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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
12.08.2021
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Berlin-Brandenburg: Zum Verlustverrechnungsverbot bei Umwandlungen nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.10.2020 – 10 K 10192/19, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 48/20)

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2021-1966-1

Amtliche Leitsätze

1. Das Verlustverrechnungsverbot gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG gilt nicht nur in Missbrauchsfällen, sondern auch bei gewöhnlichen, nicht steuergestalterisch angelegten Einbringungen.

2. Die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG findet nur bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, nicht auch bei der Gewerbesteuer Anwendung.

3. Bei der Berechnung der Einkünfte des übernehmenden Rechtsträger für § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG bleibt ein von diesem im Übernahmejahr in Anspruch genommener Investitionsabzugsbetrag außer Betracht.

4. Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG gilt nicht nur für Umwandlungen zur Aufnahme, sondern auch für Umwandlungen zur Neugründung.

5. Die Berechnung eines etwaigen Verlusts des übernehmenden Rechtsträgers beschränkt sich nicht auf den Rückwirkungszeitraum, sondern umfasst auch den verbleibenden Rest des Wirtschaftsjahrs.

6. Der Rückwirkungszeitraum endet mit dem Ablauf des Tages der Eintragung in das Handelsregister, nicht bereits mit dem Umwandlungsbeschluss.

7. Der Berechnungsmechanismus des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG erfordert die Erstellung einer (steuerlichen Schluss-)Bilanz auf den Zeitpunkt des Endes des Rückwirkungszeitraums („RWZ-Bilanz“), also auf den Tag der Eintragung in das Handelsregister.

8. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ist verfassungsgemäß.

UmwStG § 2 Abs. 4 S. 3; EStG § 7g; GewStG § 7 S. 1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Anwendung von § 2 Abs. 4 Satz 3 Umwandlungssteuer-gesetz – UmwStG – (eingefügt durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013) bei einer im Jahr 2017 erfolgten Ausgliederung des Einzelunternehmens eines eingetragenen Kaufmanns zur Neugründung einer GmbH, also i. V. m. § 20 Abs. 6 Sätze 2 und 4 UmwStG, bei der Körperschaftsteuer – KSt – und dem Gewerbesteuermessbetrag – GewStMB –.

Streitig sind insbesondere die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regelung auf nicht steuergestalterisch angelegte Fälle, die Anwendbarkeit auch bei der Gewerbesteuer sowie die Auswirkung eines Investitionsabzugsbetrages, ferner Details der Schätzung des Gewinns im Rückwirkungszeitraum.

I. B… betrieb eine Branche als Einzelkaufmann mit Gewinn (Einkünfte aus Gewerbetrieb 2014 111.647 €, 2015 190.456 €, 2016 268.646 €). Mit notarieller Urkunde vom 13.07.2017 erklärte er die „Umwandlung im Wege der Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns zur Neugründung einer GmbH (Ausgliederungsplan)“ in die neu zu gründende Gesellschaft „A… GmbH“, die Klägerin. Zum Umwandlungsstichtag wurde der Ablauf des 01.01.2017 bestimmt. B… erhielt alle Geschäftsanteile und wurde zum alleinigen Geschäftsführer bestellt.

Am 24.07.2017 wurde die Firma „C… e.K.“ in das Handelsregister HRA eingetragen.

Am 21.08.2017 wurde die klägerische GmbH in das Handelsregister HRB eingetragen, zugleich wurde das Erlöschen der Firma des eingetragenen Kaufmanns – e.K. – im Handelsregister HRA vermerkt.

Für den Einzelkaufmann wurde der letzte Jahresabschluss zum 01.01.2017 erstellt, für die Klägerin eine Eröffnungsbilanz auf den 02.01.2017 und der erste Jahresabschluss auf den 31.12.2017. Eine Zwischenbilanz, etwa auf den 13.07.2017 oder den 21.08.2017, wurde nicht erstellt.

Mit Geschäftsführervertrag vom 12.07.2017 nebst Änderungen und Nachträgen vom 13.07.2017 erhielt der Geschäftsführer ein festes Jahresgehalt von 144.000 € ab 14.07.2017 sowie eine Gewinntantieme in Höhe von 50 %.

Die Ertragslage des Unternehmens änderte sich durch die Umwandlung nicht, insbesondere der Jahresumsatz war gleichbleibend. Allerdings schlug sich das Geschäftsführergehalt gewinnmindernd nieder. Der Bilanzgewinn zum 31.12.2017 betrug für das gesamte Wirtschaftsjahr 97.419,20 €. Im Personalaufwand in Höhe von rd. 389 T€ waren Vergütungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer in Höhe von rd. 89 T€ enthalten.

II. Mit der im Januar 2019 beim beklagten Finanzamt – FA – eingegangenen KSt-Erklärung 2017 machte die Klägerin einen Investitionsabzugsbetrag für das laufende Wirtschaftsjahr in Höhe von 50.000 €, mit der im Mai 2019 eingegangenen geänderten Erklärung dann in Höhe von 88.000 € geltend.

In den Bescheiden errechnete das FA vor der streitigen Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG einen unstreitigen Zwischenwert bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens für die KSt bzw. des Gewerbeertrages für den GewStMB in Höhe von 14.105 €, der sich aus dem Bilanzgewinn von 97.419 € abzüglich Investitionsabzugsbetrag von 88.000 € zuzüglich Hinzurechnungen für KSt, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer – GewSt – in Höhe von 4.252 € und für sonstige nichtabziehbare Aufwendungen in Höhe von 434 € ergibt.

