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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
26.11.2020
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Rückwirkender Teilwertansatz

FG Münster, Urteil vom 24.6.2020 – 13 K 3029/18 F, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 34/20)

ECLI:DE:FGMS:2020:0624.13K3029.18F.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2020-2800-1

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Ein rückwirkender Ansatz des Teilwerts nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG ist nicht vorzunehmen, wenn der Einbringende von der Einbringung bis zur Veräußerung durchgehend zu 100 % an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist.

2. Ein rückwirkender Ansatz des Teilwerts nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist nicht vorzunehmen, wenn eine Verlagerung stiller Reserven auf ein Körperschaftsteuersubjekt ausgeschlossen ist, weil es im Zuge der nachträglichen Begründung oder Erhöhung des Anteils einer Körperschaft an den vorher nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgütern zur Aufdeckung der stillen Reserven dieser Wirtschaftsgüter kommt.

EStG § 6 Abs. 5 S. 4; § 6 Abs. 5 S. 6

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Klägerin in die S GmbH & Co. KG (im Folgenden: S KG) im Streitjahr 2014 zum Buchwert eingebrachten Werte aufgrund einer im Folgejahr erfolgten Veräußerung von Anteilen am Vermögen der S KG durch die Klägerin rückwirkend im Streitjahr mit dem Teilwert zu bewerten sind.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die im Handelsregister des Amtsgerichts N unter dem Registerblatt HRB eingetragen ist. Ihre Geschäftsführer sind Herr R und Herr U. Sie ist seit Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags mit Wirkung zum 1.1.2007 eine Organtochter der E AG mit Sitz in N.

Die Klägerin war im Streitjahr zu 100 % (nominell: X €) am Kapital und Vermögen der mit Gesellschaftsvertrag vom 5.12.2014 gegründeten S KG mit Sitz in D beteiligt, welche im Handelsregister des Amtsgerichts unter dem Registerblatt HRA eingetragen ist. Einzige Komplementärin der S KG war die E S VerwaltungsGmbH (im Folgenden S GmbH) mit Sitz in D, welche im Handelsregister des Amtsgerichts F unter dem Registerblatt HRB eingetragen ist. Die Klägerin hielt im Streitjahr den einzigen Geschäftsanteil an der S GmbH (nominell: X €).

Durch Einbringungsvertrag vom 30.12.2014 brachte die Klägerin mit wirtschaftlicher Wirkung zum 31.12.2014, 24 Uhr, gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) … [die Einbringungsgegeänstände] zur Erbringung ihrer Kommanditeinlage zum Buchwert in die S KG ein. Die übertragenen Wirtschaftsgüter waren in den Anlagen zum Vertrag einzeln aufgelistet. Soweit der Buchwert des Wertes abzüglich nicht aufgelöster Baukostenzuschüsse gemäß der Bilanz der Klägerin den Betrag der Kommanditeinlage in Höhe von X € überstieg, wurde er dem Rücklagenkonto 1 gutgeschrieben, an welchem die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalanteile beteiligt waren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einbringungsvertrag vom 30.12.2014 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin erteilte gegenüber der S KG über die Einbringungsgegenstände zwei Rechnungen jeweils vom 30.12.2014, in welchen sie die Einbringungsgegenstände mit einem Buchwert in Höhe von insgesamt X € bezifferte. Die in Abzug zu bringenden Baukostenzuschüsse beliefen sich auf X €.

Zudem erwarb die S KG mit Kaufvertrag vom 30.12.2014 von der W AG die für den Betrieb in D und in K 6 notwendigen Anlagen mit allen zugehörigen Rechten und Pflichten zu einem Nettokaufpreis in Höhe von insgesamt X €.

Mit Einbringungsvertrag vom 29.9.2015 übertrug die Klägerin ihren Anteil an der S GmbH mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1.1.2015 auf die S KG, sodass diese zu einer sog. Einheitsgesellschaft wurde.

Mit Kaufvertrag vom 29.9.2015 veräußerte die Klägerin 51 % ihrer Anteile am Vermögen der S KG zu einem Kaufpreis in Höhe von X € mit wirtschaftlicher Wirkung zum 30.9.2015 an die S BeteiligungsmbH & Co. KG (im Folgenden: SB KG). Die SB KG wird im Handelsregister des Amtsgerichts F unter dem Registerblatt HRA geführt. … [Gesellschafter der SB KG sind] die folgenden Gesellschaften: Gesellschaft K 3 GmbH, Gesellschaft K 7 GmbH, Gesellschaft K 4 GmbH, Gesellschaft Stadt D GmbH, Gesellschaft K 2 GmbH, Gesellschaft Stadt K 1 GmbH, Gesellschaft K 6 GmbH, Gesellschaft K 5 GmbH (im Folgenden: K-Gesellschaften). Für die SB KG wurde aufgrund des Erwerbs eine Ergänzungsbilanz aufgestellt.

