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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
03.12.2010
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Baden-Württemberg: Rückstellung für die Kosten einer zukünftigen Betriebsprüfung bei einem Großbetrieb zulässig

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2010 - 3 K 2555/09, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 99/10)

Leitsatz (des Kommentators)

Als Großbetriebe klassifizierte Unternehmen, die der Anschlussbetriebsprüfung unterliegen, haben eine Rückstellung für die durch die voraussichtlich aus der Erfüllung der gesetzlichen Mitwirkungspflichten entstehenden Kosten bei einer Betriebsprüfung zu bilden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin, eine GmbH, für die Kosten einer Betriebsprüfung, u. a. betreffend das Streitjahr (2006), eine Rückstellung bilden durfte, weil die Klägerin als Großbetrieb eingestuft war.

Die Klägerin, zuvor eine GmbH & Co. KG und nach Rechtsformwechsel seit 1.12.2005 eine GmbH (Verträge Bl. 40 ff., 47 ff., 55 f., 57 ff. BP-Handakte betreffend die Klägerin), unterhält einen Handel mit Waren aller Art, insbesondere Stoffen und Garnen. Die Klägerin hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (1.12.bis 30.11.). Gesellschafter der Klägerin sind A und B S (S) zu je ½ (Bl. 20R Körperschaftsteuer-Akte), zu deren Konzern die Klägerin gehört. Aufgrund ihrer Konzernzugehörigkeit (Schaubild Bl. 51 BP-Handakte I der Fabrik S GmbH & Co. KG) ist die Klägerin als Großbetrieb eingestuft (vgl. Prüfungsersuchen vom 18.12.2007, abgeheftet in der BP-Akte). Eine Organschaft besteht nicht.

In ihrem Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 vom 31.1.2007 bildete die Klägerin eine Rückstellung für die Kosten einer zu erwartenden Betriebsprüfung (zur Höhe s. Seite 9 des Berichts über den Jahresabschluss, Bilanzakte). Wegen der exakten Berechnung der Rückstellung und der zugrunde liegenden Schätzungen wird auf eine Anlage zum Jahresabschluss (Bl. 92 f. BP-Handakte betreffend die Klägerin) verwiesen. Die zu erwartenden Kosten zinste die Klägerin mit dem Faktor 0,852 (erwartete Zeit bis zur Prüfung: 3 Jahre) ab. Entsprechend dieser Berechnung fand die Rückstellung Eingang in die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärung der Klägerin vom 3.9.2007, die Körperschaftsteuerbescheide vom 8. und 22.1.2008 sowie den Gewerbesteuermessbescheid vom 6.2.2008. Alle Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) bzw. der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Im Jahr 2008 führte das FA für Groß- und Konzernprüfung X (FA X) auf Ersuchen des Beklagten (des FA) aufgrund Prüfungsanordnung vom 29.5.2008 die von der Klägerin erwartete Betriebsprüfung durch, die das Streitjahr 2006 umfasste; die Prüfung der Vorjahre erfolgte unter einer anderen Steuernummer (vgl. Anschreiben, Bl. 7 BP-Handakte betreffend die Klägerin). Der Prüfer vertrat in seinem Bericht vom 5.12.2008 (vgl. gelber Klebezettel der nicht paginierten BP-Akte, Tz. 2.2) die Auffassung, die Rückstellung für künftige Betriebsprüfungskosten sei nicht anzuerkennen, weil es im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung an einer Prüfungsanordnung gefehlt habe. Er berief sich auf H 5.7 Abs. 3 des Einkommensteuer-Handbuchs (EStH) 2007 (jetzt: H 5.7 Abs. 4 EStH 2009) sowie das Urteil des BFH vom 24.8.1972 - VIII R 21/69 (BFHE 107, 202, BStBl. II 1973, 55). An diese Auffassung sei die Finanzverwaltung gebunden. Zum Bilanzstichtag 30.11.2006 sei die Betriebsprüfung für die Jahre 2001 bis 2003 bei der Klägerin - in ihrer früheren Rechtsform - beendet gewesen. Der Prüfungsbericht stamme vom 8.12.2005. Die Betriebsprüfung für 2006 bei der Klägerin sei erst am 29.5.2008 angeordnet worden.

