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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
20.08.2020
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG München: Zulässigkeit der Bildung von Rückstellungen für Personalsicherheiten (Bürgschaft/Garantie)

FG München, Urteil vom 6.11.2019 – 7 K 2095/16, Rev. eingelegt (Az. BFH XI R 41/19)

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2020-1903-1

unter www.betriebs-berater.de

Nicht amtliche Leitsätze 

Das allgemeine (steuer)bilanzielle Bilanzierungsverbot schwebender Geschäfte sowie das spezifische Ansatzverbot für Drohverlustrückstellungen aus schwebenden Geschäften nach § 5 Abs. 4a EStG setzen ein Gegenseitigkeitsverhältnis/„Synallagma“ zwischen den Vertragsparteien voraus. Die konkrete Einstandspflicht des Bürgen oder Garantiegebers für Verpflichtungen des Hauptschuldners ist getrennt von dem zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger bzw. dem Hauptschuldner zu sehen und unterliegt mangels Gegenseitigkeit nicht diesen Beschränkungen für schwebende Geschäfte.

HGB § 249 Abs. 1 S. 1; EStG § 5 Abs. 4a S. 1; BGB §§ 765 ff., § 320

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme aus Bürgschaften/Garantieverträgen und sonstigen Haftungsverhältnissen für sog. Eurokredite im Streitjahr 1997 gebildet werden durften. Insbesondere steht im Streit, ob § 5 Abs. 4a Einkommensteuergesetz (EStG) Anwendung findet.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der … (X AG). Diese bildete im Streitjahr 1997 Rückstellungen für drohende Inanspruchnahme aus Bürgschaftsverpflichtungen in Höhe von … DM sowie aus sonstigen Haftungsverhältnissen in Höhe von … DM. Diese Rückstellungen basierten auf der Übernahme von Kreditrisiken gegenüber der 100%-Tochtergesellschaft … (Y) aus von der X AG vermittelten Eurokrediten. Die X AG erhielt im Rahmen des Eurokreditgeschäfts eine Beteiligung an der von der Y erzielten Marge (Margenanteil 2/3). Der Margenanteil wurde über die Laufzeit der Kredite zu den Zinsterminen vereinnahmt. Abrechnungen erfolgten monatlich nachschüssig.

Im Rahmen einer Außenprüfung für das Streitjahr vertrat die Betriebsprüfung die Auffassung, dass es sich bei den im Zusammenhang mit den Eurokrediten gebildeten Rückstellungen um Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften handele, die zum 31.12.1997 nicht mehr neu gebildet werden dürften bzw. in den Folgejahren aufzulösen seien. …

Der Beklagte erließ im Anschluss an eine Außenprüfung u.a. Änderungsbescheide in Sachen Körperschaftsteuer 1997 (vom 10. Mai 2002) sowie Gewerbesteuermessbetrag 1997 und gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (Gewerbeverlustfeststellung) auf den 31.12.1997 (jeweils 3. Juni 2002). Hiergegen wurden Einsprüche eingelegt (6. Juni 2002 bzw. 27. Juni 2002).

Im Laufe der Einspruchsverfahren ergingen zunächst Änderungsbescheide am 23. April 2008 in Sachen Körperschaftsteuer 1997 sowie am 2. Juni 2008 in Sachen Gewerbesteuermessbetrag 1997 und Gewerbeverlustfeststellung zum 31.12.1997. Hiergegen wurde nochmals Einspruch eingelegt (28. April 2008 bzw. 11. Juni 2008).

Im weiteren Verlauf erkannte das Finanzamt eine Rückstellungsbildung in Höhe von … DM an. Daher wurde mit Bescheid vom 26. Januar 2010 die Körperschaftsteuerfestsetzung 1997 gemäß § 172 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) erneut geändert. Mit Bescheid vom 29. Januar 2010 erfolgte eine entsprechende Änderung des Gewerbesteuermessbetrags für 1997. Auch hiergegen wurde nochmals Einspruch eingelegt (Schreiben vom 10. Februar 2010), welcher jedoch mit Schriftsatz vom 2. Mai 2014 wieder zurückgenommen wurde.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2016 (tatsächlich 29. Juni 2016) wurden lt. Rubrum die Einsprüche vom 28. April 2008, 11. Juni 2008 sowie 10. Februar 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin und macht geltend, die teilweise Nichtanerkennung der Rückstellungen wegen Bürgschaftsverpflichtungen und wegen sonstiger Haftungsverhältnisse gegenüber der Y sei rechtsfehlerhaft. Diese Rückstellungen seien Verbindlichkeitsrückstellungen und fielen nicht unter das Ansatzverbot des § 5 Absatz 4a EStG. Aufgrund der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Kreditnehmer, habe die Klägerin ernsthaft mit einer Inanspruchnahme aus dem Bürgschaften rechnen müssen.

