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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
07.03.2024
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Baden-Württemberg: Verfassungsmäßigkeit des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.9.2023 – 10 K 1459/22, Rev. eingelegt (Az. BFH VI R 20/23)

ECLI:DE:FGBW:2023:0918.10K1459.22.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2024-622-1

Sachverhalt

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Auflösung einer Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 EStG.

C.D. und Klägerin Ziff. 2 waren in Erbengemeinschaft Eigentümer eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft. Mit Vertrag vom XX.XX.XXXX veräußerten sie das im Grundbuch des Amtsgerichts E für F unter der Gemarkung F Blatt XXX BV XX Flst. XXXX verzeichnete Grundstück zu einem Veräußerungspreis in Höhe von XXX € an die Stadt F. Als Gegenleistung übertrug die Stadt F diverse näher bezeichnete Grundstücke zu einem Veräußerungspreis in Höhe von XXX € an C.D. und die Klägerin Ziff. 2. Zusätzlich zahlte die Stadt F ein Aufgeld in Höhe von XXX €. Der Übergang von Besitz, Lasten, Nutzen und Gefahr war jeweils bereits zum 1. Januar 2019 erfolgt.

Der Buchwert des durch C.D. und der Klägerin Ziff. 2 veräußerten Grundstücks betrug XXX €, so dass sich ein Veräußerungsgewinn in Höhe von XXX € ergab. Hiervon abgezogen wurden gemäß § 6b EStG die Anschaffungskosten inklusive Nebenkosten für die von der Stadt F übertragenen Grundstücke in Höhe von XXX €. Nach gewinnerhöhender Auflösung eines weiteren Betrags in Höhe von XXX € ergab sich im Wirtschaftsjahr 2018/2019 ein Stand der Rücklage gemäß § 6b EStG zum 30. Juni 2019 in Höhe von XXX €.

Im Wirtschaftsjahr 2019/2020 wurde die Rücklage gemäß § 6b EStG im Rahmen der Anschaffung weiteren Grundvermögens in Höhe von XXX € verwendet und in Höhe von XXX € aufgelöst, so dass sich zum 30. Juni 2020 ein Stand in Höhe von XXX € ergab.

Mit Gesellschaftsvertrag vom XX.XX.XXXX wurde zum XX.XX.2020 die GbR; Klägerin Ziff. 1 gegründet. Gesellschafter waren C.D. und die Klägerin Ziff. 2 in Erbengemeinschaft zu 2/3 und A.B., zu 1/3.

Die Gründung erfolgte zum Zwecke der gemeinsamen Bewirtschaftung und der Sicherung bzw. Verbesserung der Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs.

Das Geschäftsjahr entsprach dem landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni).

Die Geschäftsführung und Vertretung erfolgten ausschließlich gemeinsam durch die Klägerin Ziff. 2 und A.B. Die Vertretung gegenüber dem Finanzamt oblag dem Gesellschafter A.B.

Die Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 überließ der Klägerin Ziff. 1 die gesamten Betriebsflächen und sämtliche Wirtschaftsgebäude zur Nutzung. Sie stellten Sonderbetriebsvermögen der Erbengemeinschaft dar und wurden dorthin einschließlich der Rücklage gemäß § 6b EStG zu Buchwerten übertragen (§ 6 Abs. 3 EStG). Des Weiteren brachten die Gesellschafter die betrieblichen Forderungen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten‚ das lebende und tote Inventar, das Vorratsvermögen und die Zahlungsansprüche nach § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten in das Gesamthandsvermögen der Klägerin ein.

Für die Überlassung der Grundstücke und Gebäude erhielt die Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 einen Vorabgewinn von XXX €. Der verbleibende Gewinn/Verlust wurde zwischen der Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 und A.B. zu je 50 % aufgeteilt.

lm Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2020/2021 löste die Klägerin Ziff. 1 die Rücklage nach § 6b EStG in Höhe eines Teilbetrags von XXX € in der Sonderbilanz der Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 auf, so dass sich zum 30. Juni 2021 ein Stand in Höhe von XXX € ergab. Wegen der Nichtinanspruchnahme der Rücklage nahm sie einen außerbilanziellen Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von XXX € (6 % p.a. x 2 Jahre x XXX €) vor.

Im Jahr 2021 verstarb C.D. Alleinerbin wurde die Klägerin Ziff. 2.

Der Beklagte stellte mit Bescheid für 2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 25. Februar 2022 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie erklärt in Höhe von XXX € fest. Dem legte er einen Gesamthandsverlust von XXX € zugrunde, den er je zur Hälfte auf A.B. und die Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 aufteilte (Verlustanteil je XXX €).

Der festgestellte Sonderbetriebsgewinn der Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 betrug XXX €, so dass sich deren Einkünfte mit insgesamt XXX € berechneten.

Im Sonderbetriebsgewinn waren der hälftige Betrag (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) aus der Auflösung der § 6b EStG-Rücklage (1/2 x XXX € = XXX €) und außerbilanziell der hälftige Gewinnzuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG (1/2 von XXX € = XXX €) enthalten.

Im Bescheid wurde ausgeführt, dass er an A.B. auch als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten - auch der Erben nach C.D. - ergeht. Als Gesellschafter waren die Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 und A.B. bezeichnet.

Am 28. Februar 2022 legte A.B. für die Klägerin Ziff. 1 gegen den ergangenen Feststellungsbescheid Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die Aufteilung des Gewinns nicht den getroffenen vertraglichen Regelungen entspreche.

Mit Schriftsatz vom 26. März 2022 beantragte A.B. für die Klägerin Ziff. 1 wegen des Gewinnzuschlags gemäß § 6b Abs. 7 EStG das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14; 1 BvR 2422/17, Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE) 158, 282.

Der Beklagte erläuterte daraufhin nochmals die Gewinnverteilung und lehnte bezüglich des Gewinnzuschlags ein Ruhen des Verfahrens ab.

