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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
16.05.2012
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Niedersächsisches FG: Teilentgeltliche Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen

Niedersächsisches FG, Urteil vom 6.3.2012 - 13 K 251/10; Rev. eingelegt (Az. BFH IV R 11/12)

Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2012-1340-1

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Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übertragung eines Grundstücks aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gegen Übernahme von Verbindlichkeiten steuerneutral zulässig ist.

Die Klägerin zu 1 ist eine GmbH & Co KG, die in der G tätig ist. Kommanditisten sind der Kläger zu 2 (P) mit 70 v. H. und J mit 30 v. H. Die Klägerin betreibt ihr Unternehmen auf zwei Grundstücken in S, die sich im Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten P befanden. Mit Vertrag vom 26.06.2001 übertrug P beide Grundstücke zu Buchwerten gegen Übernahme der auf einem der Grundstücke lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von 296.453,47 € auf die Klägerin.

Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer unter Hinweis auf § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG 2001 die Auffassung, dass die Übertragung der Grundstücke wegen der Übernahme der Verbindlichkeiten in eine voll unentgeltliche und eine voll entgeltliche Übertragung aufzuteilen sei. Soweit Verbindlichkeiten übertragen worden seien, ergebe sich ein Veräußerungsgewinn, der nach dem Verhältnis der vereinbarten Gegenleistung (Schuldübernahme) zum anteiligen Teilwert zu ermitteln sei. Der Bausachverständige ermittelte einen Verkehrswert von 1.520.000 € für das belastete Grundstück. Nach Abzug des Buchwerts von 1.026.339,09 € ergaben sich stille Reserven in Höhe von 493.660,91 €, wovon 19,5 % entsprechend dem Verhältnis der übernommenen Verbindlichkeiten vom Prüfer als laufender Veräußerungsgewinn in Höhe von 96.281,24 € erfasst wurden. Dieser Veräußerungsgewinn des P wurde bei der Klägerin als zusätzliche Anschaffungskosten für das Grundstück aktiviert und zusätzliche Abschreibungen in Höhe 1.685,24 € berücksichtigt. Ferner wurde eine zusätzliche Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von 13.394,79 € angesetzt. Der Beklagte folgte unter Berücksichtigung weiterer Prüfungsfeststellungen der Auffassung des Prüfers und stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin für 2001 durch Bescheid vom 19.03.2007 auf 471.187,76 DM fest.

Den Einspruch gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2001 wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 17.09.2010 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Berücksichtigung einer steuerneutralen Einbringung der Grundstücke bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung am 26.06.2001 sei nach der geltenden Gesetzesfassung des § 6 Abs. 5 EStG in der Fassung des sog. Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 eine Buchwertfortführung nicht nur möglich, sondern gesetzlich zwingend angeordnet gewesen, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sei. Diese Voraussetzung sei im Streitfall unzweifelhaft erfüllt. Nach dem Gesetzeswortlaut, der auf die Übertragung eines Wirtschaftsgutes abstelle, sei es zudem unerheblich, ob Verbindlichkeiten mit übertragen worden seien und damit eine Teilentgeltlichkeit vorliege. Diese Auffassung werde auch in der Literatur u. a. von Reiß, BB 2000, 1965 geteilt. Die von Reiß diskutierte Einschränkung der Vorschrift greife mangels Veräußerung zu fremdüblichen Bedingungen nicht ein.

Derartige teilentgeltliche Übertragungen seien nach der damaligen Gesetzeslage zwingend zum Buchwert erfolgt. Lediglich vereinzelte Stimmen in der Literatur (van Lishaut, DB 2000, 1784) hätten für sog. Mischvorgänge die Auffassung vertreten, dass die Neufassung des § 6 Abs. 5 EStG die bisherige von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung nicht geändert habe. Die Argumentation dieser Literaturauffassung treffe indes nicht zu und greife im Streitfall auch nicht ein. Damit habe lediglich das BMF-Schreiben vom 07.06.2001 (BStBl. I 2001, 365) die Auffassung vertreten, dass teilentgeltliche Übertragungen in eine voll entgeltliche und eine voll unentgeltliche Übertragung aufzuteilen seien und die Übernahme von Verbindlichkeiten einer erfolgsneutralen Übertragung entgegenstünde.

