R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
01.08.2008
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
: „Wesentliche Verbesserung“ bei Aufwendungen um mehr als das Siebenfache des Gebäudekaufpreises

FG Köln, Urteil vom 17.4.2008 - 10 K 2007/04

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen auf ein vermietetes Wohngebäude zu sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen geführt haben oder als Herstellungskosten nur über Absetzungen für Abnutzung zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin erwarb mit notariellem beurkundetem Kaufvertrag vom 19.7.2002 die Mehrfamilienhäuser F-Str./W-Str. (Baujahr 1958) sowie sieben Wellblechgaragen zum Kaufpreis von 107.000 Euro Von dem Kaufpreis entfallen nach Angaben der Klägerin, die der Beklagte übernommen hat, 67,2 % auf den Grund und Boden und 32,8 % auf die Gebäude (= ca. 36.600 Euro). In der Einkommensteuererklärung erklärte sie aus diesen Objekten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtungen in Höhe von 9.849 Euro sowie Werbungskosten in Höhe von 167.894 Euro. Hierin enthalten waren 157.731 Euro direkt abgezogene Erhaltungsaufwendungen und die Abschreibungsbemessungsgrundlage erhöhende Bauaufwendungen in Höhe von 122.136 Euro. Die gesamten Aufwendungen für die unmittelbar im Anschluss an den Erwerb vorgenommenen Baumaßnahmen betrugen 259.871,27 Euro.

Die Gebäude waren vor der Instandsetzung zum Teil vermietet. Über den Zustand der Gebäude vor den Instandsetzungsarbeiten führt das Gutachten des Dipl.-Ing. S u. a. aus:

„Elektro- und Sanitärinstallation, Heizung und Warmwasserversorgung

Elektroinstallation:             einfache Ausstattung, technisch überaltert, teilweise auf Putz verlegt; Klingelanlage

Heizung:                            Einzelöfen, Mehrraum-Warmluft-Kachelofen, mit festen Brennstoffen (Kohle);

MFH X-Straße:                zwei Wohnungen mit je einer Gas- und Kohleetagenheizung (einfache Stahlradiatoren).

Warmwasserversorgung:     überwiegend, Boiler (elektro)

Sanitäre Installation:           einfache Wasser- und Abwasserinstallation, Aufputz

Bad:                                  freistehende Wanne, WC, Waschbecken; überalterte Ausstattung und Qualität

Küchenausstattung:            Kohlebeistellherd; Wasserzapfstelle

Allgemeinbeurteilung

Die 1958 errichteten Mehrfamilienhäuser sind mit den damals zur Verfügung stehenden Materialien und einfacher Ausstattung wie Holzkastenfenster, Einzelofenheizung auf Kohlebasis, im Bad freistehender Wanne und Kohlebadeofen, in der Küche mit Kohlebeistellherd und Wasserzapfstelle kalt versehen. ... Damit sind die MFH nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Die Tragekonstruktion ist noch stabil, der Wohnungszustand entspricht noch heutigen Ansprüchen, das Grundstück ist in einer ansprechenden Umgebung gelegen. Das sind grundlegende Voraussetzungen für eine gute Vermietbarkeit nach einer Komplettsanierung der Wohngebäude."

Die Klägerin ließ im Anschluss an den Erwerb folgende Arbeiten ausführen:

Das Dach wurde instandgesetzt. Im Sanitärbereich wurden die vorhandenen Sanitäranlagen demontiert, entsorgt und neue Sanitäreinrichtungen installiert. In Küchen und Bädern wurden Fliesen und Putz abgehackt, entsorgt, Wand und Boden abgedichtet und neu gefliest. Türen und Fenster wurden komplett durch neue ersetzt. Die vorhandene Elektroinstallation wurde dem heutigen Wohnanspruch angepasst. Die Kelleraußenwand wurde trockengelegt und Sanierputz im Außen- und Innenbereich aufgetragen. Ofenheizung wurde durch Gaszentralheizung ersetzt. Balkone wurden neu angebaut. Der Beklagte berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid vom 5.8.2003 die Bauaufwendungen insgesamt als nachträgliche Herstellungskosten.

