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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
12.04.2019
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Berlin-Brandenburg: Zur Bildung von Rückstellungen im Zusammenhang mit Bauleistungen keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung aktivierter Bauleistung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.1.20196 K 6121/17, rkr.

ECLI:DE:FGBEBB:2019:0108.6K6121.17.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2019-944-1

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Für pauschale Gewährleistungsrückstellungen trifft den Steuerpflichtigen die Darlegungs- und Feststellungslast.

2. Ein Bauträger darf Rückstellungen für Mangelbeseitigungskosten nur bilden, wenn er keinen korrespondierenden Freistellungsanspruch gegen den ausführenden Bauunternehmer hat.

HGB § 249 Abs. 1 S. 1, § 253 Abs. 1 S. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3a

Sachverhalt

Streitig sind die Höhe von Rückstellungen sowie die Hinzurechnung von Fremdkapitalzinsen.

Unternehmensgegenstand der im Jahr 2007 gegründeten Klägerin sind der Erwerb, die Verwertung und die Vermietung von Grundstücken im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Klägerin wurde seit ihrer Gründung als Bauträgerin tätig. Sie erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Einkommensteuergesetz -EStG- und ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG. Alleinige Kommanditistin mit einer Beteiligung von 100 % am Kapital der Klägerin ist die B… GmbH.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2008 für 5.920.000,- € das mit Wohngebäuden und einem ehemaligen Fabrikgebäude bebaute Grundstück C…-Straße in D…. Die Klägerin sanierte die Bestandsgebäude, teilte diese in Wohnungseigentum auf und verkaufte im Streitjahr 2011 die entstandenen 72 Wohnungen und vier Gewerbeeinheiten. Mit der Ausnahme von neun Wohnungen, bei denen dies erst im Jahr 2012 geschah, wurden die Wohnungen im Jahr 2011 an die Käufer übergeben. Die Klägerin aktivierte Bauzeitzinsen in Höhe von 5.346,- € (2009), 115.262,- € (2010) und 37.860,00 € (2011), zusammen also 158.468,- €.

Zur Ausführung der Arbeiten schloss die Klägerin im Januar 2010 einen Werkvertrag mit der E… GmbH in F… als Generalunternehmerin. Die E… GmbH verpflichtete sich zum vollständigen, schlüsselfertigen und funktionsgerechten Umbau sowie zur betriebsfertigen Sanierung und Modernisierung der Gebäude in der C…-Straße bis zum 30. Juni 2011 zu einem Pauschalfestpreis in Höhe von 7.914.000,- € (brutto), der in der Folgezeit durch im Einzelnen streitige Nachträge erhöht wurde. Für den Fall des Verzugs sah der Vertrag eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,5 % der Nettoauftragssumme für jeden Werktag des Verzugs vor. Die E… GmbH trat der Klägerin ihre Mängelgewährleistungsansprüche gegen ihre Subunternehmer (Nachunternehmer) ab.

Die Klägerin leistete bis zum 31. Dezember 2011 insgesamt 13 Abschlagszahlungen in Höhe von ca. 6,5 Mio. € an die E… GmbH. Im Januar und Februar 2012 leistete sie die Abschlagzahlungen 14 und 15 in Höhe von ca. 380.000,- €. Die Klägerin machte bei allen Abschlagszahlungen von ihrem Recht Gebrauch, 10 % der Abschlagszahlung als Sicherungseinbehalt zurück zu halten. Die Sicherungseinbehalte beliefen sich in der Summe auf ca. 760.000,- €. Weitere Zahlungsansprüche der E… GmbH gegen die Klägerin aufgrund von Nachtragsvereinbarungen waren zwischen den Parteien streitig.

Die E… GmbH befand sich mit ihren Bauleistungen im Verzug. Einzelheiten dazu waren zwischen den Vertragsparteien ebenfalls streitig.

Ein Gutachten des TÜV G… vom 4. Januar 2012 (die Besichtigungen fanden am 21. und am 29. Dezember 2011 statt) stellte fest, dass die Arbeiten am Gemeinschaftseigentum mit Ausnahme von Restleistungen und Mängelbeseitigungen im Wesentlichen fertig gestellt seien. Der Großteil der Wohnungen sei bereits abgenommen worden. Wegen der Aufstellung der festgestellten Mängel verweist der Senat auf den Bericht.

Die E… GmbH verlangte mit Schreiben vom 23. Februar 2012 von der Klägerin die Einräumung einer Sicherheitsleistung gem. § 648a BGB a.F., weil nach ihrer Auffassung Zahlungen in Höhe von 900.000,- € offen seien.

Mit Schriftsatz vom 13. März 2012 kündigte die Klägerin den Werkvertrag.

