FG Nürnberg: Vereinbartes Pensionierungsalter, § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3 EStG
FG Nürnberg, Urteil vom 13.12.2022 – 1 K 1349/21
BB-ONLINE BBL2024-686-1
[KORREKTUR: Das BAG-Urteil vom 14.11.2023 – IX R 1/22 ist unter dem Link BBL2024-686-4 zu finden!]
Sachverhalt
Streitig ist die Erdienbarkeit von zugesagten Pensionen.
Die Klägerin ist eine in 19xx gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Durchführung von Systemanalysen sowie die Softwareentwicklung, Softwareherstellung, Beratung in Softwareanwendung u.a. umfasst. Alleingeschäftsführer ist XA. Bis 2015 waren sein Vater EB (geb. xx.xx.1950) und bis 2009 seine Mutter HB (geb. xx.xx.1957) Geschäftsführer der Klägerin. Alleingesellschafter ist seit 2012 die T GmbH & Co. KG. Davor waren EB und HB jeweils zur Hälfte an der Klägerin beteiligt.
Mit Vereinbarung vom 01.02.2000 wurde EB eine Pensionszusage in Höhe von 3.000 DM (1.533,88 €) monatlich erteilt, wenn er nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet. Mit Vereinbarung vom 02.01.2010 wurde sein Anstellungsvertrag vom 01.08.2002 dahin ergänzt, dass die Pension nun 75% seines letzten Gehaltes beträgt und ab Vollendung seines 70. Lebensjahres und mit Ausscheiden aus der Gesellschaft gewährt wird. Unter Ziffer 9 „Flexible Altersgrenze“ wurde vereinbart, dass EB auf eigenen Wunsch frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine Altersleistung in Anspruch nehmen kann, allerdings nur dann, wenn er aus dem Unternehmen ausgeschieden ist und keine anderweitige Erwerbstätigkeit ausführt. Für jeden Monat des früheren Rentenbezugs reduziert sich die Betriebsrente um 0,5%. EB bezog bis 30.06.2010 ein monatliches Gehalt von 2.500 €. Mit Gesellschafterbeschluss vom 28.06.2010 wurde sein Geschäftsführergehalt auf 5.000 € erhöht. Dieses Gehalt hat er bis 31.12.2020 erhalten.
HB bezog ab 01.01.2010 ein monatliches Gehalt von 5.000 € ohne Kfz-Nutzung. Dieses Gehalt bezieht sie noch bis heute. Ihr wurde mit Vereinbarung vom 02.01.2010 bei Vollendung ihres 67. Lebensjahres und ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen eine Altersrente in Höhe von 75% des letzten Gehaltes zugesagt. Unter Ziffer 9 „Flexible Altersgrenze“ wurde mit HB ebenfalls vereinbart, dass sie frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine Altersleistung in Anspruch nehmen kann, allerdings nur dann, wenn sie aus dem Unternehmen ausgeschieden ist und keine anderweitige Erwerbstätigkeit ausführt. Für jeden Monat des früheren Rentenbezugs reduziert sich die Betriebsrente um 0,5%.
Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Pensionsvereinbarungen vom 01.02.2000 und 02.01.2010 Bezug genommen Das Finanzamt veranlagte für die Streitjahre erklärungsgemäß jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Gemäß Prüfungsanordnung vom 02.11.2015 fand für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2013 eine Betriebsprüfung unter Beteiligung der Fachprüfung für versicherungsmathematische Fragen des Bayerischen Landesamtes für Steuern statt. Der Pensionsfachprüfer kam zu der Feststellung, dass EB und HB am 02.01.2010 weitgehend inhaltsgleiche Pensionszusagen erteilt worden seien. Sie würden sich lediglich hinsichtlich Pensionsalter und der Anrechnung von Erwerbeinkünften bei einer möglichen früheren Inanspruchnahme der Altersrente unterscheiden. Beide würden eine „flexible Altersgrenze“ ab der Vollendung des 60. Lebensjahres vorsehen. Bei Abschluss der Pensionszusagen hätten gleichgerichtete Interessen bestanden, so dass nicht die Grundsätze für Minderheitsgesellschafter, sondern für Mehrheitsgesellschafter bei der Beurteilung der Pensionszusagen anzuwenden seien. Gegen die Annahme gleichgerichtete Interessen spreche auch nicht, dass die Ehegatten sich in Trennung befunden hätten.
