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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
24.09.2021
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Zur steuerbilanziellen Berücksichtigung von Rückstellungen für betriebsprüfungsbedingte Verbindlichkeiten

FG Münster, Urteil vom 24.6.2021 – 10 K 2084/18 K,G, Rev. eingelegt (Az. BFH XI R 19/21)

ECLI:DE:FGMS:2021:0624.10K2084.18K.G.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2021-2288-1

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Bei Kleinst- und Kleinbetrieben i. S. d. BpO fehlt die für eine Rückstellungsbildung erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus Verbindlichkeiten für betriebsprüfungsbegleitende Steuerberatungskosten, weil bei ihnen nicht mit kontinuierlichen Anschlussprüfungen zu rechnen ist.

2. Dies gilt unabhängig von der Größenklasse nach der BpO auch für steuerliche Haftungsbeträge, die aufgrund einer Betriebsprüfung nachträglich festgesetzt werden. Frühestens mit Beginn der Betriebsprüfung hat hier der Gläubiger Kenntnis von diesen Ansprüchen, was dann die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme daraus begründet.

EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1; KStG § 8 Abs. 1; GewStG § 7 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung einer Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung (Streitjahr 2012), und darüber, ob von der Klägerin im Wege eines Haftungsbescheides nachgeforderte Lohnsteuerabzugsbeträge als Betriebsausgaben des Streitjahres 2014 zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, die in C ein Taxiunternehmen mit … Konzessionen betreibt. Geschäftsführer des Unternehmens war in den Streitjahren Herr B, der auch zu 40 v.H. an der GmbH beteiligt war. Bis einschließlich 2012 handelte es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen Kleinstbetrieb im Sinne der Betriebsprüfungsordnung (BpO), für die Jahre 2013 bis 2015 lag ein sog. Kleinbetrieb vor. Ihren Gewinn ermittelte die Klägerin in den Streitjahren durch Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Februar 2017 ordnete der Beklagte bei der Klägerin sowohl eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 1.1.2013 bis 31.12.2014 als auch eine Betriebsprüfung für die Jahre 2012 bis 2014 (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer) an. Ab April 2017 führte der Beklagte beide Prüfungen im Rahmen einer sog. Kombiprüfung bei der Klägerin durch. Dabei wurde festgestellt, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer B ein betriebliches Fahrzeug der Klägerin auch für Privatfahrten genutzt hatte, dieser Vorgang bisher aber steuerlich unberücksichtigt geblieben war. Da für dieses Fahrzeug kein Fahrtenbuch geführt worden war, ermittelte die Betriebsprüfung auf der Grundlage der 1%-Regelung für die Privatnutzung des Herrn B einen jährlichen Sachbezugswert von 4.640 € brutto. Weiterhin kam die Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass in den im Prüfungszeitraum bisher von der Klägerin erklärten Umsatzerlösen Taxifahrten in einem Umfang von insgesamt rd. 54.000 Kilometer nicht enthalten waren. Im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung einigten sich die Beteiligten am 6.7.2017 dahingehend, dass bei der Klägerin für das Streitjahr 2012 Mehrerlöse in Höhe von 20.000 € (netto), in 2013 in Höhe von 15.000 € und in 2014 in Höhe von 20.000 € gewinnerhöhend zugrunde gelegt werden sollten. Korrespondierend zu der Erfassung dieser Mehrerlöse berücksichtigte die Betriebsprüfung zugunsten der Klägerin einen zusätzlichen Lohnaufwand in Höhe von 6.000 € (2013) bzw. von 8.000 € (2014). Sowohl den geldwerten Sachbezug im Zusammenhang mit der privaten Pkw-Nutzung als auch den Lohnaufwand im Zusammenhang mit den Mehrerlösen unterwarf die Lohnsteueraußenprüfung dem Lohnsteuerabzug und ermittelte Mehrsteuern in Höhe von 5.394,34 €, die sich wie folgt zusammensetzten:

Private PKW-Nutzung:

