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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
05.09.2024
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
OLG Köln: Verfolgungsverjährung im Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB

OLG Köln, Beschluss vom 3.4.2024 – 28 Wx 1/24

ECLI:DE:OLGK:2024:0403.28WX1.24.00

Volltext des Beschlusses: BB-ONLINE BBL2024-2096-1

Amtliche Leitsätze

1. Die Verfolgungsverjährung in den Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB beträgt gemäß Art. 9 Abs. 1 S. 2 EGStGB zwei Jahre.

2. Bei dem gemäß § 335 Abs. 1 HGB mit einem Ordnungsgeld belegten Pflichtenverstoß der nicht rechtzeitigen Offenlegung von Jahresabschlüssen handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt.

3. Mit einer teilweisen oder mangelhaften Erfüllung der Offenlegungspflicht gemäß § 325 Abs. 1 HGB ist die Handlung nicht im Sinne des Art. 9 Abs. 1 S. 3 EGStGB beendet.

4. Keine Verwirkung des Ordnungsgeldes aufgrund Zeitablaufs.

HGB § 325, § 328, § 335; EGStGB Art. 9

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 2.500 Euro wegen Nichteinreichung ihrer Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2019 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.

Nachdem die am 13.01.2021 von der Beschwerdeführerin bei dem Betreiber des Bundesanzeigers eingereichten Jahresabschlussunterlagen 2019 die Angabe enthielten „Der Jahresabschluss wurde vor Feststellung offengelegt", drohte der Rechtsbeschwerdeführer mit Verfügung vom 13.08.2021 die Verhängung eines Ordnungsgelds in Höhe von 2.500 Euro wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflicht zur Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2019 an. Die Androhung enthielt den Hinweis, dass gemäß § 325 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 HGB der offengelegte Jahresabschluss festgestellt oder gebilligt sein müsse.

Mit der streitgegenständlichen Verfügung vom 25.05.2023 setzte der Rechtsbeschwerdeführer das angedrohte Ordnungsgeld fest, nachdem der Betreiber des Bundesanzeigers mitgeteilt hatte, dass bisher nur ein offensichtlich vorläufiger Jahresabschluss offengelegt worden ist.

Mit Schreiben vom 08.06.2023 legte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsanwalt gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass entsprechend der Androhungsverfügung vom 13.08.2021 das Steuerbüro der Beschwerdeführerin am 25.08.2021 die (erneute) Offenlegung im Bundesanzeiger in Auftrag gegeben habe. Nachdem der Bundesanzeiger mitgeteilt habe, dass für die Gesellschaft nunmehr zwei übermittelte Jahresabschlüsse für das Jahr 2019 zur Veröffentlichung vorlägen und der Erstauftrag bereits am 15.01.2021 offengelegt worden sei, habe die zuständige Mitarbeiterin dem Hinweis des Bundesanzeigers folgend am 31.08.2021 den zweiten Offenlegungsantrag zurückgenommen. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch das Steuerbüro seien davon ausgegangen, dass die Offenlegung bereits am 15.01.2021 ordnungsgemäß erfolgt sei. Jedenfalls habe die zuständige Mitarbeiterin des Steuerbüros das Vorbringen des Bundesanzeigers so verstanden.

Im Nachgang zu ihrer Beschwerde reichte die Beschwerdeführerin am 19.06.2023 bei dem Betreiber des Bundesanzeigers zum Jahresabschluss 2019 die Ergänzung ein: „Die Feststellung bzw. Billigung des Jahresabschlusses erfolgte am 24.08.2021.“

Der Rechtsbeschwerdeführer legte die Beschwerde mit Nichtabhilfeentscheidung vom 11.09.2023 dem Landgericht Bonn vor.

Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen hat sich die Beschwerdeführerin vor dem Landgericht mit anwaltlichem Schreiben vom 03.11.2023 darauf berufen, dass der Bundesanzeiger angesichts der Doppeleinreichung auf die richtige Einreichung hätte hinwirken müssen. Im Übrigen sei die Ordnungsgeldentscheidung verfristet, da der Rechtsbeschwerdeführer rund zwei Jahre nichts weiter unternommen habe.