Mit Vertrag vom 3.3.2016 änderten die SB KG und die Klägerin den am 29.9.2015 geschlossenen Kaufvertrag und vereinbarten u.a. einen Verspätungsschadensersatz in Höhe von X €. Der Vertrag vom 3.3.2016 wurde anschließend in notariell beurkundeter Form bestätigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 3.3.2016 Bezug genommen.

Der Beklagte berücksichtigte in dem Bescheid der Klägerin über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft gem. § 14 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) für 2014 vom 1.4.2016 den Übergang der auf die S KG übertragenen Wirtschaftsgüter zunächst zu den Buchwerten und stellte das dem Organträger zuzurechnende Einkommen erklärungsgemäß in Höhe von X € fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Aufgrund der Veräußerung der Anteile am Vermögen der S KG durch die Klägerin wurde in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die S KG für 2015 vom 22.9.2017 ein Veräußerungsgewinn in Höhe von X € (Verkaufspreis X € abzgl. Kaufpreisminderung X € abzgl. 51 % des steuerlichen Eigenkapitalkontos der S KG i.H.v. X €) festgestellt, welcher in voller Höhe der Klägerin zugerechnet wurde. Dieser Gewinn ergab sich ausschließlich aufgrund der Aufdeckung stiller Reserven in den von der Klägerin in die S KG eingebrachten Wirtschaftsgütern. In den Bilanzwerten der von der W AG erworbenen Wirtschaftsgüter waren im Zeitpunkt der Anteilsveräußerung keine stillen Reserven vorhanden.

Im Jahr 2016 begann das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung bei der Klägerin mit der Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung. Die Betriebsprüfer gelangten zu der Rechtsauffassung, dass aufgrund der Anteilsveräußerung der Klägerin an die SB KG § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG zur Anwendung komme. Daher seien die anteiligen Wirtschaftsgüter, die zum Buchwert in das Gesamthandsvermögen der S KG übertragen worden und in 2015 durch den Verkauf der Gesellschaftsanteile an der S KG mittelbar auf die SB KG übergegangen seien, rückwirkend im Jahr 2014 zu 51 % mit dem Teilwert anzusetzen. Der im Jahr 2015 von der S KG erklärte Veräußerungsgewinn in Höhe von X € sei als Gewinn aus der Aufdeckung stiller Reserven bereits im Jahr 2014 bei der Klägerin anzusetzen und der Beteiligungswert an der S KG entsprechend zu erhöhen. Der bisher festgestellte Veräußerungsgewinn der S KG im Jahr 2015 sei stattdessen mit 0 € anzusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 23.4.2018 Bezug genommen.

Der Beklagte schloss sich dieser Rechtsauffassung an und erließ gegenüber der Klägerin am 28.5.2018 einen gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 und stellte das dem Organträger zuzurechnende Einkommen nunmehr in Höhe von X € fest. Ein Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid blieb erfolglos.

Insgesamt ergab sich infolge der Umsetzung der Rechtsauffassung des Beklagten durch die Auflösung der stillen Reserven bereits im Jahr 2014 innerhalb der mehrgliedrigen Organschaft aufgrund des Eingreifens der Vorschrift der Mindestbesteuerung im Rahmen der Verlustverrechnung eine höhere steuerliche Belastung.

Gegen den Bescheid vom 28.5.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.8.2018 hat die Klägerin am 28.9.2018 die vorliegende Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile an der S KG an die SB KG im Jahr 2015 nicht zu einem rückwirkenden Teilwertansatz der im Streitjahr auf die S KG übertragenen Wirtschaftsgüter führe.

Eine Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter innerhalb der Sperrfrist gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG liege nicht vor, da die Vorschrift nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) teleologisch zu reduzieren sei. Zwar stelle die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils steuerrechtlich die anteilige Veräußerung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens dar. Allerdings solle § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG ein Überspringen stiller Reserven in dem eingebrachten Wirtschaftsgut auf ein anderes Steuersubjekt verhindern. Daher finde nach der ständigen Rechtsprechung des BFH diese Vorschrift mit dem Zweck der Missbrauchsvermeidung keine Anwendung, wenn die Einbringung durch einen zu 100 % am Vermögen der Mitunternehmerschaft beteiligten Gesellschafter erfolge und dieser auch im Veräußerungszeitpunkt noch unverändert an der aufnehmenden Mitunternehmerschaft beteiligt sei (vgl. BFH-Urteile vom 31.7.2013 I R 44/12, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2015, 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]; vom 26.6.2014 IV R 31712, BStBl II 2015, 463 [BB 2014, 2864 m. BB-Komm. Eckl]). Im vorliegenden Streitfall habe eine solche Beteiligung in Höhe von 100 % am Vermögen der aufnehmenden Mitunternehmerschaft bestanden. Hinzu komme, dass im Zuge der Veräußerung des Mitunternehmeranteils der Veräußerungsgewinn ausschließlich der Klägerin als Veräußerin zuzurechnen gewesen sei.

Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG nicht vor. Diese Vorschrift diene ebenso wie § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG dem Zweck, das Überspringen stiller Reserven in dem eingebrachten Wirtschaftsgut zu vermeiden. Die von der Rechtsprechung entwickelte teleologische Reduktion des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG müsse daher auch auf den Satz 6 dieser Vorschrift übertragen werden, wenn ein Überspringen stiller Reserven auf Dritte faktisch ausgeschlossen sei. Dies entspreche der – ohne Ausnahme – im Schrifttum vertretenen Auffassung und der gesetzgeberischen Intention. So heiße es in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG explizit, dass dieser nur „die Verfügung über Wirtschaftsgüter ohne Teilwertrealisation…“ erfassen solle (Bundestagsdrucksache – BT-Drucks. – 14/6882, S. 33). Das bedeute, dass ein den Teilwert realisierender Vorgang wie der Verkauf eines Mitunternehmeranteils an eine Körperschaft gerade kein Anwendungsfall von § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG sein solle.

Schließlich komme § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG schon deshalb nicht zur Anwendung, weil die Veräußerung der anteilig auf den Mitunternehmeranteil entfallenden Wirtschaftsgüter abschließend vom Regelungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erfasst werde und es Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG sei, dass die Beteiligung einer Körperschaft „aus einem anderen Grund“ als wegen der in Satz 4 und 5 genannten Vorgänge begründet worden sei. Im vorliegenden Streitfall sei die Beteiligung jedoch durch eine Veräußerung begründet worden.

Die Berichterstatterin hat mit Beschluss vom 7.5.2020 nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Organträgerin der Klägerin und die S KG zum Verfahren beigeladen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 7.5.2020 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 vom 28.5.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.8.2018 dergestalt zu ändern, dass die von der Klägerin auf die S GmbH & Co. KG mit Vertrag vom 29.9.2015 übertragenen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert berücksichtigt werden,

2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Der Beklagte ist der Auffassung, es seien die sich aus der Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ergebenden Rechtsfolgen zu ziehen; die Vorschrift knüpfe allein an die unmittelbare oder mittelbare Begründung oder Erhöhung des Anteils einer Körperschaft an; ein Überspringen stiller Reserven auf eine Körperschaft sei nicht erforderlich. Es sei unerheblich, ob die mittelbare Beteiligung der … [K-Gesellschaften] durch einen gewinnneutralen oder durch einen gewinnrealisierenden Vorgang begründet worden sei, da der Vorschrift keine entsprechende Unterscheidung zu entnehmen sei.

Die vom BFH in ständiger Rechtsprechung zu § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG angenommene teleologische Reduktion bei den in den Urteilsfällen genannten Einmann-Personengesellschaften sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn im Streitfall gehe es anders als in den vom BFH entschiedenen Urteilsfällen nicht um eine vollständige Veräußerung eines eingebrachten Wirtschaftsguts, sondern um die Veräußerung eines Teils eines Wirtschaftsguts. Gegen eine Übertragung der zu § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG ergangenen BFH-Rechtsprechung spreche zudem, dass der BFH die Möglichkeit der Vornahme einer teleologischen Reduktion maßgeblich auf die Ausstiegsklausel durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz gestützt habe; die Schaffung dieser Ausstiegsklausel zeuge von einer weicheren Stellung dieser Norm, da ein „Ausschließlichkeitsbedürfnis des Gesetzgebers“ hierdurch nicht mehr angenommen werden könne. Eine solche Ausstiegsklausel enthalte § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG hingegen nicht. Die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG habe – anders als es die Klägerin meine – nicht allein den Zweck der Sicherung des Subjektsteuerprinzips, sondern daneben auch den Zweck, eine periodengerechte Gewinnerfassung sicherzustellen.

Eine Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG auf den Streitfall sei ferner nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Fall des ggf. vorrangig anzuwendenden § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG vorliege. Denn dessen Voraussetzungen lägen nicht vor, weil im Streitfall die eingebrachten Wirtschaftsgüter nicht vollständig, sondern aufgrund der Beteiligungsveräußerung von 51 % lediglich anteilig zu diesem Prozentsatz von der Klägerin veräußert worden seien.

Der Senat hat im vorliegenden Verfahren am 24.6.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Er hat mit Beschluss vom 19.8.2020 den am Ende der Sitzung verkündeten Tenor nach vorheriger Anhörung der Beteiligten gem. § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) berichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 19.8.2020 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Falschbezeichnung des des Datums des streitgegenständlichen Einbringungsvertrags stellt eine offenbare Unrichtigkeit dar

I. Der von der Klägerin gestellte Antrag ist so zu verstehen, dass sie den Buchwertansatz der mit Einbringungsvertrag vom 30.12.2014 übertragenen Wirtschaftsgüter begehrt. Die versehentliche Falschbezeichnung des Datums des streitgegenständlichen Einbringungsvertrags stellt eine offenbare Unrichtigkeit dar. Die Klägerin kann nur diesen Vertrag gemeint haben, da es sich um den einzigen Vertrag handelt, mit welchem mehrere Wirtschaftsgüter auf die Beigeladene zu 2.) übertragen worden sind und welcher einen Einbringungsvorgang des Jahres 2014 mit Übertragungsstichtag im Jahr 2014 betrifft.