 

Lohnsteuer

Solidaritätszuschlag

2013

1.014,08 €

19,60 €

2014

1.010,04 €

2,40 €

 

Lohnaufwand:

 

Lohnsteuer

Solidaritätszuschlag

2013

1.344,00 €

73,92 €

2014

1.830,00 €

100,65 €

 

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Lohnsteuer-Außenprüfungsbericht vom 14.7.2017 Bezug genommen. Im Betriebsprüfungsbericht vom 14.7.2017 wurde unter Tz. 2.5 ausgeführt: …“Die entstehende Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag wird im Wege der Haftung gegen die Arbeitgeberin festgesetzt. Im Zeitpunkt der Einigung über die Haftungsinanspruchnahme sind diese Beträge in der Bilanz auszuweisen (2017).“ Wegen weiterer Einzelheiten hierzu wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 14.7.2017 in den Steuerakten Bezug genommen.

Der Beklagte wertete die Feststellungen der Kombiprüfung aus und erließ unter dem 19.7.2017 einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid gemäß § 42d EStG gegenüber der Klägerin, mit dem er diese für Mehrsteuern in Höhe von insgesamt 5.394,69 € in Anspruch nahm. Weiterhin erließ er unter dem 25.8.2017 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 2012 bis 2014 sowie unter dem 15.9.2017 geänderte Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2012 bis 2014.

Gegen die geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2012 und 2014 legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, dass aufgrund der bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung erhebliche Mehrkosten für Beratungstätigkeiten entstanden seien, so dass hierfür im Streitjahr 2012 eine Rückstellung in Höhe von 15.000 € gewinnmindernd zu berücksichtigen sei. Für das Streitjahr 2014 seien die vom Beklagten nachgeforderten Beträge aus dem Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 19.7.2017 i.H.v. insgesamt 5.394,34 € als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Mit Einspruchsentscheidung vom 26.6.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH - (u.a. Urteil vom 6. Juni 2012 - I R 99/10 [BB 2012, 2490 m. BB-Komm. Oser]) sowie den Ausführungen des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 7.03.2013 (Az.: IV C 6-S 2137/12 [BB 2013, 1138 m. BB-Komm. Behrens]) Betriebe, die nach der BpO als Großbetriebe einzustufen seien, Rückstellungen für Steuerberatungskosten in Zusammenhang mit zu erwartenden Betriebsprüfungen bilden könnten, auch wenn im Zeitpunkt der Passivierung noch keine Prüfungsanordnung vorliege. Diese Rechtsprechung sei auf nach der BpO einzustufende Kleinst- und Kleinbetriebe wie dem der Klägerin nicht anwendbar. Auch die durch Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 19.7.2017 von der Klägerin nachgeforderten Beträge seien im Jahresabschluss für 2014 nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge, für die die Klägerin als Arbeitgeberin in Anspruch genommen werde, lägen zwar dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeiten vor, die aber erst dann gewinnmindernd zu berücksichtigen seien, wenn der Schuldner – hier die Klägerin – mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen habe. Dies sei vorliegend erst im Kalenderjahr 2017 der Fall gewesen, da erst in diesem Jahr die Prüfungsanordnung ergangen und mit der Prüfung begonnen worden sei.

Die Klägerin hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen der Auffassung des Beklagten lägen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für die zu erwartenden Steuerberatungskosten bereits zum Bilanzstichtag 31.12.2012 vor, da die Betriebsprüfung bereits durchgeführt, der diesbezügliche Rechtsstreit aber noch nicht beendet sei. Hinsichtlich der Nachforderungen aus dem Lohnsteuerhaftungsbescheid sei zwar mit einer Inanspruchnahme erst im Verlauf der im Kalenderjahr 2017 durchgeführten Betriebsprüfung zu rechnen gewesen. Nach dem Grundsatz der besseren Erkenntnis hätten diese Verbindlichkeiten aber im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Änderungsbescheide für 2012 und 2014 noch steuerlich berücksichtigt werden können, zumal beide Bescheide bisher nicht bestandskräftig geworden seien.