Das FA vertrat im Rahmen der Veranlagung die Auffassung, ungeachtet der steuerlichen Rückbezugsmöglichkeit (§ 20 Abs. 6 Satz 2 UmwStG) seien die vom Einbringenden im Rückwirkungszeitraum bis zur Gründung des übernehmenden Rechtsträgers erzielten positiven Einkünfte nicht mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers verrechenbar (§ 20 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG). Es schätzte den Gewinn für die Zeit 01.01.2017 bis 12.07.2017 (193 von 365 Tage) anhand des Vorjahresergebnisses (268.646 €) zunächst auf 142.051 €. Mit den ersten, unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden vom 11.06.2019 ging es dementsprechend von positiven Einkünften im Rückwirkungszeitraum (also des übertragenden Rechtsträgers, des e.K.) von 142.051 €, von positiven Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum in Höhe von 14.105 €, damit von (nicht ausgeglichenen) negativen Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers (GmbH) in Höhe von 127.946 € aus. Es rechnete dem Zwischenwert von 14.105 € gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 127.946 € hinzu und gelangte so zu einem zu versteuernden Einkommen bei der KSt bzw. zu einem Gewerbeertrag vor Abrundung beim GewStMB von 142.051 €. Zugleich erließ es Feststellungsbescheide über den verbleibenden Verlust bei der KSt bzw. den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2017 über 127.946 €.

III.1. Die Klägerin legte am 13.06.2019 Einspruch ein. Das Einzelunternehmen habe im Rückwirkungszeitraum keine (positiven) Einkünfte erzielt, da es rückwirkend mit Ablauf des 01.01.2017 aufgegeben worden sei. Die GmbH habe keinen Verlust erzielt, weil sie einen Gewinn erzielt habe.

Unbeschadet dieser Rechtsansicht übersandte die Klägerin vorsorglich die betriebswirtschaftliche Auswertung für den Zeitraum Januar bis Juni 2017, aus der sich zum 30.06.2017 ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern von 87.109,41 €, Steuern vom Einkommen und Ertrag in Höhe von 11.902,00 € und ein vorläufiges Ergebnis nach Steuern in Höhe von 75.207,41 € ergab. Ferner waren 200 € als nicht abziehbare Geschenke verbucht worden. Das FA vermutete, wie sich aus eine Notiz ergibt, dass es sich bei den Steuern um GewSt-Vorauszahlungen handelte. Es schätzte nunmehr einen Gewinn des Einzelunternehmens vor Ertragsteuern im ersten Halbjahr 2017 in Höhe von 87.309,41 € und daraus den Gewinn bis 12.07.2019 zu 193/181 in Höhe von 93.098 €.

2. Mit Einspruchsentscheidung vom 09.07.2019 setzte das FA die KSt und den GewStMB entsprechend herab. Es ging von positiven Einkünften im Rückwirkungszeitraum (des übertragenden Rechtsträgers, des e.K.) von 93.098 €, von positiven Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum in Höhe von 14.105 € und von (nicht ausgeglichenen) negativen Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers (GmbH) in Höhe von 78.993 € aus. Es rechnete dem Zwischenwert von 14.105 € gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG (nur noch) 78.993 € hinzu und gelangte so zu einem zu versteuernden Einkommen bei der KSt bzw. zu einem Gewerbeertrag vor Abrundung beim GewStMB von 93.098 €. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Tätigkeit des Einzelunternehmens habe nicht mit Ablauf des Einbringungsstichtags (01.01.2017) geendet, vielmehr sei ein lebendes (Einzel-)Unternehmen in die Klägerin eingebracht worden. Auch wenn die bis zum 12.07.2017 erzielten Einkünfte der GmbH zuzurechnen seien, seien sie vor dem Ausgliederungsbeschluss und damit durch das Einzelunternehmen erzielt worden. Die GmbH habe bis dahin noch nicht existiert.

Das FA reduzierte die Verlustfeststellungsbescheide entsprechend.

IV. Am 15.07.2019 erhob die Klägerin Klage.

Im Laufe des Klageverfahrens gelangte das FA zu der Einschätzung, der Rückwirkungszeitraum ende nicht mit der notariellen Beurkundung der Ausgliederung am 13.07.2017, sondern erst mit der Eintragung ins Handelsregister am 21.08.2017, so dass bei der Schätzung des Gewinns des e.K. im Rückwirkungszeitraum nicht 193/181, sondern 232/181 des Gewinns des ersten Halbjahres anzusetzen seien. Es ging nunmehr von positiven Einkünften im Rückwirkungszeitraum (des übertragenden Rechtsträgers, des e.K.) von 111.910 €, von positiven Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum in Höhe von 14.105 €, mithin von (nicht ausgeglichenen) negativen Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers (GmbH) in Höhe von 97.805 € aus. Es rechnete dem Zwischenwert von 14.105 € gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG mit auf § 164 Abs. 2 Abgabenordnung – AO – gestützten Änderungsbescheiden vom 05.06.2020 97.805 € (erhöhend statt bisher 78.993 €) hinzu und gelangte so zu einem zu versteuernden Einkommen bei der KSt bzw. zu einem Gewerbeertrag vor Abrundung beim GewStMB von 111.910 € (statt bisher 93.098 €). Die Verlustfeststellungsbescheide wurden entsprechend erhöht.

Die Klägerin führt zur Begründung der Klage aus:

Die Klägerin habe nach Gründung nie Verlust erwirtschaftet. Es handele sich um den Standardfall der Sacheinlage durch die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine neu gegründete Kapitalgesellschaft mit Rückwirkung auf den Jahresanfang gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 6 UmwStG.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG sei zur Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen der sog. Monetarisierung von Verlusten konzernexterner Gesellschaften eingefügt worden, d. h. Gestaltungen, bei denen bewusst Gewinngesellschaften auf bestehende Verlustgesellschaften übertragen worden seien, um eine Verrechnung von Gewinnen des übertragenden Rechtsträgers mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers zu erreichen. Eine solche Konstellation liege hier nicht vor.

