Hessisches FG: Rückstellung für Verpflichtung zur künftigen Beseitigung von Betriebsanlagen auf einem Pachtgrundstück
Hessisches FG, Urteil vom 21.9.2011 - 9 K 1033/06, Rev. eingelegt (Az. BFH IV R 37/12)
Leitsatz (des Kommentators)
Bei Verlängerung eines Pachtvertrags, der als Ansammlungsrückstellung zu passivierende Entfernungsverpflichtungen enthält, ist die Ansammlungsrückstellung neu zu berechnen und der Rückstellungsbetrag auf den verlängerten Ansammlungszeitraum zu verteilen.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Rückstellungen, die die Klägerin für ihre Verpflichtung zur künftigen Beseitigung von Betriebsanlagen auf einem Pachtgrundstück gebildet hat
Die Klägerin, die mit Wirkung zum 1.1. ... durch Ausgliederung des bisherigen Teilbetriebs ... aus der Fa. Y entstanden ist, betreibt ... die Förderung von Sand und Kies. Eines der Kieswerke befindet sich in ...S ... . Ein mit der Stadt S im Jahr 1962 geschlossener Pachtvertrag wurde im Jahr 1987 bis zum 31.8.1997 verlängert. Nach einer zunächst stillschweigenden Verlängerung des Vertrags wurde am 12.4.1999 ein neuer Pachtvertrag geschlossen, der bis zum 31.12.2014 läuft. Die Pachtverträge beinhalteten jeweils die Verpflichtung, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Anlagen abzubrechen und Rekultivierungsmaßnahmen durchzuführen. Für die Entfernungsverpflichtung wurden in der Vergangenheit Rückstellungen gebildet. Bis zum Ende des Jahres 1997 waren die gesamten voraussichtlichen Kosten - bezogen auf die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag - zurückgestellt.
In den Bilanzen auf den 31.12. der Streitjahre 2000 und 2001 führte die Klägerin die Rückstellungen fort. Dabei ging sie von einem voraussichtlichen Gesamtaufwand in Höhe von ...,-- DM (2000) bzw. ...,-- Euro (2001) aus. Von diesen Beträgen nahm sie im Hinblick auf die ab dem Jahr 1999 gültige gesetzliche Neuregelung der Rückstellungen Abzinsungen vor (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e Einkommensteuergesetz in der Fassung der Streitjahre 2000 und 2001). Die Höhe der Abzinsungen berechnete sie auf der Basis einer Restlaufzeit bis zum 31.12.2002 (Abzinsungsfaktoren von 0,89 bzw. 0,95).
Hinsichtlich des sich aus der Abzinsung der Rückstellung ergebenden Gewinns bildete die Klägerin erstmals in der Bilanz auf den 31.12.1999 eine Rücklage nach § 52 Abs. 16 S. 7 und 10 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Jahres 1999, die sie in den Streitjahren 2000 und 2001 teilweise auflöste.
Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen des Streitjahres 2000 erging im Wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Ab August 2003 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, aufgrund der Verlängerung der Pachtverträge im Jahr 1999 sei eine Neubewertung der Rückstellung erforderlich. Diese nahm er in der Weise vor, dass er zunächst den voraussichtlichen Gesamtaufwand auf die Jahre 1970 bis 2014 (Ende des Pachtverhältnisses) verteilte und so für die Streitjahre 31/45 bzw. 32/45 des unverändert übernommenen Gesamtaufwandes ansetzte. Von diesem Betrag nahm er die Abzinsung vor, wobei er von einer Restlaufzeit von 14 (Abzinsungsfaktor 0,473) bzw. 13 Jahren (0,498 Abzinsungsfaktor) ausging.
Wegen der höheren Abzinsung erhöhte sich auch der Betrag der im Jahr 1999 gebildeten Rücklage nach § 52 Abs. 16 S. 7 und 10 Einkommensteuergesetz (in der Fassung des Jahres 1999) und damit auch der Betrag, um den die Rücklage in den Streitjahren aufgelöst wurde.
Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 30.9.2004 (Bl. 27 und 30 des Sonderbandes für Betriebsprüfungsberichte) verwiesen.
Der Beklagte schloss sich dem an und änderte den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2000 am 6.12.2004. Bezüglich des Streitjahres 2001 erging unter dem gleichen Datum erstmals ein Feststellungsbescheid.
Gegen die Bescheide erhob die Klägerin Einspruch, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 10./15.3.2006, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 128 des Sonderbandes für Betriebsprüfungsberichte und Rechtsbehelfsverfahren), als unbegründet zurückwies.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Sie vertritt im Wesentlichen die Auffassung, der Beklagte habe den Aufwand für die zukünftige Verpflichtung zur Beseitigung der Anlagen zu Unrecht auch auf den Zeitraum der Pachtverlängerung verteilt. Die wirtschaftliche Entstehung der Verpflichtung sei bereits im Jahr 1997 abgeschlossen gewesen, da der Aufwand in die bis zu diesem Zeitpunkt reichende Kalkulation eingeflossen sei. Die spätere Pachtverlängerung stelle eine rechtliche Änderung dar, die auf die wirtschaftliche Entstehung keinen Einfluss gehabt habe. Änderungen der Verhältnisse während des Ansammlungszeitraums könnten sich nur auf die zukünftigen Zuführungsbeträge auswirken. Eine Verminderung der Rückstellung aus diesem Grund sei daher ausgeschlossen.
Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf den Schriftsatz vom 11.5.2006 (Bl. 19 ff. der Akte) verwiesen.
Die Klägerin beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 10.(15.)3.2006 aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2000 und 2001 vom 6.12.2004 zu ändern und den Gewinn in der Höhe festzustellen, die sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Rückstellung von einer Bemessungsgrundlage (vor Abzinsung) von ...,-- DM (2000) bzw. ...,-- Euro (2001) ausgegangen wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Rückstellung für die Entfernungsverpflichtung sei aufgrund der gesetzlichen Neuregelung, die gem. § 52 Abs. 16 S. 9 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Jahres 1999 auch auf bestehende Rückstellungen anwendbar sei, in den Bilanzen auf den 31.12.2000 und 2001 neu zu bewerten. Dabei seien die zum Stichtag gegebenen tatsächlichen Verhältnisse, also auch die Verlängerung des Pachtvertrags, zu berücksichtigen. Durch die Verlängerung des Pachtvertrags sei auch wirtschaftlich der Aufwand für den Abbruch der Betriebsanlagen auf die nunmehr verlängerte Nutzungsdauer der Anlagen zu verteilen.
Dem Senat lagen 1 Band Feststellungsakten, ein Band Bilanzen sowie ein Sonderband für Betriebsprüfungsberichte und Rechtsbehelfsverfahren vor.
Aus den Gründen
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin wendet sich, wie der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, nur dagegen, dass der Beklagte den Rückstellungsbetrag nicht mehr auf der Grundlage der Höhe der voraussichtlichen Gesamtaufwendungen (...,-- DM bzw. ...,-- Euro), sondern lediglich auf der Basis des sog. „Ansammlungsfaktors" von 31/45 bzw. 32/45 des Gesamtbetrags berechnet hat.
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Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Einkommensteuergesetz in der Fassung der Streitjahre 2000 und 2001, der nach § 52 Abs. 16 S. 8 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Jahres 1999 auch auf Rückstellungen anwendbar ist, die bereits zum Ende eines vor dem 1.1.1999 endenden Wirtschaftsjahres gebildet worden sind, sind Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinn der laufende Betrieb ursächlich ist, zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln.
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Nach der Gesetzesbegründung regelt die Vorschrift diejenigen Sachverhalte, bei denen eine am Bilanzstichtag feststehende Verpflichtung -wie im Streitfall die Verpflichtung zum Abriss der Betriebsanlagen- unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die Wirtschaftsjahre verteilt werden muss, in denen der laufende Betrieb des Unternehmens für das Entstehen der Verpflichtung ursächlich ist (vgl. Bundestags-Drucksache 14/443 S. 23 und Kiesel/Lahme in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer § 6 Anm. 1183).
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Für die Entstehung der Verpflichtung zum Abriss der Betriebsanlagen ist der laufende Betrieb nach der Überzeugung des Senats in denjenigen Wirtschaftsjahren ursächlich, in denen die Anlagen zur Förderung von Kies und Sand genutzt werden.
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Da Rückstellungen nur vorläufigen Charakter haben und jährlich neu zu bewerten sind (vgl. Urt. des BFH vom 5.5.2011 - IV R 32/07, BB 2011, 1965 m. BB-Komm. Schulze-Osterloh, Amtlich nicht veröffentlichte Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2011, 1585), sind auch für die Beurteilung des Ansammlungszeitraums die Verhältnisse der jeweiligen Bilanzstichtage der Streitjahre maßgebend.
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Da bereits am 12.4.1999 ein bis zum Jahr 2014 laufender Pachtvertrag geschlossen wurde, war nach der Überzeugung des Senats auch der Zeitraum der Pachtverlängerung (1999 bis 2014) im wirtschaftlichen Sinne ursächlich für die Entstehung der Abrissverpflichtung.
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Der Auffassung der Klägerin, Änderungen der Verhältnisse während des Ansammlungszeitraums könnten sich nur auf zukünftige Zuführungsbeträge auswirken, so dass eine Verminderung der Rückstellung aus diesem Grund ausgeschlossen sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Rückstellungen sind, wie oben dargestellt, zu jedem Bilanzstichtag neu zu bewerten. Die Neubewertung kann aufgrund geänderter Verhältnisse auch zu einem niedrigeren Rückstellungsbetrag führen.
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Zu Recht hat der Beklagte die Höhe der Rückstellung daher auf der Grundlage von 31/45 bzw. 32/45 der Gesamtaufwendungen berechnet.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.