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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
25.05.2022
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Düsseldorf: Round-trip of Cash bei untertägiger Abwicklung über Verrechnungskonten als Gestaltungsmissbrauch

FG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2021 – 7 K 101/18 K,G,F, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 11/22)

ECLI:DE:FGD:2021:1222.7K101.18K.G.F.00

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2022-1265-1

Sachverhalt

Streitig ist, ob eine Einlage der Alleingesellschafterin in die Kapitalrücklage der Klägerin und die anschließende Begleichung von Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen durch die Klägerin gestaltungsmissbräuchlich war und als den Gewinn der Klägerin erhöhender Forderungsverzicht zu behandeln ist.

Die Klägerin ist eine nach dem Recht Panamas gegründete Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer S.A. (Sociedad Anonima) mit Ort der Geschäftsleitung in Deutsch-land. Sie war im Streitjahr 2011 dem A-Konzern zugehörig. Alleingesellschafterin der Klägerin war im Streitjahr die B AG. Die Klägerin war seit dem Jahr 2005 in der ...Baufinanzierung tätig. Im Jahr 2010 wurden die letzten von der Klägerin finanzierten ... ausgeliefert und die Finanzierungen bis in das Folgejahr hinein abgerechnet. Seitdem unterhielt sie keinen aktiven Geschäftsbetrieb mehr und neue Finanzierungen aufgrund neuer Aufträge wurden nicht durchgeführt. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Für die Klägerin wurde ebenso wie für andere Konzerngesellschaften bei der B AG ein Verrechnungskonto im Rahmen des konzernweiten sog. Intercompany Accounting System („ICA“) des A-Konzerns geführt. Die ICA-Konten dienten den Konzerngesellschaften als Mittel der konzerninternen Finanzmittelanlage und Finanzmittelaufnahme und der buchhalterischen Abbildung aller konzerninternen Verrechnungen und Finanzierungen. Über die Konten wurden sämtliche Kapitalüberhänge aus dem Zahlungsverkehr und den konzerninternen Leistungsbeziehungen als darlehensweise Forderungen oder Verbindlichkeiten gegenüber der jeweiligen Konzerngesellschaft bei der B AG gebucht. Soll- und Habensalden auf den bei der B AG geführten ICA-Konten wurden marktgerecht verzinst. Die Konzerngesellschaften waren verpflichtet, in ihrer eigenen Buchhaltung ebenfalls Konten für die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der B AG aus den konzerninternen Verrechnungen und Finanzierungen einzurichten und die Buchungen darauf spiegelbildlich zu den Buchungen auf den bei der B AG geführten ICA-Konten vorzunehmen. Darüber hinaus konnten die Konzerngesellschaften über das sogenannte Cash-Pooling-Verfahren zusätzliche Liquidität von der B AG erhalten oder umgekehrt überschüssige Liquidität an diese übertragen.

Der Jahresabschluss der Klägerin wies zum 31.12.2010 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 15.266.958 Euro aus; die Aktiva bestanden aus Forderungen mit einem bilanzierten Wert von 918.748 Euro. Bis zum 28.12.2011 bestand gegenüber der Alleingesellschafterin eine Verbindlichkeit i.H.v. 12.647.272,54 Euro aus einem unverzinslichen Darlehen, das der Klägerin ursprünglich bereits in den 1980er-Jahren gewährt worden war. Zur Abwendung der bilanziellen Überschuldung durch diese Verbindlichkeit wurden durch die Alleingesellschafterin mehrfach Rangrücktrittserklärungen abgegeben, wonach eine Befriedigung nur verlangt werden durfte, wenn dies aus zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem freien Vermögen der Klägerin möglich ist. Das bei der Alleingesellschafterin für die Klägerin geführte ICA-Konto wies zudem zum 28.12.2011 einen Negativsaldo von 4.723.899 Euro („ICA-Forderung“) zulasten der Klägerin auf, der spiegelbildlich dem Saldo des bei der Klägerin geführten ICA-Kontos entsprach.

Bei der Alleingesellschafterin waren die Forderung aus dem unverzinslichen Gesellschafterdarlehen auf 0 Euro und die ICA-Forderung auf 2.265.689 Euro abgeschrieben.