Begründetheit der Klage

II. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 vom 28.5.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.8.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit die durch Einbringungsvertrag vom 30.12.2014 von der Klägerin eingebrachten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Einbringung nicht gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG mit dem Buchwert bewertet wurden. Die Einbringungsgegenstände sind trotz der im Folgejahr erfolgten Veräußerung von 51 % der Anteile am Vermögen der Beigeladenen zu 2.) an die SB KG weiterhin mit dem Buchwert zu bewerten.

Rückwirkender Teilwertansatz bei überführten Wirtschaftsgütern gem. § 6 Abs. 5 S. 4 Halbs. 1 EStG

1. Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ist bei Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen der Wert anzusetzen, der sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG gilt Satz 1 – und damit die in dieser Vorschrift angeordnete Buchwertfortführung – u.a. entsprechend, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen wird. Wird allerdings das nach Satz 3 übertragene Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist veräußert oder entnommen, so ist nach § 6 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 1 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen, es sei denn, die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven sind durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet worden; diese Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum, in dem die in Satz 3 bezeichnete Übertragung erfolgt ist (Halbsatz 2). Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG ist ferner der Teilwert anzusetzen, soweit in den Fällen des Satzes 3 der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse am Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht. Zudem ist, soweit gemäß § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts nach Satz 3 der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse am übertragenden Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung ebenfalls der Teilwert anzusetzen.

Einschränkung im Wege einer teleologischen Reduktion

2. Der BFH legt § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG in gefestigter Rechtsprechung im Wege einer teleologischen Reduktion einschränkend dahingehend aus, dass kein rückwirkender Teilwertansatz erfolgt, wenn ein Wirtschaftsgut durch einen zu 100 % am Vermögen einer Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft übertragen und innerhalb der Sperrfrist – bei unveränderten Beteiligungsverhältnissen – veräußert wird; dies gelte unabhängig davon, ob eine negative Ergänzungsbilanz aufgestellt worden sei (vgl. BFH-Urteile vom 31.7.2013 I R 44/12, BStBl II 2015, 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]; vom 26.6.2014 IV R 31/12, BStBl II 2015, 463 [BB 2014, 2864 m. BB-Komm. Eckl]). Die Sperrfristregelung sei in diesen Fällen von vorneherein nicht anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 31.7.2013 I R 44/12, BStBl II 2015, 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]). Aus dem Gesetzeszweck und der gesetzgeberischen Begründung ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Sperrfristenregelung nicht im Sinne einer umfassenden, sämtliche Übertragungen erfassenden Regelung ausgestaltet, sondern – wenn das Subjektsteuerprinzip durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz sichergestellt sei – auf die Wahrung einer Behaltefrist verzichtet habe (vgl. BFH-Urteil vom 31.7.2013 I R 44/12, BStBl II 2015, 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]). Werde das Subjektsteuerprinzip jedoch nicht berührt, sei es sinnwidrig, eine rückwirkende Durchbrechung der Buchwertfortführung allein auf die buchungstechnische Darstellung des Vermögenstransfers zu stützen (vgl. BFH-Urteil vom 31.7.2013 I R 44/12, BStBl II 2015, 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]).

Daher waren für die eingebrachten Wirtschaftsgüter zwingend die Buchwerte anzusetzen

3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze waren für die von der Klägerin im Jahr 2014 in die S KG eingebrachten Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG zwingend die Buchwerte anzusetzen.

Vorschrift des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ist entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des BFH teleologisch zu reduzieren und mithin im Streitfall nicht anwendbar

a. Die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG ist entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 31.7.2013 I R 44/12, BStBl II 2015, 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]; vom 26.6.2014 IV R 31/12, BStBl II 2015, 463 [BB 2014, 2864 m. BB-Komm. Eckl]) teleologisch zu reduzieren und mithin im Streitfall nicht anwendbar. Denn die Klägerin brachte in das Vermögen der Beigeladenen zu 2.) Wirtschaftsgüter gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein und war am Vermögen der Beigeladenen zu 2.) vor und nach der Einbringung unverändert zu 100 % bis zur erfolgten Veräußerung innerhalb der Sperrfrist beteiligt.

Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 S. 5 EStG liegen nicht vor

b. Ebenso liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG nicht vor, weil durch die Übertragung nach Satz 3 kein Anteil einer Körperschaft am eingebrachten Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wurde oder sich erhöht hat. Denn die Klägerin war an den vor der Einbringung zu 100 % in ihrem Eigentum stehenden Wirtschaftsgütern auch nach der Einbringung mittelbar über die Beigeladene zu 2.) zu 100 % beteiligt.

Teilwert war für die übertragenen Wirtschaftsgüter nicht gem. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG rückwirkend im Zeitpunkt ihrer Übertragung anzusetzen

c. Der Teilwert war für die übertragenen Wirtschaftsgüter nicht gem. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG rückwirkend im Zeitpunkt ihrer Übertragung anzusetzen. Diese ihrem Wortlaut nach einschlägige (dazu unter aa.) und grundsätzlich anwendbare (dazu unter bb.) Vorschrift ist in den Fällen teleologisch zu reduzieren, in denen – wie im Streitfall – nachträglich ein Anteil einer Körperschaft an einem zuvor zu Buchwerten eingebrachten Wirtschaftsgut innerhalb von sieben Jahren aufgrund eines voll entgeltlichen Beteiligungserwerbs begründet wird, sodass keine stillen Reserven auf ein Körperschaftsteuersubjekt übergehen.