Ausweislich eines Schriftsatzes der anwaltlichen Vertreter der Klägerin vom 14. März 2012 an das Landgericht D… waren zum 31. Dezember 2011 insbesondere der Innenausbau mehrerer Wohneinheiten, die Dachbegrünung, die Gestaltung der Außenanlagen und die Sanierung der Treppenhäuser noch offen. Die offenen Restleistungen sollten sich auf 103.259,13 € summieren. Daneben machten die Rechtsanwälte der Klägerin in dem genannten Schriftsatz massive Mängel der Werkleistung der E… GmbH geltend und führten aus, zur Mängelbeseitigung seien mindestens 500.000,- € zu veranschlagen. Außerdem sei es Anfang 2012 zu einem erheblichen Wasserschaden auf der Baustelle gekommen, den die E… GmbH verursacht habe. Die Mängelbeseitigungskosten seien mit 20.000,- € anzusetzen. Es seien weitere Verzugsschäden angefallen. Die Vertragsstrafe von 395.700,- € sei bereits vollständig angefallen.

Der TÜV G… erstellte am 27. März 2012 (ergänzt am 15. Mai 2012) ein Gutachten über die Mängel der Bauleistungen und die noch ausstehenden Arbeiten und prognostizierte Gesamtkosten zwischen ca. 372.000,- € und ca. 440.000,- €, wobei einige Punkte mit erheblicher Kostenrelevanz nur ungesichert, grob und schätzungsweise bewertet werden konnten.

Mit einer Abgeltungsvereinbarung vom 23. November 2012 verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung weiterer 500.000,- € an die E… GmbH. Damit sollten alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten sein. Dies umfasste insbesondere die Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz (einschließlich Verzugsschäden), Erbringung der Restleistungen und auf Mängelgewährleistung. Die Klägerin blieb nach der vertraglichen Vereinbarung aufgrund der Abtretung etwaiger Mängelgewährleistungsansprüche gegen die Nachunternehmer der E… GmbH berechtigt, diese auf Mängelgewährleistung in Anspruch zu nehmen.

Im Jahresabschluss auf den 31. Dezember 2011 – aufgestellt am 2. Juli 2012 und anschließend mehrfach berichtigt – wies die Klägerin keine in Ausführung befindliche Bauaufträge (Stand Vorjahr: 8.432.781,26 €) mehr aus, dafür aber Umsatzerlöse aus den Wohnungsverkäufen im Jahr 2011 in Höhe von 22.226.290,02 €.

Außerdem wies die Klägerin im – berichtigten – Jahresabschluss Rückstellungen in Höhe von 2.385.375,42 € aus, die sich wie folgt zusammensetzten:

 

1.

Rückstellung für Schlussrechnungen E… GmbH (14. und 15. Abschlagszahlung)

368.414,54 €

2.

Rückstellung wegen fristloser Kündigung E… GmbH / Sicherungseinbehalt

764.705,88 €

3.

Rückstellung für FiBu-Restarbeiten H…

2.255,- €

4.

Rückstellung für allgemeine Gewährleistungen

500.000,- €




∑ 1.250.000,- €

5.

Rückstellung für Nacharbeiten wegen Mängelbeseitigung (TÜV-Gutachten)

500.000,- €

6.

Rückstellung Rechtskosten wegen fristloser Kündigung Vertrag E… GmbH

50.000,- €

7.

Rückstellung Restarbeiten WE 55 und Beseitigung Wasserschäden

200.000,- €

 

Summe 

2.385.375,42 €

 

Nachdem der Beklagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO veranlagt hatte, führte er ab 2014 für die Jahre 2009 bis 2011 eine Außenprüfung durch, deren Ergebnisse im Abschlussbericht vom 10. Juni 2015 zusammengefasst sind. Streitig sind folgende Prüfungsfeststellungen für 2011:

Tz. 14 (sonstige Rückstellungen): Der Prüfer war der Auffassung, dass die in der vorstehenden Tabelle grau unterlegten Rückstellungen zu 4. bis 7. in Höhe von zusammen 1.250.000,- € nicht anzuerkennen seien.

-     Hinsichtlich der Rückstellung zu 4. „allgemeine Gewährleistungen“ über 500.000,- € meinte der Prüfer, die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, warum sie eine solche Rückstellung bilde.

-     Die Rückstellung zu 5. „Nacharbeiten wegen Mängelbeseitigung (TÜV-Gutachten)“ über 500.000,- € beruhe auf Erkenntnissen, die erst nach Bilanzerstellung bekannt geworden seien. Zudem habe aufgrund der Mängel ein Rückgriffsrecht der Klägerin gegen die E… GmbH und deren Subunternehmer bestanden. Daher komme unter Berücksichtigung der Rückstellung zu 2. über 764.705,88 € eine zusätzliche Rückstellung nicht in Betracht.