Erst das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20.12.2001 habe § 6 Abs. 5 EStG dergestalt geändert, dass die Steuerneutralität gemäß Satz 3 Nr. 2 EStG voraussetze, dass die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft entweder unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolge.

Ausgehend von der Gesetzeslage durch das UntStFG habe der Prüfer auf der Grundlage der von der Finanzverwaltung vertretenen sog. Trennungstheorie einen Veräußerungsgewinn ermittelt. Diese Trennungstheorie entbehre jedoch der gesetzlichen Grundlage und werde auch nicht in der Rechtsprechung des BFH geteilt.

Soweit man indes der Trennungstheorie der Finanzverwaltung folge, stelle sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung. Die gesetzliche Neuregelung sei nach § 52 Abs. 16.a S. 1 EStG erstmals auf Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 anzuwenden. Diese Regelung verstoße jedoch gegen das Verbot der rückwirkenden Steuerverschärfung.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 17.09.2010 den Bescheid für 2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom 19.03.2007 dahingehend zu ändern, dass die Sonderbetriebseinnahmen des Kommanditisten P um 188.309,74 DM (96.281,24 €) vermindert werden und die laufenden Einkünfte der Klägerin zu 1 um 29.493,98 DM (15.080,03 €) erhöht werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Die Übertragung des Grundstücks gegen Übernahme von Verbindlichkeiten stelle eine teilentgeltliche Übertragung dar. Nach der anzuwendenden gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG i. d. F. des UntStFG sei eine steuerneutrale Übertragung nur möglich, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich übergehe.

Die gegenteilige Auffassung der Klägerin treffe nicht zu. So verträten neben van Lishaut auch Brandenburg, FR 2000, 1182 und Herrmann/Neufang, BB 2000, 2599 die Ansicht, dass steuerneutrale Übertragungen gegen Übernahme von Verbindlichkeiten nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG i. d. F. des StSenkG nicht möglich gewesen seien.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Trennungstheorie nicht von der Rechtsprechung abgelehnt worden. Die zitierten Entscheidungen beträfen andere Fallkonstellationen. Vielmehr habe das FG Düsseldorf durch Urteil vom 04.05.2005, 13 K 5044/04 F die Trennungstheorie angewendet. Diese Auffassung werde auch von Teilen der Literatur geteilt (z. B. Wacker in Schmidt EStG 26. Aufl., 2007, § 15 Rn. 665 mwN).

Desgleichen werde nicht die Auffassung geteilt, dass die Übergangsregelung verfassungswidrig sei. Die unter Geltung des StSenkG geschaffene Rechtsposition sei durch das UntStFG nicht erheblich verändert worden, so dass sich kein Rückwirkungsverbot ergebe. Die Neuregelung sei letztlich nur eine Klarstellung der unverändert geltenden Rechtslage.

Aus den Gründen

I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht Sonderbetriebseinnahmen des Klägers zu 2 gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 96.281,24 € bei der Feststellung der Einkünfte der Gesellschafter der Klägerin zu 1 berücksichtigt.

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1. Nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG i.d.F. des UntStFG ist die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft nur dann steuerneutral möglich, wenn die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Die Übertragung führt dagegen zur Aufdeckung der stillen Reserven, soweit ein Wirtschaftsgut entgeltlich nicht gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen wird.

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Im Streitfall hat der Kläger zu 2 die Wirtschaftsgüter teilentgeltlich ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten aus seinem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft (der Klägerin zu 1) übertragen. Entgegen der Auffassung der Kläger kann bei der Übertragung eines Wirtschaftsgutes gegen Übernahme einer Verbindlichkeit nicht von einem einheitlich unentgeltlichen Rechtsgeschäft ausgegangen werden. Vielmehr führt die Übernahme einer Verbindlichkeit durch die Gesellschaft regelmäßig zu Anschaffungskosten und damit einem entgeltlichen Erwerb im Umfang der Schuldübernahme (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.2011 IX R 15/11, DStR 2011, 2347; BFH-Urteil vom 16.06.2004 X R 34/03, BFHE 207, 120, BStBl. II 2005, 378; BFH-Urteil vom 11.12.2001 VIII R 58/98, BFHE 197, 411, BStBl. II 2002, 420). Diese Auffassung wird auch von Teilen der Literatur (z. B. Schmidt/Wacker, 29 Aufl., EStG § 15 Rz. 665; Blümich/Ehmcke, EStG, § 6 Rz. 1320; Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rz. 1453; aA Korn, EStG, § 6 Rz. 109; Groh, DB 2003, 1404) und im BMF-Schreiben vom 08.12.2011, BStBl. I 2011, 1279, Rz. 15 geteilt. Demzufolge war nach der gesetzlichen Regelung eine Aufdeckung der stillen Reserven im Umfang der Entgeltlichkeit zwingend vorgeschrieben.