Vorschrift ist dem Wortlaut nach einschlägig …

aa. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG liegen nach dem Wortlaut der Vorschrift vor. Denn bis zum Erwerb der Beteiligung am Vermögen der Beigeladenen zu 2.) durch die SB KG waren die K-Gesellschaften, bei welchen es sich um inländische Kapitalgesellschaften handelt, weder mittelbar noch unmittelbar an den eingebrachten Wirtschaftsgütern beteiligt. Erst durch den Erwerb der Beteiligung am Vermögen der Beigeladenen zu 2.) haben die K-Gesellschaften mittelbar einen Anteil an den eingebrachten Wirtschaftsgütern innerhalb von sieben Jahren begründet.

Die Begründung eines mittelbaren Anteils an den eingebrachten Wirtschaftsgütern erfolgte durch die K-Gesellschaften – anders als es die Klägerin meint – zudem „aus einem anderer Grund“ i.S.v. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG. Das Tatbestandsmerkmal „aus einem anderer Grund“ in § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist auslegungsbedürftig. Die Auslegung ergibt, dass die Erhöhung und Begründung eines Anteils dann „aus einem anderen Grund“ erfolgt, wenn sie nicht durch die Übertragung des Wirtschaftsguts i.S.v. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG eintritt.

 (a) Teile der Literatur verstehen die Formulierung „aus einem anderen Grund“ in der Weise, dass die Erhöhung oder Begründung eines Anteils am übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund als die Übertragung des Wirtschaftsguts i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG erfolgen müsse (so Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rz. 1373; Schulze, in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 16, Rz. 762.).

 (b) Nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung bedeutet die Formulierung „aus einem anderen Grund“ hingegen, der Anteil dürfe nicht durch eine Veräußerung i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG begründet werden.

 (c) Schließlich wird in der Literatur vertreten, dass die Erhöhung und Begründung eines Anteils „aus einem Grund“ alle Vorgänge bezeichnet, die weder von § 6 Abs. 5 Satz 4 noch von § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG erfasst werden, d.h. die Erhöhung oder Begründung des Anteils dürfe weder durch Veräußerung oder Entnahme erfolgen, noch dürfe durch die Einbringung des Wirtschaftsguts unmittelbar oder mittelbar ein Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse am übertragenen Wirtschaftsgut begründet werden oder sich erhöhen (vgl. Broemel, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2020, 1410).

 (d) Der Senat hält die erstgenannte Rechtsauffassung, nach welcher mit der Formulierung „aus einem anderen Grund“ allein eine Erhöhung oder Begründung eines Anteils am übertragenen Wirtschaftsgut i.S.v. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG bezeichnet wird, für zutreffend. Für einen Bezug des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG allein auf den vorstehenden Satz 5 spricht bereits die Rechtsentwicklung des § 6 Abs. 5 EStG. Denn § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wurden in einer ähnlichen Fassung, welche ebenfalls die Formulierung „aus einem anderen Grund“ enthielt, bereits mit dem Steuersenkungsgesetz – StSenkG – vom 26.10.2000 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2000, 1433) gemeinsam als Sätze 4 und 5 eingefügt, bevor § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG – vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858) ergänzt wurde. Der Gesetzgeber konnte sich mit der Formulierung „aus einem anderen Grund“ in § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG daher allein auf den zeitgleich eingeführten § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG, jeweils in der im Streitjahr gültigen Fassung, beziehen, da § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG im Zeitpunkt des Erlasses noch nicht existierte.

… und grundsätzlich anwendbar,…

bb. Die Anwendung der Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist nicht – wie von der Klägerin angenommen – aufgrund eines Anwendungsvorrangs des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG ausgeschlossen. Bei verschiedenen Normen, deren Tatbestände sich teilweise überschneiden, kommt entweder die eine oder die andere Norm zur Anwendung; liegen jedoch die Tatbestandsmerkmale beider Normen gleichzeitig vor, so muss eine Norm hinter der anderen zurücktreten, wenn sich die Normen widersprechen (vgl. Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 364).

Ein solcher Normwiderspruch, der nach allgemeinen Kollisionsregelungen aufzulösen wäre, liegt jedenfalls im Streitfall nicht vor. Denn im vorliegenden Streitfall ist § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG teleologisch zu reduzieren und bereits deshalb nicht neben § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG anwendbar (siehe dazu bereits unter I. 3. a.). Ob § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ebenso wie § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG teleologisch zu reduzieren ist, ist eine Frage der Auslegung zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs und keine Frage eines bestehenden Anwendungsvorrangs.

