OLG Düsseldorf: Verlustausgleichsanspruch nach § 302 Abs. 1 AktG auch für drohende Verluste aus einem schwebenden Geschäft
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.10.2024 – 12 U 4/24, rkr.
ECLI:DE:OLGD:2024:1028.12U4.24.00
Volltext der Entscheidung: BB-ONLINE BBL2025-752-1
Amtliche Leitsätze
1. Ein für eine Rückstellung in einer Handelsbilanz gem. § 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB maßgeblicher Verlust aus einem schwebenden Geschäft droht, wenn der Wert der eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung (sog. Verpflichtungsüberschuss) übersteigt. Kann eine Mietsache im oder für den Betrieb nicht mehr genutzt werden, handelt es sich um eine Fehlmaßnahme, weil der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat.
2. Das schwebende Geschäft, aus dem die Verluste drohen, ist nicht zivilrechtlich abzugrenzen, sondern es gilt stattdessen das bilanzrechtliche Synallagma. Grundsätzlich ist auf einzelne Verträge abzustellen, nicht auf eine Summe gleichartiger Verträge. Wenn allerdings ein enger rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, kann die Zusammenfassung mehrerer Verträge zu einer Bewertungseinheit notwendig sein, um zu einer besseren Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu kommen.
3. Für das Entstehen eines Verlustausgleichsanspruchs gem. § 302 Abs. 1 AktG ist allein der zum Bilanzstichtag zutreffend ausgewiesene Fehlbetrag maßgebend, d.h. es kommt auf eine objektiv richtig aufgestellte Bilanz an.
4. Rückstellungen sind in der Überschuldungsbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren.
5. Ein Verlustausgleichsanspruch gem. § 302 Abs. 1 AktG ist in einer Überschuldungsbilanz zu aktivieren.
InsO § 19 Abs. 2 S. 1; GmbHG § 64 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; AktG § 302 Abs. 1
Aus den Gründen
Berufung hat in der Sache offensichtlich keinen Erfolg
I. Die nach § 520 Abs. 2 ZPO hinreichend begründete sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache offensichtlich keinen Erfolg. Sie ist daher im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Landgericht hat die Klage zurecht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen verwiesen wird, abgewiesen. Auch die Berufung verhilft der Klage nicht zum Erfolg.
Rechnerische Überschuldung ist grundsätzlich auf der Grundlage einer Überschuldungsbilanz festzustellen – Handelsbilanz hat nur indizielle Bedeutung
1. Dem Kläger steht als Insolvenzverwalter der Schuldnerin gegen die Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der im Zeitraum vom 02.01.2018 bis zum 25.09.2019 für die Schuldnerin von den Beklagten veranlassten Zahlungen gem. §§ 80 Abs. 1 InsO, 64 S. 1 GmbHG in der Fassung vom 23.10.2008 (im Folgenden a.F.) zu.
Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat zu keinem der von ihm genannten Zeitpunkte schlüssig vorgetragen, dass die Schuldnerin überschuldet war. Gem. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO in der Fassung vom 05.12.2012 (im Folgenden a.F.) liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 19.11.2019 – II ZR 53/18, Rn. 21; Urt. v. 24.09.2013 – II ZR 39/12, Rn. 28; Born, WM-Beilage II 2023, Rn. 160/164; ders., MünchHdBGesR VII, 6. Aufl., § 109 Rn. 60 m.w.N. zur Rspr.) ist die rechnerische Überschuldung grundsätzlich auf der Grundlage einer Überschuldungsbilanz festzustellen, in der die stillen Reserven aufzudecken und Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Liquidationswerten auszuweisen sind. Der Handelsbilanz kommt für die Frage der rechnerischen Überschuldung indizielle Bedeutung zu. Legt der Insolvenzverwalter für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind.