-     Zu der Rückstellung zu 6. „Rechtskosten wegen fristloser Kündigung Vertrag E… GmbH“ über 50.000,- € meinte der Prüfer, künftige Rechtskosten für ein am Bilanzstichtag noch nicht anhängiges Verfahren könnten nicht zurückgestellt werden, da die Pflicht zur Kostentragung rechtlich noch nicht entstanden und ihr künftiges Entstehen auch nicht im Prüfungszeitraum wirtschaftlich verursacht worden sei.

-     Zu der Rückstellung zu 7. „Restarbeiten WE 55 und Beseitigung Wasserschäden“ über 200.000,- € führte der Prüfer aus, der Wasserschaden sei als wertbegründendes Ereignis erst nach dem Abschlussstichtag im Jahr 2012 eingetreten. Auch hier habe im Übrigen ein Rückgriffsrecht gegen die bauausführenden Unternehmer bestanden.

Tz. 18 (Entgelte für Schulden): Der Prüfer erhöhte die der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz -GewStG- unterliegenden Fremdkapitalzinsen um 159.106,- € und führte aus, dabei handele es sich um die von der Klägerin als Herstellungskosten aktivierten Bauzeitzinsen. Zwar verhindere die Aktivierung von Fremdkapitalzinsen, die zur Finanzierung der Herstellung eines Wirtschaftsguts aufgenommen worden seien, die gewerbesteuerliche Hinzurechnung. Dies setze aber voraus, dass die Aktivierung über einen Bilanzstichtag reiche. Dies sei hier nicht der Fall, da das Grundstück im Jahresabschluss nicht mehr aktiviert worden sei.

Der Beklagte schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ am 4. September 2015 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- geänderte Bescheide für 2011 über

-     die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (festgestellte gewerbliche Einkünfte: 5.586.640,88 €),

-     den Gewerbesteuermessbetrag (71.757,- €),

-     die Gewerbesteuer (294.203,70 €),

-     die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (0,- €) und

-     die Umsatzsteuer (1.122.932,23 €).

Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einsprüche ein. Sie machte geltend, die Kürzung der Rückstellungen führe ausweislich einer Cash-Flow-Analyse zu wirtschaftlich unzutreffenden Ergebnissen. Die Hinzurechnung der Schuldzinsen führe zu einer doppelten Besteuerung, da die hinzuaktivierten Schuldzinsen den Gewinn erhöht hätten.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit einer Einspruchsentscheidung vom 12. April 2017 als unbegründet zurück, wobei er im Wesentlichen die Argumente des Betriebsprüfers wiederholte. Zur Hinzurechnung der Schuldzinsen führte er ergänzend aus, diese hätten sich im Erhebungszeitraum trotz unterjähriger Aktivierung schlussendlich ertragsteuerlich mindernd ausgewirkt und seien daher hinzuzurechnen.

Mit ihrer fristgerechten Klage wendet sich die Klägerin gegen die dargestellten Änderungen aufgrund der Außenprüfung. Sie macht zur Begründung geltend, es sei völlig unbestritten, dass bei abgeschlossenen, aber noch nicht vollständig abgerechneten Bauleistungen Rückstellungen nach § 249 Abs. 1 Handelsgesetzbuch -HGB- zu bilden seien. Aufgrund der Bilanzierung des Gesamtumsatzes im Jahr 2011 sei die wirtschaftliche Verursachung in diesem Jahr eingetreten. Im Einzelnen:

Rückstellung zu 4. „allgemeine Gewährleistungen“ über 500.000,- €:

Die Mängelrückstellung dokumentiere bei Umsatzerlösen von ca. 22 Mio. € einen Aufwand von 2,25 % des Gesamtumsatzes. Dies entspreche der langjährigen Erfahrung der Klägerin und ihrer Kommanditistin bei der Modernisierung von Altbauwohnungen.

Rückstellung zu 5. „Nacharbeiten wegen Mängelbeseitigung (TÜV-Gutachten)“ über 500.000,- €:

Die Klägerin habe den TÜV G… beauftragt, die Mängel und die nicht fertig gestellten Bauleistungen der E… GmbH festzustellen. Das Protokoll weise auf 35 Seiten 383 Mängel und nichtfertige Arbeiten aus. Diese seien bewertet worden. Daraus sei eine Rückstellung gebildet worden. Tatsächlich seien bis einschließlich 2017 Aufwendungen in Höhe von 2.786.182,- € entstanden, was die Richtigkeit der Rückstellung belege. Die wirtschaftliche Verursachung dieser Kosten liege im Jahr 2011.

Rückstellung zu 6. „Rechtskosten wegen fristloser Kündigung Vertrag E… GmbH“ über 50.000,- €:

Es gehe hier um Anwaltskosten im Vorfeld eines Rechtsstreits bzw. zur Vermeidung eines Rechtsstreits. Aufgrund der bereits im Jahr 2011 aufgetretenen Probleme sei die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen, um den notwendigen Druck zu erzeugen. Zwar seien aufgrund der Kündigung und der anschließenden Einigung tatsächlich niedrigere Kosten entstanden. Dies sei zum Zeitpunkt der Rückstellungsbildung Ende 2011 aber nicht absehbar gewesen.