Die Voraussetzungen für ein schwebendes Geschäft seien nicht erfüllt. Es sei zwischen der Haftung und der Verpflichtung, bei Eintritt des Haftungsfalles Leistungen an die Gläubiger zu erbringen, zu unterscheiden. Diese Verpflichtung stelle eine einseitige, nicht in das Gegenseitigkeitsverhältnis eingebundene Verpflichtung dar. § 5 Absatz 4a EStG erfasse keine Bürgschaftsverpflichtungen. Die Grundsätze der eingeschränkten Bilanzierung schwebender Geschäfte beträfen lediglich die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungsverpflichtungen. Ein Synallagma bestehe allenfalls zwischen der Risikoübernahme und der Marge. Dementsprechend habe die X AG ihren Margenanteil ab Abgabe der Bürgschaftserklärung und nicht erst bei einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft erhalten. Es sei unerheblich, dass kein typisches Dreiecksverhältnis vorliege.

Eine Rückstellung in der Steuerbilanz entspreche auch systematischen Überlegungen. Hätte die X AG die Kredite selbst ausgereicht, wären die Forderungen abzuschreiben gewesen. Ferner wäre unstreitig eine Rückstellung zu bilden gewesen, wenn die X AG direkt von den Kreditnehmern eine Provision für die Übernahme der Haftung erhalten hätte. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Hauptschuldner einen höheren Zins an den Darlehensgeber bezahle oder einen geringeren Zins vereinbare und zusätzlich ein gesondertes Avalentgelt an den Bürgen entrichte. Der vorliegende Fall sei ferner mit einem Versicherungsverhältnis vergleichbar. Die Marge befinde sich nur mit künftigen Risiken in einem Schwebeverhältnis, nicht jedoch mit Risiken, die sich aus Sicht des Bilanzstichtags schon mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eingestellt haben.

Ferner bestünden verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich § 5 Absatz 4a EStG. Die Regelung lasse sich vor dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht rechtfertigen.

Die Höhe der Rückstellungen in der Steuerbilanz entspräche der Höhe in der Handelsbilanz. Die Bewertung in der Handelsbilanz sei in objektiv nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Eine Änderung der Rückstellungshöhe sei nur möglich, wenn sie auf einem subjektiven Fehler beruhe. Ein solcher liege nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 1997 vom 10.05.2002 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 26.01.2010, den Gewerbesteuermessbescheid 1997 vom 03.06.2002 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 29.01.2010 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1997 vom 03.06.2002 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 02.06.2008, jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2016, dahingehend zu ändern, dass die Rückstellungen wegen Bürgschaftsverpflichtungen und sonstiger Haftungsverhältnisse gegenüber der HypoBank lnternational S.A. Luxemburg (HypoLux) i.H.v. … DM bzw. … DM in voller Höhe steuerlich anerkannt und gewinnmindernd abgezogen werden;

hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 5 Absatz 4a EStG gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstößt;

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt verweist auf die Einspruchsentscheidung und macht ferner geltend, bei den streitgegenständlichen Rückstellungen handle es sich um Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Vorliegend handele es sich nicht um eine Bürgschaft im Sinne des § 765 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da das charakteristische Dreiecksverhältnis nicht gegeben sei. Vielmehr liege ein Garantievertrag vor. Es liege ein auf gegenseitigen Leistungsaustausch gerichteter Vertrag vor, der zu einem Dauerschuldverhältnis führe. Am Bilanzstichtag seien die Verpflichtungen von beiden Seiten noch nicht erfüllt worden. Die Übernahme des Kreditrisikos beziehe sich auf die gesamte Dauer des Kreditverhältnisses. Zum Zeitpunkt der Bildung der Rückstellungen habe das Vertragsverhältnis noch geschwebt, da noch keine Bürgschaftsinanspruchnahme erfolgt sei.

Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2016, die vom Finanzamtvorgelegten Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 6. November 2019 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Begründetheit der Klage

II. Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das Finanzamt die Zulässigkeit der Bildung von Rückstellungen im Zusammenhang mit den gegenüber der Y übernommenen Kreditrisiken verneint.