Die Klägerin Ziff. 1 nahm mit Schreiben vom 10. Mai 2022 ihren Einspruch hinsichtlich der Gewinnverteilung zurück und verwies bezüglich des Antrags auf Ruhen des Verfahrens auf ein vor dem Finanzgericht (FG) Münster anhängiges Verfahren zu der Frage, ob die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge von 1 % pro Monat verfassungsgemäß sei. Es sei mit Entscheidungen zu anderen Verzinsungstatbeständen zu rechnen.

Der Beklagte lehnte ein Ruhen des Verfahrens weiterhin ab und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2022 als unbegründet zurück. Zwar habe das BVerfG die sog. Vollverzinsung gemäß § 233a i.V. mit § 238 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) für alle Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO bzw. den Einzelsteuergesetzen komme dagegen nicht in Betracht. Im Gegensatz zur Vollverzinsung solle der Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG nicht nur den Zinsvorteil der Rücklagenbildung ohne Reinvestition abschöpfen, sondern auch einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Rücklage entgegenwirken. Steuerpflichtige hätten - anders als bei der Vollverzinsung - grundsätzlich die Wahl, ob sie den Zinstatbestand verwirklichen und ggf. den in § 6b Abs. 7 EStG geregelten Zinssatz hinnehmen oder ob sie den durch die Veräußerung entstandenen Gewinn bereits im Jahr des Verkaufs versteuerten.

Ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die beim Bundesfinanzhof (BFH) eingereichte Beschwerde zu der vom FG Münster ergangenen Entscheidung bezüglich der verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe von ab 2019 entstandenen Säumniszuschlägen sei nicht möglich.

Hiergegen reichten die Klägerinnen am 21. Juli 2022 durch ihre Prozessbevollmächtigte Klage ein. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, der BFH habe im Urteil vom 9. Juli 2019 X R 7/17, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 265, 346, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2020, 635 [BB 2019, 2735 m. BB-Komm. Kubik] die verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe aufgezeigt. Er habe u.a. darauf hingewiesen, dass eine gesetzliche Zinssatztypisierung, die sich evident von realitätsgerechten Verzinsungen am Markt entfernt habe, den gleichheitsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genüge. Für das Streitjahr 2009 habe der BFH verfassungsrechtliche Bedenken noch verneint.

Für den vorliegenden Streitfall könne dies allerdings nicht mehr gelten. Die Höhe des in § 6b Abs. 7 EStG geregelten Zinssatzes lasse sich nicht mehr mit dem aktuellen Niedrigzinsniveau für die in Streit stehenden Wirtschaftsjahre 2019/2020 und 2020/2021 vereinbaren und stelle somit einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG-) und das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Übermaßverbot dar. Der Gewinnzuschlag erfülle die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Typisierung nicht, da der durch die Steuerstundung entstehende Liquiditätsvorteil bei Weitem überkompensiert werde. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht durch die Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Rücklage oder vor dem Hintergrund der Entschließungsfreiheit des Steuerpflichtigen hinsichtlich deren Bildung gerechtfertigt.

Zudem habe der BFH im Beschluss vom 28. Dezember 2022 III B 48/22 (AdV), Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2023, 970 deutlich gemacht, dass Säumniszuschläge eine Doppelfunktion hätten. Neben der Verzinsung komme die Funktion der Druckausübung hinzu. Der BFH habe ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge wegen des Verzinsungsaspekts bejaht. Er sei nicht davon ausgegangen, dass die weitere Funktion der Druckausübung die Höhe der Säumniszuschläge rechtfertigen könne. Übertragen auf den Streitfall stelle sich die Frage, ob aus der angeblich mit § 6b Abs. 7 EStG verfolgten Missbrauchsverhinderung die Rechtfertigung der Gewinnzuschlagshöhe folgen könne.

Das FG Münster sei in seinem Urteil vom 24. August 2022 – 7 K 3764/19 E, Entscheidungen der FG (EFG) 2022, 1767 [BB 2022, 2542 m. BB-Komm. Fischer] den Prüfungsmaßstäben des BFH nur unzureichend nachgegangen. Es habe nicht dargelegt, warum es die mit der Vorschrift des § 6b Abs. 7 EStG angeblich auch verfolgte Zielsetzung der Missbrauchsverhinderung rechtfertige, einen Gewinnzuschlag von 6 % vorzusehen.

Der Sachverhalt, welcher dem Urteil des FG Nürnberg vom 18. Mai 2022 - 3 K 301/19, EFG 2022, 1442 zugrunde gelegen habe, sei aufgrund der erheblich abweichenden Veranlagungszeiträume (dort 2012/2013 bis 2016/2017) mit dem vorliegend zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar.

Die Klägerinnen beantragen,

1.            das Verfahren gemäß § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen und dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 6b Abs. 7 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist,

2.            den Bescheid für 2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 25. Februar 2022 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2022, berichtigt mit Bescheid vom 6. Juli 2023, dahingehend zu ändern, dass der wegen der fehlenden Reinvestition außerbilanziell angesetzte Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von XXX € unterbleibt,

3.            hilfsweise die Revision zuzulassen,

4.            die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung beruft er sich auf das Urteil des FG Nürnberg in EFG 2022, 1442.

Der Beklagte erließ am 6. Juli 2023 einen Bescheid gemäß § 182 Abs. 3 AO, der sich an die Beteiligte Klägerin Ziff. 2, zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin von C.D., und nicht mehr an die bereits erloschene Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 richtete. Der Bescheid wurde gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens (Gräber/Herbert, 9. Auflage 2019, FGO § 68 Rn. 43, m.w.N.).

Der Senat führte am 18. September 2023 eine mündliche Verhandlung durch. [...] .