Mit Beschluss vom 10.11.2023 hat das Landgericht die Ordnungsgeldentscheidung einschließlich der Zustellungskosten aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Zur Begründung seiner Entscheidung stellt das Landgericht darauf ab, dass die Ordnungsgeldentscheidung vom 25.05.2023 rechtswidrig sei, weil zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits Verfolgungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 EGStGB eingetreten sei. Die 2-jährige Verjährungsfrist für die Verfolgung von Verstößen gegen die Offenlegungspflicht aus § 325 HGB beginne nicht, solange die Gesellschaft für den betreffenden Offenlegungszeitraum pflichtwidrig untätig bleibe. Ein Untätigbleiben in diesem Sinne liege allerdings nicht vor, wenn die Gesellschaft für den betreffenden Geschäftsjahreszeitraum einen Jahresabschluss eingereicht habe, auch wenn dieser objektiv die Pflicht aus § 325 HGB nicht erfülle. In diesem Fall beginne die Verfolgungsverjährung bereits mit dem objektiv mangelhaften, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch und nicht erst mit einer ordnungsgemäßen Erfüllung. Anderenfalls bestünde faktisch keine Verfolgungsverjährungsfrist, solange nicht ordnungsgemäß erfüllt sei. Im Übrigen sei der Rechtsbeschwerdeführer auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten gehalten, auf eine mangelhafte Einreichung innerhalb von zwei Jahren konkret zu reagieren.

Gegen diesen Beschluss des Landgerichts wendet sich der Rechtsbeschwerdeführer mit seiner Rechtsbeschwerde.

Nach ihrer Auffassung stand der Ordnungsgeldfestsetzung vom 25.05.2023 keine Verfolgungsverjährung entgegen. Maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB sei die Pflichtensituation des Handlungspflichtigen. Solange die gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung aus § 325 HGB fortbestehe, könne die Verjährung nicht beginnen. Im Zeitpunkt der Ordnungsgeldfestsetzung am 25.05.2023 habe die Verpflichtung aus § 325 HGB fortbestanden, da die Beschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt nur einen vorläufigen Jahresabschluss offengelegt habe, der nicht geeignet war, die Verpflichtung aus § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB a.F. zu erfüllen. Die anderslautende Ansicht des Landgerichts sei mit Art. 9 Abs. 1 Satz 3 EGStGB nicht vereinbar.

Der Rechtsbeschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 10.11.2023 (32 T 355/23) aufzuheben und die Beschwerde gegen die Ordnungsgeldentscheidung vom 25.05.2023 (EHUG - 00198933/2021 - 01/02) insgesamt zurückzuweisen.

Der Beschwerdeführerin wurde mit Beschluss vom 04.03.2024 Gelegenheit zum rechtlichen Gehör gewährt. Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.

Aus den Gründen

Zurückweisung der Beschwerde

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses zur Zurückweisung der Beschwerde der Beschwerdeführerin.

Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

a) Sie ist infolge der Zulassung in dem angegriffenen Beschluss gemäß § 335a Abs. 3 S. 1 HGB statthaft und in der gesetzlichen Form eingelegt und – verlängerten – Frist begründet worden (§ 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 71 FamFG).

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Frage der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde auf Ziffer I. des Hinweisbeschlusses vom 04.03.2024 Bezug genommen.

Gemäß § 335a Abs. 3 S. 4 HGB steht die Rechtsbeschwerde auch dem Bundesamt für Justiz zu, welches nach § 335a Abs. 3 S. 5 HGB nicht dem Anwaltszwang vor dem Oberlandesgericht unterliegt.

b) Die vorliegende Entscheidung über die Rechtsbeschwerde kann der Senat im schriftlichen Verfahren treffen (§ 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 74 Abs. 4, § 32 Abs. 1 FamFG). Eine mündliche Verhandlung war weder zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes noch aus sonstigen Gründen, etwa zur Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör, geboten.