… aber deshalb nicht anwendbar, weil sie teleologisch zu reduzieren ist

cc. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist im vorliegenden Verfahren nach Auffassung des Senats jedoch deshalb nicht anwendbar, weil die Vorschrift in den Fällen, in denen – wie im Streitfall – infolge der nachträglichen Begründung des Anteils einer Körperschaft an vorher zu Buchwerten übertragenen Wirtschaftsgütern durch entgeltliche Veräußerung keine stillen Reserven auf ein Körperschaftsteuersubjekt übergehen, teleologisch zu reduzieren ist (so auch: Urteil des Finanzgerichts – FG – München vom 10.7.2019 7 K 1253/17, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2020, 522 [BB 2020, 1328 m. BB-Komm. Kleinmanns], Revision anhängig unter Az. XI R 20/19; Korn/Strahl, EStG, § 6 EStG, Rz. 503.9; Krumm in Kirchhof, EStG, § 15 EStG, Rz. 392a; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach – H/H/R –, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 1675; Broemel, DStR 2020, 1410; Heerdt, Die Unternehmensbesteuerung – Ubg – 2018, 71 f.; Kloster/Kloster, Die GmbH-Rundschau – GmbHR – 2002, 731; Leidel/Rosenfelder, Betriebs-Berater – BB – 2020, 1518; Scharfenberg, Der Betrieb – DB – 2012, 197; Berger/Tetzlaff, Neue Wirtschafts-Briefe – NWB – 2020, 2315).

Der BFH lässt in ständiger Rechtsprechung eine teleologische Reduktion von steuerlichen Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung zu, wenn eine allein wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt worden ist (vgl. BFH-Urteile 7.10.2009 II R 58/08, BStBl II 2010, 302 [BB 2010, 291 m. BB-Komm. Behrens/Schmitt]; vom 31.7.2013 I R 44/12, BStBl II 2015, 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]; vom 5.11.2015 III R 13/13, BStBl II 2016, 468; vom 31.7.2013 I R 44/12.▀[BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]). Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

Gesetzgeber wollte das Übersprongen stiller Reserven auf Kapitalgesellschaften veehindern

(1) Der Gesetzgeber beabsichtigte ausweislich der Gesetzesmaterialien zum UntStFG mit § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG das Überspringen stiller Reserven auf Kapitalgesellschaften und das Verfügen über Wirtschaftsgüter mit Teilwertrealisation durch Verkäufe von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Nutzung der Vorteile, die durch die Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren entstehen, zu verhindern (vgl. BT-Drs- 14/6882, S. 33; Bundesratsdrucksache – BR-Drs. – 638/01, S. 51).

Begrenzung ist keine umfassende Sperrfristenregelung

(2) Anders als es der Beklagte meint, hat der Gesetzgeber die Begrenzung der begünstigten Übertragung von Wirtschaftsgütern trotz Rechtsträgerwechsel mit § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG nicht im Sinne einer umfassenden Sperrfristenregelung begrenzt. Zwar lässt sich dies – anders als für § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG – nicht mit einer gesetzgeberischen Ausnahmeregelung für den Fall der Zuordnung des übertragenen Wirtschaftsguts mittels Ergänzungsbilanzen begründen, da der Gesetzgeber eine solche Möglichkeit in die Vorschrift nicht ausdrücklich aufgenommen hat. Allerdings hat er die Sperrfristenregelung dennoch in einem eingeschränkten Umfang ausgestaltet. Denn das übertragene Wirtschaftsgut ist im Fall der Begründung oder Erhöhung eines Anteils eines Körperschaftsteuersubjekts an diesem nicht in vollem Umfang, sondern nur insoweit mit dem Teilwert zu bewerten, als der Anteil des Körperschaftsteuersubjekts begründet wird oder sich erhöht; im Übrigen ist es weiterhin mit dem Buchwert zu bewerten (vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG, Rz. 1366; Niehus/Wilke, in H/H/R, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 1680; Schreiben des Bundesfinanzministeriums – BMF – vom 18.12.2001, BStBl I 2011, 1279, Rz. 28).

Teleologische Reduktion ist erforderlich, da es andernfalls zu Wertungswidersprüchen zwischen den beiden Vorschriften käme

(3) Schließlich ist eine Übertragung der von der Rechtsprechung entwickelten teleologischen Reduktion des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG für die Fälle, in denen ein Überspringen stiller Reserven faktisch ausgeschlossen ist, auf Fälle des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG erforderlich, da es andernfalls zu Wertungswidersprüchen zwischen beiden Vorschriften käme. Ansonsten müsste in Fällen, in denen § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG aufgrund der vom BFH entwickelten Grundsätze teleologisch zu reduzieren ist, aufgrund von § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG dennoch ein (teilweiser) rückwirkender Teilwertansatz erfolgen, soweit eine Veräußerung unmittelbar oder mittelbar an eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse erfolgt. Dies folgt daraus, dass § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG sämtliche Übertragungsarten und damit auch Veräußerungen i.S.v. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erfasst.