Bei einem Treffen des „Board of Directors“ der Klägerin wurde am 27.12.2011 festgehalten, dass die Klägerin Liquidität benötige, um ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin zu begleichen, und dass deshalb die Alleingesellschafterin bereit sei, eine Einlage von 17,3 Mio. Euro zu leisten. In der Protokollniederschrift zu dem Treffen („Minutes Of The Meeting“) heißt es hierzu:

„[…] the Chairman informed that the Corporation needs liquidity to pay off its obligations vis-à-vis B AG („B“), and that A is willing to contribute the sum of Seventeen Million Three Hundred Thousand Euros (€ 17,300,000.00) as additional paid in capital or capital surplus of the Corporation.“

Weiter vereinbarte das „Board of Directors“ bei dem Treffen, dass der Einlage durch die Alleingesellschafterin zugestimmt werde und dass mit der neu erhaltenen Liquidität die Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin getilgt werden sollen. Hierzu heißt es in der Protokollniederschrift:

„[…] the Board of Directors, unanimously, adopted the following resolutions:

-        1. To authorize and approve the capitalization of Seventeen Million Three Hundred Thousand Euros (€ 17,000,000.00) contributed by A as additional paid in capital or capital surplus of the Corporation, so that the Corporation has the necessary liquidity to pay of its obligations vis-à-vis A;“

Einen weiteren Tagesordnungspunkt hatte das Treffen nicht.

Am 28.12.2011 um 15:33 Uhr nahm die Klägerin unter der Buchungsnummer 360900091 und dem Verwendungszweck „Einzahlung Kapitalrücklage von B AG“ eine Gutschrift in die Kapitalrücklage i.H.v. 17,3 Mio. Euro mit Gegenbuchung auf dem ICA-Konto vor. Taggleich um 15:37 Uhr erfolgte bei der Klägerin eine weitere Buchung über 12.647.272,54 Euro mit dem Verwendungszweck „Rückzahlung Darlehn an A“, mit der die Verbindlichkeit aus dem Darlehen aus den 1980er-Jahren ausgebucht wurde; die Gegenbuchung erfolgte auf dem ICA-Konto (Buchungsnummer 360900092). In dem die Darlehensvaluta übersteigenden Umfang minderte die Buchung „Einzahlung Kapitalrücklage von B AG“ die Verbindlichkeit der Klägerin auf dem ICA-Konto, das anschließend einen Stand von 71.171,54 Euro zulasten der Klägerin auswies. Zum 31.12.2011 wies der Jahresabschluss der Klägerin ein positives Eigenkapital i.H.v. rund 2.090.871 Euro aus; der Negativsaldo des ICA-Kontos erhöhte sich durch anderweitige Geschäftsvorfälle auf rund 160.220 Euro. Weitere Verbindlichkeiten der Klägerin bestanden zum 31.12.2011 lediglich i.H.v. ca. 6.700 Euro.