Die neu gegründete GmbH habe denklogisch keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte im Rückwirkungszeitraum. Daher könne § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG keine Anwendung finden. Es komme nur auf nicht ausgeglichene positive Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum an, nicht auf solche aus der Zeit danach bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs.

Es handele sich nicht um zwei Unternehmen (übertragender und übernehmender Rechtsträger), sondern um ein Unternehmen, das durch Umwandlung lediglich seine Rechtsform geändert habe.

Jedenfalls der Investitionsabzugsbetrag dürfe nicht berücksichtigt werden, weil es auf das handelsrechtliche Ergebnis ankomme.

Eine gesonderte Gewinnermittlung für die Zeit vor und nach der Einbringung habe der Gesetzgeber nicht verlangt. Die Aufstellung eines Zwischenabschlusses sei nicht verfahrensökonomisch und prozessual nicht notwendig.

Zur Schätzung des Gewinns im Rückwirkungszeitraum trägt die Klägerin vor:

Bei der Schätzung müssten auch Abschreibungen auf neu angeschaffte Wirtschaftsgüter, Bestandsveränderungen beim Material, Bildung von Rückstellungen, anteilige Kosten für Urlaub- und Weihnachtsgelder sowie Tantiemen nebst Rechnungsabgrenzungen für Versicherungen, Steuern usw. berücksichtigt werden. Es sei von dem Ergebnis nach Steuern, nicht vor Steuern, auszugehen. Die zu berücksichtigenden Kosten für Gewährleistungsansprüche, Ansprüche für nicht genommenen Urlaub, anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgelder, Aufbewahrungskosten der Finanz- und Lohnbuchhaltung sowie Jahresabschlusskosten seien – niedrig – mit 7.302 € zu schätzen. Es ergebe sich für den Rückwirkungszeitraum ein anteiliger Gewinn in Höhe von 75.000 €.

Betriebswirtschaftliche Auswertungen für Juli bis Dezember 2017 hat die Klägerin trotz Aufforderung nicht vorgelegt, nur diejenigen für Januar bis Juni 2017.

Auf Anregung des Berichterstatters wurde die Klage hinsichtlich GewSt zurückgenommen und nur gegen die KSt und den GewStMB weitergeführt.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 2017 und den Gewerbesteuermessbescheid 2017, beide zuletzt geändert mit Bescheid vom 05.06.2020, dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen bzw. der Gewerbeertrag vor Abrundung um 97.805 € geringer zugrunde gelegt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA führt aus:

Eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG auf Missbrauchsfälle sei angesichts des klar ersichtlichen Willens des Gesetzgebers nicht geboten. Ohne Rückwirkung hätte der Einzelunternehmer seine positiven Einkünfte versteuern müssen. Der Gesetzgeber habe die steuerliche Rückwirkung insoweit suspendiert. Auf eine Missbrauchsabsicht komme es nicht an.

Die Auffassung der Klägerin, die (nicht zu verrechnenden) negativen Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers müssten ebenfalls im Rückwirkungszeitraum erzielt worden sein, finde im Gesetz keine Stütze.

Für Zwecke des § 2 Abs. 4 UmwStG seien die Einkünfte der Rechtsträger getrennt zu betrachten.

Zwar könne ein Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 Satz 3 EStG auch in Anspruch genommen werden, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht. Es erscheine jedoch nicht sachgerecht, die sich aus dieser Einkommensermittlungsvorschrift auf Ebene der Übernehmerin ergebenden nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte abweichend von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG rechtsträgerübergreifend verrechnen zu können (Verweis auf Bundesfinanzhof – BFH – Großer Senat, Beschluss vom 14.04.2015 GrS 2/12, DStR 2015, 2368, Juris [BB 2015, 2799 m. BB-Komm. Scholz]). Es komme nicht auf das bilanzielle Ergebnis, sondern auf die Höhe der nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers an, in die auch rein steuerliche Hinzurechnungen einflössen.

Auch wenn der Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG sich nicht ausdrücklich auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge beziehe, sei die gesetzgeberische Absicht erkennbar, eine Verrechnung steuerlicher Verluste allgemein, also nicht nur bezogen auf Einkommensteuer – ESt – und KSt, nicht mehr zu dulden. Die mittelbare Anwendung auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge sei daher gemäß § 7 Satz 1 GewStG geboten.

V.1. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

2. Folgende Akten lagen vor:

KSt-Akten, GewSt-Akten, Akte Bilanzen, Akte Gesellschaftsverträge

Aus den Gründen

Teilweise Begründetheit der Klage

Die zulässige Klage ist teilweise, nämlich im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, begründet.

Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –); im Übrigen sind sie rechtmäßig.

§ 2 Abs. 4 Satz 3 (i. V. m. § 20 Abs. 6 Satz 4) UmwStG gilt unabhängig von einer Missbrauchsabsicht auch bei Einbringungen (nachfolgend I.), jedoch nur für die KSt, nicht auch für die GewSt (nachfolgend II.) und nicht, soweit der Verlust des übernehmenden Rechtsträgers auf einem Investitionsabzugsbetrag beruht (nachfolgend III.). Der Rückwirkungszeitraum endet erst mit der Eintragung ins Handelsregister (nachfolgend IV.) Der Senat schätzt den Gewinn des eingebrachten Unternehmens im Rückwirkungszeitraum nur unwesentlich geringer als das FA (nachfolgend V.).

§ 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ist unabhängig von einer Missbrauchsabsicht anzuwenden

I. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG unabhängig von einer Missbrauchsabsicht anzuwenden.

Gesetzgeberische Intention

1. Die gesetzgeberische Intention kann aus der Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats für ein Jahressteuergesetz 2013 vom 10.04.2013 entnommen werden, obwohl dieser Gesetzentwurf nicht Gesetz geworden ist.