Das FA schloss sich der Auffassung des Prüfers in dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2006 vom 18.2.2009 und dem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2006 vom 18.3.2009 an. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.

Mit ihren Einsprüchen trug die Klägerin vor, dass eine Rückstellung für die Verwaltungskosten künftiger Betriebsprüfungen zulässig sei, da sie, die Klägerin, regelmäßig geprüft werde und die Kosten, die durch die Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die Prüfung zu dulden und an ihr mitzuwirken, in den einzelnen Wirtschaftsjahren des Prüfungszeitraums wirtschaftlich verursacht seien. Da die Klägerin als Großbetrieb eingestuft sei und derartige Betriebe von der Finanzverwaltung nahtlos geprüft würden, müsse die Klägerin bereits vor Erlass einer Prüfungsanordnung von ihrer Mitwirkungsverpflichtung ausgehen. Außerdem seien die Veranlagungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt. Dies alles seien Hinweise, dass am Bilanzstichtag gewiss gewesen sei, dass eine Prüfung stattfinde, und nur der sich aus der Prüfungsverpflichtung ergebende kostenmäßige Umfang noch ungewiss gewesen sei.

Das FA wies die Einsprüche - nach einer entsprechenden Stellungnahme des FA X (blauer Klebezettel der nicht paginierten Rechtsbehelfsakte) - durch Einspruchsentscheidung vom 12.5.2009 als unbegründet zurück. Zwar seien nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Da diese Verpflichtung zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) gehöre, gelte sie über § 5 Abs. 1 S. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung auch steuerbilanzrechtlich. Die Pflicht zur Rückstellungsbildung setze jedoch voraus, dass eine Verbindlichkeit mit Wahrscheinlichkeit dem Grunde nach bestehe oder entstehen werde. Wahrscheinlich sei eine Inanspruchnahme, wenn auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Hieran fehle es im Streitfall. Entgegen der Auffassung der Klägerin reiche dafür weder eine Durchführung einer Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung noch die Einstufung der Klägerin als Großbetrieb aus. Die Durchführung einer Betriebsprüfung bzw. die Festlegung der zu prüfenden Zeiträume sei gemäß § 194 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. § 4 Abs. 1 der Betriebsprüfungsordnung (BpO) in das Ermessen der Finanzbehörden gestellt. § 4 Abs. 2 BpO sei nur eine Sollvorschrift. Auch bei Großbetrieben könne unter dem Gesichtspunkt einer „gewichteten Arbeitsweise" von einer Betriebsprüfung abgesehen werden. Deshalb könne auch unter Umständen wie denen des Streitfalls eine Rückstellung für Kosten künftiger Betriebsprüfungen erst gebildet werden, wenn eine Prüfungsanordnung ergangen sei, da erst damit ein konkreter Sachverhalt entstanden sei, der eine derartige Rückstellungsbildung zulasse. Hieran fehle es im Streitfall, da die Betriebsprüfung für das Streitjahr 2006 erst am 29.5.2008 angeordnet, aber die Bilanz bereits am 31.1.2007 aufgestellt worden sei. Die Prüfungsanordnung sei auch kein wertaufhellender Umstand.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die vom FA zitierte Rechtsprechung des BFH (in BFHE 107, 202, BStBl. II 1973, 55) betreffe einen anders gelagerten Sachverhalt: Während dort eine Rückstellung für die Kosten einer nach Prüfung neu zu erstellenden Buchführung abgelehnt worden sei, gehe es der Klägerin um Kosten, die jeder Betriebsprüfung immanent seien und die aus der Erfüllung der gesetzlichen Mitwirkungspflichten entstünden. Diese seien auch ohne Prüfungsanordnung hinreichend konkretisiert, weil das FA von dem Umstand, dass die Klägerin ein Großbetrieb sei, Kenntnis habe. Die Inanspruchnahme der Klägerin sei auch hinreichend wahrscheinlich, wie sich zum Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses aus den - auf www.bundesfinanzministerium.de veröffentlichten - Prüfungsintervallen bei Großbetrieben ergebe. Entsprechend verträten zahlreiche Stimmen in der Literatur (z. T. nunmehr) die Auffassung, dass eine Rückstellung möglich sei. Der Hinweis des FA, dass die Finanzverwaltung auch bei Großbetrieben von einer Betriebsprüfung absehen könne, rechtfertige keine andere Beurteilung, weil die in § 4 Abs. 2 BpO angeordnete Anschlussprüfung gerade bei Großbetrieben „der Wirklichkeit entspreche", weshalb der sorgfältige und gewissenhafte Kaufmann ernsthaft mit einer Betriebsprüfung rechnen müsse. Diese Wahrscheinlichkeit entfalle erst mit Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung oder dem Ablauf der Festsetzungsfrist für den Besteuerungszeitraum.