A.B. machte deutlich, dass das Interesse darin bestanden habe, Ersatzflächen zu erwerben. Daher sei die Rücklage gebildet worden. Allerdings hätten sich die Preise für landwirtschaftliche Flächen erheblich verteuert, sodass ein Erwerb nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Dem Senat lagen bei seiner Entscheidung die den Streitfall betreffenden Akten des Beklagten vor (1 Bd. Feststellungsakten 2020; 1 Bd. Allgemeine Akten).

Aus den Gründen

Zulässigkeit der Klage

A. Die Klage ist zulässig.

Unter Auslegung des Klageschriftsatzes vom 21. Juli 2022 sind die im Rubrum bezeichneten Beteiligten als Klägerinnen des vorliegenden Klageverfahrens anzusehen.

Nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung ist im Zweifel anzunehmen, dass dasjenige Rechtsmittel eingelegt werden sollte, das zulässig ist. Sind die Gesellschafter persönlich klagebefugt und konnten sie daneben als vertretungsberechtigte Geschäftsführer der GbR (§ 709 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) in deren Namen Klage erheben, ist die Klage mithin dahin auszulegen, dass sie sowohl im eigenen Namen der Gesellschafter als auch im Namen der GbR erhoben worden ist (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2012 IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313, Rn. 26 [BB 2013, 496 m. BB-Komm. Schulze-Osterloh]).

Die Klagebefugnis der GbR, Klägerin Ziff. 1 ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Ihre Prozessstandschaft erstreckt sich auch auf die streitige Feststellung des Sonderbetriebsgewinns (vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313, Rn. 24).

Des Weiteren ist das Sonderbetriebsvermögen der ehemaligen Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 berührt. Die Klagebefugnis der Klägerin Ziff. 2, zugleich als Alleinerbin nach C.D., ergibt sich insoweit aus § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO.

Der Gesellschafter A.B. ist hingegen nicht klagebefugt. Er hat die Klage als Vertreter der Klägerin Ziff. 1 erhoben. Er ist somit auch nicht zum Verfahren notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Unbegründetheit der Klage

B. Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid für 2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 25. Februar 2022 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2022, berichtigt mit Bescheid vom 6. Juli 2023, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte hat zutreffend wegen der fehlenden Reinvestition einen außerbilanziellen Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von XXX € angesetzt.

Nach den Maßstäben zur Auflösung einer § 6b-Rücklage …

I. Nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige, der ein dort genanntes Wirtschaftsgut seines Anlagevermögens - z.B. Grund und Boden und Gebäude - veräußert, im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen. Soweit er diesen Betrag nicht abzieht, kann er im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG). Nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG kann der Steuerpflichtige bis zur Höhe der Rücklage von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter, die in den folgenden - grundsätzlich - vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung einen Betrag abziehen. Die Rücklage ist in Höhe des abgezogenen Betrags gewinnerhöhend aufzulösen (§ 6b Abs. 3 Satz 4 EStG).

Ist eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie grundsätzlich in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen (§ 6b Abs. 3 Satz 5 EStG).

§ 6b EStG dient dem Zweck, die aufgrund bestimmter Veräußerungsvorgänge aufgedeckten stillen Reserven steuerrechtlich nicht sofort zu erfassen, sondern sie auf ein Reinvestitionsgut zu übertragen (BFH-Urteil in BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rn. 17).

Auch ohne Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines neu angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsguts nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG kann der Steuerpflichtige die Rücklage jederzeit ganz oder teilweise auflösen (BFH-Urteil vom 29. April 2020 XI R 39/18, BFHE 269, 34, BStBl II 2021, 517, Rn. 18 [BB 2020, 2159 m. BB-Komm. Weiss]). Das setzt eine entsprechende Erklärung voraus (BFH-Beschluss vom 10. Juli 2017 X B 38/17, BFH/NV 2017, 1607, Rn. 22; Schmidt/Loschelder, 42. Auflage 2023, EStG § 6b Rn. 62).

Wird ein Betrieb unentgeltlich übertragen, so tritt der Rechtsnachfolger in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers ein (§ 6 Abs. 3 EStG). Dies gilt auch für eine § 6b-Rücklage (BFH-Urteil vom 22. September 1994 IV R 61/93, BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367, Rn. 23 [BB 1995, 872]).

Soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag nach § 6b Abs. 3 EStG abgezogen wird, ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen (§ 6b Abs. 7 EStG).

Die vollen Wirtschaftsjahre rechnen von Schlussbilanz zu Schlussbilanz. Daher kann der Zuschlag durch eine unterjährige (buchhalterische) Auflösung der Rücklage nicht vermieden werden; auch in diesem Fall hat die Rücklage während des gesamten Wirtschaftsjahrs bestanden (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 83/88, BFHE 159, 133, BStBl II 1990, 290, Rn. 10 [BB 1990, 525]). Das Wirtschaftsjahr der Veräußerung stellt kein volles Wirtschaftsjahr dar (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. September 1991 10 K 77/87, EFG 1992, 178; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 6b Rn. 88; m.w.N.).

… ist der vom Beklagten angesetze Gewinnzuschlag nicht zu beanstanden

II. Nach diesen Maßstäben ist der vom Beklagten angesetzten Gewinnzuschlag in Höhe von XXX € nicht zu beanstanden.

Denn die Klägerin Ziff. 1 hat die im Wirtschaftsjahr 2018/2019 von ihrer Rechtsvorgängerin gebildete und auf sie gemäß § 6 Abs. 3 EStG übergegangene Rücklage im Wirtschaftsjahr 2020/2021 in Höhe eines Teilbetrags von XXX € im Sonderbetriebsvermögen der (ehemaligen) Erbengemeinschaft C.D./ Klägerin Ziff. 2 aufgelöst. Damit hat die Rücklage zwei volle Wirtschaftsjahre bestanden. Ein Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines anderen Wirtschaftsgutes ist insoweit nicht erfolgt. Wegen der Nichtinanspruchnahme der Rücklage war daher ein außerbilanzieller Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von XXX € (6 % p.a. x 2 Jahre x XXX €) anzusetzen.