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2. Die Regelung des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG i.d.F. des UntStFG v. 20.12.2001 ist gem. § 52 Abs. 16a EStG i.d.F. des UntStFG erstmals auf Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 anzuwenden. Da der Übertragungsvertrag, aufgrund dessen die Grundstück übertragen wurden, am 26.06.2001 geschlossen worden ist, findet die Neuregelung auf diesen Übertragungsvorgang Anwendung. Zwar war die Möglichkeit einer steuerneutralen Übertragung aus dem Betriebsvermögen in ein Gesamthandsvermögen erst mit Wirkung ab dem 1.1.2001 wieder eingeführt worden (§§ 6 Abs. 5 S. 3 ff., 52 Abs. 16a EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes [StSenkG] v. 23.10.2000). Ob darunter auch die teilentgeltliche Übertragung zu fassen gewesen wäre, erscheint zumindest zweifelhaft, kann letztlich aber dahingestellt bleiben, da nach der Übergangsregelung das UntStFG rückwirkend für den gesamten Veranlagungszeitraum anzuwenden ist.

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3. Die Übergangsregelung des § 52 Abs. 16a EStG i.d.F. des UntStFG ist nicht verfassungswidrig. Das UntStFG ist am 20.12.2001 mit Wirkung zum 1.1.2001 verkündet worden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10.09.2001 (BT-Drs. 14/6882) diente der Umsetzung der im Bericht des Bundesministeriums der Finanzen an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages vom 18. April 2001 als Nahziele unterbreiteten Vorschläge zur Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Rechtsgeschäfte, die vor der Gesetzesverkündung und vor dem Gesetzentwurf, aber nach dem Bericht des BMF vorgenommen wurden, stellt keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung dar.

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a) Der Senat lässt dabei offen, ob das StSenkG vom 23.10.2000 die Rechtslage zum Nachteil der Kläger geändert hat. Denn die Regelung des StSenkG hat bereits von Anfang an vielfältige Kritik erfahren, zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und Auslegungsschwierigkeiten geführt und keine annähernd einheitliche Auslegung erfahren (vgl. Blümich/Ehmcke, EStG, § 6 Rz. 1310 ff. mwN). Aus diesem Grund wurde das StSenkG für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 noch vor Ablauf der erstmaligen Anwendung im Rahmen einer Steuerfestsetzung durch das UntStFG ersetzt.

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b) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) stellt die Änderung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Rechts vor Ende des Kalenderjahres eine unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) dar, weil die Einkommensteuer gem. § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht; eine unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) ist im Gegensatz zur echten Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) grundsätzlich zulässig (z.B. BVerfG-Beschluss 14.5.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl. II 1986, 628 Tz. 116 bei juris; BVerfG-Beschluss vom 3.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67). Das Verbot der echten Rückwirkung wird vom BVerfG aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG), insb. den Grundsätzen des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit, abgeleitet, während der verfassungsrechtliche Schutz im Bereich der unechten Rückwirkung vorrangig an den Grundrechten (insb. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 GG) gemessen wird (BVerfG-Beschluss vom 14.5.1986 a.a.O. Tz. 91 und 100 bei juris; BVerfG-Beschluss vom 3.12.1997 a.a.O. Tz. 39 ff. bei juris).

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Erst wenn eine nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verkündete Norm mit Wirkung für diesen Zeitraum eine ursprünglich geltende steuerliche Rechtsfolgenlage nachträglich ändert, handelt es sich um die Rückbewirkung einer Rechtsfolge bzw. um eine echte Rückwirkung (BVerfG-Beschluss vom 14.5.1986 a.a.O.), die nur ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann. Für den Bereich der Lenkungsnormen bzw. „Verschonungssubventionen" hat das BVerfG demgegenüber nicht mehr entscheidend auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, sondern auf die Disposition des Steuerpflichtigen abgestellt und die Dispositionsbedingungen vom Tage der Entscheidung an als schutzwürdige Vertrauensgrundlage anerkannt (Beschluss vom 3.12.1997 a.a.O. Tz. 46 bei juris). Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall eine unechte Rückwirkung bzw. eine tatbestandliche Rückanknüpfung vor.