Vorschlag des Vermittlungsaussschusses vom 12.12.2012 wurde nicht angenommen

a) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 25.05.2012 und die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 24.10.2012 enthielten die spätere Änderung noch nicht. Der Bundesrat stimmte dem Gesetzesbeschluss des Bundestages nicht zu. Die Bundesregierung rief den Vermittlungsausschuss an. Bei Anrufungen durch die Bundesregierung wird regelmäßig, anders als bei Anrufungen durch den Bundesrat, keine Begründung gegeben. Erstmals der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 vom 12.12.2012 (Druck-sache 17/11844 vom 13.12.2012) enthielt die Änderung des § 2 Abs. 3 UmwStG. Vorschläge des Vermittlungsausschusses enthalten ebenfalls keine Begründung. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurde aus Gründen, die nicht im Zusammenhang mit der hier fraglichen Änderung stehen (Erstreckung steuerlicher Regelungen von Ehegatten auf Lebenspartner), vom Bundestag am 17.01.2013 nicht angenommen.

Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 27.2.2013

b) Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 19.02.2013 enthielt die Änderung ebenfalls noch nicht. Durch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 27.02.2013 (Drucksache 17/12532) wurde das Jahressteuergesetz 2013 in der Fassung des Beschlusses des Vermittlungsausschusses, soweit damals Konsens, in den Gesetzentwurf integriert, damit auch die hier relevante Änderung. Die Beschlussempfehlung führt dazu aus, im Vermittlungsverfahren seien Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung einvernehmlich ergänzt worden. Als ein Spiegelstrich ist aufgeführt „Maßnahmen gegen die Monetarisierung von Verlusten (§ 2 Abs. 4 UmwStG)“.

Diese Beschlussempfehlung wurde letztlich, nach erneuter Anrufung des Vermittlungsausschusses, die jedoch für die hier fragliche Gesetzesänderung keine Änderung gegenüber der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses mehr ergab, vom Bundestag am 06.06.2013 und vom Bundesrat am 07.06.2013 beschlossen.

Begründung des Gesetzentwurfs des JStG 2013

c) Zeitgleich beschloss der Bundesrat am 01.03.2013, möglicherweise ohne Kenntnis des Beschlusses des Finanzausschusses vom 27.02.2013, einen erneuten Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 (Drucksache 17/13033 vom 10.04.2013), der ebenfalls das ursprüngliche Jahressteuergesetz 2013 in der Fassung des Vermittlungsausschusses, soweit Konsens, wieder in das Gesetzgebungsverfahren einbrachte, damit auch die hier relevante Änderung von § 2 Abs. 4 UmwStG. Zur Begründung heißt es dort (Drucksache 17/13033, Seite 90):

„Bei Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf eine Verlustgesellschaft geht ein steuerlicher Verlustvortrag der Verlustgesellschaft (= der übernehmende Rechtsträger) nicht unter. In jüngster Zeit sind Gestaltungen bekannt geworden, die u. a. von Banken modellhaft betrieben werden und diese Regelung ausnutzen. Ziel dieser Gestaltungen ist es, die Besteuerung von Gewinnen bei Gesellschaften mit hohen stillen Reserven durch die Verrechnung mit steuerlichen Verlusten einer anderen Gesellschaft zu vermeiden. Das Gestaltungsmodell nutzt insbesondere die Möglichkeit einer achtmonatigen steuerlichen Rückwirkung bei der Umwandlung oder Einbringung.

Um solche Gestaltungen und die damit verbundenen massiven Steuerausfälle zu vermeiden, wird beim übernehmenden Rechtsträger eine Verrechnung seiner Verluste mit positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers steuerlich nicht mehr zugelassen. Der übernehmende Rechtsträger hat die ihm zuzurechnenden positiven Einkünfte zu versteuern. Ist übernehmender Rechtsträger eine Personengesellschaft, gilt dies auch für einen Ausgleich oder eine Verrechnung bei den Gesellschaftern entsprechend.

Sind übertragender Rechtsträger und übernehmender Rechtsträger vor Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags verbundene Unternehmen im Sinne des § 271 HGB kommt die neue Verlustverrechnungsbeschränkung hingegen nicht zur Anwendung.“

Es ist davon auszugehen, dass dies die gesetzgeberische Intention der zustande gekommenen Gesetzesänderung ist, auch wenn der Gesetzesantrag, aus dem die Begründung stammt, nicht weiterverfolgt wurde, es sich aus dem Gesetzgebungsvorgang also nur mittelbar ergibt.

Modellhafte Gestaltung liegt im Streitfall nicht vor

2. Zwar liegt eine solche modellhafte Gestaltung bei der Entstehung der Klägerin sicher nicht vor.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass die Verhinderung solcher Gestaltungen nur die gesetzgeberische Motivation für die Gesetzesänderung, nicht jedoch Tatbestandsmerkmal des Gesetzes ist, so dass das Gesetz entsprechend seinem Wortlaut auch Anwendung findet, wenn eine derartige Gestaltung nicht vorliegt.

Allgemeine Auffassung im Schrifttum

a) Dies entspricht auch der allgemeinen Auffassung im Schrifttum.

So führt van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 2 UmwStG Rn. 198, aus, durch die Vorschrift drohten „Kollateralschäden“ für seriöse, nicht steuergestalterisch angelegte Fälle. Die Verlustverrechnung sei ausgeschlossen, auch wenn keine Steuergestaltung beabsichtigt sei.

Mückl (GmbH-Rundschau – GmbHR – 2013, 1084, 1085) stellt fest, dass gemessen am Gesetzeszweck der Gesetzeswortlaut eine weit überschießende Tendenz habe.