Bei einer bei der Klägerin für die Jahre 2010 bis 2013 durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Feststellung, dass in den von der Klägerin im Streitjahr bilanzierten materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern keine stillen Reserven vorhanden gewesen seien und dass – übereinstimmend mit den Angaben der Alleingesellschafterin – für eine Rückzahlung des unverzinslichen Gesellschafterdarlehens keine Perspektive bestanden habe, wenn nicht zuvor die Einlage erfolgt wäre. Weiter gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass es sich bei der durch die Alleingesellschafterin hingegebenen Zahlung in die Kapitalrücklage und der anschließenden Tilgung des Gesellschafterdarlehens und eines Teiles der ICA-Verbindlichkeit wirtschaftlich um einen Forderungsverzicht der Alleingesellschafterin gehandelt habe. Der Zweck der Einlage habe einzig darin bestanden, ein wertloses Darlehen zu tilgen. Eine Entlastung der Bilanz der Klägerin von der nicht mehr werthaltigen Darlehensverbindlichkeit sei durch einen Forderungsverzicht ebenfalls möglich gewesen, der bei der Klägerin eine gewinnerhöhende Ausbuchung der Verbindlichkeit zur Folge gehabt hätte. Anstelle des Forderungsverzichts sei von der Klägerin und ihrer Alleingesellschafterin in gemäß § 42 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestaltungsmissbräuchlicher Weise der Umweg über ein Hin- und Herzahlen gewählt worden. Zur Erreichung des Ziels sei diese gewählte Vorgehensweise unangemessen gewesen. Einer Zahlung in die Kapitalrücklage habe es auch im Hinblick auf die rechtliche Stellung der Gesellschafterin nicht bedurft. Denn aufgrund der Rangrücktrittserklärungen sei das Gesellschafterdarlehen nachrangig gewesen und hätte erst nach den sonstigen Verbindlichkeiten bedient werden müssen, sodass sich die Situation vorher und nachher nicht unterscheide. Eine Verletzung der zivilrechtlichen Finanzierungsfreiheit stelle diese Würdigung des Sachverhalts nicht dar, weil nicht nur isoliert der Teilschritt der Einlage betrachtet werden müsse. Bereits durch die Einlage sei das Ziel der „Positivierung“ des Eigenkapitals und die Vermeidung einer Überschuldung erreichbar und die Klägerin nicht in ihrer Finanzierungsfreiheit eingeschränkt gewesen. Mit dem zweiten Schritt der Darlehensrückzahlung habe die Klägerin in Absprache mit ihrer Gesellschafterin deren Finanzierungsfreiheit hingegen selbst konterkariert, da die der Klägerin zugeführten Mittel wieder entnommen worden seien. Im Ergebnis sei bei der Klägerin kein neues Eigenkapital verblieben, sondern das Fremdkapital sei wie bei einem Forderungsverzicht zu Eigenkapital umgewandelt worden. Beachtliche außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung seien nicht vorhanden gewesen. Die verbuchten Transaktionen seien bloß auf dem Papier erfolgt und hätten die Klägerin weiter wirtschaftlich belastet. Mehrere isoliert betrachtet übliche Rechtsakte seien innerhalb eines Gesamtkonzepts verbunden durchgeführt worden, um das eigentliche Ziel zu erreichen und daneben unerwünschte Steuereffekte zu vermeiden. Die gewählte Vorgehensweise habe sich nicht nur in dem Erhalt von steuerlichen Verlustvorträgen erschöpft, sondern habe der Vermeidung nicht unerheblicher Körperschaft- und Gewerbesteuernachzahlungen gedient. Da der Sachverhalt wie ein Forderungsverzicht zu beurteilen sei, entfalle die Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber ihrer Gesellschafterin aus dem in den 1980er-Jahren gewährten Darlehen vollständig i.H.v. 12.647.272,54 Euro und zugleich entfalle die Verbindlichkeit auf dem ICA-Konto im verbleibenden Umfang der Einlage. Als Folge nahm der Prüfer eine Gewinnerhöhung in Höhe der getätigten Einlage an. Der im Gesellschaftsverhältnis veranlasste Forderungsverzicht führe dabei in Höhe der Werthaltigkeit der Forderungen aus dem unverzinslichen Darlehen und des ICA-Negativsaldos, die der Prüfer mit insgesamt 2.090.871,23 Euro entsprechend der „Positivierung“ des Eigenkapitals zum 31.12.2011 bezifferte, zu einer verdeckten Einlage bei der Klägerin. Der Prüfer gelangte zu Gewinn- und Einkommensänderungen wie folgt:

 

ErhöhungGewinn/Einkommen/Gewerbeertrag

- Forderungsverzicht

17.300.000 Euro

Minderung Einkommen

- verdeckter Einlage

./.2.090.871 Euro

Differenz

 

15.209.129 Euro

 

Der Beklagte (im Folgenden: das Finanzamt –FA–) folgte dem sowie anderweitigen, nicht weiter streitigen Feststellungen und erließ neben einem geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2011 vom 24.04.2017, in dem es den Steuerbilanzgewinn der Klägerin auf 8.154.520 Euro erhöhte (zuvor ./. 6.302.411 Euro), einen entsprechend geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011, in dem statt eines steuerlichen Verlustes laut ursprünglichem Körperschaftsteuerbescheid für 2011 i.H.v. 6.449.800 ein Gesamtbetrag der Einkünfte laut geändertem Körperschaftsteuerbescheid für 2011 (8.766.998 Euro) berücksichtigt wurde. Zugleich erließ es einen geänderten Bescheid zum 31.12.2011 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG, in dem der Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 2.090.871 Euro (zuvor erklärungsgemäß 17.300.000 Euro) festgestellt wurde. In dem geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 vom 24.04.2017 wurde der Gewinn aus Gewerbebetrieb ebenfalls von zuvor ./. 6.449.800 Euro auf nunmehr 8.766.998 Euro erhöht.

Die Einsprüche gegen den geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer für 2011, die geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 und die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 1 KStG sowie gegen den geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 08.12.2017).