Unabhängig davon sei die Bilanz insoweit subjektiv richtig, als zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage mehrere Auffassungen vertreten werden und der Steuerpflichtige sich der Auffassung der Literatur anschließen dürfe, eine Rückstellung sei zulässig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

- die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

- hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verteidigt seine Auffassung aus der Einspruchsentscheidung. Auch bei Konzernen müssten nicht alle Firmen mit der Durchführung einer Betriebsprüfung rechnen.

Die Klägerin hat auf telefonische Nachfrage des Gerichts erklärt, dass sie trotz des BFH-Beschlusses vom 7.4.2010 - I R 77/08 (BFHE 228, 533, BStBl. II 2010, 739, BB 2010, 1400) einem Ruhen des Verfahrens entgegentrete, eine grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage anstrebe und den Rechtsweg auszuschöpfen gedenke (AV Bl. 35R GA).

Das FA hat auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 29.6.2010 erklärt, dass gegen die Höhe der gebildeten Rückstellung keine Einwendungen erhoben werden. Die Mitwirkungspflichtigen des Steuerpflichtigen (§ 200 AO) kämen erst zum Tragen, wenn die Prüfungsanordnung ergangen sei.

Mit Schreiben vom 6.7.2010 und 26.7.2010 haben beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Aus den Gründen

            Begründetheit der Klage

Die Klage ist begründet; sie führt zur ersatzlosen Aufhebung der Änderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung.

            Verpflichtung zur Rückstellungsbildung im Streitfall gegeben

I. Die Klägerin musste für das Streitjahr eine Rückstellung bilden, weil eine Betriebsprüfung hinreichend wahrscheinlich war und die zurückgestellten Kosten in der Zeit bis zum Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sind.

            Ansatz des Betriebsvermögens nach handelsrechtlichen GoB

1. Nach § 8 Abs. 1 KStG - für die Gewerbesteuer i. V. m. § 7 GewStG - i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 EStG hat die Klägerin das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen GoB auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften der §§ 238 ff. HGB. Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG); sie gehen insoweit den handelsrechtlichen GoB vor.

            Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten

2. Gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu und zu den dabei z. T. vorhandenen Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Senaten des BFH ausführlich Blümich/Buciek, § 5 EStG Rz. 791 ff.) entweder das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer - ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen - Verbindlichkeit (vgl. BFH-Urteil vom 27.1.2010 - I R 103/08, BFHE 228, 91, BStBl. II 2010, 614, BB-Entscheidungsreport Abele, BB 2010, 1017, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (BFH-Urteil vom 30.1.2002 - I R 68/00, BFHE 197, 530, BStBl. II 2002, 688, BB 2002, 1139). Der Kaufmann muss darüber hinaus ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1993 - VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl. II 1993, 891, BB 1994, 37, m. w. N.). Für die Passivierung rechtlich noch nicht bestehender Verbindlichkeiten ist des Weiteren ein wirtschaftlicher Bezug der möglicherweise entstehenden Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich (vgl. BFH-Urteile vom 27.6.2001 - I R 45/97, BFHE 196, 216, BStBl. II 2003, 121, BB 2001, 1893; vom 30.1.2002 - I R 71/00, BFHE 198, 420, BStBl. II 2003, 279, BB 2002, 1687; vom 30.11.2005 - I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl. II 2007, 251, BB 2006, 765; vom 13.12.2007 - IV R 85/05, BFHE 220, 117, BStBl. II 2008, 516, BB 2008, 1110). Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geldoder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden, wenn die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist (BFH-Urteil vom 21.9.2005 - X R 29/03, BFHE 212, 439, BStBl. II 2006, 647, BB 2006, 1678). Insbesondere im Bereich der öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten ist die Kenntniserlangung durch die Behörde regelmäßig geeignet, auf die ernsthafte Erwartung der Inanspruchnahme des Schuldners schließen zu lassen. Denn Gläubiger ist in diesen Fällen die jeweils zuständige Fachbehörde, die in Befolgung der ihr übertragenen öffentlichen Aufgaben - hier beim FA: §§ 85, 88 AO - regelmäßig veranlasst sein wird, bestehende öffentlich-rechtliche Ansprüche geltend zu machen und, ggf. mit Hilfe anderer Behörden -hier: dem FA X -, durchzusetzen. Bei Kenntnis der Behörde ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung somit "nicht entziehen" kann (vgl. BFH-Urteil vom 19.11.2003 - I R 77/01, BFHE 204, 135, BStBl. II 2010, 482, BB 2004, 319).