Vierbrock und Loose (Deutsches Steuerrecht – DStR –2013, 1364) meinen, der Wortlaut sei überschießend, in seinen Auswirkungen in der Praxis problematisch und führe zum Teil zu sinnwidrigen Ergebnissen.

Für eine teleologische Reduktion auf Missbrauchsfälle tritt jedoch, soweit ersichtlich, niemand im Schrifttum ein.

Argumente gehen eine solche teleologische Reduktion

b) Gegen eine solche teleologische Reduktion spricht insbesondere, dass solche Missbrauchsfälle praktisch kaum abgrenzbar wären und dass eine solche Beschränkung wieder zu neuen Umgehungskonstruktionen führen würde.

Vorschrift gilt auch auch für Umwandlungsvorgänge, bei denen der übernehmende Rechtsträger durch die Umwandlung erst geschaffen wird

3.a) Entgegen der Ansicht der Klägerin gilt die Vorschrift nicht nur für Umwandlungsvorgänge, bei denen beide Rechtsträger schon vor dem Vorgang existieren, sondern auch für Umwandlungsvorgänge, bei denen der übernehmende Rechtsträger durch die Umwandlung erst geschaffen wird. Dies folgt aus der Verweisungstechnik des UmwStG und auch aus der Gesetzesbegründung, die (s. o.) allgemein von der „Möglichkeit einer achtmonatigen Rückwirkung bei der Umwandlung oder Einbringung“ spricht.

Eine (nur) formwechselnde Umwandlung, bei der insgesamt nur ein Rechtsträger vorliegt, der lediglich seine Rechtsform ändert, liegt entgegen der Ansicht der Klägerin im Übrigen nicht vor. Die natürliche Person B… existiert auch noch nach der Umwandlung. Es wurden (nur) bestimmte Vermögensgegenstände (nämlich die zum Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter) vom Vermögen der natürlichen Person abgespalten. Die natürliche Person hat dadurch nicht aufgehört zu existieren und ist weiterhin Inhaberin ihres Privatvermögens, unbeschadet des Umstandes, dass aus Sicht des Klägervertreters bei rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise das Unternehmen seine Rechtsform geändert haben mag vom Einzelkaufmann zur GmbH.

Verlustverrechnungsverbot gem. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG

b) In diesem Zusammenhang geht die Klägerin auch fehlt in der Ansicht, Gewinne des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum dürften mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers ebenfalls nur im Rückwirkungszeitraum nicht ausgeglichen werden, während der Ausgleich mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers aus dem verbleibenden Rest des Wirtschaftsjahres nach dem Rückwirkungszeitraum möglich sei.

Denn § 20 UmwStG, und damit die Verweisung in § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG, gilt gemäß § 20 Abs. 1 UmwStG für alle Einbringungsvorgänge in Kapitalgesellschaften. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung zur Aufnahme oder zur Neugründung erfolgt. Bei Spaltungen zur Aufnahme, bei der die übernehmende Kapitalgesellschaft bereits existiert, ergibt sich aus § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG eine Differenzierung nach dem Verlustentstehungszeitpunkt, vor oder nach dem Ende des Rückwirkungszeitraums, in keiner Weise aus dem Gesetzeswortlaut und wird auch in der Literatur von niemandem diskutiert oder auch nur in Betracht gezogen. Wenn aber bei Einbringungen im Rahmen von Aufnahmen in bestehende Kapitalgesellschaften keine Differenzierung nach dem Verlustentstehungszeitpunkt beim übernehmenden Rechtsträger erfolgt, kann eine solche Differenzierung auch bei Einbringungen zur Neugründung nicht erfolgen (im Ergebnis möglicherweise – unklar – anderer Ansicht Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 164).

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

4. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

Zwar stellt die Verlustausgleichsbeschränkung in § 2 Abs. 4 UmwStG bei gewöhnlichen Einbringungsfällen ohne Missbrauchsabsicht einen Eingriff in den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) dar. Dieser ist jedoch gerechtfertigt.

Dabei ist v. a. zu berücksichtigen, dass die Verlustausgleichsbeschränkung im Jahr der Einbringung nicht zu einem endgültigen Wegfall der Verlustnutzung führt, sondern nur zu einer Verlagerung (Verlustvortrag), d. h. der Verlust kann bei Gewinn in der folgenden Periode steuermindernd genutzt werden (Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 171: Verrechnungsverbot „mit temporärem Charakter“). Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist bei Verlust in der folgenden Periode der Verlustrücktrag in das Jahr der Einbringung (allgemeine Meinung im Schrifttum). Damit ist die Regelung weit weniger eingreifend als andere missbrauchsverhindernde Regelungen, die zum endgültigen Wegfall der steuerlichen Wirkung eines Verlusts führen.

Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die gesetzgeberische Intention, Missbrauchsgestaltungen zu vermeiden, auch nicht vermeidbare (Neben-)Wirkungen bei nicht steuergestalterisch angelegten Fällen. Die Missbrauchsverhinderung wäre anderweitig nicht gleichermaßen effektiv zu verwirklichen.

Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG findet nur bei der (Einkommen- und) Körperschaftsteuer, jedoch nicht auch bei der Gewerbesteuer Anwendung

II. Entgegen der Ansicht des FA findet die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG nur bei der (Einkommen- und) Körperschaftsteuer, jedoch nicht auch bei der Gewerbesteuer Anwendung.

Ggf. wäre die Anwendung bei der GewSt eine (nur) entsprechende (analoge) Anwendung

1. Zweifel entstehen durch die Begrifflichkeiten. Denn bei der GewSt verwendet § 10a GewStG die Begriffe „Gewerbeertrag“, „Gewerbeverlust“ und „vortragsfähiger Fehlbetrag“, hingegen spricht § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG von „positiven Einkünften“, „negativen Einkünften“ und „verbleibenden Verlustvorträgen“, was dahin verstanden werden kann, dass § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG bei der GewSt nicht anwendbar ist. Ggf. wäre die Anwendung bei der GewSt eine (nur) entsprechende (analoge) Anwendung.

