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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
24.06.2021
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Zu verfassungsrechtlichen Zweifeln am Abzinsungssatz von 5,5% für Verbindlichkeiten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EstG)

FG Münster, Beschluss vom 5.5.2021 – 13 V 505/21, Beschwerde eingelegt (Az. BFH XI B 44/21).

ECLI:DE:FGMS:2021:0505.13V505.21.00

Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2021-1583-1

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Für das Streitjahr 2013 liegt noch kein so verfestigtes strukturell niedriges Marktzinsniveau vor, dass das Festhalten an dem in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG vorgesehenen Abzinsungssatz von 5,5 % unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsgesichtspunkten und Verwaltungsvereinfachungsgründen als willkürlich anzusehen ist.

2. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG enthaltenen Abzinsungssatzes hat vor dem Hintergrund der im Schrifttum und der vom FG Hamburg (31.1.2019, Az. 2 V 112/18) geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit grundsätzliche Bedeutung, so dass die Beschwerde nachträglich zugelassen wird.

EStG 2013 § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

Sachverhalt

Die Antragstellerin begehrt die Abänderung des ablehnenden Aussetzungsbeschlusses des Senats vom 12.10.2018.

In der Hauptsache ist zwischen den Beteiligten die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wegen der Höhe des Abzinsungssatzes streitig.

Die Antragstellerin ist eine mit Vertrag vom … gegründete Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), deren Unternehmensgegenstand … ist. Die Antragstellerin ermittelte für das Streitjahr 2013 gem. § 4 Abs. 1 EStG einen Verlust in Höhe von 265 €. Unter den Verbindlichkeiten wies sie unter anderem ein ihr von ihrem Gesellschafter auf dem Gesellschafterverrechnungskonto gewährtes unverzinsliches Darlehen aus, welches sie mit einem Nennwert in Höhe von 91.357,67 € bewertete.

Der Antragsgegner berücksichtigte den Verlust in den Bescheiden über Körperschaftsteuer für 2013 vom 9.2.2015 und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 vom 19.2.2015 zunächst entsprechend den abgegebenen Steuererklärungen. Beide Bescheide ergingen gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin teilte auf Anfrage des Antragsgegners nach Ergehen der Bescheide mit, dass das auf dem Gesellschafterverrechnungskonto ausgewiesene Darlehen „bis auf weiteres“ gewährt worden sei und die gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für dieses Darlehen gelten würden.

Daraufhin änderte der Antragsgegner die Bescheide über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 gem. § 164 Abs. 2 AO und berücksichtigte nunmehr einen Gewinn bzw. Gewerbeertrag in Höhe von 45.139 €. Die Erhöhung begründete er in den Erläuterungen zu den Änderungsbescheiden mit der erforderlichen Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit. Den gewinnerhöhenden Abzinsungsbetrag errechnete der Antragsgegner, indem er aus dem in § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) genannten Vervielfältiger von 9,3 für Nutzungs- oder Leistungsgewährungen von unbestimmter Laufzeit eine Restlaufzeit von 12 Jahren, 10 Monaten und 12 Tagen für das der Antragstellerin gewährte Darlehen ableitete. Aus dieser Laufzeit ermittelte er für die Abzinsung der unverzinslichen Darlehnsschuld einen Vervielfältiger von 0,503. Der Antragsgegner bewertete das unverzinsliche Darlehen mithin mit einem Wert von 45.952,91 €. Die Differenz i.H.v. 45.404,76 € berücksichtigte er in den Änderungsbescheiden als Zinsanteil jeweils gewinnerhöhend. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Antragsgegner in den Änderungsbescheiden auf.

Gegen diese Änderungsbescheide legte die Antragstellerin am 28.3.2018 bzw. am 16.4.2018 Einspruch ein. Mit ihrem Einspruch wandte sie sich gegen die Abzinsung des zinslos gewährten Darlehens und machte geltend, die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sei wegen der seit Jahren andauernden Niedrigzinsphase verfassungswidrig. Sie verwies insoweit u.a. auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Az. X R 19/17 zu diesem Zeitpunkt noch anhängige Klageverfahren.