Der Pensionsfachprüfer verneinte das Vorliegen der Erdienbarkeit für die Pensionsansprüche beider Ehegatten, da für die Berechnung das frühestmögliche Rentenbezugsalter von 60 Jahren ausschlaggebend sei. Im Jahr 2010 hätte EB bereits das 59. Lebensjahr und HB das 52. Lebensjahr erreicht. Der Grundsatz der Erdienbarkeit sei auch auf nachträgliche Erhöhungen anzuwenden. Maßgeblich seien daher die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt. Die fehlende Erdienbarkeit begründe eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Erhöhungsbeträge und führe zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) in folgender Höhe:
31.12.2010 |
31.12.2011 |
31.12.2012 |
31.12.2013 |
|
EB |
204.869 € |
10.624 € |
10.854 € |
11.252 € |
HB |
250.165 € |
18.026 € |
18.922 € |
19.874 € |
Gesamt |
455.034 € |
28.650 € |
29.776 € |
31.126 € |
Das Finanzamt folgte den Feststellungen und erließ am 19.02.2018 geänderte Steuerbescheide.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2021 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat daraufhin fristgerecht Klage erhoben.
Im Wesentlichen führt sie aus, dass im Streitfall gleichgerichtete Interessen der Ehegatten nicht unterstellt werden könnten, da sich diese in Trennung bzw. Scheidung befunden hätten.
Die Pensionszusagen seien auch nicht inhaltlich gleich, sondern würden sich in wesentlichen Punkten unterscheiden. EB sei die Pension bereits im Jahr 2000 erstmalig zugesagt worden, HB hingegen erst 2010. Weiter weiche das Rentenalter voneinander ab; EB sei die Pensionszusage ab Vollendung seines 70. Lebensjahres und HB bereits ab Vollendung ihres 67. Lebensjahres zugesagt worden. Bei HB erfolge eine Anrechnung der gesetzlichen Rente auf die Betriebsrente auf die gesetzliche Rente, bei EB nicht. Übereinstimmen würde lediglich, dass eine Altersrente in Höhe von 75% des letzten Gehaltes zugesagt werde.
Der Zeitraum der Erdienbarkeit für HB betrage 3 Jahre, da sie Minderheitsgesellschafterin sei. HB sei zwar im Jahr 2009 als Geschäftsführerin der Klägerin ausgeschieden, habe aber nach wie vor weiter für sie gearbeitet und ein monatliches Gehalt von 5.000 € bezogen.
Die Lohnhöhe und die Tätigkeit des EB als Geschäftsführer der Klägerin habe sich bis Ende 2018 nicht geändert. Die 3 Jahresfrist gelte auch für ihn als Minderheitsgesellschafter.
Zudem sei die flexible Altersgrenze in der Pensionszusage von EB tatsächlich nicht flexibel, da er noch für eine andere Kommanditgesellschaft im Firmenverbund tätig gewesen sei. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin würden diese Bezüge angerechnet, wodurch sich ohnehin keine Rentenzahlungen ergeben würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide der Jahre 2010 bis 2013 jeweils vom 19.02.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2021 dahingehend zu ändern, dass die vGA aufgrund der Zuführung zur Pensionsrückstellung entfällt.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass beide Ehegatten als beherrschende Gesellschafter zu qualifizieren seien, da für das zu beurteilende Rechtsgeschäft gleichgerichtete Interessen vorlägen. Jeder der beiden Gesellschafter habe einer Gestaltung zugunsten des anderen Gesellschafters nur deshalb zugestimmt, um zu seinen eigenen Gunsten den Vorteil zu gleichen Bedingungen zu erreichen. Der Umstand, dass die Gesellschafter-Ehegatten bei Änderung der Pensionszusage in Scheidung gelebt hätten, sei nicht von Bedeutung. Ebenfalls nicht von Bedeutung sei, dass HB zum Zusagezeitpunkt nicht mehr als Geschäftsführerin bestellt gewesen sei. Keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erdienbarkeit habe die Tatsache, dass EB zwischenzeitlich als Geschäftsführer ausgeschieden sei und ihm später aufgrund von Anrechnungen voraussichtlich keine Pensionszahlungen zufließen würden.
Mit Schriftsatz vom 04.01.2023 erläuterte das Finanzamt die steuerlichen Auswirkungen, sofern keine gleichgerichteten Interessen angenommen werden. Hinsichtlich HB würden sich keine Feststellungen ergeben, jedoch hielt das Finanzamt an den Feststellungen betreffend EB fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Behördenakten, die Finanzgerichtsakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022 Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
1. Aufgrund des nachgereichten Schriftsatzes vom 04.01.2023 ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht geboten.