Unterschiedliche Auffassungen im Schrifttum

2. Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt.

Behrend/Klages (Betriebs-Berater – BB – 2013, 1815, 1820) halten es für überzeugender, dass es sich bei § 2 Abs. 4 UmwStG um eine spezielle einkommensteuerliche bzw. körperschaftsteuerliche Verlustnutzungsbeschränkungsnorm handelt, wie z. B. § 15a EStG oder § 15 Abs. 4 EStG, beklagen jedoch die erhebliche Rechtsunsicherheit in diesem Zusammenhang.

Viebrock/Loose (DStR 013, 1364, 1367) lehnen die Erstreckung auf die GewSt ebenfalls ab und führen aus, es hätte dazu einer ausdrücklichen Regelung bedurft. § 7 Satz 1 GewStG sei nicht ausreichend.

Auch Dodenhoff (Finanz-Rundschau – FR – 2014, 687) verweist primär auf die unterschiedliche Begrifflichkeit. Ergänzend führt er aus, § 7 Satz 1 GewStG verweise nur auf das EStG und das KStG und damit nicht auf das UmwStG, so dass dessen Regelungen bei der Gewerbesteuer nur gelten würden, soweit dort jeweils eine ausdrückliche Verweisung enthalten sei, wie etwa bei §§ 18, 19 UmwStG.

Ebenfalls gegen eine Anwendung bei der GewSt sprechen sich Mückl in Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann, BeckOK UmwStG Stand 01.08.2020, § 2 Rn. 1623, und Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 164, aus.

Schließlich lehnt auch Klingberg in Blümich, EStG KStG GewStG, § 2 UmwStG 2006 Rn. 87a Stand Juni 2020, die Erstreckung auf die GewSt ab unter Verweis auf den Wortlaut und die ausdrückliche Einbeziehung der GewSt in § 2 Abs. 1 UmwStG und die nur teilweise Einbeziehung des UmwStG bei der GewSt in §§ 18, 19 UmwStG.

Hingegen wird die Anwendung befürwortet von van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 2 UmwStG Rn. 185, der laufende Gewerbeverluste als Unterform der „negativen Einkünfte“ versteht.

Ähnlich befürworten Melan/Wecke (Der Betrieb – DB – 2014, 1447) die Anwendung bei der Gewerbesteuer unter Verweis auf § 7 Satz 1 GewSt, denn sie verstehen die Vorschriften des UmwStG als Gewinnermittlungsvorschriften für die ESt und KSt.

Speziell für die Verrechnung operativer Gewinne und Verluste ohne Begründung bejahend auch Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 2 UmwStG SEStEG, Rn. 164 (Stand August 2013).

Keine Erstreckung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG auf die GewSt

3. Der Senat lehnt die Erstreckung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG auf die GewSt ab.
Entscheidend sind die Unterschiede im Wortlaut, insbesondere die ausdrückliche Einbeziehung der GewSt ganz oder teilweise in § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwStG und §§ 18, 19 UmwStG, dazu kontrastierend das Schweigen des Gesetzes zur GewSt in § 2 Abs. 4 UmwStG. Die GewSt folgt einem eigenen Berechnungssystem (§§ 7 bis 10a GewStG) und wird grundsätzlich ohne rechtliche Bindung an die (ESt- bzw.) KSt-Veranlagung ermittelt. Eine automatische Erstreckung der für die ESt und KSt im UmwStG gegebenen Vorschriften auf die GewSt ist daher nicht geboten.

(Negative) Einkünfte auf Seite des übernehmenden Rechtsträgers sind ohne Berücksichtigung eines im Veranlagungsjahr der Übernahme vom übernehmenden Rechtsträger beantragten Investitionsabzugsbetrages zu bestimmen

III. Entgegen der Auffassung des FA sind die (negativen) Einkünfte auf Seite des übernehmenden Rechtsträgers für die Anwendung von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ohne Berücksichtigung eines im Veranlagungsjahr der Übernahme vom übernehmenden Rechtsträger beantragten Investitionsabzugsbetrages (§ 7g EStG) zu bestimmen.

Teleologische Reduktion aus dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG und § 7g EStG

1. Die folgt im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG einerseits und § 7g EStG andererseits.

a) Würden Investitionsabzugsbeträge nicht aus der Berechnung im Rahmen des Verlustverrechnungsverbots gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ausgenommen, hätten sie ggf. nicht den gewünschten Effekt. § 7g EStG dient der Verbesserung der Liquidität und Eigen-kapitalausstattung kleinerer und mittlerer Unternehmen (Kulosa in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 7g Rn. 1 mit zahlreichen Nachweisen zu den Gesetzesmaterialien).

Eine – vom Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG gedeckte – Berücksichtigung auch der Investitionsabzugsbeträge bei der nach § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG anzustellenden Berechnung würde jedoch dazu führen, dass die Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrages nicht zu einem geringeren zu versteuernden Einkommen (bzw. Gewerbeertrag) führt und damit zu dem vom Gesetzgeber angestrebten Liquiditätsvorteil durch geringere Steuern, sondern nur zu einem (höheren) Verlustvortrag bei bestehenbleibender Steuerschuld, wie gerade der hiesige Fall zeigt. Dies wäre, auch in Anbetracht der möglichen Folgen bei Ausbleiben der Investition, aber widersinnig. Der Sinn und Zweck von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG gebietet auch nicht die Mitberücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages. Die Vorschrift will die Ausnutzung von Verlusten bei der Hebung stiller Reserven bekämpfen, nicht die erstrebte Wirkung von § 7g EStG konterkarieren.

b) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es in der Entscheidung des Steuerpflichtigen steht, ob und in welcher Höhe er einen möglichen Investitionsabzugsbetrag geltend machen will und dass die Entscheidung bis zur Bestandskraft der Bescheide änderbar ist. Denn im Laufe einer Veranlagung können vielfältige Änderungen, etwa durch anderweitige gesonderte Feststellungen, eintreten, und der Steuerpflichtige kann das Ergebnis eines Rechtsbehelfs- oder Klageverfahrens oft auch nicht sicher vorhersehen.

