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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
22.01.2021
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Baden-Württemberg: Steuerpflichtige Entnahme eines Grundstücks innerhalb der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters einer landwirtschaftlich tätigen GbR ...

... nach unentgeltlicher Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs auf die GbR – Zur Anwendbarkeit des Entnahmeprivilegs nach § 13 Abs. 5 EStG bei Wohnbebauung des entnommenen Grundstücks

FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid vom 7.8.2020 – 13 K 378/19

Volltext BB-ONLINE BBL2021-242-1

Nicht Amtlicher Leitsatz

Wird durch die Bebauung zu eigenen Wohnzwecken ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück aus dem Betriebsvermögen entnommen, ist das Entnahmeprivileg des § 13 Abs. 5 EStG auf den durch eine Verletzung der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG entstandenen Übertragungsgewinn nicht anzuwenden.

EStG § 6 Abs. 5 S. 4, § 13 Abs. 5

Sachverhalt

Streitig ist, ob eine steuerpflichtige Entnahme eines Grundstücks aus einem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen vorliegt.

Der Landwirt A und seine Ehefrau Z übertrugen ihren landwirtschaftlichen Betrieb mit allen Aktiven und Passiven „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ durch notariellen „Hofübergabevertrag“ vom 16. Juni 2015 auf eine aus ihren (leiblichen) Söhnen S und T bestehende Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (s. Allgemeine Akten Bl. 25). S und T schlossen insoweit mit Wirkung ab dem 1. Juli 2015 einen „Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaftliche GbR“ mit dem Namen ST GbR (die Klägerin) mit dem Ziel der gemeinsamen Bewirtschaftung des übernommenen landwirtschaftlichen Betriebs (s. Allgemeine Akten Bl. 1). A und Z haben neben S und T noch zwei (Adopitiv-) Kinder V und W, die aufgrund des Hofübergabevertrags „heute keine Zuwendung“ (W) bzw. ein sog. Gleichstellungsgeld (V) erhielten.

Nach § 1 „Vertragsgegenstand“ des Hofübergabevertrags erstreckte sich die Übergabe insbesondere auf die folgenden Grundstücke:

1. Flst. 1                P-Str. 99, Gebäude- und Freifläche                               272 m²

5. Flst. 2                 P-Str. Gebäude- und Freifläche, Landwirts.fl.             11.158 m²

In § 2 „Gegenleistungen des Übernehmers“ wurde unter anderem bestimmt:

(1) Übergabepreis: Der Übergabepreis beträgt Euro 20.000,- Der Übergabepreis ist nicht an den Übergeber selbst, sondern unmittelbar an das Kind V zu bezahlen. …

(2) Freistellungsverpflichtung, Schuldübernahme:

Der Übernehmer übernimmt sämtliche am Tage der Übergabe bestehenden, zum übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Verbindlichkeiten des Übergebers …

Der Übernehmer übernimmt insbesondere:

...

a) folgende Bank- und Bausparkassenverbindlichkeiten:

gegenüber der X-Bank im Kreis Q eG auf Darlehenskonto im Betrag von zusammen ca. Euro 11.000,00 …

(3) Altenteil (Leibgeding):

a) Wohnungsrecht

b) Pflegeleistungen

Die Klägerin übertrug (ein Jahr später) mit notariellem „Schenkungsvertrag“ vom 9. Mai 2016 (s. Feststellungsakte Bl. 11) die (neu aufgeteilten bzw. gebildeten) Flurstücke 3 (165 m²) und 4 (79 m²) unentgeltlich auf S. Die Flurstücke waren mit einer Scheune überbaut. Mit Vertrag (ebenfalls) vom 9. Mai 2016 trafen die Klägerin und S eine schriftliche „Nutzungsvereinbarung“, in der es u.a. heißt (s. Feststellungsakte Bl. 32):

               

Die ST GbR hat mit notariellem Vertrag vom 09.05, … das neugebildete Flst Nr. 3 … das unbebaut ist, unentgeltlich an S übertragen. Hiermit überlasse ich S die gesamte Fläche von 244 m² des Flst Nr. 3 zur unentgeltlichen Nutzung an die ST GbR. Der Nutzende ist berechtigt die gesamte Fläche für landwirtschaftliche Zwecke zu nutzen. … Das Nutzungsrecht hat eine unbestimmte Laufzeit. Das Nutzungsrecht endet spätestens mit der Bebauung durch den Eigentümer S. …

Die auf den Flurstücken befindliche Scheune wurde in der Folge abgerissen und S errichtete darauf ein selbst genutztes Wohnhaus.