            Voraussetzungen liegen im Streitfall vor

3. Diese Voraussetzungen liegen - entgegen der Annahme des FA - im Streitfall vor. Bei Großbetrieben ist die Bildung einer Rückstellung für die Kosten einer zukünftigen Betriebsprüfung zulässig (gl. A. Blümich/Buciek, EStG, § 5 Rz. 920 „Außenprüfung", Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 29. Auflage, § 5 Rz. 550; Kleine/Werner, DStR 2006, 1954, Langer, FR 2008, 1007; a. A. H 5.7 Abs. 4 EStH 2009).

            Am Bilanzstichtag war die Verpflichtung der Klägerin zur Mitwirkung bei der Außenprüfung noch nicht entstanden

a) Das FA geht zunächst zu Recht davon aus, dass am Bilanzstichtag 30.11.2006 die Verpflichtung der Klägerin, gegenüber dem (Prüfer des) FA X bei der Außenprüfung nach § 200 AO mitzuwirken, noch nicht entstanden war.

            Fehlen der erforderlichen Prüfungsanordnung

aa) Es fehlt insoweit an der erforderlichen Prüfungsanordnung. Erst im Rahmen der angeordneten Prüfung muss der betroffene Steuerpflichtige nach § 200 AO bei der Ermittlung der für die Besteuerung erheblichen Sachverhalte erweitert mitwirken; § 200 Abs. 1 S. 1 AO bestimmt die Mitwirkungspflichten für das Außenprüfungsverfahren als speziellere Vorschrift gegenüber den allgemeinen Vorschriften über die Mitwirkungsund Vorlagepflichten nach § 90 Abs. 1 S. 1 und § 97 AO (BFH-Urteil vom 28.10.2009 - VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl. II 2010, 455, BB 2010, 469). Zudem modifizieren und erweitern § 200 Abs. 1 S. 2 ff., Abs. 2 und 3 AO die Mitwirkungspflichten. Hinzu kommt hier, dass erst durch die Prüfungsanordnung eine Verpflichtung gegenüber dem (Prüfer des) FA X entstanden ist. Die erweiterten Mitwirkungspflichten des § 200 AO treffen den geprüften Steuerpflichtigen nur in dem von der Prüfungsanordnung bestimmten Umfang (Intemann in Pahlke/König, AO, 2. Auflage, § 200 Rz. 66).

            Gebildete Rückstellung deckt nicht die Kosten der Erfüllung allgemeiner Mitwirkungspflichten

bb) Die gebildete Rückstellung deckt nicht die Kosten der Erfüllung allgemeiner Mitwirkungspflichten (§§ 90 ff., 146 Abs. 5 AO) ab, so dass vor deren Hintergrund keine andere Beurteilung geboten ist; denn zurückgestellt wurden die für den Prüfer anfallenden Sachkosten sowie die Personal- und Sachkosten für die Ansprechpartner des Prüfers während der Prüfung.

            Aber beide Umstände stehen der Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nicht entgegen

cc) Allerdings stehen beide Umstände - anders als das FA möglicherweise meint - der Bildung einer Rückstellung nach der unter 2. zitierten Rechtsprechung nicht per se entgegen, weil eine Rückstellung auch dann gebildet werden darf, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer - zugleich auch der Höhe nach noch ungewissen - Verbindlichkeit bejaht werden kann.