2. Das Zwischenergebnis der Einkünfte vor Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ist daher nicht mit 14.105 €, sondern ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags von 88.000 € mit 102.105 € zugrunde zu legen.

Rückwirkungszeitraum bis zur Eintragung in das Handelsregister

IV. Den Rückwirkungszeitraum hat das FA zuletzt zutreffend bis zur Eintragung in das Handelsregister angenommen.

1. Der Rückwirkungszeitraum beginnt mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages und endet mit Ablauf des Tages der Eintragung in das Handelsregister (Behrendt/Klages, BB 2013, 1815, 1821).

Das Ende hängt daher von der Arbeit des Registergerichts, insbesondere dessen Schnelligkeit und etwaigen Beanstandungen, ab, damit von Zufälligkeiten, auf die der Steuerpflichtige keinen Einfluss hat.

2. Im Schrifttum wird daher vereinzelt vertreten, im Wege der teleologischen Reduktion solle der Rückwirkungszeitraum i. S. v. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG bereits mit dem Umwandlungsbeschluss enden (Mückl, GmbHR 2013, 1084, 1088; derselbe in Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann, BeckOK UmwStG, Stand 01.08.2020, § 2 Rn. 1655-1668 unter Hinweis darauf, dass der Rückwirkungszeitraum länger als acht Monate sein kann, da sich diese Frist nur auf die Zeit zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Anmeldung in das Handelsregister bezieht, nicht aber auf die Eintragung, der Rückwirkungszeitraum damit sogar über den nächsten Bilanzstichtag hinausreichen kann).

3. Der Senat hält eine solche Auslegung nicht für geboten, zumal damit die Verzahnung zwischen Umwandlungsrecht und Umwandlungssteuerrecht ohne zwingende Notwendigkeit aufgegeben werden würde. Im Übrigen handelt es sich bei der Rückwirkung um ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, so dass es an diesem selbst liegt, für eintragungsfähige Registeranträge zu sorgen und die maximale Frist ggf. nicht voll auszunutzen.

4. Das FA hat daher zurecht die (positiven) Einkünfte des e.K. gerade bis zum 21.08.2017 (Tag der Eintragung) bestimmt.

Berechnungsmechanismus des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG erfordert im Ergebnis die Erstellung einer (steuerlichen Schluss-)Bilanz auf den Zeitpunkt des Endes des Rückwirkungszeitraums

V.1. Der Berechnungsmechanismus des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG erfordert im Ergebnis die Erstellung einer (steuerlichen Schluss-)Bilanz auf den Zeitpunkt des Endes des Rückwirkungszeitraums (im Schrifttum teilweise „RWZ-Bilanz“ genannt), also auf den Tag der Eintragung ins Handelsregister, von der der Steuerpflichtige meist erst Tage später erfährt, so dass der genaue Tag aus Sicht des Steuerpflichtigen Zufall ist, er sich (z. B. zwecks Inventur) nicht genau darauf vorbereiten kann.

Diese Rechtsfolge wird im Schrifttum einhellig so gesehen und zugleich kritisiert. Denn der Zweck der vom Gesetzgeber ermöglichten Rückwirkungsfiktion in § 2 Abs. 1 UmwStG besteht nicht zuletzt darin, Umwandlungen dadurch zu erleichtern, dass aufwändige unterjährige Zwischenbilanzen nicht erforderlich sind.

Immer dann, wenn der Steuerpflichtige nicht von vornherein sicher ausschließen kann, dass sich im Jahr der Umwandlung beim übertragenden Rechtsträger ein Gewinn, beim übernehmenden aber ein Verlust ergibt, müsste er eigentlich zumindest vorsorglich eine RWZ-Bilanz erstellen. Dabei ist mit zu bedenken, dass die Unternehmensentwicklung nach der Umwandlung oft nicht sicher prognostizierbar ist, es können im verbleibenden Wirtschaftsjahr unerwartete Verluste auftreten.

§ 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG hat daher nicht nur – u. U. nach seinem Zweck überschießende – Auswirkungen auf die Steuerlast, sondern bewirkt fast immer administrativen Mehraufwand.

2. Mangels Vorlage einer RWZ-Bilanz sind im hiesigen Fall die positiven Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum, hier also des e.K. bis 21.08.2017, zu schätzen.

3. Der Senat schließt sich der vom FA angewandten Methode (Herleitung aus betriebswirtschaftlichen Auswertungen) grundsätzlich an. Substantiell andere Methoden sind weder von der Klägerin vorgebracht worden noch ersichtlich.

4. Der Senat hätte eine genauere Schätzung darin gesehen, ausgehend von den betriebswirtschaftlichen Auswertungen zu Ende Juli und Ende August den Gewinn bis Ende Juli ganz und den Gewinn des Monats August zu 21/30 anzusetzen.

Die Klägerin hat jedoch nur die betriebswirtschaftlichen Auswertungen von Januar bis Juni vorgelegt, trotz Aufforderung nicht die für Juli bis Dezember, so dass nur die ungenauere Schätzung mit 232/181 des Gewinns bis Ende Juni, wie vom FA vorgenommen, möglich ist.