Die Klägerin erklärte mit der Feststellungserklärung für 2015 vom 19. April 2017 für das Wirtschaftsjahr 2015/2016 einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. 439 EUR, wovon auf das Kalenderjahr 2015 (Streitjahr) ein Betrag von 219 EUR entfällt (s. Feststellungsakte Bl. 5).

Auf eine Anfrage des Beklagten (das Finanzamt -FA-) erklärte der steuerliche Berater der Klägerin mit Schreiben vom 11. August 2017, auf den Flurstücken 3 und 4 habe sich eine landwirtschaftliche Scheune befunden. S habe bereits am 25. April 2016 angefangen, die Scheune abzureißen, um anschließend darauf ein eigengenutztes Einfamilienhaus zu errichten. Er werde das Haus nach Fertigstellung zu 100 v.H. selbst bewohnen und beantrage deshalb für den entnommenen Grund und Boden die steuerfreie Entnahme durch Eigennutzung des Eigentümers (§ 13 Abs. 5 EStG).

Das FA war demgegenüber der Auffassung, in Bezug auf die (Scheunen-) Grundstücke sei im Wirtschaftsjahr 2015/2016 ein Entnahmegewinn i.H.v. 23.151,- Euro zu berücksichtigen und im Streitjahr zur Hälfte anzusetzen. Entsprechend stellte das FA mit Feststellungsbescheid vom 23. Januar 2018 für das Streitjahr Einkünfte der Klägerin aus Land und Forstwirtschaft i.H.v. 11.794,50 EUR fest, die T und S nach ihrem Beteiligungsverhältnis je zur Hälfte zugewiesen wurden (s. Rechtsbehelfsakte Bl. 16).

Mit dem dagegen erhobenen Einspruch hat der (inzwischen hinzugetretene) Prozessbevollmächtigte zunächst nur beantragt, die hälftige Entnahme steuerneutral zu behandeln. Die Grundstücke seien (zwar) gemäß § 6 Abs. 3 EStG mit der Eigenschaft landwirtschaftlichen Betriebsvermögens auf die Klägerin übergegangen. Werde ein Grundstück durch einen Gesellschafter zu eigenen Wohnzwecken bebaut, so sei in Bezug auf seinen ideellen Anteil § 13 Abs. 5 EStG anwendbar. Hinsichtlich des anderen Teils liege eine Entnahme vor (s. Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten vom 9. Februar 2018 und vom 19. Februar 2018, Rechtsbehelfsakte Bl. 5 und Bl. 8).

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2019 wird Bezug genommen.