            Am Bilanzstichtag war das zukünftige Entstehen einer Verbindlichkeit aus § 200 AO hinreichend wahrscheinlich

b) Der erkennende Senat hält die subjektive Einschätzung der Klägerin, dass am Bilanzstichtag das zukünftige Entstehen einer Verbindlichkeit aus § 200 AO hinreichend wahrscheinlich war, für objektiv zutreffend.

            Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit und der künftigen Inanspruchnahme

aa) Das Be- oder Entstehen einer Verbindlichkeit sowie die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen sind wahrscheinlich, wenn mehr Gründe für als gegen das Be- oder Entstehen einer Verbindlichkeit und eine künftige Inanspruchnahme sprechen (sog. „51%-Formel", BFH-Urteile vom 1.8.1984 - I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl. II 1985, 44, BB 1985, 243; vom 30.11.2005 - I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl. II 2007, 251, BB 2006, 765). Die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme genügt nicht (grundlegend BFH-Urteile vom 19.10.1993 - VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl. II 1993, 891, BB 1994, 34, mit umfangreichen Nachweisen; vom 25.4.2006 - VIII R 40/04, BFHE 213, 364, BStBl. II 2006, 749, BB 2006, 2295). Dies ist nicht nach den subjektiven Erwartungen des Steuerpflichtigen zu prüfen, sondern auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme setzt außerdem die Kenntnis oder doch zumindest nachweisbar unmittelbar bevorstehende Kenntnis des Gläubigers von seinem Anspruch voraus (BFH-Urteile vom 11.12.2001 - VIII R 34/99, BFH/NV 2002, 486, m. w. N.).

            Entstehen der Verbindlichkeit und Inanspruchnahme der Klägerin waren hinreichend wahrscheinlich

bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe waren sowohl das Entstehen der Verbindlichkeit als auch die Inanspruchnahme der Klägerin hinreichend wahrscheinlich.

            Wahrscheinlichkeit ergab sich nicht allein aus der Aufnahme eines Vorbehalts der Nachprüfung als Nebenbestimmung in den Steuerbescheiden

(1) Der erkennende Senat könnte zwar nicht der Auffassung folgen, dass sich eine solche Wahrscheinlichkeit allein aus der Aufnahme eines Vorbehalts der Nachprüfung als Nebenbestimmung in die Steuerbescheide ergibt.

Für die Kosten einer Betriebsprüfung wegen Umsatzsteuer folgt dies schon aus § 168 S. 1 AO, weil Steueranmeldungen kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen; sonst müssten alle bilanzierenden Unternehmer Rückstellungen für eine Betriebsprüfung wegen Umsatzsteuer bilden (dürfen).

Für Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide gilt indes nichts anderes: Erstens folgen bei einem sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmann wie der Klägerin die genannten Steuerbescheide (und damit auch die Nebenbestimmung zu den Bescheiden) dem Jahresabschluss (hier: Bilanzstichtag 30.11.2006, Jahresabschluss vom 31.1.2007) zeitlich nach (hier: Bescheide vom 8. und 22.1.2008 sowie 6.2.2008), so dass einem solchen Kaufmann im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses für das Streitjahr nicht bekannt sein kann oder wird, ob die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen wird oder nicht. Zweitens können auch bei einem sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmann die Gründe für die Aufnahme eines Vorbehalts der Nachprüfung durch das FA vielfältig sein, wie dem Senat aus seiner Spruchpraxis bekannt ist; so ergeht ein Vorbehalt der Nachprüfung z. B. nicht nur in Schätzungsfällen oder Fällen unvollständiger Steuererklärungen, sondern auch bei noch ausstehenden Belegen oder Gutachten Dritter, z. T. auch bei Streit über eine Liebhaberei oder in sonstigen Fällen tatsächlicher Ungewissheit, in denen das FA anstatt eines Vorläufigkeitsvermerks einen Vorbehalt der Nachprüfung in den Bescheid aufnimmt. Genaue statistische Erkenntnisse dazu liegen dem Senat nicht vor.

            Hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt sich bei der Klägerin aus ihrer Einstufung als Großbetrieb

(2) Jedoch ergibt sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit bei der Klägerin aus ihrer Einstufung als Großbetrieb. Dies folgt zunächst aus § 4 Abs. 2 BpO: Danach ist bei Großbetrieben die Anschlussprüfung der von der Finanzverwaltung vorgesehene Regelfall, das „Auslassen" einzelner Jahre die Ausnahme. Dieses rechtliche Regel- Ausnahme-Verhältnis wird durch statistische Zahlen der Finanzverwaltung tatsächlich untermauert: Nach den Monatsberichten des BMF vom Juni 2008 (Seite 49 ff.), Juni 2009 (S. 43 ff.) und April 2010 (S. 66 ff., alle auf www.bundesfinanzministerium.de abrufbar), lag die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Großbetrieb ein Veranlagungsjahr geprüft wird, im Prüfungsjahr 2007 bei 80,4 %, im Prüfungsjahr 2008 bei 81,7 % und im Prüfungsjahr 2009 bei 78,5 %. Der Prüfungsturnus bei Großbetrieben bewegt sich seit Jahr(zehnt)en in dieser Größenordnung, so dass sich die Wahrscheinlichkeit zum Bilanzstichtag 30.11.2006 auf ähnlichem Niveau bewegte. Dies belegt, dass das FA zwar zutreffend darauf hinweist, dass auch bei Großbetrieben eine Anschlussprüfung keineswegs sicher ist. Für die Bildung einer Rückstellung bedarf es jedoch keiner absoluten Sicherheit, sondern nur einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Dies ist bei der Klägerin als Großbetrieb (anders als bei Mittel-, Klein- oder Kleinstbetrieben) sowohl rechtlich als auch tatsächlich so lange zu bejahen, wie die Klägerin als Großbetrieb eingestuft ist.

            Anspruchsbegründe Umstände waren außerdem zum maßgeblichen Zeitpunkt dem FA bekannt

(3) Die anspruchsbegründen Umstände waren außerdem zum maßgeblichen Zeitpunkt dem FA bekannt; denn das FA wusste von der Einstufung der Klägerin als Großbetrieb. Von dem her musste die Klägerin auch davon ausgehen, dass das FA - mit Hilfe des FA X - die Klägerin aus § 200 AO (i. V. m. § 8 BpO) in Anspruch nehmen wird.

            Wirtschaftlicher Bezug ist gegeben

c) Der für die Passivierung weiter erforderliche wirtschaftliche Bezug der dem Grunde und der Höhe nach ungewissen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Mitwirkung an der Betriebsprüfung zum Zeitraum vor dem 30.11.2006 ist ebenfalls gegeben.

            Wirtschaftlich wesentliche Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit müssen bereits am Bilanzstichtag erfüllt sein

aa) Der Vergangenheitsbezug setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 19.5.1987 - VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl. II 1987, 848, BB 1987, 1985). Maßgeblich ist dabei die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalles vor dem Hintergrund der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht (BFH-Urteile vom 30.11.2005 - I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl. II 2007, 251, BB 2006, 765, vom 27.1.2010 - I R 103/08, BFHE 228, 91, BStBl. II 2010, 614, BB-Entscheidungsreport Abele, BB 2010, 1017).

            Dies ist im Streitfall gegeben

bb) Auch dies ist im Streitfall zu bejahen.

Der Anspruch des FA aus § 200 AO i. V. m. § 8 BpO ist zwar abhängig von dem Erlass einer Prüfungsanordnung. Gleichwohl hat die Verpflichtung der Klägerin, an der Prüfung mitzuwirken, ihren wesentlichen wirtschaftlichen Bezugspunkt bereits in ihrer gewerblichen Tätigkeit bis zum Bilanzstichtag. Die Prüfungsanordnung führt demgegenüber lediglich dazu, dass die ungewisse Verbindlichkeit gewiss wird. Insoweit unterscheidet sich nach Auffassung des erkennenden Senats die vorliegende Verpflichtung nicht von den Kosten für die Erstellung des Jahresabschlusses (BFH-Urteil vom 20.3.1980 - IV R 89/79, BFHE 130, 165 , BStBl. II 1980, 297), der Buchführung (BFH-Urteil vom 25.3.1992 - I R 69/91, BFHE 168, 527, BStBl. II 1992, 1010, BB 1992, 1964), der Betriebssteuererklärungen (BFH-Urteil vom 23.7.1980 - I R 30/78, BFHE 131, 465, BStBl. II 1981, 63) und der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen (BFH-Urteil vom 19.8.2002 - VIII R 30/01, BFHE 199, 561, BStBl. II 2003, 131, BB 2003, 43) sowie für konkret vorhersehbare Mehrsteuern, und zwar auch schon vor Bescheiderteilung (BFH-Urteil vom 3.2.2010 - I R 21/06, BFHE 228, 259, BStBl. II 2010, 692, BB 2010, 1181, unter II.4., m.w.N.).

