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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
21.11.2024
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Nürnberg: Wertpapier-Leihe – Teilwertabschreibung auf die Rückübertragungsforderung und Wertaufholung der zurückgegebenen Aktien

FG Nürnberg, Urteil vom 9.1.2024 – 1 K 642/14, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 10/24)

Volltext der Entscheidung://BB-ONLINE BBL2024-2799-1

Aus den Gründen

Begründetheit der Klage

Die Klage ist begründet.

Die Änderungsbescheide für 2007 vom 09.08.2023 über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag, in denen das Finanzamt dem ursprünglichen Klageantrag entsprochen hat, sind gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 10.05.2023 erklärte Klageerweiterung stellt eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 67 Abs. 1 FGO dar, da das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

Anschluss an BFH-Rechtsprechung

Mit Urteil vom 29.09.2021 [I R 40/17, BStBl II 2023, 127] hatte der BFH eine Grundsatzentscheidung gefällt, wie Wertverluste, die zeitlich zwischen der Hingabe und der Rückgabe von Wertpapieren im Rahmen einer Wertpapier-Leihe eingetreten sind, steuerlich zu behandeln sind. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung hat das Finanzamt bei Erlass der Änderungsbescheide vom 09.08.2023 zutreffend berücksichtigt.

Die hier zu entscheidende Rechtsfrage, wie der Veräußerungsgewinn, der bei einer späteren Veräußerung dieser Wertpapiere zu einem wieder gestiegenen Aktienkurs im Lichte des § 8b Abs. 2 KStG steuerlich zu behandeln ist, schließt thematisch an die vorgenannte BFH-Rechtsprechung an und kann nur unter Würdigung dieser BFH-Rechtsprechung getroffen werden.

Da die beiden Themenkomplexe einen engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhang aufweisen, ist die Klageerweiterung sachdienlich.

Voraussetzungen des § 8b Abs. 2 KStG …

Der hier streitrelevante Absatz 2 des § 8b KStG (Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen) hatte im Streitjahr 2007 folgenden Wortlaut:

„Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG gehören, oder an einer Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 KStG außer Ansatz. Veräußerungsgewinn im Sinne des Satzes 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert). Satz 1 gilt entsprechend für Gewinne aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Nennkapitals oder aus dem Ansatz des in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG bezeichneten Werts. [Satz 4:] Die Sätze 1 und 3 gelten nicht, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderung nicht durch den Ansatz eines höheren Werts ausgeglichen worden ist. Satz 4 gilt außer für Gewinne aus dem Ansatz mit dem Wert, der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG ergibt, auch für steuerwirksam vorgenommene Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge. Veräußerung im vorstehenden Sinne ist auch die verdeckte Einlage.“

Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG greift die Steuerbefreiung mithin insofern nicht, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben wurde.

… sind im Streitfall nicht erfüllt

Diese aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift entnommenen Voraussetzungen sind nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten nicht erfüllt. Die Klägerin hat den Wertverlust der gegenständlichen F-Aktie, die zwischen der Verleihung der Aktien an das Kreditinstitut X und dem Bilanzstichtag 31.12.2006 eingetreten ist, nicht beim Wirtschaftsgut „Aktien der F“ abgeschrieben. Es erfolgte lediglich eine Wertberichtigung der Sachdarlehensforderung, die auf die Rückbeschaffung entsprechender Aktien durch X gerichtet war. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 29.09.2021 (a.a.O.) eine Entkoppelung dieser Sachdarlehensforderung von den im Rahmen der Wertpapier-Leihe hingegebenen Aktien anerkannt; es handelt sich mithin um zwei verschiedene Bilanzpositionen.

Senat schließt sich den Ausführungen von Rau und Häuselmann/Wagner…

In seinem Urteil vom 29.09.2021 (a.a.O., Rz 51) hat der BFH jedoch die Frage, „ob eine Unterscheidung zwischen Teilwertabschreibungen auf den Anteil selbst und solchen auf die Rückübertragungsforderung im Falle einer nach der Rückübertragung eintretenden Wertaufholung des Anteils und anschließenden Veräußerung des Anteils auf den Tatbestand des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG durchschlägt – was dazu führen würde, dass trotz steuerwirksamer Teilwertabschreibung auf die Rückübertragungsforderung die spätere Wertaufholung steuerlich nicht berücksichtigt werden könnte -“ offen gelassen, jedoch in diesem Zusammenhang auf die Aufsätze von Rau in DStR 2009, 21, 24 und Häuselmann/Wagner in FR 2003, 330, 332, verwiesen.