Entscheid auch über ursprüngliche Einsprüche

1. Das Gericht geht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und des Schriftverkehrs im Einspruchsverfahren davon aus, dass mit der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2016 (tatsächlich 29. Juni 2016) auch über die ursprünglichen Einsprüche gegen die Änderungsbescheide nach Außenprüfung vom 10. Mai 2002 und 3. Juni 2002 entschieden wurde. Zwar wurden diese Einsprüche vom 6./27. Juni 2002 nicht ausdrücklich im Rubrum erwähnt. Jedoch sollte durch die Einspruchsentscheidung offensichtlich das Einspruchsverfahren insgesamt abgeschlossen werden, da das Vorbringen materiell-rechtlich umfassend beurteilt wurde. Hätte die Einspruchsentscheidung tatsächlich nur über die späteren, im Rubrum genannten Einsprüche entscheiden wollen, hätte es nahe gelegen, diese unter Verweis auf § 365 Abs. 3 AO als unzulässig zu verwerfen.

Nach den Umständen des Streitfalls sowie dem dargelegten Klagebegehren der Klägerin ist nicht davon auszugehen, dass neben dem auf Änderung der Körperschaftsteuer, des Gewerbesteuermessbetrags und der Gewerbeverlustfeststellung gerichteten Begehren auch noch ein weiteres auf isolierte Aufhebung der streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung, soweit diese die im Rubrum ausdrücklich genannten Einsprüche betrifft, verfolgt wird.

Zwar wurden die Einsprüche vom 28. April 2008 und 11. Juni 2008 zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen und nicht bereits als unzulässig verworfen (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 29.05.2001 VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl II 2001, 747 [BB 2001, 1994 Ls]). Hierdurch ist die Klägerin im Streitfall jedoch nicht beschwert (§ 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO). Demgegenüber liegt in der Zurückweisung des Einspruchs vom 10. Februar 2010 eine rechtliche Beschwer, da dieser Einspruch im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bereits zurückgenommen worden war (Schreiben vom 2. Mai 2014) und damit über einen nicht mehr vorliegenden Einspruch entschieden wurde. Da jedoch eine auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage nur in Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1998 I R 44/97, BFH/NV 1999, 314), kann von einem solchen Klagebegehren nur ausgegangen werden, sofern konkrete Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da es der Klägerin erkennbar um materiell-rechtliche Fragen und nicht um verfahrensrechtliche Fehler geht.

Streitgegenständliche Rückstellungen

2. Nach Aktenlage und dem Vorbringen der Beteiligten sind passivierte Rückstellungen für übernommene Kreditrisiken der Y im Streit. In der Buchführung wurden diese unterteilt in Rückstellungen für drohende Inanspruchnahme aus Bürgschaftsverpflichtungen sowie aus sonstigen Haftungsverhältnissen. Die Differenzierung soll - nach Angaben in der mündlichen Verhandlung - daraus resultieren, dass letztere im Rahmen einer globalen Verpflichtungserklärung übernommen wurden, während erstere auf einzelvertraglichen Vereinbarungen basieren.

Unabhängig davon besteht zwischen den Beteiligten grundsätzlich Einigkeit, dass die streitgegenständlichen Rückstellungen auf Haftungsübernahmen der X AG für Kreditrisiken der Y aus dem Eurokreditgeschäft beruhen. Dabei kann nach Auffassung des Gerichts für die steuerliche Beurteilung im Streitfall die exakte zivilrechtliche Qualifizierung und Gestaltung der einzelnen Kreditsicherheiten offenbleiben. Denn die Beteiligten gehen nach ihrem Vorbringen davon aus, dass die Haftungsübernahmen auf Personalsicherheiten beruhen. Für die Frage der Zulässigkeit der Rückstellungsbildung im Hinblick auf den (konkreten) Haftungsfall ist aber unerheblich, ob die Haftungsübernahme auf einer Bürgschaft, Garantie oder einer vergleichbaren Personalsicherheit beruht (vgl. unter 3.). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die zugrundeliegenden Haftungsverhältnisse in entscheidungserheblicher Weise anders zu beurteilen sind, wurden weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich.

Im Streitfall stehen der Rückstellungsbildung weder die Grundsätze zur Bilanzierung schwebender Geschäfte noch § 5 Abs. 4a EStG entgegen

3. Im Streitfall stehen der begehrten Bildung von Rückstellungen für die streitgegenständlichen Kreditrisiken weder die Grundsätze zur Bilanzierung schwebender Geschäfte noch § 5 Abs. 4a EStG entgegen.