Den wirtschaftlichen Bezug mag folgende Kontrollüberlegung belegen: Hätte die Klägerin zum Bilanzstichtag ihre gewerbliche Betätigung eingestellt, wären ihre Mitwirkungspflichten (und die voraussichtlichen Kosten) unverändert geblieben; ein Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung nach dem Bilanzstichtag besteht demnach nicht.

            Aus BFHE 107, 202 ergibt sich nichts anderes

cc) Aus dem BFH-Urteil in BFHE 107, 202, BStBl. II 1973, 55 ergibt sich insoweit keine andere Beurteilung. Das dortige Urteil betrifft nämlich - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - einen anderen Sachverhalt, weil es dort um die Erstellung einer neuen Buchführung im Rahmen einer Betriebsprüfung ging; dies ist nicht Gegenstand der Mitwirkungspflichten des § 200 AO, weil sich die Vorlageverpflichtung auf vorhandene Unterlagen bezieht (BFH-Urteil vom 28.10.2009 - VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl. II 2010, 455, BB 2010, 469). Soweit der BFH in BFHE 107, 202, BStBl. II 1973, 55 außerdem auf das BFH-Urteil vom 13.1.1966 - IV 51/62 (BFHE 84, 517, BStBl. III 1966, 189; zur Abgrenzung siehe BFH-Urteil in BFHE 228, 259, BStBl. II 2010, 692) Bezug genommen hat, geht es in jenem Urteil um die Passivierung der Ergebnisse der Betriebsprüfung und nicht - wie hier - um die Kosten der Betriebsprüfung an sich.

            Verpflichtung zur Mitwirkung war hinreichend konkretisiert

d) Zuletzt ist die Verpflichtung zur Mitwirkung auch hinreichend konkretisiert.

            Hinreichende Konkretisierung ...

aa) Voraussetzung für die Passivierung einer Verbindlichkeit ist, dass sie am Bilanzstichtag hinreichend konkretisiert ist (BFH-Urteil vom 13.11.1991 - I R 102/88, BFHE 166, 222, BStBl. II 1992, 336, BB 1992, 603). Die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielen (u. a. BFH-Urteile vom 28.3.2000 - VIII R 13/99, BFHE 191, 517, BStBl. II 2000, 612, BB 2000, 2037; vom 13.12.2007 - IV R 85/05, BFHE 220, 117, BStBl. II 2008, 516, BB 2008, 1110). Dies ist anzunehmen, wenn die Verpflichtung unmittelbar auf dem Gesetz oder einem besonderen Verwaltungsakt beruht (BFH-Urteil vom 19.5.1983 - IV R 205/79, BFHE 139, 41, BStBl. II 1983, 670). Eine Verpflichtung, die sich allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt, setzt allerdings einen entsprechend konkreten Gesetzesbefehl voraus (BFH-Urteil vom 27.6.2001 - I R 45/97, BFHE 196, 216, BStBl. II 2003, 121, BB 2001, 1893). Das zu fordernde Tun oder Unterlassen muss nicht nur allgemein umschreibbar, sondern hinreichend bestimmbar sein. Es muss durchsetzbar und (von den Fällen mangelnder Einklagbarkeit abgesehen) auch im Klageoder im Wege des Verwaltungsverfahrens verfolgt und vollstreckt werden können (BFHUrteil vom 8.11.2000 - I R 6/96, BFHE 193, 399, BStBl. II 2001, 570, BB 2001, 566). Weiter ist erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung nicht entziehen kann (BFH-Urteil vom 25.3.1992 - I R 69/91, BFHE 168, 527, BStBl. II 1992, 1010).

            ... ist im Streitfall zu bejahen

bb) Der erkennende Senat bejaht nach diesen Grundsätzen trotz fehlender Prüfungsanordnung eine hinreichende Konkretisierung.