Der Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 19.7.2017 war zunächst Streitgegenstand in dem ebenfalls beim Finanzgericht Münster anhängigen Klageverfahren 10 K 2083/18 L. Dieses Verfahren hat sich dadurch erledigt, dass die Beteiligten sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.6.2021 darauf geeinigt haben, dass der Beklagte den Haftungsbescheid auf einen Lohnsteuerbetrag von 3.818,52 € vermindert. Die Lohnsteuerhaftung auf die private Pkw-Nutzung blieb hierbei wie bisher, während der Beklagte zusagte, die Lohnsteuerhaftung für den zusätzlichen Lohnaufwand im Zusammenhang mit den Mehrerlösen mit 1.772,40 € in geringerer Höhe zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Gerichtsakte 10 K 2083/18 L sowie auf das dortige Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24.6.2021 Bezug genommen.

In der darauffolgenden mündlichen Verhandlung im vorliegenden Klageverfahren hat der Klägervertreter ergänzend vorgetragen, dass, nachdem sich die Beteiligten in dem Verfahren 10 K 2083/18 L auf eine Haftungssumme von 3.818,52 € geeinigt haben, für das Streitjahr 2014 nur noch dieser Betrag gewinnmindernd anzusetzen sei.

Während des vorliegenden Klageverfahrens hat der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen unter dem 28.11.2018 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2014 erlassen.

Im vorliegenden Verfahren beantragt die Klägerin nur noch,

den Körperschaftsteuerbescheid für 2012 vom 25.8.2017 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2012 vom 15.9.2017, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.6.2018, dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb eine Rückstellung in Höhe von 15.000 € gewinnmindernd berücksichtigt wird,

sowie den Körperschaftsteuerbescheid für 2014, zuletzt geändert unter dem 28.11.2018, und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2014 vom 15.9.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.6.2018 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb eine Verbindlichkeit oder eine Rückstellung in Höhe von 3.818,52 € gewinnmindernd berücksichtigt wird,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

              die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass weder für das Streitjahr 2012 die Vor-aussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für den zu erwartenden Mehrbedarf an steuerlichen Beratungskosten vorlägen, noch dass für das Streitjahr 2014 Betriebsausgaben in Zusammenhang mit der Haftungsinanspruchnahme zu berücksichtigen seien. Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die wechselseitigen Schrift-sätze in der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Gerichts- und Steuerakten zum 10 K 2083/18 L Bezug genommen.

Aus den Gründen

Begründetheit derKlage

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Steuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)). Der Beklagte hat zu Recht für das Streitjahr 2012 die Berücksichtigung einer gewinnwirksamen Rückstellung in Höhe von 15.000 € abgelehnt und für das Streitjahr 2014 keine Betriebsausgaben in Höhe von 3.818,52 € im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme aus dem Lohnsteuerhaftungsbescheid berücksichtigt.

Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung liegen im Streitfall nicht vor

1. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer im Kalenderjahr 2017 bei der Klägerin durchgeführten Kombiprüfung des Beklagten liegen für das Streitjahr 2012 nicht vor.

Ansatz des Betriebsvermögens

a) Nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) -für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG)- i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB). Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG); sie gehen insoweit den handelsrechtlichen GoB vor.

Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewissen Verbindlichkeiten

b) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH entweder das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer -ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen- Verbindlichkeit (vgl. bspw. BFH-Urteil vom 27. Januar 2010 - I R 103/08, BStBl II 2010, 614, m.w.N. [BB-Entscheidungsreport Abele, BB 2010, 1017]). Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (BFH-Urteil vom 30. Januar 2002 - I R 68/00, BStBl II 2002, 688 [BB 2002, 1139 m. BB-Komm. Hommel]). Der Kaufmann muss darüber hinaus ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 - VIII R 14/92, BStBl II 1993, 891, m.w.N. [BB 1994, 37]). Für die Passivierung rechtlich noch nicht bestehender Verbindlichkeiten ist des Weiteren ein wirtschaftlicher Bezug der möglicherweise entstehenden Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BStBl II 2003, 121 [BB 2001, 1893 m. BB-Komm. Euler]; vom 30. Januar 2002 I R 71/00, BStBl II 2003, 279 [BB 2002, 1687 m. BB-Komm. Wüstemann]; vom 30. November 2005 I R 110/04, BStBl II 2007, 251 [BB 2006, 765]; vom 13. Dezember 2007 IV R 85/05, BStBl II 2008, 516 [BB 2008, 1110 m. BB-Komm. Engels]).

„Auslösendes Ereignis“ Betriebsprüfung war zum Bilanzstichtag noch nicht eingetreten

c) Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann für das Streitjahr 2012 die von der Klägerin begehrte Rückstellung nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Denn das im Streitfall „auslösende“ Ereignis für die hier in Rede stehenden Aufwendungen war die Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Klägerin (vgl. auch BFH, Urteil vom 24. August 1972 - III R 21/69, BStBl II 1973, 55; FG Münster, Urteil vom 26. Juli 2012 - 4 K 2071/09 E, U, EFG 2012, 1982). Dieses „auslösende“ Ereignis war vorliegend aber noch nicht im Jahr 2012 eingetreten. Denn die Prüfungsanordnung für die Betriebsprüfung ist erst unter dem 14.2.2017, die für die Lohnsteuer-Außenprüfung unter dem 24.2.2017 an die Klägerin erlassen und die Kombiprüfung nachfolgend ab April 2017 bei der Klägerin durchgeführt worden.

Bis zum Bilanzstichtag 31.12.2012 konnte bzw. musste die Klägerin auch nicht mit einer späteren Betriebsprüfung für diesen Veranlagungszeitraum rechnen. Denn im Gegensatz zu der Entscheidung des BFH vom 6. Juni 2012 (I R 99/10, BFHE 237, 335, BStBl II 2013, 196 [BB 2012, 2490 m. BB-Komm. Oser]), bei der es um die Frage ging, ob ein Großbetrieb i.S.d. § 3 BpO aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 2 BpO mit einer Anschlussprüfung rechnen musste, handelte es sich bei dem Betrieb der Klägerin im Streitjahr 2012 um einen Kleinstbetrieb und in den beiden Folgejahren um einen Kleinbetrieb i.S.d BpO. Daher galt für diese die Regelung des § 4 Abs. 2 BpO nicht. Allein der Umstand, dass die Steuerbescheide der Streitjahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, reichte ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ebenfalls nicht aus (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 6. Juni 2012 – I R 99/10, BFHE 237, 335, BStBl II 2013, 196 [BB 2012, 2490 m. BB-Komm. Oser]). Unerheblich ist, dass die im Kalenderjahr 2017 durchgeführte Kombiprüfung bei der Klägerin auch das hier betroffene Streitjahr 2012 zum Prüfungsgegenstand hatte.

Zum Bilanzstichtag lagen weder die Voraussetzungen für die Passivierung einer Verbindlichkeit noch die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vor

2. Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Haftungsinanspruchnahme einen zusätzlichen Betriebsausgabenabzug in Höhe von 3.818,52 € im Streitjahr 2014 begehrt, hat der Beklagte dies zu Recht abgelehnt. Zum Bilanzstichtag 31.12.2014 lagen weder die Voraussetzungen für die Passivierung einer Verbindlichkeit noch die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vor.

Der Passivierung einer Verbindlichkeit steht entgegen, dass zu diesem Stichtag noch keine rechtlich wirksame und verbindliche Zahlungsverpflichtung der Klägerin bestand

a. Der Passivierung einer Verbindlichkeit in dieser Höhe auf den 31.12.2014 steht bereits der Umstand entgegen, dass zu diesem Stichtag noch keine rechtlich wirksame und verbindliche Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber der Finanzverwaltung bestand. Denn der Haftungsbescheid, mit dem der Beklagte erstmals einen entsprechenden Anspruch gegenüber der Klägerin geltend gemacht hat, und der eine entsprechende verbindliche Zahlungsverpflichtung der Klägerin begründet hat, datiert vom 19.7.2017.