Im Sonderbetriebsgewinn waren der hälftige Betrag (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) aus der Auflösung der § 6b EStG-Rücklage (1/2 x XXX € = XXX €) und der hälftige Gewinnzuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG (1/2 von XXX € = XXX €) enthalten.

Keine Verfassungswidrigkeit der Höhe des Gewinnzuschlags

III. Der erkennende Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit der Höhe des Gewinnzuschlags überzeugt. Das Verfahren war daher nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen und dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 6b Abs. 7 EStG mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar ist.

Zwar führt § 6b Abs. 7 EStG zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen, die Anlagegüter veräußern (dazu 1). Gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz erweist sich diese Ungleichbehandlung aber als verfassungsgemäß (dazu 2). Auch im Hinblick auf die Neuregelung zur Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in § 238 Abs. 1a AO ergibt sich kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (dazu 3.).

Zwar führt § 6b Abs. 7 EStG zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen, die Anlagegüter veräußern …

1. Steuerpflichtige, die eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend auflösen, ohne einen entsprechenden Betrag nach § 6b Abs. 3 EStG von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Ersatzwirtschaftsgutes abzuziehen, werden durch den nach § 6b Abs. 7 EStG anzusetzenden Gewinnzuschlag gegenüber Steuerpflichtigen, die eine Rücklage nicht gebildet haben, und gegenüber Steuerpflichtigen, die nach Bildung einer Rücklage einen Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Ersatzwirtschaftsgutes vorgenommen haben, ungleich behandelt.

§ 6b Abs. 7 EStG führt zu einer Ungleichbehandlung, da der Gewinnzuschlag nicht bei allen Steuerpflichtigen, die Anlagegüter veräußern, anzusetzen ist. Der Ansatz des Gewinnzuschlags setzt voraus, dass der Steuerpflichtige erstens eine gewinnmindernde Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildet und zweitens bei der gewinnerhöhenden Auflösung der Rücklage keinen Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Ersatzwirtschaftsgutes vorgenommen hat.

Die verfassungsrechtlich relevante Ungleichheit liegt damit in einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung der durch den Gewinnzuschlag belasteten Steuerpflichtigen gegenüber Steuerpflichtigen, bei denen ein solcher Zuschlag nicht zu berücksichtigen ist, durch die typisierende Annahme eines durch eine spätere Besteuerung des Veräußerungsvorgangs entstandenen potentiellen Liquiditätsvorteils in Höhe von jährlich 6 %. Insoweit beanstanden die Klägerinnen die ungerechtfertigte Benachteiligung der gewinnzuschlagsbelasteten Steuerpflichtigen, weil der bei ihnen potentiell entstehende Vorteil, der durch den Gewinnzuschlag abgeschöpft werden soll, mit dem jährlichen Zuschlag von 6 % nicht mehr realitätsgerecht bemessen sei (vgl. FG Münster, Urteil in EFG 2022, 1767, Rn. 28 f.).

Die Ungleichbehandlung wird nicht durch Ausgleichsmechanismen an anderer Stelle wieder vollständig kompensiert (vgl. dazu BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 106 ff.). Insbesondere wirken sich die auf den Gewinnzuschlag entfallende Mehrsteuern nicht steuermindernd aus (vgl. § 12 Nr. 3 EStG).

…, aber gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz erweist sich diese Ungleichbehandlung als verfassungsgemäß

2. Gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz erweist sich die Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Anlagegüter veräußern, als verfassungsgemäß.

Art. 3 Abs. 1 GG

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschlüsse vom 28. Juli 2023 - 2 BvL 22/17, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2023, 2051, Rn. 59 [BB 2023, 2220 m. BB-Komm. Meyer]; vom 29. März 2017 - 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082, Rn. 98; vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377, Rz 73; vom 6. Juli 2010 - 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318, Rn. 35). Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BFH-Urteil vom 9. Juli 2019 X R 7/17, BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rn. 33 [BB 2019, 2735 m. BB-Komm. Kubik]).Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für Einzelne verfügbar sind (BVerfG-Beschluss in BVerfGE158, 282, Rn. 111).

Weitreichender Entscheidungsspielraum beim Steuerrecht …

aa) Für das Steuerrecht wird dem Gesetzgeber ein weitreichender Entscheidungsspielraum zugestanden. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes (BVerfG-Beschlüsse vom 4. Dezember 2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, unter C.I.1.b, und vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, unter C.II.1.d [BB Beil. 1995, Nr 13, 2]). Das BVerfG erkennt in ständiger Rechtsprechung Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Steuergesetze Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen (BFH-Urteil in BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rn. 34).Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 133, 377, Rn. 86; vgl. zudem BFH-Urteil vom 9. November 2017 III R 10/16, BFHE 260, 9, BStBl II 2018, 255, Rn. 15 [BB 2018, 609]).

… gilt nicht in gleicher Weise für die Auswahl des Zinsgegenstands und die Bestimmung des Zinssatzes

bb) Für die Auswahl des Zinsgegenstands und die Bestimmung des Zinssatzes gilt das nicht in gleicher Weise.Denn bei den von den Steuerpflichtigen erhobenen Nachzahlungszinsen handelt es sich gerade nicht um eine Steuer, sondern um steuerliche Nebenleistungen i.S. von § 3 Abs. 4 AO, also um Geldleistungspflichten, die neben einer Steuer entstehen. Diese bedürfen zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden, besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrundes, der eine deutliche Unterscheidung gegenüber der Steuer ermöglicht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 112 f.).

