R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
15.06.2022
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Niedersächsisches FG: Unbekannte Grunddienstbarkeit als notwendiges Betriebsvermögen einer Besitzgesellschaft

Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.2.2022 – 4 K 89/20, rkr.

ECLI:DE:FGNI:2022:0216.4K89.20.00

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2022-1456-1

Amtlicher Leitsatz

Erwirbt eine Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ein Grundstück und besteht auf einem Nachbargrundstück eine Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des erworbenen Grundstücks, stellt die Grunddienstbarkeit notwendiges Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft dar, ohne dass es auf die Kenntnis von deren Existenz ankommt.

EStG § 4 Abs. 1 S. 1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob Einnahmen der Klägerin aus einem Verzicht auf ihr bei dem Erwerb zunächst nicht bekannte Grunddienstbarkeiten den gewerblichen Einkünften zuzuordnen sind und damit der Einkommensteuer unterliegen.

Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft, deren Gesellschafter zu gleichen Teilen Herr A und Herr B sind.

Zweck der Klägerin ist die Vermietung eines Betriebsgrundstückes an die AB GmbH (im Folgenden: GmbH), deren Gesellschafter ebenfalls zu gleichen Teilen die Gesellschafter der Klägerin sind. Das überlassene Grundstück stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH dar.

Aufgrund notarieller Verträge vom xx. Mai 2009 erwarb die Klägerin für einen Kaufpreis von 91.375 € u.a. zwei unbebaute Grundstücke (…) und für einen Kaufpreis von 266.475 € ein bebautes Grundstück (…) in einem baurechtlichen Mischgebiet von C. Die Kaufverträge nennen jeweils einen Gesamtkaufpreis, eine weitergehende Aufteilung des Kaufpreises wurde nicht vorgenommen. Die Grundstücke wurden als Betriebsvermögen aktiviert.

Das Nachbargrundstück (…) stand im Eigentum der D GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG). Auf diesem lasteten zwei Grunddienstbarkeiten in Form einer Gewerbebetriebsbeschränkung und eines „Gewerbebetriebsverbot[s] mit Ausnahme eines Einzelhandels“ zugunsten der jeweiligen Eigentümer der von der Klägerin erworbenen Grundstücke (…).

Die KG beabsichtigte, auf diesem Nachbargrundstück einen Einkaufsmarkt mit Bäckerei anzusiedeln.

Mit notariellem Vertrag vom xx. Oktober 2014 verzichtete die Klägerin gegen eine Zahlung eines Betrages von 120.000 € zzgl. Umsatzsteuer zu Gunsten der KG auf die eingetragenen Grunddienstbarkeiten.

Die Klägerin erfasste den Verzicht zunächst als betrieblichen Vorgang. Sie rechnete anteilige Anschaffungskosten aus dem Erwerb ihrer Grundstücke i.H. von 80.086,42 € den Grunddienstbarkeiten zu und buchte den Erlös als Ertrag, sodass sich ein Veräußerungsgewinn i.H. von (120.000 € ./. 80.086,42 € =) 39.913,58 € ergab. Eine Erfassung der vereinnahmten Umsatzsteuer unterblieb.

Im Rahmen einer in der Zeit vom September 2016 bis Juli 2017 erfolgten Außenprüfung untersuchte die Prüferin die steuerliche Einordnung der Grunddienstbarkeiten. Die Klägerin trug vor, diese Grunddienstbarkeiten seien ursprünglich von einem früheren Eigentümer des erworbenen Grundstücks bewirkt worden, der dort eine Bäckerei betrieben habe. Sie hätten den Inhalt gehabt, dass sich auf dem Nachbargrundstück kein Bäcker habe ansiedeln dürfen. Damit stelle die Grunddienstbarkeit bei ihr gar kein Betriebsvermögen dar, sodass der Verzicht auf der privaten Vermögensebene stattgefunden habe und der Erlös als nicht steuerbar zu qualifizieren sei. Die Prüferin gelangte dagegen zu dem Ergebnis, dass die Einnahmen aus dem Verzicht auf die Grunddienstbarkeiten, die sie im Betriebsprüfungsbericht als „Bäckereiverbot“ bezeichnete, den gewerblichen Einkünften zuzurechnen und somit als Gewinn aus Gewerbebetrieb zu versteuern seien. Die anteiligen Anschaffungskosten erkannte sie nicht an, zog aber die – bisher von der Klägerin in keiner Weise berücksichtigte – Umsatzsteuer als Betriebsausgabe ab (ohne sie gleichzeitig auch gewinnerhöhend anzusetzen) und gelangte auf diesem Wege zu einem Veräußerungsgewinn i.H. von (120.000 € ./. 22.800 € =) 97.200 €.

