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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
21.02.2023
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Zur Frage, ob die Zahlung eines Aktionärs an eine AG im Rahmen einer wirtschaftlichen Neugründung das steuerliche Einlagekonto erhöht

FG Münster, Urteil vom 28.9.2022 – 9 K 1869/20 F, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 52/22)

ECLI:DE:FGMS:2022:0928.9K1869.20F.00

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2022-432-1

Nicht Amtlicher Leitsatz

Leistet ein Neuaktionär beim Erwerb einer Mantelgesellschaft eine Einlage zur Herbeiführung der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung, so ist dieser Betrag grundsätzlich als nicht in das Nennkapital geleistete Einlage i.S.v. § 27 KStG zu qualifizieren.

KStG §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2; AktG §§ 6, 7, 36 Abs. 2, 36a Abs. 1

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Höhe des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG). Sie wurde mit notarieller Urkunde vom 6.11.2003 unter der Fa. B + B AG errichtet und in das Handelsregister des Amtsgerichts C (HRB …) eingetragen. Das Grundkapital betrug 50.000 €. Gegenstand des Unternehmens war [...]. Mit weiterer notarieller Urkunde vom 11.7.2005 wurde der Name der Klägerin in D AG mit Sitz in E geändert. Diese Änderung wurde am 1.8.2005 in das Handelsregister eingetragen. Seit dem 2.12.2008 hielt Herr F B die Anteile, der zugleich Vorstand der Klägerin war.

Nach dem Jahresabschluss auf den 31.12.2017 verfügte die Klägerin lediglich über ein Bankguthaben von 187,50 €. Auf der Passivseite wies sie einen Fehlbetrag von 854,24 € und einen Verlustvortrag von 14.229,84 € aus. Das gezeichnete Kapital belief sich auf 50.000 €, von denen 37.500 € noch ausstanden.

Mit notariellem Vertrag vom 20.7.2018 veräußerte Herr B seine 50.000 nennwertlosen Stückaktien an Herrn G. Der Kaufpreis betrug nach § 2 des Vertrags 0,005 € je Stückaktie (insgesamt 250 €).

Am 25.7.2018 beschloss die Hauptversammlung der Klägerin die Änderung der Firma in A AG und die Sitzverlegung nach H. Zugleich beschloss sie eine neue Satzung. [...] Zum Vorstand wurde Herr G berufen.

Am 10.9.2018 überwies Herr G einen Betrag von 12.500 € unter der Bezeichnung „Einlage 25 Prozent Stammkapital“ auf das Girokonto der Klägerin bei der J-Bank.

Mit ergänzender Meldung vom 8.11.2018 (Nr. 327 der Urkundenrolle für 2018) wies der Notar das Handelsregister darauf hin, dass eine wirtschaftliche Neugründung der Klägerin vorliege. Die Klägerin sei erst ab Anmeldung beim Registergericht wieder wirtschaftlich tätig geworden. Zugleich enthielt die Anmeldung die Versicherung, dass am Tag der Anmeldung die Klägerin mindestens ein Gesellschaftsvermögen in Höhe von ¼ der Grundkapitalziffer = 12.500 € besitze, das Vermögen sich endgültig in der freien Verfügung des Vorstands befinde, das Gesellschaftsvermögen nicht mit Verbindlichkeiten vorbelastet sei, die den Wert unter das Grundkapital herabsetzten und nicht an die Einleger zurückgezahlt worden sei. Sämtliche Änderungen wurden am 18.12.2018 in das Handelsregister eingetragen.

Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 28.12.2018 veräußerte Herr G 25.000 Stückaktien für 1 € an Frau K.