Verlustausgleichsanspruch der Schuldnerin gegen die A. KG aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag war nur in dem der Rückstellung entsprechenden Umfang zu erhöhen
a) Der Kläger hat erstinstanzlich zu dem von ihm geltend gemachten Überschuldungszeitpunkt 31.12.2017 die für die Schuldnerin erstellte Handelsbilanz vorgelegt, in der ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag nicht ausgewiesen worden ist, weil die A. KG den der Schuldnerin entstandenen Verlust von 111.053,56 € im Rahmen des Verlustausgleichsanspruchs der Schuldnerin übernommen hat. Er hat gemeint, ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag wäre dann entstanden, wenn man die aus seiner Sicht erforderliche Rückstellung für drohende Verluste aus den Mietgeschäften der Schuldnerin in den Jahresabschluss eingestellt hätte. Während auch zur Überzeugung des Senats handelsrechtlich eine solche Rückstellung zu bilden war, hat der Kläger jedoch übersehen, dass dann der Verlustausgleichsanspruch der Schuldnerin gegen die A. KG aus dem noch bis zum 31.12.2017 bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in dem der Rückstellung entsprechenden Umfang zu erhöhen war, so dass die Bilanz der Schuldnerin wieder ausgeglichen gewesen wäre. Dies haben die Beklagten und ihnen folgend das Landgericht zutreffend erkannt.
Geltung des bilanzrechtlichen Synallagmas
aa) Gem. § 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB sind Rückstellungen zu bilden für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Zutreffend hat das Landgericht unter Heranziehung u.a. der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Beschl. v. 02.04.2008 – I B 197/07, Rn. 8 ff.) ausgeführt, dass ein Verlust droht, wenn der Wert der eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung (sog. Verpflichtungsüberschuss) übersteigt. Bei Dauerschuldverhältnissen wie etwa der entgeltlichen Überlassung von Räumen zur Nutzung ist zur Ermittlung des Verpflichtungsüberschusses der Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung (Mietzins) mit dem Geldwert der Aufwendungen zu vergleichen, die zur Bewirkung der Leistungen erforderlich sind. Ist ein Mietvertrag auf der Beschaffungsseite abgeschlossen worden, ist der Wert des Sachleistungsanspruchs nach dem Beitrag zu bewerten, den die Mietsache zum Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens leistet. Im Regelfall ist eine Bewertung dieses Beitrags nicht möglich, weil die Auswirkungen der einzelnen Produktionsfaktoren auf das Betriebsergebnis nicht hinreichend objektivierbar sind. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das Geschäft sich als Fehlmaßnahme erweist, weil der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat. Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Mietsache im oder für den Betrieb nicht mehr genutzt werden kann, wenn sie also weder vom Unternehmen selbst genutzt noch untervermietet werden kann. Danach waren die Mietgeschäfte der Schuldnerin im Umfang der Differenz zwischen der an die O. GmbH zu zahlenden Miete und den voraussichtlichen Erträgen aus den Untermietverträgen eine Fehlmaßnahme, beruhte diese Differenz doch darauf, dass die Schuldnerin bereits mindestens seit 2015 Teile der angemieteten Hallen nicht vermieten konnte. Da der Verlustausgleichsanspruch ab 2018 aufgrund der Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags entfallen würde, war schon Ende 2017 erkennbar, dass die unweigerlich entstehenden Verluste nicht aufgefangen werden würden.