Begründetheit der Beschwerde

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Die durch das Landgericht erfolgte Aufhebung der Ordnungsgeldentscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts im Sinne des § 335a Abs. 3 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 72 Abs. 1 FamFG.

Zum Zeitpunkt der Ordnungsgeldfestsetzung war keine Verfolgungsverjährung eingetreten

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts war vorliegend zum Zeitpunkt der Ordnungsgeldfestsetzung am 25.05.2023 - der Beschwerdeführerin zugestellt am 08.06.2023 - keine Verfolgungsverjährung eingetreten.

Zutreffend geht das Landgericht in seiner Entscheidung davon aus, dass in den Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB die Frist für die Verfolgungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2, 3 EGStGB zwei Jahre beträgt und die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist. Nicht gefolgt werden kann aber der Rechtsansicht, dass die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Handlung nicht erst mit einer ordnungsgemäßen Erfüllung, sondern bereits schon bei einem objektiv mangelhaften, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch vorliege. Im vorliegenden Fall also der Zeitpunkt des (ersten) elektronischen Eingangs des objektiv unzureichenden Jahresabschlusses beim Betreiber des Bundesanzeigers am 13.01.2021 maßgeblich sei.

Bei dem gemäß § 335 Abs. 1 HGB mit einem Ordnungsgeld belegten Pflichtenverstoß der nicht rechtzeitigen Offenlegung von Jahresabschlüssen handelt es sich um einen Verstoß, der als echtes Unterlassungsdelikt zu qualifizieren ist. Ein solches liegt vor, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zu einer Handlung besteht, diese jedoch unterlassen und dadurch der Tatbestand erfüllt wird (BeckOGK/Waßmer HGB § 335 Rn. 39).

Aufgrund der Einordnung als unechtes Unterlassungsdelikt zieht der Senat die für diesen Deliktstypus im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zu Fragen der Verjährung entwickelten Grundsätze heran.

Bei echten Unterlassungsdelikten setzt nach gefestigter Rechtsprechung der Lauf der Verjährung erst ein, wenn die Pflicht zum Handeln entfällt oder anders gewendet, solange die Pflicht noch besteht, ist die im Untätigbleiben liegende Tat nicht beendet (für das Strafrecht: Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 78a Rn. 6 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine teilweise oder mangelhafte Pflichterfüllung kann schon denknotwendig die auf den Erfolg der ordnungsgemäßen Offenlegung gemäß § 325 Abs. 1 HGB gerichtete Handlungspflicht mangels vollständiger Erfüllung nicht entfallen lassen. Damit ist mit einer unvollständigen Erfüllung die Handlung nicht im Sinne des Art. 9 Abs. 1 S. 3 EGStGB beendet, mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist noch nicht beginnen kann. Unter welchen Voraussetzungen die Pflichten aus § 325 HGB neben der vollständigen Erfüllung entfallen können und damit die Verjährung beginnt, wie z.B. bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BeckOGK/Drinhausen/Granzow HGB § 325 Rn. 2), bedarf vorliegend keiner Erörterung, da hierfür nichts ersichtlich ist.

Für den hier zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt bedeutet dies, dass erst die am 19.06.2023 bei dem Betreiber des Bundesanzeigers zum Jahresabschluss 2019 eingereichte Ergänzung „Die Feststellung bzw. Billigung des Jahressabschlusses erfolgte am 24.08.2021“ die Handlungspflicht zur ordnungsgemäßen Offenlegung beendete und den Lauf der Verjährungsfrist in Gang setzte. Damit war zum Zeitpunkt der Ordnungsgeldfestsetzung am 25.05.2023 keine Verfolgungsverjährung eingetreten

Annahme einer Verwirkung des Ordnungsgeldes aufgrund Zeitablaufs ist fernliegend

b) Fernliegend ist auch die Annahme einer Verwirkung des Ordnungsgeldes aufgrund Zeitablaufs, wovon das Landgericht in seiner Entscheidung auszugehen scheint, soweit es aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eine Reaktionspflicht des Rechtsbeschwerdeführers auf die mangelhafte Einreichung fordert.