Zeitgleich mit der Einspruchseinlegung beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuer- und des Gewerbesteuermessbescheides für 2013; diesen Antrag lehnte der Antragsgegner am 9.4.2018 bzw. am 17.4.2018 mit der Begründung ab, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, da der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet sei, den konkreten Zinsvorteil oder Zinsnachteil für den Einzelfall zu ermitteln. Auch der BFH mache dies in seiner ständigen Rechtsprechung zu dem in § 238 AO normierten Zinssatz deutlich, ebenso wie neuere Beschlüsse des Finanzgerichts (FG) Münster und des FG Sachsen-Anhalt. Diese Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes nach § 238 AO seien auf die Abzinsung unverzinslicher Darlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG übertragbar.

Einen von der Antragstellerin am 7.5.2018 beim Finanzgericht Münster gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 hat der Senat mit Beschluss vom 12.10.2018 (Az. 13 V 1409/18 K,G, n.V.) abgelehnt. Zur Begründung hat der Senat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte zur Verzinsung von Steuerforderungen und –verbindlichkeiten nach § 233a AO im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Abzinsungssatz von 5,5 % jedenfalls für das Streitjahr 2013 noch innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsspielraums liege. Dies gelte umso mehr, als die Gewinnerhöhung aufgrund der Abzinsung – im Gegensatz zur Verzinsung nach § 233a AO – nicht zu einer endgültigen steuerlichen Belastung der Antragstellerin führe, sondern in späteren Veranlagungszeiträumen wieder kompensiert werde.

Mit Einspruchsentscheidung vom 22.2.2019 hat der Antragsgegner die Einsprüche der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen; hiergegen hat die Antragstellerin am 25.2.2019 Klage erhoben (Az. 13 K 556/19 K,G,F), über die der Senat noch nicht entschieden hat.

Nachdem die Antragstellerin im Nachgang zum Senatsbeschluss vom 12.10.2018 zunächst nur darauf hingewiesen hatte, dass das FG Hamburg mit Beschluss vom 31.1.2019 (2 V 112/18, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2019, 525) in einem Fall einer Darlehensgewährung mit einer – wie im Streitfall – unbestimmten Laufzeit ebenfalls betreffend u.a. das Jahr 2013 von ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Abzinsungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG ausgegangen ist, hat sie am 25.2.2021 den vorliegenden Antrag auf die nachträgliche Zulassung der Beschwerde gegen den von ihr für unrechtmäßig erachteten Beschluss des Senats vom 12.10.2018 (Az. 13 V 1409/18 K,G) gestellt. Sie ist der Auffassung, dass der ablehnende Beschluss des Senats vom 12.10.2018 unrechtmäßig sei; dies ergebe sich schon daraus, dass das FG Hamburg mit Beschluss vom 31.1.2019 in einem vergleichbaren Fall einem Aussetzungsantrag stattgegeben habe.

[…]

Aus den Gründen

Beschluss des FG Hamburg als veränderter Umstand

II. […] 1. […] 2. […] a. Ein veränderter Umstand im Sinne von § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO liegt in dem nach der Beschlussfassung durch den Senat ergangenen Beschluss des FG Hamburg vom 31.1.2019 (2 V 112/18, EFG 2019, 525), in welchem dieses eine gegensätzliche Rechtsauffassung zu der vom Senat in seinem Beschluss vom 12.10.2018 (Az. 13 V 1409/18 K,G, n.V.) geäußerten Rechtsauffassung vertritt. Zudem hat der BFH nach Ergehen des Senatsbeschlusses vom 12.10.2018 geklärt, welche Maßstäbe für eine verfassungsrechtliche Prüfung der Zinssatzhöhe bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG zugrunde zu legen sind (BFH-Urteile vom 22.5.2019 X R 19/17, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 265, 95, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2019, 795 [BB 2019, 2804 Ls m. BB-Komm. Mihm]; vom 14.7.2020 VIII R 3/17, BStBl II 2020, 813 [BB 2020, 2389 Ls]).