Sie wäre dann angezeigt, wenn neue, entscheidungserhebliche Tatsachen oder Rechtsmeinungen vorgetragen würden, die eine Partei bisher unverschuldet nicht vorbringen konnte. Ein Verschulden könnte dann unbeachtlich sein, wenn mit einer evident unrichtigen Entscheidung gerechnet werden müsste (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, FGO § 93, Rn 9). Eine Wiedereröffnung wäre weiterhin erforderlich, wenn das rechtliche Gehör verletzt würde oder es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedürfte.
Die Ausführungen des Finanzamts nach Schluss der mündlichen Verhandlung enthalten jedoch keine neuen Tatsachen oder Rechtsansichten, die nicht bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert worden wären. Das Finanzamt führt lediglich Zahlen, Daten und Fakten auf, die dem Gericht bereits aus den vorgelegten Behördenakten und den Schriftsätzen bekannt sind. Die vom Finanzamt angeführte Rechtsprechung war dem Gericht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ebenfalls geläufig.
2. Eine vGA ist in den Streitjahren nicht anzusetzen. Die Pensionszusagen sind betrieblich veranlasst, insbesondere sind sie erdienbar und deshalb nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.
2.1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 04.09.2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347 und vom 22.10.2003 I R 37/02, BStBl II 2004, 121, m.w.N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH, Urteil vom 16.03.1967 I 261/63, BStBl III 1967, 626).
2.2. Eine Pensionszusage an einen Gesellschafter-Geschäftsführer ist steuerlich nur anzuerkennen, wenn die Vereinbarung einem Fremdvergleich standhält. Die gefestigte Rechtsprechung verlangt, dass die Pension, welche eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zusagt, aus Sicht des Zusagezeitpunkts erdienbar sein muss. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, auf dessen mutmaßliches Verhalten es für den hypothetischen Fremdvergleich ankommt, würde einem Angestellten eine Altersversorgung regelmäßig nur dann versprechen, wenn dieser noch für einen hinreichend langen Zeitraum für das Unternehmen tätig ist.
Die Rechtsprechung hat für den Zeitraum zwischen Erteilung der Zusage und dem Pensionierungsalter bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern mindestens zehn Jahre aufgestellt (vgl. BFH-Urteile vom 23.07.2003 I R 80/02, BStBl II 2003, 926; vom 23.09.2008 I R 62/07, BStBl II 2013, 39 und vom 20.05.2015 I R 17/14, BStBl II 2015, 1022). Nachdem die Rechtsprechung sich zur Bestimmung der Erdienensdauer an den vormals geltenden gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen (§ 1 Abs. 1 BetrAVG a.F., zur Anwendung auf Pensionszusagen nach dem 01.01.2001 s. BFH-Beschluss vom 19.11.2008 I B 108/08, BFH/NV 2009, 608, Rn 7 m.w.N.) orientiert, ist bei Minderheitsgesellschaftern im Gegensatz zu beherrschenden Gesellschaftern von einem Zeitraum von mindestens drei Jahren auszugehen, wenn diese Person dem Betrieb mindestens 12 Jahre angehörte (vgl. BFH-Urteil vom 09.08.2000 I R 12/99, BStBl II 2000, 504). Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten sowohl für Erstzusagen einer Versorgungsanwartschaft als auch für nachträgliche Erhöhungen einer bereits erteilten Zusage (vgl. BFH Urteil vom 23.09.2008 a.a.O.). Um eine nachträgliche Erhöhung kann es sich auch handeln, wenn ein endgehaltsabhängiges Pensionsversprechen infolge einer Gehaltsaufstockung mittelbar erhöht wird und dies der Höhe nach einer Neuzusage gleichkommt (vgl. BFH-Urteil vom 20.05.2015 a.a.O.).