Allerdings kann der Gesetzgeber auch bei der Auswahl des Zinsgegenstands und der Bemessung des Zinssatzes typisierende Regelungen treffen – dies gilt auch für den Gewinnzuschlag

cc) Allerdings kann der Gesetzgeber auch bei der Auswahl des Zinsgegenstands und der Bemessung des Zinssatzes typisierende Regelungen treffen und sich dabei in erheblichem Umfang von Praktikabilitätserwägungen mit dem Ziel der Einfachheit der Zinsfestsetzung und -erhebung leiten lassen (BVerfG-Beschlüsse in DStR 2023, 2051, Rn. 66; in BVerfGE 158, 282, Rn. 115). Dies gilt auch für den Gewinnzuschlag des § 6b Abs. 7 EStG (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rn. 34).Der BFH hat die Höhe des Gewinnzuschlags jedenfalls bis zum Jahr 2009 nicht als verfassungswidrig angesehen (BFH-Urteil in BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635). Für Folgezeiträume hat er die Frage offengelassen (BFH-Urteil in BFHE 269, 34, BStBl II 2021, 517).

Begrenzung dadurch, dass die Zinsregelungen grundsätzlich in der Lage sein müssen, den mit ihnen verfolgten Belastungsgrund realitätsgerecht abzubilden

dd) Begrenzt wird der Spielraum des Gesetzgebers jedoch dadurch, dass die von ihm geschaffenen Zinsregelungen grundsätzlich in der Lage sein müssen, den mit ihnen verfolgten Belastungsgrund realitätsgerecht abzubilden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 115, 149 f., vgl. auch BFH-Urteile vom 22. Mai 2019 X R 19/17, BFHE 265, 95, BStBl II 2019, 795, Rn. 71 zu dem Abzinsungssatz von 5,5 % für unverzinsliche Verbindlichkeiten nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG für das Jahr 2010; vom 14. Juli 2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192, BStBl II 2020, 813, Rn. 41 zu dem Zinssatz von 5,5 % für die Bestimmung des Barwerts von Rentenforderungen nach § 13 Abs. 1 Bewertungsgesetz für das Jahr 2013; vgl. auch FG Köln, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - 10 K 977/17, EFG 2018, 287, Rn. 65, zum Rechnungszinsfuß von 6 % zur Ermittlung von Pensionsrückstellungen für das Jahr 2015; nachfolgend BVerfG-Beschluss in DStR 2023, 2051). Werden Zinsen als steuerliche Nebenleistungen allein zum Zweck des Vorteilsausgleichs erhoben, bedeutet dies, dass die Differenzierung nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen werden muss, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Zins abgegolten werden soll (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 151). Die typisierende Festlegung des Zinssatzes ist trotz grundsätzlicher Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dieser Zinssatz unter veränderten tatsächlichen Bedingungen oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage weder durch die maßstabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 199).

BVerfG überprüft, ob die anhand dieses Kriteriums getroffene Regelung auch unter veränderten Rahmenbedingungen noch von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers getragen wird und daher im Ergebnis zu rechtfertigen ist

ee) Liegt einer Typisierung anhand eines einmal gewählten Kriteriums eine Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse zugrunde und sieht der Gesetzgeber insoweit keinen Anpassungsmechanismus vor, überprüft das BVerfG, ob die anhand dieses Kriteriums getroffene Regelung auch unter veränderten Rahmenbedingungen noch von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers getragen wird und daher im Ergebnis zu rechtfertigen ist. Dies ist jedenfalls dann nicht mehr der Fall, wenn sich eine Regelung unter veränderten tatsächlichen Bedingungen als evident nicht mehr realitätsgerecht erweist (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 155).

BVerfGE 158, 282 zur Vollverzinsung gemäß § 233a AO

ff) Das BVerfG entschied mit Beschluss in BVerfGE 158, 282 zur Vollverzinsung gemäß § 233a AO, dass unter den sich seit dem Jahr 2008 fortlaufend verändernden tatsächlichen Verhältnissen der Zinssatz von monatlich 0,5 % nur noch für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume den durch die Vollverzinsung auszugleichenden Vorteil hinreichend abbildet. Für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume ist der Zinssatz dagegen evident nicht mehr in der Lage, den Erhebungszweck der Nachzahlungszinsen realitätsgerecht abzubilden und damit in dieser Höhe nicht mehr zur Förderung des Gesetzeszwecks erforderlich. Bei der Prüfung, ob der Zinsvorteil durch den gesetzlichen Zinssatz von 6 % realitätsgerecht abgebildet wird, orientiert sich das BVerfG an den Kreditzinsen für Unternehmen (Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften von über 1 Jahr bis 5 Jahre), berücksichtigt aber auch Habenzinsen für Kapitalanlagen, Kreditzinsen für Privathaushalte und den Basiszinssatz (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 204 ff.). Auf dieser Grundlage kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass spätestens ab dem Jahr 2014 ein strukturelles Niedrigzinsniveau eingetreten ist, welches evident von dem von dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz abweicht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 205, 213).

Eine Verschärfung des Prüfungsmaßstabs aufgrund von Freiheitsrechten war nicht geboten. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu Geldleistungen herangezogen zu werden, enthält insbesondere auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot, das dahingeht, nicht mit einer unverhältnismäßigen Geldleistungspflicht belegt zu werden. Insoweit begründet die Zinszahlungspflicht zwar einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit. Eine erhebliche Beeinträchtigung von Freiheitsrechten, die eine strengere Gleichheitsprüfung veranlassen könnte, liegt darin jedoch nicht (vgl.BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 117).

Gewinnzuschlag weicht erheblich von den als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Zinsen ab, …

gg) Nach der Rechtsprechung des BFH ist aufgrund des Normzwecks des § 6b Abs. 7 EStG maßgeblich auf den Fremdkapitalmarktzins für Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften bis 1 Mio. € bei einer Laufzeit von über einem Jahr bis fünf Jahre/Neugeschäft abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rn. 39). Dieser Zinssatz ist vorrangig als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, da § 6b EStG nur bei Gewinneinkünften Anwendung findet und die Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG im Ergebnis zu einer Stundung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer führt (FG Münster, Urteil in EFG 2022, 1767, Rn. 48). In den hier betroffenen Jahren 2019 bis 2021 bewegten sich die Zinssätze für solche Kredite zwischen 2,05 % und 2,56 % (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für März 2020, 2021 und 2022, jeweils Seite 47*; vgl. unter https://www.bundesbank.de/de/publikationen/berichte/monatsberichte).