Mit der Klage vertritt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nunmehr in erster Linie die Ansicht, die (Hof-) Übergabe in vorweggenommener Erbfolge gegen Gleichstellungsgeld, Schuldübernahme und Altenteilleistungen sei als Anschaffungsvorgang zu werten. Dies habe zur Konsequenz, dass die Grundstücke (teil-) entgeltlich erworben wurden. Das sog. Verpächterwahlrecht gehe aber nur bei einer unentgeltlichen Betriebsübergabe auf die Rechtsnachfolger über. Im Ergebnis seien die Grundstücke Privatvermögen geworden und S habe die Grundstücke von einer vermögensverwaltenden GbR erhalten. Hilfsweise trägt der Prozessbevollmächtigte (wie bisher) vor, die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG sei nichts anderes als eine unwiderlegbare Vermutung einer missbräuchlichen Gestaltung und damit eine Kodifizierung des § 42 AO. Werde eine unentgeltliche Übertragung rückgängig gemacht, so sei dies eine Entnahme. Nachdem diese Entnahme zur Bebauung mit einer selbstgenutzten Wohnung erfolgt sei, könne der Fall systematisch nicht anders behandelt werden, als hätte die Überführung in das Sonderbetriebsvermögen nicht stattgefunden. Entsprechend wäre § 13 Abs. 5 EStG zu 50 v.H. anwendbar gewesen. Auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten vom 5. März 2019, 29. Mai 2019, August 2019, 19. September 2019 und 14. Februar 2020 sowie die vorgelegten Anlagen wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid vom 23. Januar 2018 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2019 aufzuheben, hilfsweise dahin zu ändern, dass der streitbefangene Entnahmegewinn nur zur Hälfte angesetzt wird, hilfsweise Zulassung der Revision.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Prozessbevollmächtigte habe in der Klagebegründung zu Unrecht (erstmalig) bestritten, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Übertragung der Flurstücke Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebsvermögens gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten sei der landwirtschaftliche Betrieb der Eltern unentgeltlich auf die Klägerin übergegangen mit der Folge, dass das sog. Verpächterwahlrecht erhalten geblieben sei. Das Gleichstellungsgeld in Höhe von 20.000 Euro stelle (zwar) ein Entgelt für die Übertragung des Betriebs dar, wobei es sich teilweise aber auch auf die mitübertragene Wohnung der Eltern bezogen habe, die zum Übergabezeitpunkt bereits zu deren Privatvermögen gehört hat. Der auf den landwirtschaftlichen Betrieb entfallende Anteil des Gleichstellungsgeldes sei aber niedriger als das Kapitalkonto, so dass nach den Grundsätzen der Behandlung einer Betriebsübergabe im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge insgesamt ein unentgeltlicher Betriebsübergang vorliege.

Die Klage sei auch sonst nicht begründet. Die streitbefangenen Flurstücke seien nach der Übertragung von der Klägerin auf S in dessen notwendiges Sonderbetriebsvermögen übergegangen. Dieser Übergang sei zwingend zum Buchwert erfolgt. Da die übertragenen Grundstücke jedoch innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren aus dem Sonderbetriebsvermögen entnommen worden seien, sei rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen. Dies habe wiederum zur Folge, dass die zum Zeitpunkt der Übertragung vorhandenen stillen Reserven aufzudecken und den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zuzurechnen seien. Die früher erfolgte unentgeltliche Übertragung ins Sonderbetriebsvermögen werde durch die Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken zu einer Entnahme aus dem Gesamthandsvermögen zum Zeitpunkt der Übertragung. Entgegen der Klage seien die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 13 Abs. 5 EStG nicht erfüllt. Die Entnahme der Grundstücke sei durch einen Rechtsakt, nämlich die Übertragung auf S, bewirkt worden und die Anwendung des § 13 Abs. 5 EStG käme nur in Betracht, wenn der Zeitpunkt der Entnahme durch die Errichtung der Wohnung spätestens zum Zeitpunkt der Übertragung auf S eingetreten wäre. Eine durch die private Bebauung veranlasste Entnahme aus dem Betriebsvermögen im Sinne des § 13 Abs. 5 EStG sei im Streitfall aber erst im Zeitpunkt des Bezugs durch S in 2017 und damit nach der Übertragung der Flurstücke verwirklicht gewesen. Eine Begünstigung der Übertragung nach § 13 Abs. 5 EStG komme deshalb (auch anteilig) nicht in Betracht.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen sowie auf die Behördenakten und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Feststellungsbescheid für 2015 ist rechtmäßig. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die in den streitbefangenen Grundstücken (bis zur Übertragung auf S) aufgelaufenen stillen Reserven versteuern muss.

Die Grundstücke gehörten nach der Hofübergabe des elterlichen Betriebs auf die Klägerin und der anschließenden schenkweisen Übertragung der Grundstücke durch die Klägerin an S sowie die getroffene Nutzungsvereinbarung als Sonderbetriebsvermögen des S zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Klägerin. Die innerhalb der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erfolgte Bebauung durch S hat zur Folge, dass die Grundstücke rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung zum Teilwert anzusetzen sind und die Übertragung insoweit als Entnahme zu behandeln ist.

