damit begründet, dass der Streitwert aufgrund der Freistellungsbescheinigung vom 17. Juni 2015 ermittelt worden sei, mit der in der Folge der hier angefochtenen Einspruchsentscheidung die Erstattung dieses Betrages für den Zeitraum 01.04.2009 bis 31.03.2013 verweigert worden sei. Diese Erklärung erscheint nicht plausibel. Ungeachtet dessen, dass bereits zweifelhaft ist, ob tatsächlich eine Freistellungsbescheinigung oder nicht doch ein Freistellungsbescheid gemeint sei, betrifft die Ablehnung der Erstattung einen Zeitraum von vier Jahren, der zudem zeitlich vor dem streitigen Zeitraum (21. August 2013 bis 31. Juli 2016) liegt. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Betrag aus einem früheren und zudem längeren Zeitraum maßgeblich sein soll. Die streitige Freistellungsbescheinigung betrifft Lizenzzahlungen der A, die sich nach der Höhe des Umsatzes bemessen (vgl. Vereinbarung vom 24. Januar 2008, Abschn. 7.8). Insoweit geht der Senat von den bekannten Steuerabzugsbeträgen in 2016 aus und ermittelt daraus, in Ermangelung weiterer Angaben, einen Streitwert für drei Jahre.

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