Kein bilanzieller Ausweis schwebender Geschäfte

3.1. Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Schwebende Geschäfte sind Vertragsverhältnisse, die am jeweiligen Bilanzstichtag (prospektiv) noch auf einen gegenseitigen Leistungsaustausch gerichtet sind. Sie sind gegenseitige, auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge i.S. der §§ 320 ff. BGB, die von der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichteten Partei - abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten - noch nicht voll erfüllt sind. Hat ausnahmsweise der zur Geldleistung Verpflichtete vorzuleisten, endet der Schwebezustand mit Erfüllung der Geldleistung, auch wenn die Sach- oder Dienstleistung noch nicht erbracht ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2007 IV R 52/04, BFHE 219, 129, BStBl II 2009, 705 [BB 2008, 494 m. BB-Komm. Bergemann]). Zu den schwebenden Geschäften können auch Vertragsverhältnisse zählen, die auf eine (ratierliche) Leistungserbringung auf Dauer gerichtet sind (Dauerschuldverhältnisse, vgl. etwa Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.06.1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735 [BB 1997, 1939]).

Das Passivierungsverbot entfällt regelmäßig mit dem Ende des Schwebezustands des gegenseitigen Geschäfts. Ein Bilanzausweis ist dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.06.1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735 [BB 1997, 1939]; BFH-Urteil vom 13.07.2017 IV R 34/14, BFH/NV 2017, 1426). Ein Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte (BFH-Urteil vom 20.01.1993 I R 115/91, BFHE 170, 234, BStBl II 1993, 373 [BB 1993, 895]).

Steuerliches Ausweisverbot für Drohverlustrückstellungen aus schwebenden Geschäften nach § 5 Abs. 4a S. 1 EStG

3.2. Gemäß § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG dürfen Rückstellungen für drohende Verluste (Verpflichtungsüberschuss) bei noch schwebenden Geschäften nicht mehr gebildet werden. Die Berücksichtigung eines Verpflichtungsüberschusses als drohenden Verlust ist gemäß § 5 Abs. 4a EStG für Steuerbilanzen für nach dem 31. Dezember 1996 endende Wirtschaftsjahre nicht mehr möglich (vgl. BFH-Urteil vom 05.04.2006 I R 43/05, BFHE 213, 332, BStBl II 2006, 593 [BB 2006, 1623 m. BB-Komm. Wüstemann]).

§ 5 Abs. 4a EStG wurde eingefügt durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (UntStRFoG) vom 29.10.1997 (BGBl. I 1997, 2590). Hinsichtlich der Anwendbarkeit bestimmt § 52 Abs. 6a Satz 1 EStG i.d.F.d. UntStRFoG (EStG a.F.), dass § 5 Abs. 4a EStG erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden ist, das nach dem 31. Dezember 1996 endet. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, die am Schluss des letzten vor dem 1. Januar 1997 endenden Wirtschaftsjahrs zulässigerweise gebildet worden sind, sind in den Schlussbilanzen des ersten nach dem 31. Dezember 1996 endenden Wirtschaftsjahrs und der fünf folgenden Wirtschaftsjahre mit mindestens 25 vom Hundert im ersten und jeweils mindestens 15 vom Hundert im zweiten bis sechsten Wirtschaftsjahr gewinnerhöhend aufzulösen (§ 52 Abs. 6a Satz 2 EStG a.F.).

Einschränkungen aufgrund schwebendem Geschäft betreffen nur Leistungsbeziehungen im Gegenseitigkeitsverhältnis/Synallagma

3.3. Nach den Umständen des Streitfalls ist zwar davon auszugehen, dass der Übernahme von Kreditrisiken ein gegenseitiges (synallagmatisches) Vertragsverhältnis zwischen der X AG und der Y zugrunde lag, da die X AG für die Zusage zur Übernahme von Personalsicherheiten (Bürgschaften/Garantien/vergleichbare Haftungszusagen) als Gegenleistung eine Margenbeteiligung erhalten sollte. Jedoch stehen die bei Eintritt des Bürgschafts-/Garantie-/Haftungsfalls (konkreter Haftungsfall) aus den Personalsicherheiten resultierenden Einstandspflichten nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Bildung von Rückstellungen ist im Streitfall daher weder durch die besonderen Grundsätze der Rückstellungsbildung bei schwebenden Geschäften noch durch § 5 Abs. 4a EStG beschränkt.

Streitgegenständliche Haftungsverhältnisse können als Bürgschaft qualifizieren

3.3.1. Dabei teilt das Gericht zunächst nicht die Auffassung des Finanzamts, dass die streitgegenständlichen Haftungsverhältnisse deshalb nicht als Bürgschaftsverhältnisse qualifiziert werden könnten, da es an dem für § 765 BGB charakteristischen Dreiecksverhältnis fehle.