Rückstellung zu 7. „Restarbeiten WE 55 und Beseitigung Wasserschäden“ über 200.000,- €:

Diese Rückstellung habe sich auf die Restarbeiten in der Wohnung bezogen. Zwar sei vor Erstellung des Jahresabschlusses ein Wasserschaden entstanden. Dieser habe sich aber durch die Erstattung der Versicherung in Höhe von 50.000,- € nicht ausgewirkt. Der Wasserschaden habe keine Kosten in Höhe von 200.000,- € verursacht und sei auch nicht so kalkuliert worden. Die Rückstellung von 764.705,88 € berücksichtige nicht, dass weit mehr Arbeiten zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeführt worden seien. Sie beziehe sich nur auf die mit den Abschlagsrechnungen 14 und 15 abgerechneten Leistungen und auf die Sicherheitsabschläge in Höhe von 10 % auf alle Rechnungen. Es habe aufgrund der Abgeltungsvereinbarung mit der E… GmbH entgegen der Darstellung des Beklagten auch kein Rückgriffsrecht auf die Generalunternehmer und dessen Subunternehmer gegeben. Zwar sei die Abgeltungsvereinbarung erst im November 2012 geschlossen worden. Aufgrund des Verhaltens der E… GmbH sei aber schon vorher von einem Ausschluss der Rückgriffsrechte auszugehen gewesen.

Zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung der Schuldzinsen macht die Klägerin geltend, die Voraussetzungen der Hinzurechnung seien dann gegeben, wenn ein Bauträger die Bauzeitzinsen in seinem Kaufpreis mitkalkuliert habe. Wenn im Jahr 2011 die Realisierung der Umsatzerlöse in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen sei, dann seien die Fremdkapitalzinsen mit eingepreist. Die Zinsen seien selbstverständlich im Aufwand enthalten, eine Bestandsveränderung müsse nicht vorgenommen werden. Die vollständigen Herstellungskosten seien im Gewinn enthalten. Die Vorlage einer Preiskalkulation sei nicht erforderlich, weil die Klägerin neben dem Projekt keine weiteren Tätigkeiten ausgeübt habe.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer dahingehend zu ändern, dass

1. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um weitere Rückstellungen in Höhe von 1.240.000,- € gemindert werden,

2. der Gewerbeertrag um Hinzurechnungen von Entgelten für Schulden in Höhe von 159.106,- € gemindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Rechtsauffassung zu den streitigen Fragen fest. Im Einzelnen:

Rückstellung zu 4. „allgemeine Gewährleistungen“ über 500.000,- €:

Die Rechtsprechung akzeptiere pauschale Gewährleistungsrückstellungen bei Bauunternehmen in Höhe von 0,5 bis 1 % des garantiebehafteten Jahresumsatzes. Damit wäre maximal eine Rückstellung in Höhe von 222.262,90 € anzuerkennen. Allerdings habe die Klägerin außerdem Rückstellungen wegen fristloser Kündigung / Sicherheitseinbehalt gebildet, die sich ebenfalls auf Gewährleistungen bezogen hätten.

Rückstellung zu 5. „Nacharbeiten wegen Mängelbeseitigung (TÜV-Gutachten)“ über 500.000,- €:

Vorhandene Mängel oder Restarbeiten könnten dann eine Rückstellung rechtfertigen, wenn sie bis zum 31. Dezember 2011 entstanden und bis zur Aufstellung der Bilanz erkennbar gewesen seien. Das TÜV-Gutachten vom 2. Januar 2012 sei dem Beklagten bisher nicht bekannt gewesen und könnte als wertaufhellende Tatsache berücksichtigt werden. Insoweit fehle es aber an einer Aufstellung der voraussichtlichen Kosten, aus denen sich ein Rückstellungsbetrag ableiten lasse. Das dem Beklagten bekannte Gutachten vom 27. März 2012 / 15. Mai 2012 weise zwar geschätzte Kosten zwischen 372.691,- € und 440.390,- € aus. Da dieser Auftrag aber erst im Jahr 2012 vergeben worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die aufgeführten Mängel erst in diesem Jahr bekannt geworden seien. Die Klägerin könne sich nicht auf Garantiefälle in den Folgejahren berufen.

Rückstellung zu 6. „Rechtskosten wegen fristloser Kündigung Vertrag E… GmbH“ über 50.000,- €:

Die Abgeltungsvereinbarung mit der E… GmbH datiere vom 23. November 2012. Erstmals habe die E… GmbH eine Sicherheitsleistung gem. § 648a BGB a.F. am 23. Februar 2012 geltend gemacht. Damit hätten zum 31. Dezember 2011 keine die Rückstellung rechtfertigenden Tatsachen vorgelegen.