In der am 8.1.2020 eingereichten Erklärung zur Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos auf den 31.12.2018 deklarierte die Klägerin einen Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres von 0 €. In den Zeilen 49 und 52 gab die Klägerin im Wirtschaftsjahr geleistete Einlagen in einer Höhe von 2.827 € und 12.500 € an. Im Jahresabschluss zum 31.12.2018 wies die Klägerin auf der Passivseite ein gezeichnetes Kapital von 50.000 € aus, davon 37.500 € ausstehende Einlagen, sowie eine Kapitalrücklage von 12.500 €.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich der Auffassung an, dass eine wirtschaftliche Neugründung vorgelegen habe und dass dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) dazu führe, dass das Grundkapital in Höhe von ¼ der Grundkapitalziffer = 12.500 € erneut einzuzahlen sei. Demzufolge handele es sich bei der Einzahlung von 12.500 € vom 10.9.2018 um eine Einzahlung auf das Nennkapital der Klägerin. Einzahlungen auf das Nennkapital seien indes nicht im Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu erfassen. In der gesonderten Feststellung nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) vom 8.4.2020 stellte das FA das steuerliche Einlagekonto mit 2.827 € fest.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 2.6.2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, auf die wirtschaftliche Neugründung seien die Maßgaben der Gründungsvorschriften über die Kapitalausstattung der jeweiligen Kapitalgesellschaft auf den Zeitpunkt der Neugründung entsprechend anzuwenden. Sinn und Zweck sei es, die Kapitaldeckung der Gesellschaft zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung sicherzustellen. Verhindert werden solle, dass zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung die Kapitaldeckung der Gesellschaft nicht gewährleistet sei. Dementsprechend müsse analog §§ 36, 36a des Aktiengesetzes (AktG) jedenfalls ein Betrag ¼ des Nennbetrags des Grundkapitals neu eingezahlt werden. Im Streitfall handele es sich, wovon auch die Klägerin ausgehe, um eine solche wirtschaftliche Neugründung. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Einzahlung auf das Nennkapital könne den Bestand des steuerlichen Einlagekontos aber nicht erhöhen. Zu keiner anderen Beurteilung führe die Argumentation der Klägerin, durch die wirtschaftliche Neugründung komme es zu einer fingierten Kapitalherabsetzung mit einer unmittelbar anschließenden Kapitalerhöhung. Dementsprechend liege ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 KStG 2002 vor. Eine wirksame Kapitalherabsetzung sei nur nach den Maßgaben der §§ 222 ff. AktG zulässig. Während des gesamten Streitjahres habe das Grundkapital der Gesellschaft 50.000 € betragen. Durch die wirtschaftliche Neugründung werde die Situation der Gesellschaft lediglich auf ihre „Stunde null“ zurückversetzt. Die Aktivseite weise zu diesem Zeitpunkt keine Aktiva aus. Auf der Passivseite stehe ein gezeichnetes Kapital von 50.000 €, neutralisiert durch ausstehende Einlagen von 50.000 €. Am 10.9.2018 sei dann die Einzahlung von 12.500 € erfolgt. Diese Einzahlung habe allein das Nennkapital betroffen.

Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos um 12.500 € weiter. Es sei unstreitig, dass sowohl die erste als auch die zweite Zahlung auf das Grundkapital erfolgt seien. Streitig sei hingegen, wie die Zahlung im Jahre 2018 im Fall der wirtschaftlichen Neugründung zu behandeln sei. Das FA scheine die Ansicht zu vertreten, es lägen insgesamt Einzahlungen von 25.000 € auf das Grundkapital vor. Das sei aber widersinnig und werde begreifbar, wenn man berücksichtige, dass bei drei weiteren Zahlungen ein Grundkapital von 62.500 € vorliegen müsse, obwohl nur ein Grundkapital von 50.000 € einzuzahlen sei.

Die Klägerin meint, zutreffend sei insoweit die Behandlung in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2018; zu diesem Zeitpunkt sei die alte Einzahlung im Jahre 2003 als Kapitalrücklage ausgewiesen und die neue Einzahlung als Einzahlung auf das Grundkapital dargestellt worden. Eine bilanzielle Freistellung von bisherigem Nennkapital erfolge ansonsten im Wege einer Kapitalherabsetzung. In diesen Fällen erfolge unstreitig eine Berücksichtigung im steuerlichen Einlagekonto. Es sei ein eherner Grundsatz, dass einmal eingezahltes Grundkapital nur durch eine Kapitalherabsetzung oder im Fall der Liquidation wieder freigesetzt werden könne. Im Übrigen gelte der Grundsatz der Kapitalerhaltung. Demgegenüber behandele das FA den Vorgang, als wenn die ursprüngliche Einzahlung auf das Grundkapital untergegangen sei.