1. Die (neu aufgeteilten bzw. gebildeten) Flurstücke 3 und 4 waren ursprünglich Bestandteil des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens der Eltern der Gesellschafter der Klägerin. Durch den notariellen Hofübergabevertrag vom 16. Juni 2015 ging der landwirtschaftliche (Verpachtungs-) Betrieb mit allen Aktiven und Passiven im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich im Sinne des § 6 Abs. 3 EStG auf die Klägerin über. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten kann auch ein ruhender, verpachteter und noch nicht aufgegebener Betrieb Übertragungsgegenstand des § 6 Abs. 3 EStG sein (s. BFH-Urteil vom 25. Januar 2017 X R 59/14, BFHE 257, 227, BStBl II 2019, 730, unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 6. April 2016 X R 52/13, BFHE 253, 359, BStBl II 2016, 710, Rz. 27, m.w.N.).

a) Die (steuerrechtliche) Rechtsprechung hat einen Übergabevertrag, in dem Versorgungsleistungen bedungen sind (auch als Leibgedinge oder Altenteil bezeichnet), seit jeher nicht als entgeltliches Veräußerungsgeschäft betrachtet (s. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofes -BFH- vom 12. Mai 2003 – GrS 1/00 –, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, Rn. 38; Beschluss des GrS vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Die Beteiligten lassen sich von dem Gedanken leiten, das übertragene Vermögen der Familie zu erhalten. Versorgungsleistungen sind weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten, insofern ist die Vermögensübergabe in einem spezifisch steuerrechtlichen Sinne „unentgeltlich“ i.S. des § 6 Abs. 3 EStG (s. näher Fischer in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 22 Rn. 12 ff).). Die Übertragung eines Betriebs gegen Versorgungsleistungen wird danach einer unentgeltlichen Übertragung gleichgestellt. Im Anwendungsbereich des Instituts der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen unterliegt der Übergang des Betriebs den Regelungen des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung a.F. bzw. ab 1999 des § 6 Abs. 3 EStG. Dazu gehört nicht nur die Fortführung der Buchwerte durch den Erwerber, sondern der vollständige Eintritt des Rechtsnachfolgers in die betriebsbezogene Rechtsstellung des Rechtsvorgängers (siehe BFH-Urteil vom 9. September 2010 IV R 22/07 BFH/NV 2011, 31).

Ein teilentgeltliches Veräußerungs- bzw. Anschaffungsgeschäft liegt allerdings vor, soweit der Übernehmer an den Übergeber Abstandszahlungen zu leisten oder sich zur Zahlung von Gleichstellungsgeldern an Dritte verpflichtet oder private Schulden des Übergebers übernimmt. Die Beurteilung bestimmter Leistungen des Übernehmers als Entgelt besagt jedoch noch nicht, dass bei teilentgeltlicher Übertragung eines Betriebs in vorweggenommener Erbfolge stets ein Veräußerungsgewinn oder -verlust des Übergebers und entsprechende Anschaffungskosten des Übernehmers entstehen. Die teilentgeltliche Übertragung eines Betriebs ist einheitlich zu beurteilen (sog. Einheitstheorie). Nur soweit das Entgelt den (Netto-) Buchwert (das Kapitalkonto) übersteigt, entsteht ein Gewinn des Übergebers; ist das Entgelt niedriger, ist der Buchwert fortzuführen (§ 6 Abs. 3 EStG); es entsteht kein Verlust (s. Kulosa in Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 39. Aufl., 2020, § 16 Rz. 58, m.w.N.).

b) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall bei der Hofübergabe der Eltern auf die GbR ihrer Söhne S und T (Klägerin) insgesamt um einen unentgeltlichen Betriebsübergang. Die von der Klägerin übernommenen Versorgungsleistungen sind nach den unter a) dargelegten Grundsätzen nicht als Entgelt zu beurteilen (vgl. Kulosa in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 39. Aufl., § 6 Rz. 720, m.w.N.). Die Vereinbarung von Versorgungsleistungen im Rahmen einer Vermögensübergabe fällt unter das Sonderrecht des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG, stellt aber kein Entgelt dar. Dies gilt ebenso für die übernommenen betrieblichen Schulden (in Höhe von 11.000 EUR) sowie das vom Übergeber vorbehaltene (im Privatvermögen befindliche) Wohnrecht (vgl. Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 37. Aufl., 2018, § 16 Rz. 68, 71, m.w.N.). Damit ist -wovon die Behörde zu Recht ausgegangen ist- nur das Gleichstellungsgeld in Höhe von 20.000 EUR an den V als Entgelt zu berücksichtigen.