Das beklagte Finanzamt änderte daraufhin am 7. November 2017 die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung und den Gewerbesteuermessbescheid entsprechend nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung.

Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, der Verzicht auf die Grunddienstbarkeiten, die ein „Bäckereiverbot“ zur Folge gehabt hätten, sei kein betrieblicher Vorgang und daher nicht steuerpflichtig gewesen. Bei den beiden auf dem Nachbargrundstück lastenden Grunddienstbarkeiten, von denen die Klägerin bei dem Erwerb der Grundstücke gar nichts gewusst habe, handele es sich weder um notwendiges noch um gewillkürtes Betriebsvermögen, weil sie für den Betrieb ihres …handels ohne jegliche Relevanz gewesen seien. Hinzukomme, dass es für die Einordnung als gewillkürtes Betriebsvermögen an einem willentlichen Widmungsakt fehle. Als im Privatvermögen erfolgter Vorgang gehöre der Verzicht auf das dingliche Recht an einem Nachbargrundstück nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 19. Dezember 2000 – IX R 96/97 [BB 2001, 873 Ls]) auch nicht zu den sonstigen Einkünften.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheides für 2014 über den Gewerbesteuermessbetrag und des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 7. Dezember 2017, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. März 2020, einen Gewinn aus Gewerbebetrieb ohne Ansatz der Einnahmen aus dem Verzicht auf die Gewerbebetriebsbeschränkung zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Grunddienstbarkeiten ein selbständiges Wirtschaftsgut darstellten, das gesondert begründet und aufgehoben werden könne. Dieses gehöre dem Betriebsvermögen der Klägerin allein aus dem Grunde an, weil es mit dem für den Betrieb der Klägerin durch Kauf angeschafften Grundstücken in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang gestanden habe und bis zum Verkaufszeitpunkt in ungetrennter Einheit mit ihm verbunden gewesen sei. Auch wenn die Gesellschafter der Klägerin bei dem Grundstückserwerb nichts von der Existenz der Rechte gewusst hätten, seien diese „ungetrennte Anhängsel“ der Grundstücke und mit diesen Teil des Betriebsvermögens geworden. Die Klägerin habe die Zahlung für die Aufgabe der Grunddienstbarkeiten erhalten, deren Eigentümerin sie zuvor als Ausfluss aus dem Kauf eines für den Betrieb ihres Unternehmens erforderlichen Grundstücks geworden sei. Entsprechend habe die Einnahme in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb der Klägerin gestanden. Auch der Ausweis von Umsatzsteuer auf den für den Verzicht gezahlten Betrag spreche für die Zugehörigkeit der Rechte zum Betriebsvermögen.

Aus den Gründen

Verständnis des Antrags

I. Der Senat versteht den Antrag der Klägerin, der sich ausdrücklich nur auf die Gewerbebetriebsbeschränkung bezogen hat, in der Weise, dass eine Besteuerung des gesamten Gewinnes aus dem Verzicht auf beide Grunddienstbarkeiten, also sowohl die Gewerbebetriebsbeschränkung als auch das Gewerbebetriebsverbot, unterbleiben soll.

Unbegründetheit der Klage

II. Die so verstandene Klage ist unbegründet. Das beklagte Finanzamt hat die Grunddienstbarkeiten zu Recht als selbständiges Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens der Klägerin qualifiziert und den Gewinn aus dem Verzicht auf diese den gewerblichen Einkünften zugerechnet. Der von dem Finanzamt allerdings zu niedrig berechnete Gewinn darf aufgrund des im finanzgerichtlichen Klageverfahren geltenden Verböserungsverbotes nicht in zutreffender Höhe angesetzt werden.

Grunddienstbarkeiten sind selbständiges Wirtschaftsgut

1. Die beiden Grunddienstbarkeiten stellen ein selbständiges Wirtschaftsgut dar.

Begriff des Wirtschaftsguts

a) Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen; hierunter fallen Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können“ (BFH, Urteile vom 19. Juni 1997 – IV R 16/95, BFHE 183, 484, BStBl. II 1997, 808 [BB 1997, 2156]; vom 9. Juli 2002 – IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21; vom 16. März 2021 – II R 10/18, BFHE 272, 501, BFH/NV 2021, 1141 [BB 2021, 1750 Ls]).