Es stehe nicht in der Macht des FA, über die Gliederung des handelsrechtlichen Eigenkapitals zu befinden. Das FA habe vielmehr zu berücksichtigen, dass die ursprüngliche Zahlung in das Grundkapital nunmehr in die Kapitalrücklage umgegliedert worden sei. Die Freisetzung des Nennkapitals müsse nach allgemeinen Grundsätzen zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto führen.

Zu demselben Ergebnis gelange man, wenn man den Vorgang als Auffüllung des zuvor durch Verluste aufgezehrten handelsrechtlichen Eigenkapitals betrachte. Auch bei einem solchen Vorgang sei ein Zugang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu verzeichnen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid zum 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG 2002 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002 vom 8.4.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.6.2020 dahingehend zu ändern, dass das steuerliche Einlagekonto mit einem Betrag von 15.327 € festgestellt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist es auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet. Die angefochtene Feststellung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat zu Unrecht das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2018 nur mit 2.827 € statt zutreffend mit 15.327 € festgestellt. Die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft hat die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002). Im vorliegenden Fall war neben dem Betrag von 2.827 € auch eine im Jahr 2018 geleistete Einlage von 12.500 € in dem Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu berücksichtigen.

 

I. Unstreitig hat der Aktionär G eine Einlage i.H.v. 12.500 € in die Klägerin geleistet. Eine Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine nahe stehende Person der Körperschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (BFH-Urteil vom 11.11.2014 I R 53/13, BFH/NV 2015, 686 [RdF-Entscheidungsreport Niedling, RdF 2015, 167]; Mössner in Mössner/Oellerich/Valta, 5. Aufl. 2021, § 27 Rz. 53; Pohl in Micker/Pohl, BeckOK KStG, § 27 Rz. 179). Im Streitfall hat der Aktionär G aus gesellschaftlichen Gründen 12.500 € auf ein Bankkonto der Klägerin überwiesen und damit eine Einlage erbracht, die der Klägerin auch im Streitjahr 2018 zugeflossen ist.

 

II. Diese Einlage i.H.v. 12.500 € wurde jedoch steuerrechtlich nicht i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 in das Nennkapital geleistet und ist deshalb im Jahr 2018 als Zugang im steuerlichen Einlagekonto zu erfassen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung einer Kapitalgesellschaft kann weder davon ausgegangen werden, dass der Gesellschafter G seine Zahlung im Jahr 2018 zur Reduzierung seiner Verpflichtung zur Erbringung der noch ausstehenden Einlagen geleistet hat, noch führt die vorgenannte BGH-Rechtsprechung steuerrechtlich dazu, dass Einlagen zur „Wiederauffüllung“ des Nennkapitals als „in das Nennkapital geleisteten Einlage“ i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG anzusehen wären.

 

1. Der BGH geht von einer wirtschaftlichen Neugründung aus, wenn eine durch Eintragung in das Handelsregister als juristische Person bereits entstandene Kapitalgesellschaft als unternehmensloser Rechtsträger besteht und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob eine bewusst für eine spätere Verwendung „auf Vorrat“ gegründete Gesellschaft mit einem Unternehmen ausgestattet wird und erstmals ihren Geschäftsbetrieb aufnimmt (BGH-Beschlüsse 16.3.1992 II ZB 17/91, BGHZ 117, 323, 331 f. [BB 1992, 1018], zur AG; vom 9.12.2002 II ZB 12/02, BGHZ 153, 158, 161 f., zur GmbH [BB 2003, 324]) oder ob der „alte Mantel“ einer im Rahmen ihres früheren Unternehmensgegenstands tätig gewesenen, dann aber unternehmenslos gewordenen GmbH wiederverwendet wird (BGH-Beschluss vom 7.7.2003 II ZB 4/02, BGHZ 155, 318, 322 [BB 2003, 2079 m. BB-Komm. Gronstedt]; BGH-Urteil vom 6.3.2012 II ZR 56/10, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 974 [BB 2012, 1756 m. BB-Komm. Bittner]). Auf die wirtschaftliche Neugründung sind die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes bzw. des Aktiengesetzes einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden (BGH-Beschlüsse in BGHZ 153, 158, 161; in BGHZ 155, 318, 321; BGH-Urteil in DStR 2012, 974).