5. Das FA hat auch, entgegen der Auffassung der Klägerin, zurecht den vorläufigen Gewinn vor Ertragssteuern, nicht nach Ertragssteuern, zugrunde gelegt.

Der Senat geht davon aus, dass in der Buchführung des e.K. etwaige Einkommensteuer als Privatentnahme verbucht worden wäre, so dass Ertragssteuern beim Einzelkaufmann nur Gewerbesteuerzahlungen sein können. Da diese gemäß § 4 Abs. 5b EStG eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe darstellen, hat das FA bei der Schätzung der positiven Einkünfte zurecht den Betrag vor Ertragssteuern aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung zugrunde gelegt.

6. Der Senat stimmt der Klägerin grundsätzlich zu, dass Betriebsausgaben, die üblicherweise erst gegen Ende des Jahres anfallen, jedoch betriebswirtschaftlich das ganze Jahr betreffen, oder die üblicherweise erst im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt werden (z. B. AfA), im Rahmen der Schätzung die Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers mindernd zu berücksichtigen sind.

a) Allerdings genügen dafür globale, gegriffene, schon der Größenordnung nach nicht nachvollziehbare Beträge nicht.

b) Der Senat mindert bei der Schätzung um folgende Beträge:

aa) Die Bilanzposition „Verbindlichkeiten aus Lohn und Gehalt“ betrug bereits in der Eröffnungsbilanz auf den 02.01.2017 5.449,26 €, in der Schlussbilanz zum 31.12.2017 waren 8.807,37 € passiviert. Gewinnwirksam im Jahr 2017 war daher die Erhöhung in Höhe von 3.358,11 €. Dieser Betrag kann anteilig auf die Zeit bis 21.08.2017 geschätzt werden (232/365), mithin 2.134 €. Weitere Positionen sind, soweit die Klägerin Ansprüche für nicht genommenen Urlaub geltend macht, nicht erkennbar.

bb) Jahresabschlusskosten sind in der Eröffnungsbilanz mit 3.500 €, in der Schlussbilanz mit 4.000 € passiviert. Die Erhöhung von 500 € kann anteilig auf die Zeit bis 21.08.2017 verteilt werden (232/365), also 318 €.

cc) Insgesamt ergibt sich eine Minderung um 2.452 € gegenüber der Schätzung des FA von 111.910 €, mithin 109.458 €.

c) Für weitere schätzweise Minderungen sieht der Senat keine genügenden tatsächlichen Anhaltspunkte.

aa) Soweit die Klägerin Kosten für Gewährleistungsansprüche geltend macht, ist nicht ersichtlich, auf welchen Passivposten in der Bilanz auf den 31.12.2017 sich dies bezieht. Eine Rückstellung, die, ggf. teilweise, schon am 21.08.2017 zu bilden gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

bb) Die Klägerin hat ferner anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgelder geltend gemacht.

Die Urlaubsgelder werden in der Regel im Juni oder Juli ausgezahlt. Es ist daher nicht dargetan, dass solche nicht schon in der betriebswirtschaftlichen Auswertung zu Ende Juni berücksichtigt sind. Die Auswertung zu Ende Juli wurde nicht vorgelegt.

Weihnachtsgelder werden meist im November oder im Dezember ausgezahlt, je nach Praxis des jeweiligen Betriebes. Mangels Vorlage der betriebswirtschaftlichen Auswertungen für November und Dezember können diese jedoch nicht abgeschätzt werden.

Dem Gesellschafter-Geschäftsführer steht im Übrigen laut Arbeitsvertrag kein Weihnachtsgeld zu.

cc) Aufbewahrungskosten für die Finanz- und Lohnbuchhaltung sind als Rückstellung in der Eröffnungsbilanz zum 02.01.2017 und in der Schlussbilanz zum 31.12.2017 gleichermaßen mit 4.000 € als Rückstellung passiviert und daher ohne Gewinnauswirkung, so dass auch nichts auf die Zeit bis zum 21.08.2017 verteilt werden kann.

dd) Die globale Schätzung der Klägerin von anteiligen Kosten Im Rückwirkungszeitraum in Höhe von 7.302 € kann nicht nachvollzogen werden.

Berechnung

VI. Damit ergibt sich folgende Berechnung:

Positive Einkünften im Rückwirkungszeitraum (des übertragenden Rechtsträgers, des e.K.): 109.458 € (oben V.6.b.cc);

positive Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG: 102.105 € (oben III.2.);

(nicht ausgeglichene) negative Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers (GmbH) mithin: 7.353 €;

Hinzurechnung bisher: 97.805 €;

Differenz: 90.452 €.

Einstellung des Verfahrens betreffend die GewSt

VII.1. Die Einstellung des Verfahrens betreffend die GewSt infolge Rücknahme fußt auf § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Berechnung der Steuer und des Messbetrags

2. Der Senat überträgt die Berechnung der Steuer und des Messbetrages gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA.

Zulassung der Revision

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, zugelassen.

Zur Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG sind viele Fragen noch nicht höchstrichterlich geklärt, aber praxisrelevant. Insbesondere klärungsbedürftig erscheinen die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regelung auf nicht steuergestalterisch angelegte Fälle, die Anwendbarkeit auch bei der Gewerbesteuer sowie die Auswirkung eines Investitionsabzugsbetrages im Rahmen der Berechnung.

Kostenentscheidung

4.a) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und entspricht den Anteilen von Obsiegen und Unterliegen. Dabei wurde die Klagerücknahme hinsichtlich der GewSt nicht berücksichtigt, da der Senat auch eine Klarstellung dahingehend, dass die GewSt von Anfang an nicht Gegenstand der Klage gewesen sein sollte, akzeptiert hätte.

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit

b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

5. Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO aufgrund des Verzichts der Beteiligten.

 

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