Nachdem hier – wie ausgeführt – die Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2019 nicht vor dem 19.06.2023 geendet ist und vorher nicht einmal die Verjährungsfrist in Gang gesetzt wurde, müssten außerordentliche, vollkommen atypische – von dem Rechtsbeschwerdeführer zu vertretende – Umstände vorliegen, die ein Vertrauen der Beschwerdeführerin auf eine Nichtfestsetzung des Ordnungsgeldes im Sinne einer Verwirkung nahelegen könnten. Der bloße, nicht unerhebliche Zeitablauf zwischen der Androhung des Ordnungsgeldes vom 13.08.2021 bis zur Verhängung desselben am 25.05.2023 und die allein von der Beschwerdeführerin bzw. des von ihr beauftragten Steuerbüros zu vertretenden Umstände im Zusammenhang mit der im August 2021 erfolgten Doppeleinreichung des Jahresabschlusses reichen hierfür jedenfalls nicht aus.

Voraussetzungen für das festgesetzte Ordnungsgeld liegen auch im Übrigen vor

c) Schließlich liegen die Voraussetzungen für das festgesetzte Ordnungsgeld auch im Übrigen vor.

Einreichung eines als vor Feststellung bezeichneten Jahresabschlusses der Offenlegungspflicht aus §§ 325 f. HGB genügt nicht

aa) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Einreichung eines als vor Feststellung bezeichneten Jahresabschlusses der Offenlegungspflicht aus §§ 325 f. HGB nicht genügt, auch wenn sie – wie im vorliegenden Fall im August 2021 – irrtümlich erfolgt ist und tatsächlich eine Feststellung vorliegt (zuletzt Senatsbeschluss vom 01.02.2024 – 28 Wx 14/23 – mit weiteren Nachweisen).

Versäumung der Offenlegungspflicht war auch verschuldet

bb) Die Versäumung der Offenlegungspflicht war auch verschuldet. Zutreffend weist der Rechtsbeschwerdeführer darauf hin, dass die Gesellschaft nach Erhalt der Androhungsverfügung und Nachfristsetzung erhöhte Sorgfaltspflichten treffen. So hat sie, auch wenn sie die Offenlegung durch fachkundige Dritte durchführen lässt, diese zu überwachen und das Ergebnis der Offenlegung unverzüglich auf seine Richtigkeit hin zu kontrollieren. Dem ist die Beschwerdeführerin nicht hinreichend nachgekommen, da ihr die fehlerhafte Veröffentlichung nicht hätte verborgen bleiben können.

Festgesetzte Ordnungsgeld ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden

cc) Das gegen die Beschwerdeführerin festgesetzte Ordnungsgeld ist schließlich als Mindestordnungsgeld auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenentscheidung für die Gerichtsgebühren des Rechtsbeschwerdeverfahrens, von deren Erhebung nach Auffassung des Senats abzusehen ist, basiert auf § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 74 Abs. 4, § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Eine Überbürdung der Kostenlast auf die Beschwerdeführerin erscheint ebenso wenig sachgerecht wie eine Überbürdung der Kosten auf den obsiegenden Rechtsbeschwerdeführer. Das Vorgenannte gilt nicht für das eigentliche Beschwerdeverfahren. Eine Kostenentscheidung zu den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten (§ 335a Abs. 3 S. 6, Abs. 2 S. 6 HGB) ist hier nicht veranlasst, zumal die Beschwerdeführerin unterlegen ist und bei dem Rechtsbeschwerdeführer keine besonderen Kosten (etwa durch Beauftragung eines Rechtsanwalts) angefallen sind.

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