Bei einem Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich nach der gesetzlichen Definition des § 765 Abs. 1 BGB der Bürge durch den Bürgschaftsvertrag gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Dadurch entsteht regelmäßig ein Dreiecksverhältnis zwischen Bürgen, Gläubiger und Hauptschuldner. Ein solches Dreieckverhältnis besteht aber auch im Streitfall soweit die X AG (Bürge) gegenüber der Y (Gläubiger) für die Kreditverbindlichkeiten der Darlehensnehmer (Hauptschuldner) die Haftung übernimmt. Die Besonderheit im Streitfall liegt lediglich darin, dass das der Einstandspflicht (Bürgschaft) häufig zugrunde liegende Rechtsverhältnis (z.B. Auftrag § 662 BGB/Geschäftsbesorgung § 675 BGB) mit dem Hauptschuldner fehlt (anders Verfahren Finanzgericht München, Urteil vom 02.03.2009 7 K 1770/06, EFG 2009, 917 [BB 2009, 1011 m. BB-Komm. Winkels]). Die Wirksamkeit eines Bürgschaftsvertrags wird aber nicht durch das Fehlen eines Rechtsverhältnisses zwischen Bürgen und Schuldner berührt (vgl. Habersack in Münchner Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch - MüKoBGB -, § 765 Rn. 4), so dass auch ohne vertragliche Vereinbarung des Bürgen mit dem Hauptschuldner eine Bürgschaft vorliegen kann.

Einstandsverpflichtung des Bürgen aufgrund Bürgschaftsvertrag steht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis

3.3.2. Soweit die von der X AG gewährten Personalsicherheiten als Bürgschaften zu qualifizieren sind, stehen die am Bilanzstichtag hinreichend konkretisierten Einstandspflichten hieraus nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur vereinbarten Margenbeteiligung.

3.3.2.1. Bei einem gegenseitigen (synallagmatischen) Vertrag wird jede der beiden Hauptleistungen um der anderen willen, als deren Entgelt, versprochen; jede Leistung ist geschuldet, weil die andere geschuldet ist (Westermann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor § 320, Rn. 6). Jedoch müssen in einem gegenseitigen Vertrag nicht alle Pflichten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (z.B. Rückgabepflicht des Vermieters; Westermann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor § 320, Rn. 5).

Von den besonderen Voraussetzungen für die Bilanzierung schwebender Geschäfte sind lediglich die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungspflichten betroffen. Denn die Rechtsprechung des BFH (vgl. u.a. Urteil vom 05.04.2006 I R 43/05, BFHE 213, 332, BStBl II 2006, 593 [BB 2006, 1623 m. BB-Komm. Wüstemann]) stellt bei der Passivierung von Verbindlichkeiten aus Erfüllungsrückstand bei schwebenden Geschäften darauf ab, ob die ausstehende Gegenleistung die erbrachte Vorleistung "abgelten" soll und ihr damit synallagmatisch zweckgerichtet und zeitlich zuordenbar ist. Weitere Verpflichtungen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, sind nach den allgemeinen Grundsätzen zur Bildung von Verpflichtungsrückstellungen zu passivieren.

Einstandsverpflichtung des Bürgen aufgrund Bürgschaftsvertrag steht nicht im Ge-genseitigkeitsverhältnis

3.3.2.2. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt der Bürgschaftsvertrag regelmäßig einen einseitig verpflichtenden Vertrag dar (MüKoBGB/Habersack § 765 Rn. 2, 6). Anlass zur Übernahme der Bürgschaft ist zumeist ein Rechtsverhältnis zwischen Bürgen und Hauptschuldner (Bürgschaftsauftrag). Dabei beauftragt i.d.R. der Hauptschuldner den Bürgen, dem Gläubiger gegenüber die Bürgschaft zu übernehmen, insbesondere die formgerechte (§ 766 BGB) Bürgschaftserklärung zu übergeben. Der entgeltliche (§ 675 BGB - Geschäftsbesorgung) oder unentgeltliche Bürgschaftsauftrag ist abzugrenzen vom eigentlichen Bürgschaftsvertrag zwischen Gläubiger und Bürgen (vgl. Zetzsche in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 765 BGB, Rn. 26; J. Prütting in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 765 BGB, Rn. 11). Der Abschluss des Bürgschaftsvertrags stellt sich insoweit rechtlich als Erfüllung des Bürgschaftsauftrags dar.