Für eine Rückstellungsbildung mangelte es an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme seitens des Beklagten

b. Auch die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten liegen im Streitfall nicht vor. Insoweit mangelte es für eine Rückstellungsbildung an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme seitens des Beklagten.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen sowohl Rückstellungen wegen zivilrechtlicher Schadensersatzverpflichtungen als auch wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erst gebildet werden, wenn derjenige, der Inhaber des gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Anspruchs ist, von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat oder eine solche Kenntniserlangung unmittelbar bevorsteht, so dass eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 38. Aufl., § 5 Rz 378 f.). Für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme reicht es nicht schon aus, dass es einen Gläubiger gibt; sondern dieser muss auch seinen Anspruch kennen. Aus dem Vorsichtsprinzip folgt lediglich, dass nicht nur die bestehende Kenntnis, sondern auch eine unmittelbar bevorstehende Kenntniserlangung des Gläubigers die Bildung einer Rückstellung rechtfertigt (ausführlich zum Ganzen BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891 [BB 1994, 37], betr. öffentlich-rechtliche Verpflichtungen; BFH-Urteil vom 25. April 2006 VIII R 40/04, BFHE 213, 364, BStBl II 2006, 749 [BB 2006, 2295 m. BB-Komm. Hommel]).

Ob eine Inanspruchnahme aus der ungewissen Verbindlichkeit zu erwarten ist, richtet sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung – oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§ 243 Abs. 3 HGB) aufzustellen gewesen wäre – bekannt werdenden wertaufhellenden Umstände (BFH-Urteile vom 02.10.1992 III R 54/91, BStBl II 1993, 153 [BB 1993, 181] und vom 22.08.2012 X R 23/10, BStBl II 2013, 76 [BB 2012, 2747 m. BB-Komm. von Glasenapp]).

Dies zugrunde gelegt sind nach der Rechtsprechung des BFH Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen für von ihm hinterzogene Steuern nicht für Bilanzstichtage zu bilden, die – vorbehaltlich einer etwaigen Wertaufhellung bis zur Bilanzaufstellung - vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem die Aufdeckung der Tat unmittelbar bevorsteht (ständige Rspr., vgl. hierzu u.a. BFH, Urteil vom 22. August 2012 – X R 23/10, BFHE 238, 173, BStBl II 2013, 76 [BB 2012, 2747 m. BB-Komm. von Glasenapp]; Beschluss vom 12. Mai 2020 – XI B 59/19, BFH/NV 2020, 909). Insbesondere reicht es nach Auffassung des BFH für die Rückstellungsbildung auch nicht aus, dass der Steuerpflichtige selbst von der Steuerhinterziehung Kenntnis hat, oder dass nach allgemeiner Erfahrung im Anschluss an Außen- oder Fahndungsprüfungen häufig mit der Festsetzung von Mehrsteuern zu rechnen ist. Vielmehr ist die Rückstellung erst zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem der Steuerpflichtige aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen muss. Dies ist frühestens dann der Fall, wenn der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat, was in der Rechtsprechung mit dem Begriff der „aufdeckungsorientierten Maßnahme“ bezeichnet wird (hierzu u.a. BFH, Urteile vom 16. Februar 1996 I R 73/95, BFHE 180, 110, BStBl II 1996, 592 [BB 1996, 1323], vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731 [BB 2002, 771 Ls], und Beschluss vom 13. Februar 2008 I B 175/07, nicht veröffentlicht, juris).