Die Kläger legten rechtzeitig gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens beantragten sie, die Bauaufwendungen entgegen der ursprünglichen Aufteilung insgesamt den direkt abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen zuzuordnen. Der Beklagte folgte dem Einspruch teilweise und erkannte direkt abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 87.045 Euro an. Die Abschreibungsbemessungsgrundlage reduzierte sich entsprechend. In dem Änderungsbescheid vom 10.2.2004 wurde daraufhin die Einkommensteuer auf 0 Euro festgesetzt.

Gleichzeitig erging der Bescheid, dass kein verbleibender Verlustabzug zum 31.12.2002 festzustellen sei.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein und beantragten erneut, die Bauaufwendungen insgesamt den direkt abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen zuzuordnen und einen entsprechenden Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen.

Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19.3.2004 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

Sanierungsaufwendungen seien für alle vier Bereiche, die der Bundesfinanzhof in seiner seit dem Urteil vom 12.9.2001 geänderten Rechtsprechung als Gebrauchswert bestimmend ansieht, durchgeführt worden. Der Beklagte gehe davon aus, dass in drei der vier Zentralbereiche ein sog. Standardsprung eingetreten sei und behandele die Kosten der Sanierung deshalb zum Teil als Herstellungskosten.

Hinsichtlich des Zentralbereichs „Fenster" bestehe Einigkeit, dass diese im ursprünglichen und im sanierten Zustand einen mittleren Standard aufwiesen bzw. aufweisen.

Soweit die Finanzverwaltung in der Einspruchsentscheidung davon ausgehe, dass die Einordnung der Zentralbereiche „Heizungs- und Elektroinstallation" in den sehr einfachen Standard unstreitig sei, treffe dies nicht zu, darauf werde aber nicht eingegangen.

Uneinigkeit bestehe im Besonderen über die Einordnung der Baumaßnahmen zur Sanitärinstallation. Das Bundesministerium für Finanzen habe in dem Schreiben vom 18.7.2003 dargestellt, dass „sehr einfacher Standard" vorliege, wenn die zentralen Ausstattungsmerkmale im Zeitpunkt der Anschaffung nur in nötigem Umfang oder technisch überholtem Zustand vorhanden seien. Für die Sanitärinstallation solle ein sehr einfacher Standard nur vorliegen, wenn das Bad kein Handwaschbecken besitze, keine Entlüftung im Bad vorhanden sei, die Badewanne oder Verblendung frei stehe, die Wände nicht überwiegend gefliest seien oder lediglich ein Badeofen vorhanden sei. Aus den dem Beklagten überlassenen Originalbildern von Badezimmern im Ursprungszustand sei ersichtlich, dass sowohl Waschbecken vorhanden, Badewannen abgemauert und verfliest, die Wände bis über die Hälfte ihrer Flächen gefliest und Belüftungen in Form von Fenstern in den Badezimmern vorhanden gewesen seien. Diese Ausstattungsmerkmale seien in zeitgemäßer Form ersetzt worden.

Wegen der weiteren Begründung wird auf die Klageschrift der Kläger Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 5.3.2004 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19.3.2004 zu verpflichten, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31.12.2002 mit der Maßgabe festzustellen, dass die gesamten Aufwendungen in Höhe von 259.871 Euro als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen behandelt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zur Einspruchsentscheidung führt er aus:

Entgegen der Auffassung der Kläger bestehe keine Einigkeit hinsichtlich der Zuordnung der Fenster in den mittleren Standardbereich. Die Fenster seien dem einfachen Standard zuzuordnen. Wegen der Besonderheit der Kastenkonstruktion sei von der Annahme eines sehr einfachen Standards abgesehen worden.