Durch die entsprechende Anwendung der Gründungsvorschriften auf die wirtschaftliche Neugründung sollen gesellschaftsrechtlich im Interesse des Geschäftsverkehrs Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass ein leer gewordener Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb seinen --neuen oder alten-- Gesellschaftern nur dazu dient, unter Vermeidung der rechtlichen Neugründung mit ihren präventiv wirkenden gläubigerschützenden Regeln einer die beschränkte Haftung gewährleistenden Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit --gegebenenfalls wieder-- aufzunehmen (BGH-Beschlüsse in BGHZ 155, 318, 324; vom 18.1.2010 II ZR 61/09, DStR 2010, 763 [BB-Entscheidungsreport Trendelenburg/Kornatz, BB 2010, 791]). M.a.W. soll aus Gründen des Gläubigerschutzes verhindert werden, dass die Gründungsvorschriften für eine Kapitalgesellschaft umgangen werden (BGH-Versäumnisurteil vom 10.12.2013 II ZR 53/12, GmbHR 2014, 317 [BB 2014, 914 m. BB-Komm. Müller-Michaels]).

 

2. Unter Berücksichtigung der vorgenannten BGH-Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Aktionär G die Überweisung im Jahr 2018 im Ergebnis nicht zur Reduzierung der noch nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen erbracht hat.

Unstreitig war das Nennkapital i.H.v. 50.000 € ursprünglich in Höhe des erforderlichen Bareinlagen von 12.500 € erbracht worden (vgl. § 36 Abs. 2, 36a Abs. 1 AktG) und im Übrigen war der Gründungsaktionär B zur Leistung der noch ausstehenden Einlagen verpflichtet (§ 54 Abs. 1, 2 AktG). Dementsprechend hat die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31.12.2017 auf der Aktivseite zu Recht ausstehende Einlagen i.H.v. 37.500 € ausgewiesen. Diese Verpflichtung zur Erbringung der noch ausstehenden Bareinlagen trifft den jeweiligen Aktionär (vgl. § 54 Abs. 1, § 65 AktG; Fleischer in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 54 Rz. 10) und ist somit im Streitfall auf den Erwerber der Aktien, den Aktionär G übergegangen. Eine Zahlung zwecks Reduzierung des Betrags der noch ausstehenden Bareinlagen hätte dementsprechend zu einer Zahlung in das Nennkapital geführt.

Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass der Aktionär G die Zahlung im Jahr 2018 im Ergebnis nicht zur Reduzierung der noch nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen erbracht hat. Zum einen werden in der Bilanz zum 31.12.2018 die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen unverändert mit 37.500 € ausgewiesen. Außerdem hatte der Notar bereits am 8.11.2018 gegenüber dem Handelsregister darauf hingewiesen, dass eine wirtschaftliche Neugründung der Klägerin vorliege und versichert, dass am Tag der Anmeldung die Klägerin mindestens ein Gesellschaftsvermögen in Höhe von ¼ der Grundkapitalziffer = 12.500 € besitze und sich das Vermögen endgültig in der freien Verfügung des Vorstands befinde. Die Überweisung des Gesellschafters G am 10.9.2018 diente damit ersichtlich dazu, die vorgenannte Versicherung abgeben zu können, um den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung in den Fällen einer wirtschaftlichen Neugründung zu genügen. Eine Zahlung zur Erbringung der noch ausstehenden Bareinlagen hätte aber gerade nicht genügt, um sicherzustellen, dass --wie vom BGH gefordert-- die Gläubiger tatsächlich zu ihrer Befriedigung --wie bei einer Neugründung-- auf einen Betrag in Höhe des Grundkapitals von 50.000 € zugreifen könnten. Würde der am 10.9.2018 eingezahlte Betrag die noch nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen (Forderung der Klägerin) vermindern, würden sich diese auf 25.000 € verringern und daneben nur das Bankguthaben von 12.687,50 € (Überweisung des Aktionärs G 12.500 € zzgl. des zuvor vorhandenen Bankbestands von 187,50 €) bestehen. Die Gläubiger der Kapitalgesellschaft hätten dadurch lediglich Zugriff auf einen Gesamtbetrag von 37.687,50 €, weil die ursprünglich auf das Grundkapital geleisteten 12.500 € tatsächlich wirtschaftlich bereits aufgezehrt waren.