Häuselmann/Wagner (FR 2003, 330, 332) vertreten die Auffassung, dass im Fall der Aktien-Leihe nach Rückgabe der Aktien in gleicher Art, Güte und Menge eine ursprünglich abgeschriebene Aktienposition bei einer Werterholung bis zu den historischen Anschaffungskosten zuzuschreiben ist (§ 280 Abs. 1 HGB; § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG). Zumindest nach dem Wortlaut des § 8b Abs. 2 KStG sei der Zuschreibungsertrag jedoch steuerfrei, wenn zuvor nicht der Anteil, sondern die Sachforderung auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben worden sei. Zur Begründung führt diese Kommentierung aus, dass die Wiedererlangung des wirtschaftlichen Eigentums infolge der Rückübertragung bei Ende des Leihgeschäfts kein Anschaffungsvorgang und kein Erwerb im steuerlichen Sinne sei. Die Aktien würden in ihren ursprünglichen Status einrücken; die wieder erlangten Aktien seien mit den fortgeführten Anschaffungskosten einzubuchen.

Diese Kommentarmeinung zitiert Rau in DStR 2009, 21, [24 rechts unten] zustimmend, indem er ausführt:

„[…] Surrogat ist begrifflich nur die Umschreibung für Ersatz. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG aber fordert die Identität des Abschreibungsguts und diese ist nicht gegeben. Insoweit schließt sich der Autor der Auffassung von Häuselmann/Wagner an, dass Gewinne späterer Wertaufholungen oder Veräußerungen grundsätzlich § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG unterfallen und frühere Wertberichtigungen während des Leihzeitraums steuerlich nicht kompensieren.“

… vollumfänglich an

Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat vollumfänglich an.

Dementsprechend erfolgte nunmehr auch im Wirtschaftsjahr 2007 im Rahmen der Veräußerung keine Wertaufholung bzgl. der F-Aktien, die dem gesetzlichen Tatbestand des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG unterliegt. Es verbleibt mithin bei der Steuerfreistellung des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG.

Im Rahmen der Wertpapier-Leihe begründete Sachdarlehen und die Kursentwicklung der vormals hingegebenen Aktien i. B. a. § 8b KStG sind getrennt zu beurteilen

Der Senat folgt mit dieser Rechtsauffassung der vom BFH im Urteil vom 29.09.2021 (a.a.O.) getroffenen Grundsatzentscheidung, dass das im Rahmen der Wertpapier-Leihe begründete Sachdarlehen und die Kursentwicklung der vormals hingegebenen Aktien in Bezug auf § 8b KStG in steuerlicher Hinsicht völlig entkoppelt und damit getrennt zu beurteilen sind.

Auffassung des FA, dass darin eine Regelungslücke zu sehen sei, die durch eine weitreichende Auslegung entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu schließen sei, überzeugt nicht

Soweit das Finanzamt darin eine Regelungslücke sieht, die durch eine weitreichende Auslegung entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu schließen sei, folgt dem das Gericht nicht.

Bereits im Jahr 2003 wurde die Wertpapier-Leihe und eine entsprechende § 8b KStG-Problematik in der Literatur erörtert. Der Gesetzgeber hat hierauf anhaltend nicht reagiert; hieraus ist zu schließen, dass er keinen gesetzlichen Anpassungsbedarf gesehen hat.

Die Vorschrift des § 8b KStG ist mit ihrem Wortlaut auch ohne Ergänzungen anwendbar, ohne dass sich hierdurch nicht hinnehmbare steuerliche Konsequenzen ergeben.