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Einige Senate des BFH haben sich im Einklang mit der ganz überwiegenden Zahl der Stimmen in der Literatur demgegenüber in mehreren Vorlagebeschlüssen an das BVerfG für einen stärkeren Dispositionsschutz ausgesprochen. Das BVerfG hat bislang noch nicht entschieden, ob es an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält. Der 9. Senat des BFH will den vom BVerfG für Verschonungssubventionen anerkannten Dispositionsschutz auf alle Steuerrechtsnormen erweitern (BFH-Beschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BStBl. II 2004, 284, Tz. 73 bei juris; Aktenzeichen des BVerfG: 2 BvL 2/04), so dass generell zwischen dem durch die Disposition betätigten Vertrauen des Steuerpflichtigen und dem staatlichen Interesse abgewogen werden müsste. Der 11. Senat des BFH stellt zur Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung abweichend von der Rechtsprechung des BVerfG nicht auf die Entstehung der Steuer, sondern generell auf die Disposition des Steuerpflichtigen ab (BFH-Beschluss vom 2.8.2006 XI R 34/02, BStBl. II 2006, 887, Tz. 63 bei juris; Aktenzeichen des BVerfG: 2 BvL 58/06; ebenso BFH-Beschluss vom 19.4.2007 IV R 59/05, BFH/NV 2007, 2334; offen gelassen in BFH-Urteil vom 24.4.2007 I R 16/06, BStBl. II 2007, 707). Dabei soll grundsätzlich die Gesetzesverkündung der Zeitpunkt sein, bis zu dem ein Steuerpflichtiger auf den Fortbestand der alten Rechtslage vertrauen kann (BFH-Beschluss vom 2.8.2006 a.a.O. Tz. 64 ff. bei juris).

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Der erkennende Senat hält an der herkömmlichen Unterscheidung des BVerfG zwischen echter und unechter Rückwirkung im Bereich der Veranlagungssteuern fest. Diese als „rein formal" kritisierte Unterscheidung (BFH-Beschluss vom 2.8.2006 a.a.O. Tz. 58) ist Ausdruck des Bemühens des BVerfG, die verfassungsrechtliche Abwägung der für und gegen die Rückwirkung sprechenden Gründe klar zu strukturieren, um dem Gesetzgeber deutliche und verlässliche Grenzen aufzuzeigen und die mit einer in jedem Einzelfall erforderlichen Abwägung verbundene Rechtsunsicherheit zu vermeiden (vgl. Mellinghoff, DStJG 27 [2004], S. 25, 42). Die Aufgabe der Unterscheidung würde den Rechtsschutz der Steuerpflichtigen eher verschlechtern; wollte man demgegenüber die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten strengeren Prüfmaßstäbe der echten Rückwirkung auch auf Sachverhaltsgestaltungen wie im Streitfall anwenden, so würde die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach Auffassung des Senats zu weitgehend eingeschränkt werden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 8.11.2006 I R 69-70/05, BStBl. II 2007, 662, Tz. 48 ff. bei juris; BFH-Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O. m.N. Tz. 60 f. bei juris sowie BFH-Beschluss vom 24.4.2007 a.a.O. Tz. 31 bei juris).

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Dies gilt umso mehr in Fällen der vorgenannten Art, in denen eine gesetzliche Regelung offensichtlich verunglückt gestaltet wurde, in der Literatur hierzu vielfältige Auffassungen vertreten wurden und die spätere Korrektur bereits frühzeitig erkennbar war. In einem solchen Fall kann der Steuerpflichtige nicht auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung in Gestalt der gerade für ihn günstigen Auslegung vertrauen. Denn eine unklare gesetzliche Rechtslage verhindert das Entstehen eines Vertrauensschutzes (vgl. u.a. BVerfG-Beschluss vom 25. Mai 1993  1 BvR 1509, 1648/91, BVerfGE 88, 384).

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

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