3.3.2.3. Die Verpflichtung des Bürgen zur Leistung oder zur Abgabe des Bürgschaftsversprechens kann auch Gegenstand eines Vertrags zwischen Bürgen und Gläubiger sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich der Gläubiger im Gegenzug verpflichtet, eine Provision zu zahlen. Diese Leistungen können dann Gegenstand eines gegenseitigen Vertrags sein. Nach zivilrechtlichem Verständnis kann das dazu führen, dass entweder neben den Bürgschaftsvertrag (§ 765 BGB) ein weiteres Kausalverhältnis tritt (so Staudinger/Horn, BGB, § 765 Rn. 148), das der Bürge durch die Abgabe des Bürgschaftsversprechen (§ 766 BGB) erfüllt, oder den Bürgschaftsvertrag selbst zu einem gegenseitigen Vertrag machen (so MüKoBGB/Habersack § 765 Rn. 6). Voraussetzungen und Inhalt der Verpflichtung des Bürgen bleiben dabei aber grundsätzlich unberührt.

3.3.2.4. Im Streitfall wurde die X AG nicht von den Hauptschuldnern (Kreditnehmern) zur Übernahme einer Bürgschaft gegenüber der Gläubigerin (Y) beauftragt. Vielmehr vereinbarte die X AG mit der 100%-Tochtergesellschaft Y (Gläubigerin) eine Margenbeteiligung, durch die sie an den Zinseinnahmen aus den Eurokrediten beteiligt wurde. Dabei sollte die Margenbeteiligung - zwischen den Beteiligten unstrittig - auch für die Übernahme von Haftungsrisiken, u.a. die Übernahme von Bürgschaften, erfolgen. Dies spricht dafür, dass im Streitfall der Margenbeteiligung und der Zusage zur Übernahme der Kreditsicherheiten ein eigenständiges zusätzliches Vertragsverhältnis zugrunde lag. Mit dem Abschluss des Bürgschaftsvertrags (§ 765 BGB) erfüllte die X AG ihre Verpflichtung aus diesem synallagmatischen Vertragsverhältnis und beendete den Schwebezustand dieser eigenständigen gegenseitigen Vereinbarung. Die eigentliche streitgegenständliche Einstandsverpflichtung für den Fall des Eintritts des Bürgschafts-/Garantiefalls wurde erst durch Abschluss des rechtlich selbständigen Bürgschaftsvertrags begründet (Erfüllungsgeschäft). Die aus dem Bürgschaftsvertrag resultierende konkrete Einstandspflicht, steht damit nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Margenbeteilung.

3.3.2.5. An dieser rechtlichen Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn man vorliegend nicht von einem neben dem Bürgschaftsvertrag bestehenden weiteren Kausalverhältnis ausgeht, sondern den Bürgschaftsvertrag selbst als gegenseitigen Vertrag beurteilt. Denn in diesem Fall stünde lediglich die im Bürgschaftsauftrag vereinbarte Abgabe der Verpflichtungserklärung mit der Margenbeteiligung im Gegenseitigkeitsverhältnis und nicht auch die konkrete Einstandspflicht bei Ausfall des Hauptschuldners. Hierfür spricht bereits, dass die Margenbeteiligung - unabhängig vom konkreten Haftungsfall - laufend erfolgte und nicht vom Ausfall des Kreditnehmers abhing.

Im Übrigen tritt der Bürgschaftsfall, welcher die konkrete Einstandspflicht auslöst, im Streitfall nicht zwangsläufig ein, sondern hängt regelmäßig von zukünftigen Unwägbarkeiten ab. Damit kann die konkrete Einstandspflicht (z.B. Tilgung der Hauptschuld des Kreditnehmers) nur bei Eintritt des Bürgschaftsfalls gefordert werden und nicht in jedem Fall bis zum Ende der Gestellung der Personalsicherheit. Auch dies widerspricht einem Gegenseitigkeitsverhältnis der konkreten Einstandspflicht im Bürgschaftsfall und der Margenbeteiligung. Denn der Gläubiger (Y) kann lediglich davon ausgehen, dass er für seine Verpflichtung zur Margenbeteiligung eine Verpflichtungszusage erhält. Gleichzeitig kann der Sicherheitensteller (X AG) die Margenbeteiligung bereits mit Abgabe der Verpflichtungserklärung beanspruchen. Der Gläubiger kann nicht verlangen, dass die gesicherte Hauptschuld in jedem Fall vom Bürgen/Garantiegeber erfüllt wird. Denn regelmäßig wird die Hauptschuld vom Darlehensnehmer selbst erfüllt. Nur bei Eintritt des Haftungsfalls wäre die Hauptschuld von der X AG zu begleichen gewesen.