Von diesen Zinssätzen weicht der Gewinnzuschlag in Höhe von 6 % erheblich ab.

…verstößt aber dennoch nicht gegen die Verfassung

b) Dennoch verstößt der Gewinnzuschlag nach Auffassung des Senats nicht gegen die Verfassung.

Sinn und Zweck des Gewinnzuschlags

aa) Der BVerfG-Beschlussin BVerfGE 158, 282 betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung gemäß §§ 233a, 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Entscheidung ist also zu Zinsfestsetzungen ergangen, die als steuerliche Nebenleistungen allein zum Zweck des Vorteilsausgleichs erhoben werden.

Der hier zu beurteilende Gewinnzuschlag wurde durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz (HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 1981, 1523) eingefügt. Der Gewinnzuschlag soll nach der Gesetzesbegründung die durch die Rücklagenbildung eingetretene Stundungswirkung für den Fall kompensieren, dass keine begünstigte Reinvestition vorgenommen wird. In diesem Fall soll wegen nicht vorgenommener begünstigter Reinvestition keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit bestehen, den eingetretenen Zinsvorteil zu belassen. Vielmehr soll der Zinsvorteil durch Erhöhung des Gewinns wieder ausgeglichen werden (vgl. Begründung zu dem Entwurf eines 2. HStruktG vom 28. September 1981, Bundestags-Drucksache -BT-Drucksache- 9/842, 65 f.). Vor diesem Hintergrund geht der BFH davon aus, dass mit dem Gewinnzuschlag die Steuerstundung abgegolten werden soll, die infolge der Rücklagenbildung für im Ergebnis nicht reinvestierte Veräußerungsgewinne entsteht (Ausgleich eines Zinsvorteils). Im wirtschaftlichen Ergebnis handelt es sich um die Verzinsung und damit den Gegenwert dafür, dass sich der betreffende Veräußerungsgewinn steuerlich nicht im Wirtschaftsjahr seines Entstehens, sondern erst in den Folgejahren auswirkt (BFH-Urteil vom 15. März 2000 I R 17/99, BFHE 192, 353; BStBl II 2001, 251, Rn. 19). Der Gewinnzuschlag dient damit nicht allein dem Zweck des Vorteilsausgleichs, sondern auch der Vermeidung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Rücklage (BFH-Urteil in BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rn. 34; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 6b Rn. 88; Marchal in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 6b EStG Rn. 149; Heger in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6b Rn. H 2; Siewert in: Frotscher/Geurts, EStG, § 6b EStG Rn. 149; T. Carlé/Strahl in: Korn, EStG, § 6b EStG Rn. 47; Eversloh in: Bordewin/Brandt, EStG, § 6b Abs. 7 Rn. 303; Fischer, Betriebsberater -BB- 2022, 2546).

Nach anderer Auffassung soll der Gewinnzuschlag nicht dem Zweck der Vermeidung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme dienen (Jesse, Finanzrundschau -FR- 2022, 1, 11). Zur Begründung wird angeführt, dass es für die Bildung der Rücklage nicht auf eine Reinvestitionsabsicht ankomme (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 10/99, BFHE 194, 135, BStBl II 2001, 282, Rn. 32 [BB 2001, 774]). Es mache für die Erhebung des Gewinnzuschlags keinen Unterschied, aus welchen Gründen die Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut letztlich unterblieben sei. Es ließen sich weder der Gesetzesbegründung noch dem Gesetzeswortlaut Anhaltspunkte für das Ziel der Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme entnehmen. Vielmehr solle die Zuschlagsregelung allein dem Ausgleich des durch Bildung einer Rücklage eingetretenen Stundungswirkung gewährten Zinsvorteils dienen.

Der Zweck der Missbrauchsvermeidung ergibt sich jedoch daraus, dass der Gesetzgeber mit der Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG keine voraussetzungslose Stundungsmöglichkeit schaffen, sondern vielmehr volkswirtschaftlich wünschenswerte Neuinvestitionen erleichtern wollte (vgl. BT-Drucksache 9/842, 66; FG Münster, Urteil in EFG 2022, 1767, Rn. 45). Damit weist § 6b Abs. 7 EStG einen über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden, besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrund (Ausgleich von Zinsvorteilen, Missbrauchsvermeidung) auf und genügt damit den strengen Anforderungen, die das BVerfG an steuerliche Nebenleistungen stellt. Dem Gesetzgeber steht im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis ein weitreichender Entscheidungsspielraum zu (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rn. 34). Anders als bei Nachzahlungszinsen ist er nicht gehalten, sich ausschließlich an dem zu erzielenden Zinsvorteil zu orientieren (vgl. FG Münster, Urteil in EFG 2022, 1767, Rn. 45; FG Nürnberg, Urteil in EFG 2022, 1442).

Wertungen, welche das BVerfG für die verfassungsrechtliche Prüfung Nachzahlungszinsen vorgenommen hat, können nicht auf den Gewinnzuschlag übertragen werden

bb) Zur Vollverzinsung führte das BVerfG aus, dass das maßgebliche Differenzierungskriterium des Zeitpunktes der Steuerfestsetzung für Steuerpflichtige grundsätzlich nicht verfügbar ist. Es liegt letztlich in der Sphäre der Finanzverwaltung, wann die Steuer festgesetzt wird. Steuerpflichtige können durch ihr Verhalten lediglich förderlich auf eine zeitnahe und zutreffende Steuerfestsetzung hinwirken und im Übrigen nur das individuelle Ausmaß der Ungleichbehandlung durch bedingt mögliche freiwillige Zahlungen an das Finanzamt abmildern (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, Rn. 118).