Gewerbebetriebsbeschränkung und dem Gewerbebetriebsverbot sind ein (einheitliches) dinglich gesichertes Recht

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Es handelt sich bei der Gewerbebetriebsbeschränkung und dem Gewerbebetriebsverbot um ein (einheitliches) dinglich gesichertes Recht. Das „Gewerbebetriebsverbot mit Ausnahme eines Einzelhandels“ beschränkt zunächst die Möglichkeit des Eigentümers des Nachbargrundstücks auf diesem ein anderes Gewerbe als einen Einzelhandel zu betreiben. Die im Grundbuch nicht bestimmte „Gewerbebetriebsbeschränkung“ gibt dem jeweils berechtigten Grundstückseigentümer nach dem Verständnis des Senats darüber hinaus die Möglichkeit, zu beeinflussen, welche Art von Einzelhandel nicht auf dem Nachbargrundstück betrieben werden darf. Die beiden in dieser Weise einheitlich wirkenden Grunddienstbarkeiten beinhalten somit ein Wettbewerbsverbot zulasten des Eigentümers des Nachbargrundstückes. Dieses Recht war – jedenfalls im Zeitpunkt seiner Begründung und auch im Streitjahr – offensichtlich werthaltig und dürfte daher bei einem Erwerb auch entsprechend vergütet werden. Es war – wie im Streitfall ersichtlich – einer besonderen Bewertung zugänglich und konnte (da am Eigentum der Grundstücke „haftend“) zusammen mit dem Betrieb (also den Grundstücken) übertragen werden. Entsprechend hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2000 (IX R 96/97 –, BFHE 194, 178, BStBl. II 2001, 391 [BB 2001, 873 Ls]) ein dingliches Recht an einem Nachbargrundstück als selbständiges Wirtschaftsgut qualifiziert und dabei lediglich auf den Umstand abgestellt, dass das dingliche Recht gesondert begründet und aufgehoben werden konnte.

Grunddienstbarkeiten sind notwendiges Betriebsvermögen

2. Bei den Grunddienstbarkeiten handelte es sich um notwendiges Betriebsvermögen.

Notwendigkeit setzt objektive Merkmal der Eignung, den Betrieb zu fördern, ebenso voraus wie das subjektive einer eindeutig erkennbaren Widmung

a) Wirtschaftsgüter sind notwendiges Betriebsvermögen, wenn und soweit sie unmittelbar für eigene betriebliche Zwecke genutzt werden. Sie müssen objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sein. Das Wirtschaftsgut muss, wenn auch nicht unentbehrlich oder notwendig i.S. von „erforderlich“, so doch in gewisser Weise auf den Betriebsablauf bezogen und ihm zu dienen bestimmt sein. Abzustellen ist auf die tatsächliche Zweckbestimmung, also die konkrete Funktion des Wirtschaftsguts im Betrieb. Die Bestimmung erfordert eine endgültige Funktionszuweisung; dies ist auch schon die abschließende Bestimmung, dass das Wirtschaftsgut in Zukunft betrieblich genutzt wird. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der Einsatz des Wirtschaftsguts im Betrieb erst als möglich in Betracht kommt, aber noch nicht sicher ist (BFH, Urteile vom 19. Dezember 2019 – VI R 53/16, BFHE 267, 260, BStBl. II 2021, 427 [BB 2020, 1007 m. BB-Komm. Abele]; vom 6. März 1991 – X R 57/88, BFHE 164, 246, BStBl. II 1991, 829 [BB 1991, 1526]). Damit setzt die Zuordnung zum notwendigen (wie zum gewillkürten) Betriebsvermögen das objektive Merkmal der Eignung, den Betrieb zu fördern, ebenso voraus wie das subjektive einer eindeutig erkennbaren Widmung (BFH, Beschluss vom 17. Juli 2003 – X B 1/03, BFH/NV 2003, 1424). Die Widmung eines Wirtschaftsguts zu betrieblichen Zwecken wird in der Regel durch den Ausweis der mit diesen Wirtschaftsgütern zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge in der Buchführung der Personengesellschaft und durch die Aktivierung dieser Wirtschaftsgüter zum Ausdruck gebracht (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 - VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl. II 1998, 461 [BB 1998, 577 Ls]; vom 18. Oktober 1989 - X R 99/87, BFH/NV 1990, 424).

Merkmale sind im Streitfall erfüllt

b) Die Klägerin hat die Grunddienstbarkeiten objektiv erkennbar zum Einsatz in ihrem Betrieb bestimmt, indem sie den Verzicht in ihrer Buchführung erfasst hat. Erst im Anschluss an die Betriebsprüfung vertrat sie die Auffassung, es habe sich bei den Grunddienstbarkeiten um Privatvermögen gehandelt, zumal ihre Existenz bei dem Erwerb der Grundstücke gar nicht bekannt gewesen sei.

Letztlich kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin (bzw. ihre Gesellschafter) bei dem Erwerb des Grundstücks keine Kenntnis von den an diesem „hängenden“ Grunddienstbarkeiten hatten und es somit jedenfalls bis zu der Erfassung des nach ihrem Bekanntwerden erfolgten Verzichts in der Buchführung an deren eindeutig erkennbarer Widmung zum Betriebsvermögen mangelte.