Rückstellung zu 7. „Restarbeiten WE 55 und Beseitigung Wasserschäden“ über 200.000,- €:

Der Wasserschaden sei im Jahr 2012 entstanden. Laut Kostenschätzung seien die Einheiten GE 01, WE 02, WE 13, WE 14, WE 15, der Müllraum und der Keller betroffen mit einer Gesamtsumme von 219.679,70 €. Die Ausführungen der Klägerin seien nicht nachvollziehbar.

Nach Auffassung der Klägerin solle eine Rückstellung für Gewährleistungen, Restarbeiten und Mängel in Höhe von 1.200.000,- € gebildet werden. Dies entspreche 5 % des Gesamtumsatzes und berücksichtige nicht die wegen der Kündigung gebildete Rückstellung in Höhe von 764.705,88 €.

Die Fremdkapitalzinsen seien dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Eine Hinzurechnung könne nur unterbleiben, wenn die Zinsen am Bilanzstichtag als Anschaffungs- und Herstellungskosten aktiviert worden seien. Allerdings sei der Klägerin zuzustimmen, dass die Fremdkapitalzinsen nicht hinzugerechnet werden dürften, wenn sie im Herstellungsjahr als Herstellungskosten erfasst und diese im Erlös aus dem Verkauf der Wohnungen enthalten seien. Es werde um eine Preiskalkulation für den Verkauf einer Wohnung gebeten.

Der Berichterstatter hat am 4. September 2018 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf das Sitzungsprotokoll.

Die Klägerin hat daraufhin ergänzend vorgetragen, dass erhebliche Mängel festgestanden hätten. Es sei absehbar gewesen, dass die Klägerin Schwierigkeiten bekommen würde, ihre Ansprüche bei der E… GmbH durchzusetzen. Es stehe fest, dass der Umsatz für alle übergebenen Wohnungen am 31. Dezember 2011 ordnungsgemäß gebucht worden sei, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Aufwendungen für die Mängelbeseitigung erfasst worden seien. Die Klägerin habe keine Rechtsgrundlage gehabt, um Ansprüche direkt gegen die Subunternehmer der E… GmbH durchzusetzen. Die Rückstellung für den Wasserschaden, der mit 60.000,- € kalkuliert worden sei, müsse um 10.000,- € gemindert werden, da die Versicherung 50.000,- € gezahlt habe und der Schaden erst 2012 eingetreten sei.

Aus den Gründen

 

A. Die Klage gegen den Gewerbesteuerbescheid ist unzulässig; denn der Gewerbesteuerbescheid ist ein Folgebescheid des Gewerbesteuermessbescheids und kann gem. § 42 Finanzgerichtsordnung -FGO- in Verbindung mit § 351 Abs. 2 AO nicht mit Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid angegriffen werden.

 

B. Im Übrigen ist die Klage überwiegend nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und den Gewerbesteuermessbetrag sind nur im tenorierten Umfang zu ändern. Im Übrigen sind sie rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Der Beklagte hat – mit Ausnahme des in der mündlichen Verhandlung anerkannten Betrags von 190.000,- € – die Rückstellungen zu Recht um 1.250.000,- € gekürzt (dazu unten I.). Begründet ist die Klage hinsichtlich der vom Beklagten zu Unrecht vorgenommenen Hinzurechnung der Fremdkapitalzinsen in Höhe von 159.106,- € (dazu unten II.).

 

I. Die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen „allgemeine Gewährleistungen“ über 500.000,- €, „Nacharbeiten wegen Mängelbeseitigung (TÜV-Gutachten)“ über 500.000,- € und „Rechtskosten wegen fristloser Kündigung Vertrag E… GmbH“ über 50.000,- € sind steuerlich nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen.

 

1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG (für die Gewerbesteuer in Verbindung mit § 7 Satz 1 GewStG) hat die Klägerin in ihrer Steuerbilanz grundsätzlich das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung -GoB- nach Maßgabe der §§ 238 ff. HGB auszuweisen ist.

 

a) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist entweder das Bestehen einer dem Betrag nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer – gegebenenfalls zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen – Verbindlichkeit und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag.

Die wirtschaftliche Verursachung der potentiellen Verbindlichkeiten im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder in den Vorjahren erfordert, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale zu den maßgeblichen Bilanzstichtagen erfüllt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgebend ist hiernach die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalls im Lichte der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht. Der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung muss in der Vergangenheit liegen, so dass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt (BFH, Urteil vom 27. September 2017 – I R 53/15, BFH/NV 2018, 476, m.w.N. [BB 2018, 361 Ls]).