Dagegen wird bei § 6b Abs. 7 EStG die Rücklage nur auf Antrag des Steuerpflichtigen gebildet. Das Kriterium der Verfügbarkeit spricht daher ebenfalls für einen weitreichenden Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers. Steuerpflichtige haben hier - anders als bei der Vollverzinsung - grundsätzlich die Wahl, ob sie den Zinstatbestand verwirklichen und den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinssatz hinnehmen oder ob sie die Steuerschuld tilgen und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu zinsgünstigeren Konditionen beschaffen. Es kann im Einzelfall empfehlenswert sein, die Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG zu bilden, obgleich keine Reinvestitionsabsicht besteht, um von Liquiditäts- und Zinswirkungen profitieren zu können, welche der Auswirkung des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG gegenzurechnen sind. Der Steuerpflichtige profitiert vorübergehend von der Bildung der Rücklage, da der Veräußerungsgewinn zunächst unversteuert bleibt. Zudem kann der Steuerpflichtige - wie der Streitfall zeigt - den Veräußerungsgewinn durch die sukzessive Auflösung der Rücklage auf mehrere Wirtschaftsjahre verteilen und so in besonderem Maße seine Progression senken(vgl. zu weiteren Gestaltungsmöglichkeiten Kanzler in: Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, 8. Auflage, Stand: 19.08.2023, § 6b EStG Rn. 3, m.w.N.; T. Carlé/Strahl, a.a.O., § 6b EStG Rn. 47).

Der Steuerpflichtige setzt sich - wie hier die Klägerinnen - durch die Bildung der Rücklage bewusst dem Risiko aus, in einem späteren Veranlagungszeitraum einen Gewinnzuschlag versteuern zu müssen, falls es nicht zu der Anschaffung oder Herstellung des Ersatzwirtschaftsgutes kommt. Der Gewinnzuschlag ist damit auf eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen zurückzuführen. Er kann die Zulage ohne weiteres dadurch vermeiden, dass er von der Bildung der Rücklage absieht.

Damit können die Wertungen, welche das BVerfG für die verfassungsrechtliche Prüfung der - vom Steuerpflichtigen nicht zu beeinflussenden - Nachzahlungszinsen vorgenommen hat, nicht auf den Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG übertragen werden. So hat das BVerfG im Beschluss vom 8. Juli 2021 auch ausgeführt, dass eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO zulasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO, nicht in Betracht kommt. Die anderen Verzinsungstatbestände bedürfen einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung, da die Entstehung dieser Zinsen auf einen Antrag bzw. eine freiwillige Entscheidung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist (Rn. 242 f.). Diese vorgenannten Zinstatbestände beruhen auf einer Willensentscheidung des Steuerpflichtigen, der bewusst einen Antrag auf Stundung oder Aussetzung der Vollziehung stellt oder Steuerhinterziehung begeht. Da auch der Gewinnzuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG auf einer Willensentscheidung des Steuerpflichtigen beruht, besteht eine Vergleichbarkeit des Gewinnzuschlags mit Stundungs-, Aussetzungs- und Hinterziehungszinsen. Die Wertung des BVerfG bei diesen Zinstatbeständen kann somit folgerichtig auf den Gewinnzuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG übertragen werden (FG Nürnberg, Urteil in EFG 2022, 1442, Rn. 42, mit zustimmender Anmerkung Falk, EFG 2022, 1445; Fischer, BB 2022, 2546).Der verfassungsrechtliche Spielraum für die Bemessung des Gewinnzuschlags reicht aufgrund der Schwierigkeiten bei der Ermittlung des tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteils und der der durch das Wahlrecht des Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Rücklagenbildung bestehenden Möglichkeit zur Vermeidung des Gewinnzuschlags weiter als bei der Vollverzinsung. Damit ist nach Auffassung des Senats der Gewinnzuschlag auch in Höhe von 6 % verfassungsrechtlich nicht beanstanden (a.A. Paetsch in: Beck’scher Online-Kommentar EStG, § 6b Rn. 292a; Siewert, a.a.O., § 6b EStG Rn. 148).

Pauschale Berechnungsmethode des Gewinnzuschlags

cc) Im Unterschied zur Vollverzinsung wird der durch die Steuerstundung bewirkte Vorteil nicht konkret berechnet, sondern der Rücklagenbetrag wird aus Gründen der Steuervereinfachung je Jahr in pauschalierter Weise in Höhe von 6 % angesetzt und als Gewinnzuschlag erfasst. Die pauschale Berechnungsmethode soll nach der gesetzgeberischen Zielsetzung die im Einzelfall oft schwierige Ermittlung des konkreten wirtschaftlichen Vorteils unter Beachtung von Zins und Zinseszins und dem jeweiligen Steuersatz vermeiden. Dabei wird aus steuertechnischen Gründen nicht individuell die Steuer ermittelt und verzinst, die ohne Rücklagenbildung im Veräußerungsjahr zusätzlich angefallen wäre (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 83/88, BFHE 159, 133, BStBl II 1990, 290, Rn. 10 [BB 1990, 525]).

Die sich aus dieser pauschalen Berechnungsmethode des Gewinnzuschlags ergebende Unschärfe bei der steuerlichen Belastung im Einzelfall ist nach Ansicht des erkennenden Senats verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Zwecksetzung, eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Rücklagen zu verhindern, und die Entschließungsfreiheit des Steuerpflichtigen bei der Rücklagenbildung sind ausreichende Rechtfertigungsgründe, einen Gewinnzuschlag nach § 6 b Abs. 7 EStG unabhängig von der Höhe des wirtschaftlichen Vorteils im Einzelfall in Ansatz zu bringen (so auch FG Münster, Urteil vom 17. November 2000 - 2 K 7511/97 E, EFG 2001, 350, Rn. 28; Schmidt/Loschelder, a.a.O.; § 6b Rn. 6, 88, m.w.N.).