Aus den Gründen

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist zumindest nicht zum Nachteil der Kläger rechtswidrig und verletzt diese deshalb nicht in ihren Rechten, vgl. § 101 FGO.

Der Beklagte hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, einen verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2002 gesondert festzustellen.

Nach Auffassung des erkennenden Senats bleibt bereits deshalb kein steuerlich beachtlicher Verlust, da die gesamten Aufwendungen der Klägerin als nachträgliche Herstellungskosten auf die erworbenen Gebäude zu beurteilen sind.

Zwar hat der Bundesfinanzhof mit Urteilen vom 12.9.2001 (vgl. IX R 39/97, BStBl. - II 2003, 569, BB 2002, 1350) die frühere Rechtsprechung zum sog. anschaffungsnahen Aufwand aufgegeben. Als Herstellungskosten berücksichtigt er gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB nur noch Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die zu einer über den bisherigen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung des Gebäudes führen. Dies soll dann gegeben sein, wenn durch die Maßnahmen der Gebrauchswert eines Wohngebäudes gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs deutlich erhöht wird. Der Gebrauchswert eines Wohngebäudes werde insbesondere durch die Modernisierung derjenigen Einrichtungen erhöht, die diesen maßgeblich bestimmen: Das seien vor allem die Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie die Fenster. Eine deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts sei immer dann gegeben, wenn durch die Modernisierung ein Wohngebäude von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben werde (vgl. zu weiteren Urteilen Drenseck in Schmidt, EStG, 26. Auflage 2007, § 21 Rdz. 73).

Der erkennende Senat teilt die vorgenannten Grundsätze. Er ist aber der Auffassung, dass eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung für eine wesentliche Verbesserung spricht, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar im Anschluss an den Erwerb das Siebenfache des Gebäudekaufpreises für Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an allen vom Bundesfinanzhof für entscheidend gehaltenen Gewerken aufwendet. In diesem Fall bedarf es nicht einer ins Einzelne gehenden Untersuchung, an welchen Gewerken die Maßnahmen zu einem Standardsprung geführt haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass insgesamt ein Standardsprung vorliegt. Alles andere ist lebensfremd und widerspricht auch der gesetzlichen Regelung. Wenn diese von einer „über den bisherigen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung" spricht, so ist kaum denkbar, dass eine solche nicht vorliegt, wenn die Aufwendungen mehr als das Siebenfache des Gebäudekaufpreises ausmachen.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ab welcher Grenze die tatsächliche Vermutung eingreift. Bei dem Siebenfachen ist die Grenze jedenfalls bei weitem überschritten.

Die Vermutung greift dann nicht ein, wenn der Kaufpreis nicht dem Verkehrswert des Gebäudes entspricht. Hierfür gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.

Die Kläger haben diese tatsächliche Vermutung nicht widerlegt. Vielmehr ergibt sich aus dem von ihnen eingereichten Gutachten des Dipl.-Ing. S, dass die 1958 errichteten Mehrfamilienhäuser mit den damals zur Verfügung stehenden Materialien in einfacher Ausstattung versehen wurden. Die Anlagen waren teilweise technisch überaltert und von einfacher Herstellungsart. Nach Durchführung der Maßnahmen muss in Anbetracht der Höhe der Aufwendungen für alle Gewerke zumindest von einem mittleren Standard ausgegangen werden.

Die vom erkennenden Senat vorgenommene Typisierung ist aus Gründen der Praktikabilität erforderlich und sinnvoll. Ohne diese ist die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht handhabbar und führt zu nicht lösbaren Problemen, wie der vorliegende Streitfall exemplarisch zeigt. Es müsste für jede einzelne Wohnung geprüft werden, ob ein „Standardsprung" vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1FGO die Revision zu, da er zwar von der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausgeht, diese aber praxisgerecht fortentwickelt.
 

stats