Senat hält aber an seiner Rechtsauffassung fest

b. Der Senat hält jedoch auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des FG Hamburg an seiner Rechtsauffassung fest, dass – jedenfalls für das Streitjahr 2013 und damit im vorliegenden Streitfall – keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG bestehen.

Voraussetzungen für einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG

(1)  Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 29.3.2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082; vom 7.5.2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 133, 377). Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG-Beschlüsse vom 29.3.2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082; vom 7.5.2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377).

Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 29.3.2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082; vom 6.7.2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 [BB-Entscheidungsreport Lühn, BB 2010, 2157]). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 29.3.2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082; vom 6.7.2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 [BB-Entscheidungsreport Lühn, BB 2010, 2157]). Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 29.3.2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082; vom 6.7.2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 [BB-Entscheidungsreport Lühn, BB 2010, 2157]). Zudem dürfen die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Typisierung den Normzweck nicht verfehlen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29.3.2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082).

Der neueren Rechtsprechung des BVerfG ist hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs, an welchem Eingriffe in Art. 3 Abs. 1 GG im Bereich des Steuerrechts infolge von Typisierungen zu messen sind, ferner eine Unterscheidung zwischen temporären („Wann“ der Besteuerung“) und endgültigen Steuereffekten („Ob“ der Besteuerung) zu entnehmen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 12.5.2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, BStBl II 2009, 685 [BB 2009, 1408 m. BB-Komm. Schlotter] sowie BFH-Urteil vom 22.8.2012 I R 9/11, BFHE 238, 419, BStBl II 2013, 512). Nach dieser Rechtsprechung wirken sich temporäre Gewinnverschiebungen durch die Jährlichkeit der progressiven Einkommensbesteuerung zwar unterschiedlich auf die steuerliche Belastung aus – sie können je nach der Höhe des Überschusses oder Gewinns und der Entwicklung des Steuersatzes positiv oder negativ sein. Es handelt sich bei solchen Wirkungen jedoch um Nebeneffekte, die keine relevante Abweichung von einer verfassungsrechtlich gebotenen Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und auch keine Durchbrechung des (einfachgesetzlichen) objektiven Nettoprinzips bewirken (vgl. BVerfG-Beschluss vom 12.5.2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, BStBl II 2009, 685 [BB 2009, 1408 m. BB-Komm. Schlotter]).

Verfassungsrechtliche Grenzen werden durch die Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG im Streitfall nicht überschritten

(2) Die hiernach zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Grenzen werden nach Auffassung des Senats durch die Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG im Streitfall nicht überschritten.

Gebot der Abzinsung von Verbindlichkeiten

(a) Das Gebot der Abzinsung von Verbindlichkeiten beruht auf der sachgerechten, typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht (siehe BFH-Beschluss vom 6.10.2009 I R 4/08, BStBl II 2010, 177). Der durch die Unverzinslichkeit hervorgerufene Minderaufwand wird kapitalisiert und als Ertrag vorweggenommen; gegenläufig entsteht in den folgenden Jahren aufgrund der sich stetig verkürzenden Restlaufzeit jeweils Aufzinsungsaufwand, bis zum Rückzahlungszeitpunkt der Nominalwert der Verbindlichkeit erreicht ist (vgl. BFH-Urteil vom 22.5.2019 X R 19/17, BFHE 265, 95, BStBl II 2019, 795 [BB 2019, 2804 Ls m. BB-Komm. Mihm]; Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 6 EStG Rn. 151). § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG bewirkt somit im Ergebnis lediglich eine temporäre Gewinnverschiebung. Die verfassungsrechtliche Beurteilung für eine solche temporäre Gewinnverschiebung hat sich – als nicht relevante Abweichung vom verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit – am Maßstab der Willkürkontrolle zu orientieren. Der statisch-typisierende Zinssatz von 5,5 %, welcher der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG zu Grunde liegt, ist jedenfalls im Streitjahr 2013 für Verbindlichkeiten mit den im Streitfall einschlägigen Parametern noch nicht willkürlich gewählt.