Zweck dfer periodengerechten Gewinnabgrenzung ist weder in den Gesetzesmaterialien erkennbar, noch hat er sich in der Vorschrift niedergeschlagen

(4) Soweit der Beklagte gegen eine teleologische Reduktion der Vorschrift einwendet, Zweck des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG sei auch eine periodengerechte Gewinnabgrenzung, d.h. die zeitnahe Besteuerung stiller Reserven, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Ein solcher Zweck ist weder in den Gesetzesmaterialen erkennbar, noch hat er sich in der Vorschrift niedergeschlagen. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG stellt eine auf missbräuchliche Gestaltungen abzielende Rückausnahme zum in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG geregelten zwingenden Buchwertansatz dar; der Gesetzgeber hält im Rahmen einer periodengerechten Gewinnabgrenzung in den Fällen des Satzes 3 eine Versteuerung stiller Reserven trotz eines Rechtsträgerwechsels noch nicht für geboten. Nur soweit es der Missbrauchsverhinderung dient, d.h. soweit ein Körperschaftsteuersubjekt am übertragenen Wirtschaftsgut einen Anteil neu begründet oder sich dieser erhöht, ordnet er die rückwirkende Teilwertaufdeckung an.

Im Streitfall war das Überspringen stiller Reserven ausgeschlossen

(5) Im vorliegenden Streitfall war ein Überspringen von stillen Reserven auf die K-Gesellschaften ebenso wie ein Verfügen über die übertragenen Wirtschaftsgüter durch Verkauf von Anteilen unter Nutzung der Vorteile der §§ 8b KStG, 3 Nr. 40 EStG ausgeschlossen. Denn die Begründung des Anteils an den zuvor übertragenen Wirtschaftsgütern durch die K-Gesellschaften erfolgte unter vollständiger Realisation der stillen Reserven seitens der Klägerin, da der Erwerb der Kommanditanteile durch die SB KG zu einem fremdüblichen Entgelt erfolgte. Für Sachverhalte dieser Art wäre die Annahme einer Sperrfristverletzung weder mit dem Zweck des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar und mithin sinnwidrig (so auch FG München, Urteil vom 10.7.2019 7 K 1253/17, EFG 2020, 522 [BB 2020, 1328 m. BB-Komm. Kleinmanns]). Eine missbräuchliche Gestaltung i.S.v. § 42 AO ist nicht erkennbar.

Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit

II. Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4, 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Etwaige außergerichtliche Kosten sind den Beigeladenen nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten, weil sie keine Sachanträge gestellt oder das Verfahren in anderer Weise wesentlich gefördert haben.

Zulassung der Revision

III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

BB-Kommentar

BFH-Entscheidung dringend nötig

Problem

Umstrukturierungen dienen dazu, bei einem Wandel der wirtschaftlichen Gegebenheiten die gesellschaftsrechtlichen Strukturen eines Unternehmens anzupassen. Das Steuerrecht muss einerseits sicherstellen, dass dem Fiskus das Besteuerungssubstrat erhalten bleibt, darf aber andererseits die Umstrukturierungen nicht unnötig behindern. Deswegen erlaubt es in zahlreichen Vorschriften den Ansatz des Buchwerts, um die stillen Reserven nicht sofort (bei der Umstrukturierung), sondern erst später (bei der Realisation) zu besteuern. Ein Teil dieser Vorschriften ist im Umwandlungssteuergesetz zu finden, aber auch im Kern des Bilanzsteuerrechts, in § 6 EStG, regelt der Gesetzgeber bestimmte Gruppen von Umstrukturierungsvorgängen. Namentlich bei transparent besteuerten Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften), deren Gesellschafter der Einkommensteuer unterliegen, können Einzelwirtschaftsgüter unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten zwischen Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft übertragen werden, ohne stille Reserven aufzudecken und zu versteuern, § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG.

Anspruchsvoller ist das Steuerrecht bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern durch einkommensteuerpflichtige Personen auf Körperschaften. Hier befürchtet der Gesetzgeber eine „Statusverbesserung“, wenn stille Reserven vorher bei einer einkommensteuerpflichtigen Person steuerverstrickt waren, nach der Übertragung aber „nur noch“ der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und bei Ausschüttung der Kapitalertragsteuer unterliegen. Solch eine „Statusverbesserung“ ist nur unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG vorgesehen. Bei einer Umstrukturierung in mehreren Teilakten sind Sperrfristen einzuhalten. Insbesondere die Kombination einer Übertragung stiller Reserven auf eine Mitunternehmerschaft im ersten Schritt und einem Austausch des Mitunternehmers im zweiten Schritt kann zu einer Besteuerung rückwirkend im Zeitpunkt des ersten Schrittes führen (§ 6 Abs. 5 S. 4, S. 6 EStG).

Zusammenfassung

Einen solchen zweiaktigen Vorgang hatte das FG zu beurteilen. Dabei hatte die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, am 31.12.2014 mehrere Wirtschaftsgüter zum Buchwert auf die S-GmbH & Co. KG übertragen, an der sie zunächst zu 100 % beteiligt war. Im Folgejahr veräußerte sie 51 % der Anteile an der S-GmbH & Co. KG an eine andere Kapitalgesellschaft. Durch die Anteilsveräußerung realisierte sie steuerpflichtig die anteiligen stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern. Das FA vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, die anteiligen stillen Reserven seien nicht erst 2015 bei der S-GmbH & Co. KG, sondern rückwirkend im Streitjahr 2014 bei der Klägerin aufzudecken.