 

b) Darüber hinaus muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Für die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit müssen aus der Sicht des Streitjahres mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht nicht für die Rückstellungsbildung aus (vgl. BFH, Urteil vom 27. September 2017 – I R 53/15, BFH/NV 2018, 476 [BB 2018, 361 Ls]). Das Wahrscheinlichkeitsurteil kann sich auf betriebsindividuelle oder branchenübliche Erfahrungen der Vergangenheit stützen (BFH, Urteil vom 25. April 2006 – VIII R 40/04, BStBl II 2006, 749 [BB 2006, 2295 m. BB-Komm. Hommel]). Bei der Beurteilung der Frage, ob der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss, darf der Steuerpflichtige nicht die pessimistischste Alternative wählen

 

c) Die Kosten noch ausstehender Bauleistungen dürfen nach dem Realisations- und Vorsichtsprinzips nicht passiviert werden, soweit es sich um Verbindlichkeiten (Rückstellungen) aus schwebenden Geschäften handelt, die auf Leistungsaustausch gerichtet und vom Sach- oder Dienstleistungsverpflichteten noch nicht erfüllt sind (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 37. Aufl. 2018, § 5 Rn. 76, 361, m.w.N.).

 

2. Die von der Klägerin offenbar der Höhe nach griffweise geschätzte Rückstellung zu 4. „allgemeine Gewährleistungen“ über 500.000,- € ist nicht anzuerkennen.

Für die Einstellung von Gewährleistungsverpflichtungen in eine Garantierückstellung sind nicht nur am Bilanzstichtag bereits erhobene Mängelrügen zu berücksichtigen, sondern auch noch nicht gerügte Mängel, wenn nach den Erfahrungen der Vergangenheit mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 – X R 60/89, BStBl II 1993, 437 [BB 1993, 1115]). Die Möglichkeit einer Pauschalrückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit der künftigen Inanspruchnahme. Das Wahrscheinlichkeitsurteil ist auf die betriebsindividuellen oder branchenüblichen Erfahrungen der Vergangenheit zu stützen; die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme genügt nicht. § 6 Abs. 1 Nr. 3 a EStG (i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) hat die vergangenheitsbezogene Ermittlung der Rückstellungen auf der Grundlage der tatsächlichen Abwicklung der Gewährleistungsverpflichtungen nunmehr gesetzlich geregelt. Die Regelung geht – wie die bisherige Rechtsprechung – davon aus, dass der Unternehmer erfahrungsgemäß nur hinsichtlich eines Teils der Summe der Gewährleistungsverpflichtungen in Anspruch genommen wird (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Mai 2003 – VIII B 163/02, BFH/NV 2003, 1313, m.w.N.). Der Steuerpflichtige, den insoweit die Feststellungslast trifft, ist deshalb verpflichtet, zur Rechtfertigung der von ihm begehrten Rückstellung konkrete Tatsachen darzulegen, soweit das nach den betrieblichen Verhältnissen zumutbar ist (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. März 2011 – 12 K 12267/07, EFG 2011, 1737, m.w.N.).

Dieser Verpflichtung ist die Klägerin nicht hinreichend nachgekommen. Zwar ist es für den Senat ohne weiteres einsichtig, dass ein Bauträger damit rechnen muss, von den Käufern der Wohnungen und Gewerbeeinheiten aufgrund von Sachmängeln auf Mängelgewährleistungsleistungen in Anspruch genommen zu werden, was – einen entsprechenden Vortrag der Klägerin vorausgesetzt – zum pauschalen Ansatz einer Rückstellung führen kann. Die Klägerin hat aber außer dem pauschalen Hinweis auf ihre Erfahrungen im Bauträgergeschäft keine konkreten Erklärungen zu tatsächlichen Inanspruchnahmen in der Vergangenheit abgegeben. Damit entzieht sie die Höhe der Rückstellung einer Überprüfung durch den Beklagten und durch das Finanzgericht.

Im Streitfall ist zudem zu berücksichtigen, dass die Klägerin lediglich als Bauträgerin und nicht als Bauunternehmen tätig geworden ist. Im Fall von berechtigten Mängelgewährleistungsansprüchen hätte sie aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen einen korrespondierenden Anspruch gegen die E… GmbH bzw. ihre Subunternehmer. Die daraus resultierenden Freistellungsansprüche der Klägerin sind entweder zu aktivieren, oder sie sind bei der Rückstellungsbildung als rückstellungsbegrenzende Merkmale nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen; denn es entspricht vernünftiger kaufmännischer Beurteilung, den rückstellungsbegründenden Sachverhalt nicht nur in seinen negativen Aspekten zu erfassen, sondern auch die positiven Merkmale zu berücksichtigen, die die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme mindern oder aufheben, weil der Kaufmann insoweit wirtschaftlich und rechtlich nicht belastet ist (BFH, Urteil vom 17. Februar 1993 – X R 60/89, BStBl II 1993, 437 [BB 1993, 1115]).