In seiner neueren Rechtsprechung stellt der BFH nur noch auf die indizielle Wirkung der grundsätzlich heranzuziehenden betriebsrentenrechtlichen Unverfallbarkeitsfristen ab. Begründet wird dies damit, dass es sich um arbeitsrechtliche Fristen handelt, denen steuerlich keine unmittelbare Relevanz zukommen kann, da ein Gesellschafter-Geschäftsführer dem BetrAVG nicht unmittelbar unterfällt (vgl. BFH-Beschluss vom 04.05.1998 I B 131/97, BFH/NV 1998, 1530). Zum anderen dürfen steuerliche Anhaltspunkte und Indizien, denen eine gesetzlich zwingende Vorgabe fehlt und welche von der Rechtsprechung herangezogen worden sind, nicht starr und flächendeckend angewandt werden (vgl. BFH-Urteile vom 24.04.2002 I R 43/01, BStBl II 2003, 416 und vom 23.07.2003 a.a.O.). Es bedarf daher einer Würdigung der Einzelfallumstände. Ist aufgrund dieser Umstände des Einzelfalls sichergestellt, dass mit der Zusage die künftige Arbeitsleistung des Geschäftsführers abgegolten werden soll, ist dies deshalb auch dann anzunehmen, wenn die besagten Zeiträume nicht erreicht werden (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2002, a.a.O.).
Für die Beurteilung ist auf den frühestmöglichen Rentenbezugszeitpunkt abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 20.05.2015 a.a.O.). Wohingegen der BFH in seinem Urteil vom 23.01.1991 (I R 113/88, BStBl II 1991, 379) noch auf das hinreichend wahrscheinliche Renteneintrittsalter abstellt.
2.3. Von einer beherrschenden Stellung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH regelmäßig auszugehen, wenn der Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte besitzt und deshalb bei Gesellschafterversammlungen entscheidenden Einfluss ausüben sowie seinen geschäftlichen Willen gegenüber den anderen Gesellschaftern durchsetzen kann. Dies ist in der Regel der Fall, wenn er über mehr als 50% der Stimmrechte verfügt. Verfügt ein Gesellschafter über genau 50% oder weniger der Gesellschaftsanteile, kann er aber dennoch einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, wenn er mit anderen gleichgerichtete Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen (vgl. BFH-Beschluss vom 29.07.2009 I B 12/09, BFH/NV 2010, 66; BFH-Urteile vom 25.10.1995 I R 9/95, BStBl II 1997, 703 und vom 13.12.1989 I R 99/87, BStBl II 1990, 454, m.w.N.). Hiervon kann auszugehen sein, wenn mit allen Minderheitsgesellschaftern zeitgleiche und inhaltsgleiche Vereinbarungen getroffen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.04.1997 I R 52/96, BFH/NV 1997, 808).
3. Die Zusagen sind erdienbar.
3.1. Die Pensionszusagen sind nach den Grundsätzen für Minderheitsgesellschafter zu beurteilen.
Nach diesen vorgenannten Grundsätzen liegen bei Abschluss der jeweiligen Pensionszusagen keine gleichgerichteten Interessen vor. Die beiden Gesellschafter HB und EB, die in den Streitjahren jeweils zu 50% an der Klägerin beteiligt waren, haben nicht zusammengewirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen. Hierbei sind die jeweiligen Zusagen bzw. mittelbaren Zusagen durch Erhöhung des Gehalts gesondert zu betrachten (sog. geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise; BFH-Vorlagebeschluss vom 27.11.2013 I R 36/13, BStBl II 2014, 651 m.w.N.).
3.1.1. Die Pensionszusage, die EB am 01.02.2000 erteilt wurde, kann unstreitig erdient werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte EB erst sein 49. Lebensjahr vollendet und damit verblieben mehr als 10 Jahre selbst bis zum frühestmöglichen Renteneintrittsalter mit dem vollendeten 60. Lebensjahr.
3.1.2. Die Pensionszusagen der Klägerin gegenüber EB und HB vom 02.01.2010 sind nicht die Folge gleichgerichteter Interessen. Sie sind zwar zeitgleich abgeschlossen, aber nicht inhaltsgleich. Bei der Vereinbarung vom 02.01.2010 zwischen der Klägerin und EB handelt es sich um eine Änderung der bisherigen Pensionszusage vom 01.02.2000, in der EB eine fixe Pension von monatlich 1.533,88 € zugesagt wurde, wenn er nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet. Die Vereinbarung vom 02.01.2010 divergiert insoweit als die Pension 75% des letzten Gehaltes beträgt, jedoch erst ab dem 70. Lebensjahr gewährt wird. Hingegen handelt es sich bei der Pensionszusage gegenüber HB um eine erstmalige Zusage ab Vollendung ihres 67. Lebensjahres. Beiden Pensionszusagen vom 02.01.2010 ist lediglich gemein, dass eine Pension in Höhe von 75% des letzten Gehaltes gewährt wird und die Begünstigten eine frühestmögliche Altersleistung ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch nehmen können.