Das Gleichstellungsgeld war indes niedriger als der nach § 55 EStG zu ermittelnde Buchwert des landwirtschaftlichen Betriebs. Nach der gerichtlich nicht zu beanstandenden Berechnung des FA beträgt der Buchwert der übertragenen Flächen (mindestens) 53.896 EUR, wobei nach § 55 Abs. 1 EStG der doppelte Ausgangswert anzusetzen ist (s. Schriftsatz des FA vom 12. Juli 2019). Bei Abzug der übernommenen betrieblichen Schulden in Höhe von 11.000 EUR ist der Kapitalwert des Betriebs damit (jedenfalls) höher als das Entgelt in Höhe von 20.000 EUR. Nach der Einheitsbetrachtung erfolgte der Betriebsübergang damit insgesamt unentgeltlich i.S. des § 6 Abs. 3 EStG.

c) Die (neu gebildeten) Flurstücke 3 und 4 gehörten danach zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Klägerin, die in die Rechtsstellung der Übergeber eingetreten ist und gemäß § 6 Abs. 3 EStG die Buchwerte fortzuführen hatte. Die Klägerin hat in der Folge die Grundstücke durch Schenkungsvertrag vom 9. Mai 2016 unentgeltlich an S übertragen, der die Grundstücke der Klägerin durch die Nutzungsvereinbarung vom 9. Mai 2016 (s. Feststellungsakte Bl. 32) weiterhin zur Nutzung für landwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stellte. Dies hatte zur Folge, dass die Grundstücke nunmehr Bestandteil des Sonderbetriebsvermögens des S waren.

2. Wird ein Wirtschaftsgut -wie im Streitfall- unentgeltlich aus einem Gesamthandsbetriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers bei derselben Mitunternehmerschaft übertragen, dann ist für diese Übertragung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG (zwingend) der Buchwert anzusetzen. Wird das Wirtschaftsgut danach aber innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren veräußert oder entnommen, dann ist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen, es sei denn die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven sind durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet worden.

a) Im Streitfall hat S die streitbefangenen Grundstücke innerhalb der Sperrfrist mit einem selbst genutzten Wohnhaus bebaut und dadurch aus seinem Sonderbetriebsvermögen entnommen. Die Entnahme erfolgte -nach den Gesamtumständen sowie der Nutzungsvereinbarung vom 9. Mai 2016 war ersichtlich eine Bebauung und eine Eigennutzung durch S geplant - bereits mit Beginn der Bebauung im Sommer 2016 und nicht erst durch den tatsächlichen Bezug im Jahr 2017 (zur Bestimmung des maßgeblichen Entnahmezeitpunktes vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 IV R 47/06, BFH/NV 2010,181, unter II.1.b, m.w.N.) Die Entnahme der Grundstücke aus dem (Sonder-) Betriebsvermögen des S vor Ablauf der Sperrfrist (Behaltefrist) hat zur Folge, dass die Grundstücke nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung mit dem Teilwert anzusetzen waren. Entsprechend hat die Behörde die unentgeltliche Übertragung im Wirtschaftsjahr 2016 zu Recht als Entnahme behandelt und den Entnahmegewinn gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG zutreffend zur Hälfte im Kalenderjahr 2015 angesetzt.

b) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, das eine Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers nach der Rechtsprechung des BFH keine Entnahme darstellt, weil der betriebliche Funktionszusammenhang nicht gelöst wird (s. BFH-Urteil vom 19. September 2012 IV R 11/12, BFHE 239, 76, BFH/NV 2012, 1880). Denn die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG knüpft -wie § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG- maßgeblich an einen zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel an, der auch ohne gleichzeitige Entnahme denkbar ist (s. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 31/12, BFHE 246, 413, BStBl II 2015, 463). Die durch den rückwirkenden Ansatz des Teilwertes ausgelöste Besteuerung der stillen Reserven steht in Einklang mit dem Regelungszweck des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 246, 413, BStBl II 2015, 463, unter II. 2.). Die (seinerzeit neu eingeführte) Sperrfristregelung des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG normiert in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG zugleich den erforderlichen Besteuerungstatbestand (vgl. dazu allerdings BFH-Urteil in BFHE 239, 76, BFH/NV 2012, 1880). Die Begünstigung der in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG angeordneten Buchwertfortführung soll nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers in den Fällen ausgeschlossen sein, in denen die frühere Übertragung nicht der Umstrukturierung unter Erhaltung der Betriebsstruktur, sondern der Vorbereitung und steuerlich günstigen Gestaltung einer Veräußerung oder -wie im Streitfall- einer Entnahme diente (s. Kulosa in Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 6 Rn. 715, m.w.N.).