Die Klägerin hat nicht darlegen können, dass zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für sie ersichtlich gewesen wäre, dass ihre Ansprüche gegen die E… GmbH oder deren Subunternehmer hinter den gegen sie gerichteten Ansprüchen der Käufer der Wohnungen und Gewerbeeinheiten zurückbleiben würden. Insbesondere hat die Klägerin keine Umstände geltend gemacht, die für sie bei Bilanzaufstellung den Schluss zugelassen hätten, dass die E… GmbH oder ihre Subunternehmer wirtschaftlich zu einer Mängelbeseitigung nicht in der Lage gewesen wären oder sie rechtlich befugt gewesen wären, die Mängelbeseitigung abzulehnen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Rückstellungen zu 1. und 2. über insgesamt ca. 1.133.119,- € gebildet hat, sodass mit einer wirtschaftlichen Belastung der Klägerin ohnehin erst bei einem Überschreiten dieses Betrags hätte gerechnet werden müssen.

Die Behauptung der Klägerin, sie habe keine Ansprüche gegen die Subunternehmer der E… GmbH, ist für den Senat nicht nachvollziehbar; denn sie steht in Widerspruch zur Regelung in § 4 der Abgeltungsvereinbarung vom 23. November 2012, wonach die Vertragsparteien bestätigen, dass die Abtretung von Ansprüchen gegen Nachunternehmer fortgelte, sodass die Klägerin „unverändert berechtigt bleibt, Mängelansprüche gegenüber den Nachunternehmern geltend zu machen“.

 

3. Die Rückstellung zu 5. „Nacharbeiten wegen Mängelbeseitigung (TÜV-Gutachten)“ über 500.000,- € ist ebenfalls nicht anzuerkennen.

Der TÜV G… hat mit Gutachten vom 2. Januar 2012 und 27. März 2012 / 15. Mai 2012 zwar eine Vielzahl von Mängeln und unfertigen Leistungen der E… GmbH aufgelistet und im letztgenannten Gutachten auch einen Kostenrahmen zwischen 372.691,- € und 440.390,- € angegeben. Insoweit mag die Klägerin etwaigen Erfüllungs- und Mängelgewährleistungsansprüchen der Käufer der Wohnungen und Gewerbeeinheiten ausgesetzt gewesen sein, soweit den Käufern die TÜV-Gutachten bekannt waren. Trotzdem scheidet die Bildung einer Rückstellung aus den bereits dargelegten Gründen aus, da die Klägerin einen der Höhe nach identischen Erfüllungs- und Mängelgewährleistungsanspruch gegen die E… GmbH und deren Subunternehmer hatte.

 

4. Auch die Rückstellung zu 6. „Rechtskosten wegen fristloser Kündigung Vertrag E… GmbH“ über 50.000,- € ist steuerlich nicht zu berücksichtigen; denn der Beklagte führt zu Recht aus, dass die Klägerin den Werkvertrag mit der E… GmbH erst am 13. März 2012 und damit nach dem Bilanzstichtag gekündigt hat, nachdem die E… GmbH erstmals am 23. Februar 2012 – und damit ebenfalls nach dem Bilanzstichtag – von der Klägerin die Einräumung einer Sicherheitsleistung gem. § 648a BGB a.F. verlangt hatte, weil nach ihrer Auffassung Zahlungen in Höhe von 900.000,- € offen seien. Die Klägerin hat auch sonst keine Umstände vorgetragen, die eine wirtschaftliche Verursachung von Rechtsberatungskosten von 50.000,- € im Streitjahr 2011 nachvollziehbar machen.

 

5. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 8. Januar 2019 erklärt, er erkenne die Rückstellung zu 7. „Restarbeiten WE 55 und Beseitigung Wasserschäden“ in Höhe der noch geltend gemachten 190.000,- € an, nachdem die Klägerin die zunächst gebildete Rückstellung um 10.000,- € für den erst im Jahr 2012 eingetretenen Wasserschaden gemindert hat. Der Senat verzichtet daher insoweit auf weitere Ausführungen.

 

II. Zudem ist die Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid insoweit begründet, als der Beklagte Fremdkapitalzinsen in Höhe von 159.106,- € nach § 8 Nr. 1 GewStG dem Gewerbeertrag hinzugerechnet hat.

 

1. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG ist ein Viertel der Entgelte für Schulden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen, soweit die Entgelte bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

 

2. Im Streitfall hat die Klägerin von dem Wahlrecht (vgl. R 6.3 Abs. 5 EStR) Gebrauch gemacht und die Bauzeitzinsen als Herstellungskosten der Wohnungen und Gewerbeeinheiten aktiviert. Sie waren damit zunächst ergebnisneutral. Durch den Verkauf der Wohnungen und Gewerbeeinheiten haben sie sich mittelbar ergebniswirksam ausgewirkt, weil sie die Herstellungskosten erhöht und den Veräußerungsgewinn damit vermindert haben.