Dagegen ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, zu welchem Zeitpunkt Steuernachforderungen infolge einer Außenprüfung, die nicht auf einer Steuerhinterziehung beruhen, zu berücksichtigen sind. Während der 3. Senat des BFH hierzu die Auffassung vertreten hat, dass die nicht auf einer Steuerhinterziehung beruhenden Steuernachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung bereits im Steuerentstehungsjahr zu passivieren seien und nicht erst im Jahr der Aufdeckung der Vorgänge durch die Betriebsprüfung (so BFH-Urteil vom 15.3.2012 – III R 96/07, BStBl II 2012, 719 [BB 2012, 1981 m. BB-Komm. Ortmann-Babel], zu Umsatzsteuernachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung), hat der 1. Senat in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2009 – I R 43/08, BStBl II 2012, 688 eine zwingende Bilanzierung von Mehrsteuern aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr der Steuerentstehung nur dann für geboten gehalten, wenn der Steuerpflichtige bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns mit der Entstehung von Mehrsteuern rechnen musste. Die andernfalls zu erfolgende Bildung einer Rückstellung erst im Jahr des Aufgriffs des steuerlichen Sachverhaltes ist dagegen von ihm nicht beanstandet worden (ebenso FG Münster, Urteil vom 20.8.2019 12 K 2903, EFG 2019, 1920).

Der Senat lässt es im Streitfall dahinstehen, ob es sich im Streitfall bei den Lohnsteuern und dem Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer für den zusätzlichen Lohnaufwand im Zusammenhang mit den Mehrerlösen um „hinterzogene“ Steuerbeträge handelt. Jedenfalls für den anderen Teil der Lohnsteuer-Haftungsbeträge – den Lohnsteuern und dem Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer für die private Pkw-Nutzung – war das nämlich nicht der Fall. Hiervon ausgehend folgt der Senat unter Heranziehung der allgemeinen Grundsätze für die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten insoweit der o.g. Auffassung, wonach eine Rückstellung auch für nicht hinterzogene Steuernachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung erst in dem Jahr zu bilden ist, in dem der Sachverhalt durch die Betriebsprüfung aufgegriffen wird. Dementsprechend wirken sich im Streitfall die im Zusammenhang mit der Haftungsinanspruchnahme geltend gemachten Lohnsteuerbeträge bei der Klägerin frühestens zum Bilanzstichtag 31.12.2017 gewinnwirksam aus. Denn erst mit dem Erlass der Prüfungsanordnungen sowie dem Beginn der Kombiprüfung durch die Finanzverwaltung musste die Klägerin ernsthaft mit einer quantifizierbaren Inanspruchnahme wegen der Lohnsteuerbeträge seitens des Beklagten rechnen. Dem steht nicht entgegen, dass aus der Verwirklichung des vorliegenden Besteuerungstatbestandes denklogisch die hieraus resultierende steuerliche Verpflichtung bereits am Bilanzstichtag zumindest dem Grunde nach vorhanden war. Denn nach ständiger Rechtsprechung dürfen Rückstellungen wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erst dann gebildet werden, wenn der Gläubiger – hier die Finanzverwaltung – ihren Anspruch kennt bzw. die Kenntniserlangung durch diese unmittelbar bevorsteht (vgl. BFH Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92, a.a.O.). Dies war frühestens ab dem Kalenderjahr 2017 der Fall. Denn erst zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte die Kombiprüfung bei der Klägerin begonnen und erst damit ist der hier in Rede stehende steuerliche Sachverhalt von dem Beklagten „aufgegriffen“ worden. Damit lagen erst zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung unter dem Gesichtspunkt der „Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme“ vor.

Da demnach die hier in Rede stehenden Mehrsteuern frühestens im Kalenderjahr 2017 gewinnwirksam zu berücksichtigen sind, brauchte nicht geprüft zu werden, ob die Haftungsbeträge, soweit sie das Kalenderjahr 2013 betrafen, im Streitjahr 2014 zu berücksichtigt gewesen wären. Zudem konnte im Streitfall offen gelassen werden, in welcher Höhe – entweder in Höhe der durch Haftungsbescheid vom 19.7.2017 nachgeforderten Steuerbeträge oder in Höhe der geminderten Haftungssumme – die Rückstellung hätte gebildet werden müssen.