Dem Umstand, dass Herr G die Überweisung selbst als Einlage in Höhe von 25 % auf das Stammkapital bezeichnete, misst der Senat keine Bedeutung bei. Hierbei handelte es sich um die Falschbezeichnung durch einen Laien, die unschädlich ist (falsa demonstratio non nocet). Herrn G ging es erkennbar darum, allein die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister zu erfüllen, um mit der Gesellschaft arbeiten zu können.

 

3. Übereinstimmend gehen die Beteiligten zutreffend davon aus, dass das Nennkapital i.H.v. 50.000 € durch die Zahlung des Aktionärs G im Jahr 2018 in Höhe von 12.500 € nicht zu einer Erhöhung des gesellschaftsrechtlichen Grundkapitals von 50.000 € auf 62.500 € geführt hat. Denn die Höhe des Grundkapitals wird durch die Satzung bestimmt (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG) und in der Satzung ist unverändert ein Grundkapital i.H.v. 50.000 € ausgewiesen worden. Die vorgenannte Banküberweisung kann deshalb auch unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung nicht als Zahlung auf/in ein erhöhtes Nennkapital angesehen werden.

 

4. Die BGH-Rechtsprechung wendet des Weiteren auf die wirtschaftliche Neugründung zwar die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes bzw. des Aktiengesetzes an, zieht aber keine Parallelen zu einer Kapitalherabsetzung mit nachfolgender Kapitalerhöhung, die steuerlich sowohl zu einer Gutschrift im steuerlichen Einlagekonto hätte führen können (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002; allerdings in den Fällen eines nicht voll eingezahlten Nennkapitals nur für den Fall, dass die Einzahlungsverpflichtung des Anteilseigners bestehen bleibt, vgl. Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 4.6.2003, BStBl I 2003, 366, Tz. 39, u. Dötsch/Werner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 28 KStG Rz. 74) als auch zur Beurteilung der Zahlung in Höhe von 12.500 € als Zahlung auf ein erhöhte Nennkapital.

Für die Bestimmung des Nennkapitals i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 und der Frage, ob eine Herabsetzung des Nennkapitals i.S. des § 28 Abs. 2 KStG 2002 vorliegt, ist steuerlich außerdem an die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften bzw. an eine handelsrechtlich wirksame Herabsetzung des Nennkapitals anzuknüpfen (zu Letzterem vgl. Dötsch/Werner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 28 Rz. 59; Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 28 Rz. 42). Eine den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende Kapitalherabsetzung auf 37.500 € mit einer nachfolgenden Kapitalerhöhung auf (erneut 50.000 €) ist im Streitfall jedoch nicht erfolgt, denn eine Kapitalherabsetzung setzt nicht nur einen --hier nicht vorliegenden-- entsprechenden Gesellschafterbeschluss und dessen Anmeldung zum Handelsregister voraus (§ 222 Abs. 1, § 223 AktG), sondern die Kapitalherabsetzung wird erst mit der entsprechenden Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 224 AktG). Dies gilt auch dann, wenn eine Kapitalherabsetzung unter den Mindestnennbetrag von 50.000 € (§ 7 AktG) erfolgt und mit einer Kapitalerhöhung verbunden wird, durch die das erforderliche Mindestnennkapital wieder erreicht wird (§ 228 AktG). Die entsprechende Eintragung der Kapitalherabsetzung in das Handelsregister wirkt nach dem klaren Gesetzeswortlaut in den den §§ 224, 228 AktG konstitutiv (vgl. z.B. Oechsler in Münchener Kommentar zum AktG § 224 Rz. 1). Die vorgenannten Normen gelten gleichermaßen im Fall einer vereinfachten Kapitalherabsetzung i.S. des § 229 AktG (vgl. dessen Abs. 3).