Soweit die Beklagte moniert, dass eine Rückstellung nicht bezogen auf die saldierten Verluste aus verschiedenen Verträgen gebildet werden könne, kann dem nicht gefolgt werden. Das schwebende Geschäft, aus dem die Verluste drohen, ist nicht zivilrechtlich abzugrenzen, sondern es gilt stattdessen das bilanzrechtliche Synallagma. Grundsätzlich ist zwar auf einzelne Verträge abzustellen, nicht auf eine Summe gleichartiger Verträge (MünchKommHGB/Ballwieser, 5. Aufl., § 249 Rn. 59/61). Damit gilt der Grundsatz der Einzelbewertung auch für schwebende Geschäfte. Wenn allerdings ein enger rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, kann die Zusammenfassung mehrerer Verträge zu einer Bewertungseinheit notwendig sein, um zu einer besseren Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu kommen (Ebenroth/Boujong/Böcking/Gros/Wirth, HGB, 5. Aufl., § 249 Rn. 57; Heidel/Schall/Schrimpf-Dörges, HGB, 4. Aufl., § 249 Rn. 52). Bei Mietverhältnissen wird man nur bei der Kombination von Beschaffungs- und Absatzgeschäft eine Drohverlustrückstellung in Erwägung ziehen können. Diese ist zu bilden, wenn der Preis im Beschaffungsgeschäft höher liegt als im Absatzgeschäft (Ebenroth/Boujong/Böcking/Gros/Wirth, a.a.O., Rn. 72). So liegt der Fall hier. Der Hauptmietvertrag mit der O. GmbH war mit den Untermietverträgen bilanzrechtlich eng verbunden, da die Anmietung der Hallen ausschließlich zur Untervermietung und nicht etwa zur eigenen Nutzung durch die Schuldnerin vorgenommen worden ist.
Nicht nachvollziehbar ist, mit welcher Zielrichtung der Kläger, dessen Klage auf dem zentralen Gedanken der Erforderlichkeit einer Rückstellung für die drohenden Verluste und der daraus folgenden Überschuldung fußt, nunmehr seine Berufung damit begründet, die Höhe der Rückstellung sei aufgrund der Vielzahl der Faktoren, von der die zukünftigen Verluste abhingen, nicht quantifizierbar. Davon abgesehen wenden die Beklagten zu Recht gegen diese Annahme ein, dass jede Rückstellung für drohende Verluste bilanzrechtlich der Höhe nach bestimmt werden muss und dies auch möglich ist. Ohne dass es für den vorliegenden Rechtsstreit auf die exakte Höhe (siehe hierzu die Ausführungen nachfolgend unter bb)) ankommt, erscheinen die zu berücksichtigenden Faktoren im vorliegenden Fall mit einem festen Hauptmietverhältnis zu einem – wenn auch indexierten – Mietpreis, welches trotz der langen Befristung bis Ende 2034 mit einer Kündigungsfrist von drei Jahren gekündigt werden kann, sowie den Ende 2017 bestehenden Untermietverträgen durchaus überschaubar. Die voraussichtliche Entwicklung der Indexierung wie auch Unsicherheiten bei der weiteren Entwicklung der Untermietverträge können kaufmännisch bewertet und dadurch eine exakte Höhe der drohenden Verluste festgelegt werden.
Rückstellung auf der Passivseite der Bilanz ist durch den der Schuldnerin zustehenden Verlustausgleichsanspruch ausgeglichen
bb) Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rückstellung auf der Passivseite der Bilanz durch den der Schuldnerin am 31.12.2017 noch gegen die A. KG zustehenden Verlustausgleichsanspruch nach § 3 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags i.V.m. § 302 Abs. 1 AktG, der in der Bilanz gem. § 277 Abs. 3 S. 2 HGB (Born, WM-Beilage II 2023, Rn. 232) zu aktivieren ist, ausgeglichen ist.
Die Verlustübernahmepflicht des § 302 AktG ist entsprechend dem bezweckten Kapitalerhaltungsschutz ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag regelt die Tatbestandsmerkmale der gesetzlichen Verpflichtung, ist aber nicht selbst der Verpflichtungsgrund (Koch, AktG, 18. Aufl., § 302 Rn. 4). Der Rechtsgedanke dieser für den Aktienrechtskonzern maßgebenden Vorschrift findet auch auf den GmbH-Konzern Anwendung (BGH, Urt. v. 18.01.2022 – II ZR 71/20, Rn. 25 [BB 2022, 1069 m. BB-Komm. Meyer]; Urt. v. 07.10.2014 – II ZR 361/13, Rn. 8 [BB 2015, 206 m. BB-Komm. Müller-Michaels]; BeckOK GmbHG/Servatius, Stand 01.03.2023, Konzernrecht Rn. 192). Der Anspruch auf Ausgleich des Jahresfehlbetrags entsteht und wird fällig am Stichtag der Jahresbilanz der beherrschten Gesellschaft (vgl. § 3 Abs. 6 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags; BeckOGK/Veil/Walla, Stand 01.06.2024, AktG § 302 Rn. 23). Das war vorliegend der 31.12.2017. Bis zum Ablauf dieses Tages sollte der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag noch gelten wie sich aus § 2 Nr. 1 des Aufhebungsvertrags ergibt.