Demzufolge hat die X AG bereits mit Abgabe der Verpflichtungserklärung ihre im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Verpflichtung erfüllt. Damit sind auch die für die einzelnen Zeiträume bezogenen Margenbeteiligungen als Einnahmen zu erfassen. Ein im Streitfall als gegenseitiges Dauerschuldverhältnis zu qualifizierendes Vertragsverhältnis zwischen der X AG und der Y befindet sich allenfalls hinsichtlich dieser Pflichten für zukünftige Zeiträume im Schwebezustand.

Konsequenz der Auffassung des Finanzamts, dass der Schwebezustand des Vertrags aufgrund einer noch nicht erfüllten konkreten Einstandspflicht noch nicht beendet sei, müsste sein, die vereinnahmten Margenzahlungen als Anzahlungen gewinnneutral zu erfassen (vgl. hierzu Tiedchen in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 289. Lieferung 11.2018, § 5 EStG, Rn. 398). Von einer solchen aufgeschobenen Realisation der Margenerlöse geht offensichtlich auch das Finanzamt nicht aus.

Auch bei Qualifikation der Sicherungsabrede als Garantievertrag steht Einstandspflicht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis

3.3.3. Diese rechtliche Beurteilung, dass die konkrete Einstandspflicht bei Eintritt des Haftungsfalls im Rahmen eines Bürgschaftsverhältnisses im Streitfall nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, gilt auch insoweit, als die gewährten Personalsicherheiten als Garantien oder garantieähnliche Sicherheiten (sonstige Haftungsverhältnisse) zu qualifizieren sind. Die rechtlichen Unterschiede zwischen den beiden Sicherungsinstrumenten Garantie und Bürgschaft rechtfertigen es nicht, die hieraus resultierenden konkreten Einstandspflichten im Bürgschafts-/Garantiefall bei der Rückstellungsbildung unterschiedlich zu behandeln.

Sowohl bei der im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelten Bürgschaft als auch bei der nicht im BGB geregelten Garantie handelt es sich um eine Personalsicherheit. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend (Akzessorietät; § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch bei der Garantie übernimmt der Garant die Einstandspflicht für einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg oder die Abwendung eines Schadens, so dass der Gläubiger von einem Risiko befreit ist. Im Gegensatz zur Bürgschaft begründet der Garantievertrag jedoch keine akzessorische Verpflichtung; die Einstandspflicht tritt neben die Hauptschuld und ist von deren Bestand unabhängig (Zetzsche in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 765 BGB, Rn. 23). Daher ist die Abgrenzung zwischen den beiden Formen der Personalsicherheit in der Praxis nicht immer einfach. Auch der Übernahme der Garantie liegt häufig ein weiteres Rechtsverhältnis (Auftrag § 662 BGB, Geschäftsbesorgung § 675 BGB, Geschäftsbesorgung ohne Auftrag §§ 677 ff. BGB) zugrunde.

Allein die fehlende Akzessorietät einer Garantieverpflichtung rechtfertigt keine abweichenden (strengeren) Anforderungen an eine Rückstellungsbildung in Garantiefällen. Soweit vorliegend Garantien bzw. garantieähnliche Zusagen abgegeben wurden, ist ebenfalls davon auszugehen, dass diese auf den rechtlich eigenständigen Vereinbarungen über die Margenbeteiligung basierten und sich somit als Erfüllung einer Sicherungszusage darstellen. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass der Garantievertrag bzw. der Vertrag über eine garantieähnliche Zusage selbst ein gegenseitiger Vertrag sein sollte, stand lediglich die Zusage im Gegenseitigkeitsverhältnis und - aus den gleichen Gründen wie im Falle der Bürgschaft (vgl. 3.3.2.5.) - nicht auch die konkrete Einstandspflicht.

Vom FA zur Begründung herangezogene Entscheidungen betreffen nicht vergleichbare Sachverhalte

3.4. Die vom Finanzamt zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen Entscheidungen (BFH-Urteil vom 15.09.2004 I R 5/04, BFHE 208, 116, BStBl II 2009, 100 [BB 2005, 483 m. BB-Komm. Schulze-Osterloh]; FG München, Urteil vom 02.03.2009 7 K 1770/06, EFG 2009, 917 [BB 2009, 1011 m. BB-Komm. Winkels]) betreffen nicht vergleichbare Sachverhalte.