Kostenentscheidung

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Zulassung der Revision

III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO. Die Entscheidung der Frage, ob eine Rückstellung für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuerbeträge aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung oder in dem Jahr zu bilden ist, in dem der Sachverhalt von der Betriebsprüfung „aufgegriffen“ wird, ist bislang nicht abschließend geklärt.

BB Kommentar

Keine periodengleiche bilanzielle Berücksichtigung betriebsprüfungsbedingten Aufwands

Problem

Betriebsprüfungen führen in vielen Fällen zu Steuernachforderungen und aufgrund des Beratungsbedarfs im Zusammenhang damit zu ggf. nicht unerheblichen Kosten für die betriebsprüfungsbegleitende Steuerberatung. Insoweit ist der Wunsch der Steuerpflichtigen nachvollziehbar, etwaigem nach der Betriebsprüfung festgestellten erhöhten steuerlichen Gewinn unmittelbar in diesem Jahr dem Grunde nach abzugsfähige Steuernachforderungen und auch Kosten für den betriebsprüfungsbedingten Beratungsaufwand als gewinnmindernde Rückstellung oder direkt als Betriebsausgabe gegenüber zu stellen und in Abzug zu bringen, um dadurch die steuerlichen Auswirkungen einer Betriebsprüfung sofort wieder zu mindern. Diesen bilanzsteuerlichen Fragen, insbesondere ob hier eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bereits im geprüften Jahr gebildet werden darf, konnte das FG Münster in dieser Entscheidung nachgehen.

Zusammenfassung

Die klagende GmbH betrieb ein Taxiunternehmen und war in den später streitigen Jahren, die der Betriebsprüfung unterlagen, Kleinst- bzw. Kleinbetrieb i. S. d. § 3 BpO. Im Zuge einer bei der Klägerin im Jahr 2017 angeordneten und durchgeführten Betriebsprüfung über die Jahre 2012 bis 2014 stellte sich heraus, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin ein betriebliches Fahrzeug auch für private Fahrten benutzt hatte. Da die Klägerin kein Fahrtenbuch vorlegen konnte, war die 1 %-Regelung anzuwenden, was zu einem Sachbezug führte, der nachträglich Lohnsteuern auslöste. Für diese wurde die Klägerin im Weg der Haftung in Anspruch genommen. Ferner, so die Feststellung der Betriebsprüfung, waren Taxifahrten erheblichen Umfangs, denen wiederum abzugsfähige Lohnaufwendungen gegenüberstanden, nicht in den Umsatzerlösen enthalten gewesen. Dies führte zu weiterer Lohnsteuer einerseits und zu steuerpflichtigen Gewinnerhöhungen bei der Klägerin andererseits. Den von dem Beklagten per Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteueraufwand wollte die Klägerin im Einspruchsverfahren als Betriebsausgaben berücksichtigt wissen. Ebenso machte sie gewinnmindernd Rückstellungen für betriebsprüfungsbedingte Steuerberatungskosten in den Jahren, die der Prüfung unterlagen, nachträglich im Einspruchsverfahren gewinn- und damit steuermindernd geltend.

Sowohl der Beklagte als auch das angerufene FG lehnten dies ab. Zunächst, so das FG, lägen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung im geprüften Jahr nicht vor. Das die Bildung einer Rückstellung auslösende Ereignis sei die Durchführung der Betriebsprüfung bei der Klägerin gewesen, die im Jahr 2017 für die Jahre 2012 bis 2014 angeordnet und durchgeführt wurde. Die Klägerin begehrte jedoch bereits für 2012 die Berücksichtigung einer Rückstellung. Da die Klägerin jedoch kein Großbetrieb i. S. d. BpO war, musste sie demnach nicht gem. § 4 Abs. 2 BpO jeweils zwingend mit unmittelbaren Anschlussprüfungen rechnen. Daher sah das FG die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme aus einer ungewissen Verbindlichkeit für betriebsprüfungsbegleitende Steuerberatungskosten nicht als hinreichend gegeben an und lehnte daher den Ansatz einer Rückstellung ab.