Ob der Jahresabschluss für 2017 noch anfechtbar ist, ist – wie der Kläger selbst zwischenzeitlich erkannt hat – für das Entstehen des Verlustausgleichsanspruchs nicht entscheidend. Vielmehr ist allein der zum Bilanzstichtag zutreffend ausgewiesene Fehlbetrag maßgebend, d.h. es kommt auf eine objektiv richtig aufgestellte Bilanz für die Frage der Entstehung eines Verlustausgleichsanspruchs an. Bei verbindlicher Feststellung der Höhe des Jahresfehlbetrages durch die Bilanz könnte der Mehrheitsgesellschafter die Regelung des § 302 AktG ohne weiteres dadurch unterlaufen, dass er eine ihm günstige unzutreffende Bilanz feststellt und diese entweder nicht nach §§ 257, 243 AktG angefochten oder sie trotz Nichtigkeit im Sinne des § 256 AktG verbindlich wird, weil die Nichtigkeit nach Abs. 6 dieser Vorschrift nicht mehr geltend gemacht werden kann. Ein solches Vorgehen würde die Interessen der außenstehenden Aktionäre erhöhten Gefahren aussetzen und die Durchsetzbarkeit der Gläubigerforderungen zumindest teilweise in Frage stellen. Der Zweck des § 302 AktG, die Interessen der außenstehenden Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger zu schützen, kann nur dann erreicht werden, wenn der zutreffende Fehlbetrag ermittelt und ausgeglichen wird (BGH, Urt. v. 11.10.1999 – II ZR 120/98, Rn. 10 f. [BB 1999, 2524 m. BB-Komm. Riegger/Beinert]; Koch, a.a.O., Rn. 9; Henssler/Strohn/Paschos, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 302 Rn. 6; BeckOGK/Veil/Walla, a.a.O., Rn. 18/22). Aus dem Umstand, dass allein auf eine objektiv richtige Bilanz abzustellen ist, folgt, dass ein sich erst später aufgrund der Vornahme objektiv notwendiger Rückstellungen zeigender Jahresfehlbetrag ebenfalls noch vom herrschenden Unternehmen übernommen werden muss (Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., § 302 Rn. 29 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 05.06.1989 – II ZR 172/88 [BB 1989, 1518]).
Unerheblich für den Schutzgedanken des § 302 AktG ist die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die A. KG 2017/2018 überhaupt noch Gesellschafterin der Schuldnerin war oder nach dem Vortrag der Beklagten zunächst eine S.V. und ab 2018 die Beklagte zu 1) diese Position übernommen hatte. Denn jedenfalls bestand der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bis Ende 2017 und die A. KG konnte über die Beklagten, die auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der A. KG waren, Einfluss auf die Verhältnisse bei der Schuldnerin nehmen.
Rückstellungen sind in der Überschuldungsbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren
cc) In einer für die Schuldnerin zu erstellenden Überschuldungsbilanz sähe die Situation im Ergebnis nicht anders aus als für die Handelsbilanz. Zwar sind Rückstellungen in der Überschuldungsbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren, da die Überschuldungsbilanz das Konzept der Rückstellungen nicht kennt. Eine Passivierungspflicht besteht auch unabhängig davon, ob in der entsprechenden Handelsbilanz tatsächlich Rückstellungen gebildet wurden (Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 19 Rn. 162). Jedoch ist der Verlustausgleichsanspruch entsprechend § 302 AktG wie in der Handelsbilanz zu aktivieren (Uhlenbruck/Mock, a.a.O., Rn. 108; Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Vor § 64 a.F. Rn. 47a; Gottwald/Haas/Gundlach, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl., Kap. II § 6 Rn. 54; Pape/Reichelt/Schultz/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 3. Aufl., § 17 Rn. 39), so dass auch die Überschuldungsbilanz zu einem ausgeglichenen Ergebnis führte.