Den Umfang der Mitwirkungspflichten der Klägerin im Einzelnen präzisieren § 200 AO und § 8 BpO; das geforderte Tun und Dulden ist dadurch hinreichend bestimmbar. Die Verpflichtung, an einer Betriebsprüfung mitzuwirken, ist auch - entgegen der Auffassung von Horlemann (BB 1984, 2161, 2164) - innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erfüllen; denn die Mitwirkung muss innerhalb der (ggf. gehemmten) Festsetzungsfrist erfolgen; danach ist der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht mehr zur Mitwirkung verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 10.4.2003 - IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl. II 2003, 827, BB 2003, 1774 Ls, m. w. N. zu Ausnahmen). Die Rückstellung ist nach Wegfall der Verpflichtung gemäß § 249 Abs. 3 S. 2 HGB (jetzt: § 249 Abs. 2 S. 2 HGB) aufzulösen (vgl. zur Auflösung von Rückstellungen z. B. BFH-Urteil vom 16.12.2009 - I R 43/08, BFHE 227, 469, BFH/NV 2010, 552, BB 2010, 627, zu Rückstellungen für Steuern und Zinsen).

Die Verpflichtung, die Prüfung zu dulden und an ihr mitzuwirken, kann schließlich bis zu dieser zeitlichen Grenze durch Erlass von Verwaltungsakten durchgesetzt und zuletzt - nach entsprechender Androhung - durch Zwangsgeld vollstreckt werden (vgl. BFHUrteile vom 15.9.1992 - VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76 ; vom 28.10.2009 - VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl. II 2010, 455, BB 2010, 469).

            Höhe der Rückstellung

4. Hinsichtlich der Höhe der Rückstellung macht sich der erkennende Senat die Schätzung der Klägerin zu eigen. Es besteht kein Grund, den Bilanzansatz der Klägerin der Höhe nach in Frage zu stellen, nachdem das FA - nach Rücksprache mit dem FA X, dessen Prüfer die Plausibilität der Schätzung der Klägerin aufgrund der (Vor-)Prüfungen bei der Klägerin und deren Ablauf bestens beurteilen kann - auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts keine Einwendungen gegen die Höhe der Rückstellung erhoben hat. Die Klägerin hat außerdem die erforderliche Abzinsung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27.1.2010 - I R 35/09, BFHE 228, 250, BStBl. II 2010, 478, BB 2010, 950) vorgenommen.

            Auf die Frage, ob der subjektive Fehlerbegriff auch auf die Beurteilung von Rechtsfragen anzuwenden ist, kommt es hier nicht mehr an

5. Da der erkennende Senat die Bildung der Rückstellung für rechtmäßig hält, kommt es auf die weitere Rechtsfrage, ob der subjektive Fehlerbegriff auch auf die Beurteilung von Rechtsfragen anzuwenden ist (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFHE 228, 533, BStBl. II 2010, 739, m. w. N., Az. des Großen Senats des BFH: GrS 1/10), für ihn nicht mehr an.

            Angefochtene Änderungsbescheide und Einspruchsentscheidung sind ersatzlos aufzuheben

6. Weil den angefochtenen Änderungsbescheiden in Gestalt der Einspruchsentscheidung nur die Rückstellung und die sich daraus ergebenden Änderungen der Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuerrückstellung zugrunde liegen und die Betriebsprüfung zu keinen weiteren einkünfterelevanten Prüfungsfeststellungen geführt hat, sind die angefochtenen Änderungsbescheide und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.

            Kostenentscheidung

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 709, § 711 ZPO.

            Zulassung der Revision

III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Der erkennende Senat vertritt eine andere Rechtsauffassung als die Finanzverwaltung in H 5.7 Abs. 4 EStH. Weiter bedarf es der Zulassung der Revision wegen des anhängigen Verfahren GrS 1/10 für den Fall, dass der BFH dem erkennenden Senat nicht darin folgen sollte, dass die Rückstellung objektiv zu Recht gebildet wurde.

            Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren

IV. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird gemäß § 139 Abs. 3 S. 3 FGO für notwendig erklärt.

            Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

V. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 90 Abs. 2 FGO).

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