Zum Zusagezeitpunkt 02.01.2010 weichen die zugesagten Pensionen deutlich voneinander ab, was ein Indiz für eine divergierende Interessenlage und eben kein Zusammenwirken der Gesellschafter ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.02.1999 I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384). Die Zusagen entsprachen sich lediglich in prozentualer Höhe, jedoch hatte EB zu diesem Zeitpunkt ein deutlich niedrigeres Gehalt bezogen als HB.
EB |
HB |
|
monatliches Bruttogehalt |
2.500 € |
5.000 € |
prozentualer Anteil |
75% |
75% |
Rentenanwartschaft |
1.875 € |
3.750 € |
bisherige Zusage |
1.533 € |
0 € |
Die unterschiedliche formale Stellung von EB und HB stellt für den Senat ein weiteres Indiz dar, das im Streitfall gegen das Vorliegen von gleichgerichtete Interessen spricht. Am 02.01.2010 war HB aus der Geschäftsführung der Klägerin ausgeschieden und lediglich weiterhin als deren leitende Angestellte tätig, während EB zu diesem Zeitpunkt der alleinige Geschäftsführer der Klägerin war. Gleichgerichtete Interessen sind bislang von der Rechtsprechung nur in den Fällen angenommen worden, in denen die Minderheitsgeschäftsführer auch gleichzeitig Geschäftsführer der Kapitalgesellschaften waren (z.B. BFH-Urteil vom 18.02.1999 a.a.O.). Einem leitenden Angestellten stehen faktisch nicht die gleichen Einflussmöglichkeiten zu wie einem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer.
3.1.3. Die erhebliche Gehaltserhöhung von EB zum 30.06.2010 als mittelbare Erhöhung der Pensionszusage kommt einer Neuzusage gleich. Sie ist jedoch bei geschäftsvorfallbezogener Betrachtungsweise nicht zeitgleich mit einer anderen Vereinbarung geschlossen worden. Die Zeitspanne zwischen dem 02.01.2010 und dem 30.06.2010 kann nicht mehr als zeitgleich angesehen werden.
3.2. Für die Beurteilung der verbleibenden Arbeitsjahre ist auf den vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles abzustellen und nicht auf den frühestmöglichen.
3.2.1. Der BFH hat mit Urteil vom 11.09.2013 (I R 72/12, BStBl II 2016, 1008) entschieden, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6a EStG bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen hinsichtlich des Pensionsalters ausschließlich auf den in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles abzustellen ist. Nach Auffassung des Gerichts ist für den Beginn des Erdienenszeitraums ebenso wie bei der bilanzsteuerrechtlichen Bewertung der Pensionszusagen nach § 6a EStG auf das vereinbarte Pensionsalter abzustellen.
Dem Urteil des BFH vom 20.05.2015 (a.a.O.) ist keine gegenteilige Auffassung zu entnehmen, da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Dort hat der BFH zwar entschieden, dass es für die Beurteilung einer vGA auf den Zeitpunkt ankäme, den der Berechtigte frühestmöglich wählen könnte. Im hiesigen Verfahren hätte EB bei einem vorzeitigen Ausscheiden und einem vorgezogenen Rentenbeginn allerdings mit erheblichen Abschlägen zu rechnen, während der Gesellschafter-Geschäftsführer bei der oben angeführten Entscheidung bei einem vorzeitigen Ausscheiden so gestellt würde als ob er zum vereinbarten Renteneintrittsalter ausgeschieden wäre.
3.2.2. Die Pensionszusage von HB ist danach in jedem Fall erdienbar. Hier kann dahingestellt bleiben, ob auf den frühestmöglichen Renteneintritt oder das vereinbarte Renteneintrittsalter von 67 Jahren abgestellt wird, denn HB war zum Zeitpunkt der Pensionszusage am 02.01.2010 erst 52 Jahre alt und konnte selbst bis zu ihrem 60. Lebensjahr den dreijährigen Erdienenszeitraum von Minderheitsgesellschaftern erfüllen. Die mehr als zwölfjährige Betriebszugehörigkeit zum Unternehmen der Klägerin ist zwischen den Parteien unstreitig.
3.2.3. Die Pensionszusage von EB vom 02.01.2010 und die mittelbare Erhöhung der Pension durch Gehaltserhöhung zum 30.06.2010 sind jeweils erdienbar, da auf das wahrscheinliche und nicht das frühestmögliche Renteneintrittsalter abzustellen ist.