Eine Überschuldung der Schuldnerin kann nicht festgestellt werden
b) Nach den Ausführungen unter a) insbesondere zur Reichweite des Verlustausgleichsanspruchs kann eine Überschuldung der Schuldnerin auch zu den weiteren vom Kläger genannten Zeitpunkten insbesondere im Jahr 2018 nicht festgestellt werden, da etwaige Fehlbeträge, die auf die Rückstellung zum 31.12.2017 zurückgehen, noch von der A. KG auszugleichen gewesen wären. Im Übrigen hat die Beklagte zu 1) im Hinblick auf Verluste im Abschluss zum 30.11.2018 in Höhe von 22.195,43 €, die nicht durch das Stammkapital gedeckt gewesen wären, einen entsprechenden Nachschuss geleistet, so dass ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag vermieden worden ist. Jenseits des 30.11.2018 hat der Kläger für den folgenden Zeitraum keinen handelsrechtlichen Abschluss oder eine Überschuldungsbilanz vorgelegt.
2. Der gesamte Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung, die Beklagten hätten die Insolvenz der Schuldnerin absichtsvoll zum Nachteil der Gläubiger herbeigeführt, trägt einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der von den Beklagten in der Zeit vom 02.01.2018 bis zum 25.09.2019 veranlassten Zahlungen vom Konto der Schuldnerin nicht, ohne dass es darauf ankommt, ob er mit diesem Vortrag – wie die Beklagten meinen – in der Berufungsinstanz präkludiert ist. Der Kläger zielt mit seinem Vortrag offenbar auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs (Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 – TRIHOTEL [BB 2007, 1970]). Danach haften die Gesellschafter einer GmbH dieser gegenüber gem. § 826 BGB, wenn sie zu ihrem eigenen Vorteil planmäßig einer Gesellschaft ihr Vermögen entziehen im Sinne der Verringerung der Zugriffsmasse zu Lasten der Gläubiger, so dass die Insolvenz herbeigeführt oder vertieft wird. Dies widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und ist damit als sittenwidrig einzustufen. Rechtsfolge ist der Ersatz des eingriffsbedingten Schadens. Im vorliegenden Fall sind nicht nur die Beklagten – nach dem Vortrag des Klägers auch die Beklagte zu 1) – keine Gesellschafter der Schuldnerin gewesen und haben ausweislich der Empfänger der vom Kläger eingeklagten Zahlungen auch nicht zu ihrem Vorteil der Schuldnerin Vermögen entzogen. Vor allem hat der Kläger nichts zum kausalen Schaden der Schuldnerin vorgetragen, der mit den von den Beklagten veranlassten Zahlungen schon deshalb nicht identisch ist, weil die Zahlungen in der Regel die Erbringung von Leistungen abgegolten haben dürften. Vor dem Hintergrund, dass das vom Kläger geführte Insolvenzverfahren kein masseloses Verfahren ist (im Zeitpunkt des Insolvenzantrags betrug das Kontoguthaben der Schuldnerin 42.275,20 € und im Zeitpunkt des Insolvenzgutachtens des Klägers belief es sich auf 173.845,88 €), hätte der Kläger jedenfalls vortragen müssen, in welcher Höhe die Gläubiger der Schuldnerin mit ihren Forderungen ausfallen werden.
Auch im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch aus Geschäftsführerhaftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG fehlt zumindest jeder substantiierte Vortrag zum Schaden der Schuldnerin.
II. Der Kläger möge daher prüfen, ob die Berufung durchgeführt werden soll. Im Fall der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanzlichen Gerichtsgebühren um die Hälfte.