Im Streitjahr 2013 liegt noch kein so verfestigtes strukturell niedriges Marktzinsniveau vor, dass das Festhalten am Zinssatz von 5,5 % als Verstoß gegen das Willkürverbot anzusehen ist

(b) Der BFH hat für das Jahr 2010 festgestellt, dass sich in diesem Jahr noch kein strukturell niedriges Marktzinsniveau verfestigt habe, aufgrund dessen der Gesetzgeber unter Berücksichtigung einer angemessenen Beobachtungsphase nicht weiterhin berechtigt gewesen wäre, im Interesse der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung am statisch-typisierenden Zinssatz von 5,5 % festzuhalten (vgl. BFH-Urteil vom 22.5.2019 X R 1917 [wohl: X R 19/17, die Red.], BFHE 265, 95, BStBl II 2019, 795 [BB 2019, 2804 Ls m. BB-Komm. Mihm]). Dies hat der BFH im Wesentlichen daraus hergeleitet, dass der Fremdkapitalmarktzinssatz im Dezember 2010 ausweislich des Monatsberichtes der Deutschen Bundesbank für März 2011 nach den im dortigen Streitfall einschlägigen Parametern (Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften bis 1 Mio. € bei mehr als fünfjähriger Laufzeit/Neugeschäft) noch zwischen 3,81 % und 3,86 % gelegen und sich demzufolge – im Gegensatz zum Zinsniveau im Dezember 2018 (1,85 %) – noch nicht als dramatischer Abfall zum gesetzlichen Zinssatz dargestellt habe (vgl. BFH-Urteil vom 22.5.2019 X R 1917 [wohl: X R 19/17], BFHE 265, 95, BStBl II 2019, 795 [BB 2019, 2804 Ls m. BB-Komm. Mihm]). Zudem sei zu berücksichtigen gewesen, dass der betreffende Rückzahlungsanspruch nicht besichert gewesen sei und der von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung vom 18.11.2009 ermittelte Abzinsungssatz für die im Urteilsfall maßgebliche Laufzeit von 34 bis 35 Jahren im Dezember 2010 noch bei ca. 5,10 % gelegen habe (Dezember 2018: 2,51 %), so dass ein nach wie vor durchaus realitätsgerechtes Vergleichsbild zum gesetzlichen Zinssatz von 5,5 % gezeichnet worden sei (vgl. BFH-Urteil vom 22.5.2019 X R 19/17, BFHE 265, 95, BStBl II 2019, 795 [BB 2019, 2804 Ls m. BB-Komm. Mihm]).

In Anbetracht des Umstandes, dass bei Anwendung dieser Maßstäbe auf das vorliegende Verfahren (Streitjahr 2013, nicht besicherter Kredit von bis zu 1 Mio. € an eine nichtfinanzielle Kapitalgesellschaft bei einer auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 BewG anzunehmenden Laufzeit von 12 Jahren und 10 Monaten) die vergleichbaren Parameter im Dezember 2013 bei 2,74 % (siehe Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für März 2014, Statistischer Teil, S. 47) bzw. bei ca. 4,76 % (siehe den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Abzinsungssatz gem. § 253 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) für eine Restlaufzeit von 12 Jahren und 10 Monaten) gelegen haben, liegt nach Ansicht des Senates auch im Streitjahr 2013 noch kein so verfestigtes strukturell niedriges Marktzinsniveau vor, dass das Festhalten  des Gesetzgebers am statisch-typisierenden Zinssatz von 5,5 % unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsgesichtspunkten und Verwaltungsvereinfachungsgründen als Verstoß gegen das Willkürverbot anzusehen ist. Dies gilt für die Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG – wie bereits dargelegt – umso mehr, als diese lediglich zu einer temporären Gewinnverschiebung und allenfalls in geringem Umfang zu einer endgültigen steuerlichen Belastung führt (die Abzinsung von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % in den Jahren 2013 bzw. 2018 sogar im Falle einer endgültigen steuerlichen Belastung für verfassungsgemäß haltend BFH-Urteil vom 14.07.2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192, BStBl II 2020, 813 [BB 2020, 2389 Ls] sowie FG Köln, Urteil vom 29.09.2020 7 K 2593/19, juris).