c) Der Entnahmegewinn bleibt auch nicht gemäß § 13 Abs. 5 EStG außer Ansatz.  Nach dem in dieser Vorschrift geregelten Entnahmeprivileg unterliegt ein Entnahmegewinn nicht der Besteuerung, wenn Grund und Boden dadurch entnommen wird, dass auf diesem Grund und Boden die Wohnung des Steuerpflichtigen errichtet wird. Die Anwendung dieses Entnahmeprivilegs käme im Streitfall aber nur insoweit in Betracht, als sich der Wert der streitbefangenen Grundstücke zwischen dem Zeitpunkt der Übertragung am 9. Mai 2016 und der kurz darauf erfolgten Entnahme durch Bebauung erhöht hätte, wofür es indes keine Anhaltspunkte gibt. Hingegen hat die Klägerin die stillen Reserven, die in den Grundstücken im Zeitpunkt der Übertragung auf S enthalten waren, aufgrund des durch § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung angeordneten Ansatzes des Teilwertes insgesamt zu versteuern.

d) Diese Beurteilung weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise ab von dem BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 IV R 47/06 (BFH/NV 2010,181, unter II.2. a.E.).

Die Entscheidung des BFH betrifft zwar einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt, in dem Eltern, die in Gütergemeinschaft einen landwirtschaftlichen Betrieb führten, ihrer Tochter einen Miteigentumsanteil von 20 v.H. an dem landwirtschaftlichen Anwesen sowie eine noch zu vermessende Teilfläche aus einem Grundstück zur Bebauung mit einem Einfamilienhaus und Eigennutzung übertrugen. Der BFH hat in der (zurückverweisenden) Entscheidung ausgeführt, dass für den Fall, dass das FG im zweiten Rechtsgang zur Überzeugung gelangt, dass eine Mitunternehmerschaft mit der Tochter besteht oder bestanden hat, das Grundstück zunächst in deren Sonderbetriebsvermögen überführt worden ist und der durch die Entnahme des Grundstücks zum Zwecke der Errichtung einer Wohnung durch die Tochter als Mitunternehmerin des Betriebs entstandene Gewinn gemäß § 52 Abs. 15 Satz 10 EStG a.F. (nunmehr § 13 Abs. 5 EStG ) außer Ansatz bleibt (so wohl auch Krumm in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 301. AL 12/2019, § 13 EStG Anm. H 6; s. dagegen Kulosa in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 39. Aufl., § 13 Rz. 4; vgl. ferner Paul in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, 295. Lieferung, § 13 EStG Anm. 135 a.E.; a. A. ferner Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer der Land- und Forstwirte, 10. Aufl., Rdnr. 251, S. 347).

Die Entscheidung des BFH erging indes zum Streitjahr 1998 und betraf insoweit eine andere (frühere) Rechtslage. Außerdem waren die Ausführungen des BFH für sein Urteil in BFH/NV 2010,181 nicht entscheidungserheblich.

e) Der hilfsweise vertretenen Auffassung der Klägerin, der streitbefangene Entnahmegewinn sei jedenfalls nur zur Hälfte zu besteuern, vermag das Gericht nicht zu folgen. Der Besteuerung unterliegt der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt. Es kann daher nicht (zugunsten der Klägerin) unterstellt werden, die schenkweise Übertragung der Grundstücke sei nicht erfolgt und der Entnahmegewinn unterliege deshalb nur in Höhe der dem Gesellschafter T zuzuordnenden stillen Reserven der Besteuerung und in Bezug auf den Gesellschafter S komme § 13 Abs. 5 EStG zur Anwendung.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision wurde auf Antrag der Klägerin wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

4. Die Entscheidung ergeht durch Gerichtsbescheid gemäß § 90a FGO.

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