Wirtschaftsjahr der Bildung der Rücklage wird bei der Bemessung des Gewinnzuschlags nicht mitgerechnet

dd) Weiterhin ist von Bedeutung, dass das Wirtschaftsjahr der Bildung der Rücklage bei der Bemessung des Gewinnzuschlags nicht mitgerechnet wird (vgl. Liebl in: Kirchhof/Seer, EStG, 22. Auflage 2023, § 6b Rn. 32). Die Rücklage ist auch nur in der Schlussbilanz eines Wirtschaftsjahrs aufzulösen. Der Gewinnzuschlag kann nicht durch eine gewinnerhöhende Auflösung vor Ablauf des Wirtschaftsjahrs vermieden werden. Gewinnzuschlag und Nachzahlungszinsen sind daher nicht miteinander zu vergleichen, so dass der BVerfG-Beschluss vom 8. Juli 2021 nicht auf den Gewinnzuschlag übertragbar ist (Eversloh, a.a.O., § 6b Abs. 7 Rn. 303).

Verzinsung der „gestundeten“ Steuer in Höhe von 6 % nur, wenn für den Steuerpflichtigen in dem Wirtschaftsjahr der Rücklagenbildung und in dem Wirtschaftsjahr der Rücklagenauflösung derselbe individuelle Steuersatz gilt

ee) Der Gewinnzuschlag in Höhe von 6 % führt nur dann zu einer Verzinsung der „gestundeten" Steuer in Höhe von 6 %, wenn für den Steuerpflichtigen in dem Wirtschaftsjahr der Rücklagenbildung und in dem Wirtschaftsjahr der Rücklagenauflösung derselbe individuelle Steuersatz gilt. Gilt für das Bildungsjahr ein höherer Steuersatz, so führt der Gewinnzuschlag zu einer „Verzinsung“ von unter 6 %.

Gesetzgeber hat sich bei der Höhe des Gewinnzuschlags nicht nur an der Höhe der Kreditzinsen, sondern auch an der Höhe der Renditeerwartungen der betroffenen Unternehmen orientiert

ff) Der Gesetzgeber hat sich bei der Höhe des Gewinnzuschlags nicht nur an der Höhe der Kreditzinsen, sondern auch an der Höhe der Renditeerwartungen der betroffenen Unternehmen orientiert. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Höhe des Rechnungszinsfußes von 6 % für Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG. Dort wird ausgeführt, der vorgesehene Rechnungszinsfuß von 6 % werde in der Regel im Rahmen der Renditeerwartungen liegen, die die pensionsverpflichteten Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften können (vgl. BT-Drucksache 9/842, 66). Da mit demselben Gesetz (2. HStruktG, a.a.O.) auch der Gewinnzuschlag in Höhe von ebenfalls 6 % eingeführt worden ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch insoweit die Renditeerwartungen in den Blick genommen hat (vgl. FG Münster, Urteil in EFG 2022, 1767, Rn. 53 f.; a.A. Jesse, FR 2022, 1, 11; Paetsch, a.a.O., Rn. 292a; kritisch Dommermuth in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 319. Lieferung, 7/2023, § 6a EStG, Rn. 3).

Unter Berücksichtigung der Renditeerwartungen scheidet eine evidente Abweichung von dem durch die Rücklage gewährten Vorteil aus. Denn in den Jahren 2019 bis 2021 betrug die Gesamtkapitalrendite (unter Zugrundelegung der Berechnungsmethode von Schätzlein, FR 2020, 947, 949: [„Jahresergebnis vor Gewinnsteuern“ + „Zinsaufwendungen“] ÷ „Bilanzsumme [berichtigt]“) bei 6,54 % (2019), 5,78 % (2020) und 7,33 % (2021). Dabei wurden die Daten in Deutsche Bundesbank, Jahresabschlussstatistik (Hochgerechnete Angaben) 1997 bis 2021, Tabelle „Alle Unternehmen“ (unter https://www./www.bundesbank.de/de/statistiken/unternehmen-und-private-haushalte/-/jahresabschlussstatistik-hochgerechnete-angaben-1997-bis-2021-827826) zugrunde gelegt.

Auch im Hinblick auf die Neuregelung zur Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in § 238 Abs. 1a AO ergibt sich kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz

3. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG ergibt sich schließlich nicht daraus, dass der Gesetzgeber die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen (§ 233a AO) mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der AO und des Einführungsgesetzes zur AO vom 12. Juli 2022 (BGBl I 2022, 1142) - in Umsetzung des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 158, 282) - auf monatlich 0,15 % (1,8 % p.a.) abgesenkt hat (§ 238 Abs. 1a AO). Zugleich hat der Gesetzgeber in § 238 Abs. 1c AO geregelt, dass die Angemessenheit des Zinssatzes nach unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren ist.

Die Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG erstreckt sich ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände, also insbesondere nicht auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach §§ 234, 235, 237, sodass insoweit keine gesetzgeberische Anpassung des Zinssatzes erfolgte. Im Rahmen dieser Verzinsungstatbestände hat es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, eine Zinspflicht auszulösen. Hängt die Erfüllung eines Zinstatbestandes dergestalt vom Willen des Steuerpflichtigen ab, ist der Gesetzgeber berechtigt, einen vom Marktniveau unabhängigen Zinssatz festzusetzen (zu Aussetzungszinsen vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Mai 2023 - 1 K 180/22 -, juris Rn. 40, m.w.N.).

Für den Gewinnzuschlag des § 6b Abs. 7 EStG gilt dies in gleicher Weise. Eine Änderung der Zuschlagshöhe bedürfte einer Gesetzesänderung durch den Gesetzgeber (vgl. Kanzler, Neue Wirtschaftsbriefe -NWB- 2021, 2500, Eversloh, a.a.O., § 6b Abs. 7 Rn. 303).

Kostenentscheidung

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Zulassung der Revision

D. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

Keine Notwendungkeit, über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren zu befinden

E. Da die Kosten des Verfahrens den Klägerinnen auferlegt wurden, war über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) nicht zu befinden.

 

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