Und auch für einen Abzug der Haftungsbeträge aus Lohnsteuern als Betriebsausgaben sah das FG keinen Grund gegeben. Weder lagen die Voraussetzungen für die Passivierung einer Verbindlichkeit, noch die für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vor. Der Ansatz einer Verbindlichkeit scheiterte mangels einer im Jahr des begehrten Abzugs – hier 2014 – bereits rechtlich wirksam entstandenen Zahlungsverpflichtung der Klägerin. Diese entstand erst nach Abschluss der Betriebsprüfung mit Erlass des Haftungsbescheids. Die Haftungsverpflichtung sei eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Beklagten. Für solche sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass für diese erst eine Rückstellung gebildet werden dürfe, wenn der Gläubiger Kenntnis von den Ansprüchen habe oder dessen Kenntniserlangung unmittelbar bevorstehe, damit eine Inanspruchnahme daraus hinreichend wahrscheinlich sei. Für diesen Fall von Steuernachforderungen, die auf einer Betriebsprüfung beruhen und denen keine Steuerhinterziehung zugrunde liegt, entschied das FG, dass diese Verbindlichkeiten erst in demjenigen Jahr zu berücksichtigen seien, in dem der Sachverhalt durch die Betriebsprüfung aufgegriffen wurde. Da diese Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ließ das FG daher die Revision zum BFH zu, die auch eingelegt wurde (Az. BFH XI R 19/21).

Praxisfolgen

Das Urteil stellt für Kleinst- und Kleinbetriebe i. S. d. BpO klar, dass die Kosten für eine betriebsprüfungsbegleitende steuerliche Beratung nicht direkt im geprüften Jahr nachträglich als Rückstellung in Ansatz gebracht werden können. Denn anders als Großbetriebe müssen Kleinst- und Kleinbetriebe nicht mit kontinuierlichen Anschlussprüfungen rechnen. Daher fehlt es an der für die Bildung einer Rückstellung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme aus einer solchen künftigen Verbindlichkeit. Diese Ungleichbehandlung im Vergleich zu Großunternehmen mag misslich sein, ist jedoch vor dem Hintergrund der gefestigten Rechtsprechung zu diesem Punkt konsequent und nachvollziehbar.

Auch für die Frage, ab wann eine Rückstellung für Steuernachforderungen, die im Nachgang zu einer Betriebsprüfung festgesetzt werden, bilanziert werden darf, liefert das Urteil eine klare und dogmatisch nachvollziehbare Antwort. Es kommt hier auf den Zeitpunkt an, zu dem die Finanzverwaltung als Gläubiger des Anspruchs Kenntnis von diesem Anspruch erlangt. Dies kann erst im Jahr des Beginns der Betriebsprüfung und keinesfalls bereits im geprüften Jahr sein. Es bleibt insoweit jedoch abzuwarten, ob der BFH in seiner Revisionsentscheidung dieses Ergebnis noch einmal korrigiert.

Sowohl betriebsprüfungsbedingte Steuerberatungskosten von Kleinst- und Kleinbetrieben als auch Steuernachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung können also nicht bereits in den jeweils geprüften Jahren einem Mehrergebnis aus der Betriebsprüfung steuermindernd entgegengesetzt werden. Vielmehr wirken sie sich bilanziell und damit auch steuerlich erst in dem Jahr aus, in dem die Betriebsprüfung tatsächlich durchgeführt wurde, auch wenn sie gedanklich bereits den geprüften Jahren zuzuordnen sein mögen.

 

■[Foto BB 2021, 1905]

Gero von Glasenapp, RA/StB, ist Partner der Turnbull & Irrgang GmbH WPG StBG und der Turnbull & Irrgang Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg. Er berät umfassend in Fragen des Steuer- und Gesellschaftsrechts sowie des Erbrechts.

 

 

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