Im Gegensatz zum vorliegenden Fall, in dem eine laufende Margenbeteiligung vorliegt, war im Verfahren I R 5/04 [BB 2005, 483 m. BB-Komm. Schulze-Osterloh] der vereinbarte Avalzins nachträglich zahlbar, wenn kein Kreditausfall zu verzeichnen ist. Der BFH ging insoweit von einem schwebenden Geschäft aus, als am maßgebenden Bilanzstichtag eine Verpflichtung bestand, für ein Kreditrisiko einzustehen, und dieser Verpflichtung ein Anspruch auf eine später fällige Gegenleistung in Form der vereinbarten Avalprovision gegenüberstand. Die konkrete Einstandspflicht bei Kreditausfall konnte bereits deshalb nicht Teil des gegenseitigen Austauschverhältnisses sein, da ein Avalzins bei Kreditausfall gerade nicht zu leisten war. Soweit im Ergebnis ein Erfüllungsrückstand und Verpflichtungsüberschuss (drohender Verlust) verneint wurde, nehmen die Ausführungen des BFH lediglich Bezug auf die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflichten. Nicht Gegenstand des Verfahrens war die Frage der Zulässigkeit von Rückstellungen für die konkrete Einstandspflicht bei Kreditausfall. Denn die hierfür gebildeten pauschalen Rückstellungen für Avalverbindlichkeiten für das latente Kreditrisiko (Bonitätsrisiko) waren lt. Tatbestand zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2004 I R 5/04, BFHE 208, 116, BStBl II 2009, 100 [BB 2005, 483 m. BB-Komm. Schulze-Osterloh]).

Einschränkungen sind für schwebende Geschäfte und § 5 Abs. 4a EStG nicht anwendbar und die Rückstellungen daher zulässig

3.5. Die Rückstellungen sind auch im begehrten Umfang zulässig.

Da die konkrete Einstandspflicht im Bürgschafts-/Garantiefall nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stand, bestimmt sich im Streitfall die Zulässigkeit von Rückstellung nach den allgemeinen Grundsätzen der Bildung von Verpflichtungsrückstellungen. Es greifen weder die Einschränkungen für schwebende Geschäfte (vgl. BFH, Urteil vom 05. April 2006 I R 43/05, BFHE 213, 332, BStBl II 2006, 593, Rn. 17 [BB 2006, 1623 m. BB-Komm. Wüstemann]) noch § 5 Abs. 4a EStG. Rückstellungen aus Personalsicherheiten sind zu passivieren, wenn eine Inanspruchnahme droht (vgl. Schiffers/Strahl/Fuhrmann/Veit in: Korn, Einkommensteuergesetz, 1. Aufl. 2000, 112. Lieferung, § 5, Rn. 614).

Nach Aktenlage und dem Vorbringen der Beteiligten ist davon auszugehen, dass hinsichtlich der streitgegenständlichen Eurokredite zum maßgeblichen Stichtag 31.12.1997 eine Inanspruchnahme der X AG aus den gewährten Kreditsicherheiten unter Rückstellungsgesichtspunkten hinreichend wahrscheinlich war und der zulässige Rückstellungsbetrag auch nicht hinter den begehrten Rückstellungen zurückblieb. Das Finanzamt greift mittlerweile die Ermittlung der zum Bilanzstichtag bestehenden streitgegenständlichen Haftungsrisiken (Bürgschaftsverpflichtungen, sonstige Haftungsverhältnisse) nicht mehr an. Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 30. August 2019 bestehen auch keine konkreten Zweifel an der Ermittlung der in der Bilanz im Zusammenhang mit den Eurokrediten passivierten Rückstellungen. Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Rückstellungen ein uneingeschränktes Testat des beauftragten Wirtschaftsprüfers erhalten haben. Nach Angaben des Finanzamts hatte auch der Betriebsprüfer die Verträge eingesehen und hinsichtlich der Ermittlung der Rückstellungen keine Einwendungen. Vor diesem Hintergrund ist dem Klageantrag in vollem Umfang stattzugeben.

Berechnung der festzusetzenden Steuern und festzustellenden Verluste durch das FA

4. Die Berechnung der festzusetzenden Steuern und festzustellenden Verluste wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Finanzamt übertragen.

Kostenentscheidung

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

Zulassung der Revision

6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen. Eine Aussetzung des Verfahrens und Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 4a EStG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz ist bereits deshalb nicht veranlasst, da § 5 Abs. 4a EStG im Streitfall nicht anwendbar und damit nicht entscheidungserheblich ist.

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