Gründe des Beschlusses des FG Hamburg sind nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar

(c) Soweit das FG Hamburg seine hiervon abweichende Rechtsauffassung im Beschluss vom 31.1.2019 (2 V 112/18, EFG 2019, 525) auf die vom BFH mit Beschlüssen vom 25.4.2018 IX B 21/18 (BStBl II 2018, 415 [BB 2018, 1444 m. BB-Komm. Heinmüller]) und vom 3.9.2018 VIII B 15/18 (BFH/NV 2018/1279) geäußerten schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifel an dem für die Anwendung von § 233a AO maßgeblichen Zinssatz von 6 % stützt, vermag der Senat dem schon deshalb nicht zu folgen, weil nicht ersichtlich ist, warum für die Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG die gleichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe gelten sollen wie für die Anwendung von § 233a AO, obwohl die Abzinsungsregelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG lediglich zu einer temporären und allenfalls in geringem Umfang zu einer endgültigen steuerlichen Belastung führt. Zudem sind die Gründe des Beschlusses des FG Hamburg auch deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil es zur Bestimmung des Marktzinsniveaus auf Zinssätze für Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von einem bzw. von fünf Jahren abgestellt hat, während im vorliegenden Streitfall zur Bestimmung des Marktzinsniveaus auf nicht besicherte Verbindlichkeiten mit einer ca. 12-jährigen Restlaufzeit abgestellt werden muss.

Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG im Streitjahr ergeben sich auch nicht aus dem Vorlagebeschluss des FG Köln zu § 6a EStG

(d) Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG im Streitjahr ergeben sich auch nicht aus dem Vorlagebeschluss des FG Köln zu § 6a EStG (vom 12.10.2017 10 K 977/17, EFG 2018, 287; krit. Briese, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2018, 1248), in welchem von den Rechtsmittelführern unter anderem auch die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift wegen der seit Jahren andauernden Niedrigzinsphase geltend gemacht worden ist. Denn der Vorlagebeschluss betrifft nicht das Jahr 2013, sondern erst Zeiträume ab dem Jahr 2015.

3. […]

Zulässigkeit der nachträglichen Zulassung der Beschwerde

4. Die nachträgliche Zulassung der Beschwerde ist aufgrund der bestehenden jederzeitigen Änderungsbefugnis des erkennenden Senates (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO) zulässig. Diese Befugnis erlaubt es dem Senat auch, an seiner vorangegangenen Entscheidung festzuhalten, jedoch nunmehr die Beschwerde zuzulassen, weil er abweichend von der zunächst getroffenen Entscheidung einen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO für gegeben hält (vgl. BFH-Beschluss vom 22.8.2001 III B 71/01, BFH/NV 2002, 195 m.w.N.). Die Zulassung der Beschwerde erfolgt gem. §§ 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 2. Alt. FGO. Die Rechtssache besitzt aufgrund der in der Literatur und der vom FG Hamburg geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG grundsätzliche Bedeutung und erscheint zur Sicherung einer einheitlichen finanzgerichtlichen Rechtsprechung erforderlich.

 

 

 

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