Nur ein einheitliches Ausscheidungsdatum für die Bewertung einer Pensionsrückstellung und der Beurteilung der Erdienbarkeit führt zu berechenbaren Rechtsfolgen. Ein Abstellen auf den frühestmöglichen Renteneintrittszeitpunkt für die Beurteilung der Erdienbarkeit würde unüberwindbare Wertungswidersprüche auslösen, da unklar würde, wie die vGA zu ermitteln ist, wenn andererseits für die bilanzsteuerrechtliche Bewertung der Pensionszusagen nach § 6a EStG auf das vereinbarte bzw. wahrscheinliche Pensionsalter abzustellen ist.
Sowohl das versicherungsmathematische Gutachten als auch die Fachprüfung selbst gehen von dieser Grundlage aus. Beide stellen auf das vereinbarte Renteneintrittsalter ab. Sofern, wie von der Fachprüfung an anderer Stelle vertreten, auf das frühestmögliche Eintrittsalter von 60 Jahren abgestellt wird, müssten die Pensionsrückstellung ebenfalls auf diesen Zeitpunkt unter den vereinbarten Abschlägen bewertet werden. Diese alternative Berechnung hat die Fachprüfung nicht vorgenommen.
3.2.4. Der Fachprüfer hat überdies bei seiner Prüfung im Jahr 2016 die Umstände des Einzelfalls nicht mit einbezogen. EB hatte zu Prüfungsbeginn bereits das 66. Lebensjahr vollendet und stand noch immer in den Diensten der Klägerin. Tatsächlich hat EB erst zum vereinbarten Renteneintrittsalter mit Vollendung seines 70. Lebensjahres im Jahr 2021 das Unternehmen der Klägerin verlassen und war bis zum Jahr 2015 als alleiniger Geschäftsführer der Klägerin tätig.
3.3. Andere Anhaltspunkte, die den Ansatz einer vGA für die EB und HB erteilten Pensionszusagen rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
3.4. Da auf den vereinbarten Renteneintrittszeitpunkt abzustellen ist, ist es unerheblich, dass das Finanzamt keine vGA-Berechnungen für Zuführungen zum frühestmöglichen Eintritt vorgenommen hat und ferner nicht beachtet hat, dass der Teil der Pensionszusage an EB aus dem Jahr 2000 unter jedem Aspekt erdienbar war und steuerlich anzuerkennen ist.
4. Berechnungen
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
|||
Körperschaftsteuer |
||||||
zu versteuerndes Einkommen FA |
539.995 € |
215.649 € |
294.234 € |
350.023 € |
||
vGA |
- 455.034 € |
- 28.650 € |
- 29.776 € |
- 31.126 € |
||
zu versteuerndes Einkommen FG |
84.961 € |
186.999 € |
264.458 € |
318.897 € |
||
festgesetzte Körperschaftsteuer FG |
15% |
12.744 € |
28.049 € |
39.668 € |
47.834 € |
|
Gewerbesteuermessbetrag |
||||||
Gewinn FG |
84.961 € |
186.999 € |
264.458 € |
318.897 € |
||
Hinzurechnungen |
55.569 € |
55.056 € |
68.845 € |
69.429 € |
||
verbleibender Betrag |
140.530 € |
242.055 € |
333.303 € |
388.326 € |
||
Gewerbeertrag, abgerundet |
140.500 € |
242.000 € |
333.300 € |
388.300 € |
||
Steuermessbetrag |
3,50% |
4.917 € |
8.470 € |
11.665 € |
13.590 € |
|
Gewerbesteuermessbetrag FG |
4.917 € |
8.470 € |
11.665 € |
13.590 € |
5. Die Kosten des Verfahrens waren dem Finanzamt aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO), da es unterlegen ist.
6. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), da die Sach- und Rechtslage nicht so einfach war, dass sich die Beteiligte selbst vertreten konnte (vgl. BFH VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25).
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO und hat von Amts wegen zu erfolgen.
8. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen, um zu klären ob auf einen einheitlichen Renteneintrittszeitpunkt einerseits für die Erdienbarkeit einer Pensionszusage und andererseits für die Berechnung der Pensionsrückstellung und damit der Vermögensminderung abzustellen ist.
KORREKTUR: Das BAG-Urteil vom 14.11.2023 – IX R 1/22 ist unter dem Link BBL2024-686-4 zu finden!