Auch die übrigen Argumente des FA überzeugen nicht

Aber auch im Übrigen überzeugen die vom Finanzamt vorgebrachten Argumente nicht:

Mit seiner Entscheidung vom 29.09.2021 (a.a.O.) hat der BFH klargestellt, dass bei Vorliegen einer Wertpapier-Leihe im Rahmen einer steuerlichen Betrachtung strikt zwischen der Sachdarlehensforderung und der buchhalterischen Erfassung der verliehenen und zurückgewährten Wertpapiere zu unterscheiden ist. Obgleich der Bewertung dieser beiden Wirtschaftsgüter noch einheitliche Grundsätze zu Grunde liegen, teilen sie im Übrigen in steuerlicher Hinsicht kein gemeinsames Schicksal. Insbesondere finden auf die Sachdarlehensforderung die Regelungen des § 8b KStG keine Anwendung, da insofern die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen. Die gegenteilige Auffassung des Finanzamts ist weder vom Gesetzeswortlaut des § 8b KStG noch vom BFH-Urteil vom 29.09.2001 (a.a.O.) gedeckt.

Soweit das Finanzamt argumentiert, der historische Gesetzgeber hätte die Vorschrift des § 8b KStG in Bezug auf die Steuerfreiheit von Wertaufholungen anders gefasst, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die Wertpapier-Leihe in späteren Jahren große Verbreitung finden würde, ist dem nicht zu folgen. Gegen dieses Argument spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber bis jetzt keine Veranlassung gesehen hat, den Wortlaut des § 8b KStG in der vom Finanzamt angestrebten Form zu ändern. Offenbar geht auch der Gesetzgeber insofern von keiner planwidrigen Gesetzeslücke aus.

Die zahlreichen Änderungen des § 8b KStG, die der Gesetzgeber inzwischen im Hinblick auf die Wertpapier-Leihe vorgenommen hat, betreffen nicht die vorliegende Konstellation. Angesichts der detaillierten Bestimmungen ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um abschließende Regelungen handelt, die in nur äußerst eingeschränktem Umfang einer dem Wortlaut entgegenstehenden Gesetzesauslegung zugänglich sind.

Der persönliche Anwendungsbereich des § 8b KStG ist beschränkt auf die Gesellschaften, die dem Körperschaftsteuergesetz unterliegen. Bereits daraus ergibt sich, dass § 8b KStG nicht das Ziel der Rechtsformneutralität verfolgt.

Soweit das Finanzamt in diesem Zusammenhang auch eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 GG geregelten Gleichheitsgebotes sieht, ist dem entgegenzuhalten, dass die Methodik der Besteuerung von Körperschaften und Personengesellschaften sowie natürlichen Personen erhebliche Unterschiede aufweist. Ob die teilweise abweichende Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen tatsächlich zu einem Verstoß des Art. 3 Abs. 1 GG führt, kann nicht an einer einzelnen Gesetzesvorschrift festgemacht werden. Der erkennende Senat sieht keine Anhaltspunkte, dass alleine aufgrund des § 8b KStG die steuerliche Leistungsfähigkeit der Klägerin in nicht mehr hinzunehmender Weise gegenüber einer Privatperson beeinträchtigt / bevorzugt würde. Gleiches gilt auch in Bezug auf das vom Finanzamt gebildete Beispiel, in dem die Anteile an der Gesellschaft, die die steuerfreie Wertaufholung ihrer Wertpapiere vornimmt, von einer anderen Körperschaft gehalten werden und die den Gewinn aus einer Anteilsveräußerung bzw. aus einer Wertaufholung zwingend in vollem Umfang zu versteuern habe.

Kosten

Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen, da dem Klageantrag unter Berücksichtigung des ursprünglichen Antrags sowie des im Rahmen der Klageänderung vorgebrachten Antrags nahezu vollumfänglich zu entsprechen war (§ 135 Abs. 1 FGO).

Bevollmächtigter

Die Tätigkeit eines Bevollmächtigten im Vorverfahren diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Vorläufige Vollstreckbarkeit

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten der Klägerin sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Zulassung der Revision

Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob § 8b Abs. 2 KStG auf gestiegene Aktienwerte Anwendung findet, wenn die vorhergehende Minderung des Aktienkurses zu einer Zeit erfolgt war, als sich die gegenständlichen Aktien wegen einer „Wertpapier-Leihe“ nicht im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen befanden, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.

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