Denn nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt die Tätigkeit der Klägerin, die als Personengesellschaft (auch) gewerblich tätig ist, in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Diese Einstufung der Tätigkeit als Gewerbebetrieb hat zur Folge, dass sämtliche Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft zu gewerblichem Betriebsvermögen werden, und zwar selbst einschließlich derjenigen Wirtschaftsgüter, die bei getrennter Betrachtung der privaten Vermögenssphäre zuzuordnen wären (BFH, Urteil vom 29. November 2012 – IV R 37/10, BFH/NV 2013, 910).

Bei der Klägerin handelt es sich um eine für sich betrachtet vermögensverwaltende Personengesellschaft, deren Tätigkeit aber aufgrund des Vorliegens einer Betriebsaufspaltung als (originär) gewerblich zu qualifizieren ist (BFH, Urteil vom 13. November 1997 – IV R 67/96, BFHE 184, 512, BStBl. II 1998, 254 [BB 1998, 405]). Da die Klägerin den von ihr erworbenen Grundbesitz an die GmbH vermietet, deren Gesellschafter mit der der Klägerin identisch sind, und die GmbH auf dem überlassenen Grundbesitz ihren Gewerbebetrieb betreibt, sodass es sich für sie um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt, ist eine sachliche und personelle Verflechtung gegeben und mithin die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung erfüllt (vgl. BFH, Beschluss vom 8. November 1971 – GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl. II 1972, 63 [BB 1972, 30]).

Wertansatz

3. Der Gewinn aus dem Verzicht auf die beiden Grunddienstbarkeiten beträgt 120.000 €, ist aber nur mit dem von dem beklagten Finanzamt berücksichtigten Betrag von 97.200 € anzusetzen.

Die Klägerin hat durch den Verzicht auf die beiden Grunddienstbarkeiten einen Betrag von 120.000 € zzgl. Umsatzsteuer, insgesamt also 142.800 € erlöst. Zutreffend hat das beklagte Finanzamt einen Abzug von (anteiligen) Anschaffungskosten von diesem Erlös abgelehnt. Nach § 6 Abs. 1 Nr.1 EStG sind Wirtschaftsgüter des Betriebs, die nicht zum Anlagevermögen gehören und der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen.  Dies gilt auch für die beiden Grunddienstbarkeiten, die keiner Abnutzung unterliegen. Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zwar schließen die so verstandenen Anschaffungskosten es nicht aus, dass ein ursprünglich angeschaffter Vermögensgegenstand durch einen oder mehrere andere ersetzt wird (Surrogation, Auf- oder Abspaltung) und dass sich die auf den ursprünglich angeschafften Vermögensgegenstand entfallenden Anschaffungskosten in dem Ersatzvermögensgegenstand fortsetzen, allerdings gilt dies nicht, wenn das bereits vorhandene Wirtschaftsgut nicht in seiner Substanz berührt wird (BFH, Urteil vom 21. Januar 1999 – IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl. II 1999, 638 [BB 1999, 625 Ls], zur Entdeckung eines Bodenschatzes)

Im Streitfall hat die Klägerin keine Aufwendungen geleistet, um die beiden Grunddienstbarkeiten zu erwerben. Vielmehr hat sie den Gesamtkaufpreis im Mai 2009 zum Erwerb der Grundstücke aufgewandt. Zu einer Auf- oder Abspaltung der erworbenen Grundstücke und der für sie geleisteten Anschaffungskosten ist es durch die „Entdeckung“ der Grunddienstbarkeiten nicht gekommen, weil die Substanz der Grundstücke mit ihr nicht berührt wird.

Die abgeführte Umsatzsteuer auf den für den Verzicht geleisteten Betrag stellt eine Betriebsausgabe dar, die das beklagte Finanzamt zutreffend gewinnmindernd berücksichtigt hat. Somit ergäbe sich letztlich ein korrekter Gewinn der Klägerin aus dem Verzicht i.H. von 120.000 €. Aufgrund des im finanzgerichtlichen Klageverfahren bestehenden Verböserungsverbotes darf das Gericht aber eine von der Finanzbehörde vorgenommene Steuerfestsetzung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern (s. z.B. BFH, Urteile vom 26. November 1997 – X R 146/94, BFH/NV 1998, 961; vom 15. Januar 2015 – VI R 85/13, BFHE 249, 114, BStBl. II 2015, 586 [StB 2015, 216 Ls]), sodass es bei dem von dem Finanzamt angesetzten Gewinn von 97.200 € bleibt.

Kostenentscheidung

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Zulassung der Revision

IV. Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

stats