Diese mittelbare Gewinnauswirkung genügt jedoch nicht, um eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG zu rechtfertigen; denn diese Regelung verlangt, dass u.a. die „Entgelte für Schulden“ bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Entgelte für Schulden sind die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital. Hingegen ist die höhere Bestandsveränderung infolge der erhöhten Anschaffungskosten kein „Entgelt für Schulden“ in diesem Sinne.

Der BFH (Urteile vom 30.09.2003 (Hinweis des Dokumentars: Das Datum lautet zutreffend 30.04.2003) - I R 19/02, BStBl II 2004, 192 [BB 2003, 1995]; vom 10.03.1993 - I R 59/92, BFH/NV 93, 561) hat zu der Konstellation, dass die als Herstellungskosten von Anlagevermögen aktivierten Bauzeitzinsen später im Wege der AfA den laufenden Gewinn mindern, entschieden, dass aktivierte Bauzeitzinsen ihren ursprünglichen Charakter verlieren. Sie gelten als Herstellungskosten des Vermögensgegenstandes (vgl. § 255 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz HGB) und somit des aktivierungspflichtigen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens, das nach den einschlägigen handels- und steuerrechtlichen Vorschriften abzuschreiben ist. Diese handelsrechtliche Umqualifizierung der aktivierten Bauzeitzinsen wirkt sich über § 7 GewStG auf die Ermittlung des Gewerbeertrages aus und schlägt auch auf die gewerbesteuerrechtliche Behandlung als Dauerschuldzinsen durch. Sind die vormaligen Bauzeitzinsen infolge der Ausübung des Aktivierungswahlrechts als Herstellungskosten zu behandeln, kann für die Zwecke der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG nicht mehr auf die über die AfA ergebniswirksam werdenden Bauzeitzinsen zurückgegriffen werden. Denn AfA können ungeachtet ihres Aufwandscharakters weder begrifflich noch wirtschaftlich Entgelte für Dauerschulden i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG sein.

Diese Grundsätze sind auf den Streitfall entsprechend anzuwenden. Der Senat kann sich nicht der Rechtsauffassung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts anschließen, welches kürzlich entschieden hat, dass die Rechtsprechung des BFH jedenfalls nicht auf Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zu übertragen sei, wenn das betroffene Umlaufvermögen vor dem Bilanzstichtag aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sei (Urteil vom 21. März 2018 – 1 K 243/15, EFG 2018, 1284, Az. des BFH: III R 24/18; kritisch dazu auch Kleinheisterkamp, FR 2018, 1284). Die Umqualifizierung des Finanzierungsaufwands in Herstellungskosten gilt unabhängig von der Differenzierung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen. Es kommt nach Auffassung des Senats auch nicht darauf an, ob das Wirtschaftsgut vor dem Bilanzstichtag aus dem Betriebsvermögen ausscheidet (a.A. BMF [Finanzierungserlass] vom 2. Juli 2012, BStBl I 2012, 654, Tz. 2). Es liegt in der Konsequenz der Rechtsauffassung des BFH, der sich der Senat anschließt, dass die Erhöhung der Bestandsveränderung kein „Entgelt für Schulden“ im Sinne von § 8 Nr. 1 GewStG sein kann. Der Senat kann sich auch der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen FG nicht anschließen, wonach die Hinzurechnung nur unterbleiben könne, wenn es zu einer „Speicherung des Aufwands in einem aktivierten Wirtschaftsgut“ gekommen sei. Denn unabhängig davon, ob der Zinsaufwand in der Finanzbuchhaltung direkt als Herstellungskosten oder zunächst als Aufwand gebucht, kommt es im Ergebnis nur darauf an, dass im Ergebnis kein Zinsaufwand ausgewiesen wird, sondern Herstellungskosten (wie hier auch FG Münster, Urteil vom 20. Juli 2018 – 4 K 493/17 G, juris [BB 2018, 2800 m. BB-Komm. Kleinmanns], n.rkr. Az. des BFH: IV R 31/18). Soweit dies buchhalterisch nicht umgesetzt wird, kann mit Recht bezweifelt werden, ob der Steuerpflichtige das Aktivierungswahlrecht ausgeübt hat. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Nach Auffassung des Senats ist daher auch nicht entscheidend, ob die Bauzeitzinsen im Streitjahr 2011 oder vorher entstanden sind.

Da der Senat sich somit der Rechtsauffassung des Beklagten nicht anschließen kann, spielt es auch keine Rolle, dass die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung die Differenz zwischen den von der Klägerin tatsächlich aktivierten Bauzeitzinsen in Höhe von 158.468,- € und dem vom Beklagten der Hinzurechnung unterworfenen Betrag in Höhe von 159.106,- € nicht aufklären konnte, was anderenfalls zu Lasten des Beklagten gehen müsste.

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO und orientiert sich um Umfang des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.

 

D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

 

E. Der Senat lässt die Revision hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zu, da er von der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Urteil vom 21. März 2018 – 1 K 243/15, EFG 2018, 1284, Az. des BFH: III R 24/18) abweicht.

 

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