Das FG gab der Klage statt. Eine Besteuerung dürfe weder nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG noch nach Satz 6 dieser Vorschrift erfolgen. Ein rückwirkender Ansatz des Teilwerts nach Satz 4 sei nicht vorzunehmen, weil die Klägerin von der Einbringung bis zur Veräußerung durchgehend zu 100 % an der S-GmbH & Co. KG beteiligt war und dadurch eine Verlagerung stiller Reserven ausgeschlossen werden kann. Auch § 6 Abs. 5 S. 6 EStG sei nicht anzuwenden. Denn die rückwirkende Besteuerung eines mehraktigen Vorgangs nach dieser Vorschrift erfolge zur Verhinderung von Missbrauch. Ein Missbrauch in Gestalt einer Verlagerung stiller Reserven auf ein Körperschaftsteuersubjekt ist ausgeschlossen, wenn die stillen Reserven im zweiten Teilakt ohnehin versteuert werden. In diesen Fällen sei die Vorschrift teleologisch zu reduzieren.

Praxisfolgen

Die Entscheidung wiederholt die Argumente des BFH (31.7.2013 – I R 44/12, BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning; 26.6.2014 – IV R 31/12, BB 2014, 2864 m. BB-Komm. Eckl) zur teleologische Reduktion von § 6 Abs. 5 S. 4 EStG und überträgt sie auf Satz 6. Sehr ähnlich sind die Sachverhalte der Besprechungsentscheidung und des vom FG München (10.7.2019 – 7 K 1253/17, BB 2020, 1328 m. BB-Komm. Kleinmanns, Rev. eingelegt, Az. BFH XI R 20/19) kürzlich entschiedenen Fall. In beiden Fällen bestand Einigkeit darüber, dass die stillen Reserven versteuert werden müssen, und nur die Verschiebung der Steuerpflicht in zeitlicher und persönlicher Hinsicht führte zur Inanspruchnahme der Gerichte. Beide Finanzgerichte sind sich einig, dass eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift teleologisch reduziert werden muss, wenn die Sachverhaltsgestaltung ohnehin kein Missbrauchspotential birgt. Eine Bestätigung der Entscheidungen durch den BFH wird die Möglichkeit eröffnen, diese Rechtsansicht der Planung von wirtschaftlich sinnvollen, gewinnrealisierenden Umstrukturierungsmaßnahmen zugrunde zu legen. Insbesondere bei Carve-Out-Maßnahmen wären weniger unerwünschte steuerliche Seiteneffekte zu befürchten.

Ähnlich stellt sich auch der Sachverhalt im Urteil des Niedersächsischen FG (26.10.2018 – 3 K 173/16, BB 2019, 816 m. BB-Komm. Heß, Rev. BFH IV R 36/18) dar. Dort war ebenfalls eine zweistufige Umstrukturierungsmaßnahme zu beurteilen, bei der die Klägerin – eine Personengesellschaft – im ersten Schritt Wirtschaftsgütern in eine Mitunternehmerschaft eingebracht hatte. Im zweiten Schritt wurde aus der Klägerin im Wege des Formwechsels eine Kapitalgesellschaft. Diese Kombination nahm das Niedersächsische FG zum Anlass, die stillen Reserven rückwirkend aufzudecken und zu versteuern. Denn der Formwechsel als zweiter Schritt erfolgte nach § 20 UmwStG zum Buchwert, nicht unter Gewinnrealisation wie die Anteilsveräußerung im Besprechungsurteil oder in der Entscheidung des FG München. Tatsächlich wäre aber in jenem Fall § 6 Abs. 5 S. 6 gleichermaßen teleologisch zu reduzieren. Denn ein Vorgang wie der Formwechsel, der nach § 20 UmwStG ausdrücklich umfassend steuerlich privilegiert wird, darf nicht nach anderen Vorschriften als „Missbrauch“ behandelt werden. Es käme auch zu Wertungswidersprüchen, wenn man in einer Sachverhaltsgestaltung wie beim Niedersächsischen FG die stillen Reserven aufdecken würde, während im zeitlich umgekehrten Fall – erst Formwechsel, dann Einbringung – zweifelsfrei die Buchwerte fortzuführen sind.

Den drei genannten Entscheidungen gemeinsam ist, dass zwei Umstrukturierungsakte, die für sich genommen jeweils einer ausdrücklichen, systemgerechten steuerlichen Regelung unterliegen, auch bei einem zeitlichen Zusammenhang diesen steuerlichen Regelungen unterliegen müssen und nicht irgendeiner Missbrauchsverhinderungsvorschrift. Die Besteuerung nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ist nur für die Fälle gedacht, in denen es sonst zu einem ungeregelten Überspringen stiller Reserven aus dem Regime der Einkommensteuer in das der Körperschaftsteuer käme.

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