Davon geht letztlich auch die Klägerin aus, weil sie lediglich mit einer fiktiven Kapitalherabsetzung und nachfolgender fiktiver Kapitalerhöhung argumentiert.

 

5. Aus den vorgenannten Gründen liegt damit keine Einlage vor, die in das Nennkapital geleistet worden ist, sondern eine Einlage, welche die Klägerin zutreffend als Kapitalrücklage erfasst hat.

Nicht zu überzeugen vermag die vom FA vertretene Auffassung, dass die Klägerin durch die wirtschaftliche Neugründung so gestellt wird wie im Zeitpunkt der Gründung, woraus sich ergeben soll, dass bilanziell nur eine einmalige Einzahlung von 12.500 € ausgewiesen wird. Diese Auffassung gerät mit dem allgemeinen Grundsatz in Konflikt, dass das Grundkapital einer Aktiengesellschaft sich – wie dargelegt -- nur im Wege einer förmlichen Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff. AktG) mindern kann bzw. im Zuge der Liquidation wieder an die Aktionäre ausgekehrt wird. Solange beides --wie im vorliegenden Fall-- nicht geschieht, bleibt das Nennkapital unverändert und ist als solches in der Bilanz auszuweisen. Etwas Gegenteiliges ist auch nicht durch die Überlegungen zum Gläubigerschutz, die Anlass für die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung sind, geboten. Dem Gläubigerschutz kann bereits durch eine Verbuchung der zweiten Einzahlung von 12.500 € in die Kapitalrücklage hinreichend Rechnung getragen werden.

Darüber hinaus ist die Auffassung des FA auch mit der steuerrechtlichen Überlegung nicht vereinbar, dass die Rückzahlung von Einzahlungen auf das Grundkapital und die Rückgewähr von sonstigen Einlagen steuerfrei möglich sein müssen. Gerade diesem Ziel dient auch die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, indem Einlagen, die nicht wie das Grundkapital feststehen, der Höhe nach verfolgt werden können sollen, damit später eine steuerfreie Einlagerückgewähr ermöglicht wird (vgl. bspw. Kümpel in Bott/Walter, § 27 KStG Rz. 1; Pohl in Micker/Pohl, BeckOK KStG, § 27 Rz. 1; Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 27 KStG Rz. 1). Dem widerspräche es, wenn die wirtschaftliche Neugründung dazu führen würde, dass --entsprechende Mittel zu späteren Zeitpunkten vorausgesetzt-- nur das (auch für steuerliche Zwecke unverändert maßgebende) Grundkapital laut Satzung (hier 50.000 €), soweit es eingezahlt worden ist (hier nur in Höhe von 12.500 € ausweislich der noch „nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen i.H.v. 37.500 €), steuerfrei ausgekehrt werden dürfte, während die eingelegten Mittel zur „Wiederauffüllung“ des Grundkapitals (hier die zweite Einzahlung i.H.v. 12.500 €) weder als Grundkapital noch als Teil des Bestands des steuerlichen Einlagekontos steuerfrei zurückgewährt werden dürften. Im Übrigen verbleibt es generell bei der steuerfrei möglichen Einlagenrückgewähr auch dann, wenn zwischenzeitlich die Einlagen durch entstandene Verluste verbraucht waren und die Rückgewähr tatsächlich erst durch später erwirtschaftete Gewinne ermöglicht wird. § 27 KStG 2002 sieht keine Minderung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos allein aufgrund eingetretener Verluste oder der zeitweisen Einstellung des Geschäftsbetriebs oder eines Anteilseignerwechsels vor. Auch hinsichtlich des Grundkapitals regelt § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 – worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat -- in den Fällen einer handelsrechtlich wirksamen Kapitalherabsetzung (und sofern kein Sonderausweis besteht) eine Gutschrift des Betrags der Herabsetzung im Einlagekonto, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet worden ist, d.h. unabhängig von zwischenzeitlich eingetretenen Verlusten (vgl. Stadler/Jetter, Internationales Steuerrecht 2009, 336, 339).

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

 

IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da der BFH zu den steuerrechtlichen Auswirkungen einer wirtschaftlichen Neugründung --soweit erkennbar-- noch keine Stellung nehmen konnte.

 

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