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Annahme, dass die gewählte Vorgehensweise gestaltungsmissbräuchlich und deswegen als ein den Gewinn erhöhender Forderungsverzicht zu behandeln sei. Die Voraussetzungen von § 42 AO seien nicht erfüllt. Es sei zunächst anerkannt, dass jeder Steuerpflichtige seine rechtlichen Verhältnisse so gestalten dürfe, dass sich eine möglichst geringe Steuerbelastung ergibt. Es sei umgekehrt kein Steuerpflichtiger verpflichtet, seine Verhältnisse so zu gestalten, dass ein höherer Steueranspruch entsteht. Eine Steuervermeidung sei folgenlos.

Es läge zudem bereits keine Umgehung eines Steuergesetzes vor, insbesondere wer-de § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht umgangen. Ein Forderungsverzicht führe zwar bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zu einer Gewinnerhöhung. Allerdings würden die Gewinnermittlungsvorschriften auch im Streitfall mit der gewählten Vorgehensweise nicht umgangen. Vielmehr fänden sie gerade Anwendung, weil ein Betriebsvermögensvergleich zum 31.12.2011 gegenüber dem Vorjahr eine Differenz von 17,3 Mio. Euro ergebe und dieser Zuwachs jedoch wie von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgesehen außerbilanziell in derselben Höhe um die getätigte Einlage gemindert werde. Diese Rechtsfolge ergebe sich unmittelbar aus dem Steuergesetz, das nach Ansicht des FA umgangen werde. Allenfalls werde die von dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluss vom 09.06.1997 (Aktenzeichen GrS 1/94) entschiedene Frage nach den steuerlichen Folgen eines Forderungsverzichts berührt. Ein Beschluss des Bundesfinanzhofs habe jedoch keinen Gesetzesrang.

Auch sei kein Missbrauch einer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit gegeben. Die Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters habe es der Alleingesellschafterin im Streitfall erlaubt, den gewählten Weg der Eigenkapitalfinanzierung zu gehen. Die Ersetzung von Fremdkapital durch Eigenkapital werde durch die Rechtsprechung ausdrücklich als von der Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters gedeckt angesehen. Folgte man der Auffassung des FA, wäre der Forderungsverzicht die einzige angemessene Sanierungsmaßnahme. Dies sei regelmäßig mit einem Verlust der Wahlfreiheit bei der Finanzierung und der Verwendungsfreiheit verbunden.

In einem Sachverhalt wie dem Streitfall gebe es zudem keine „vorgesehene Steuerlast", weil die Entscheidung darüber, ob Eigenkapital zugeführt oder auf die Rückzahlung eines Darlehens verzichtet wird, weder zivil- noch steuerrechtlich vorgeschrieben sei, sodass die Anwendung von § 42 AO schon tatbestandlich ausscheide.

Auch unter Berücksichtigung des „zweiten Schritts“, der Darlehensbegleichung, stelle die Vorgehensweise keine unangemessene Gestaltung dar, weil hierdurch wirtschaftliche Vorteile eingetreten seien. Denn durch die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit habe sich das Bilanzbild der Klägerin erheblich verbessert, weil sowohl ihre Eigenkapitalquote gestiegen als auch ihr Verschuldungsgrad gesunken seien. Die Bonität der Klägerin sei dadurch erheblich erhöht worden. Zudem sei die Rückzahlung einer fälligen Darlehensverbindlichkeit, sobald die hierzu erforderliche Liquidität wieder hergestellt ist, das Verhalten, das auch ein fremder dritter Gläubiger von seinem Darlehensnehmer fordern würde.

Die gewählte Vorgehensweise stelle darüber hinaus auch keinen „Umweg“ dar. Auch bei einem Forderungsverzicht wäre ein Beschluss der Alleingesellschafterin nötig gewesen und die Abwicklung wäre über das ICA-System erfolgt, um der Klägerin Eigenkapital zuzuführen. Anders als das FA meint, liege in der gewählten Vorgehensweise der einfachere Weg, da mit einer einheitlichen Maßnahme die gewünschte Verbesserung des Bilanzbildes erreicht worden sei. Der vom FA als einfachere Methode angenommene Forderungsverzicht hätte hingegen zwei Maßnahmen erfordert, nämlich die Erklärung eines Forderungsverzichts und eine Kapitalerhöhung im Wege einer Gutschrift über das ICA-System. Überdies komme es für die Anwendung von § 42 AO nicht darauf an, ob eine Maßnahme gewöhnlich oder ungewöhnlich, sondern nur, ob sie angemessen ist.

Eine Unangemessenheit scheide auch deshalb aus, weil der Gesetzgeber bestimmte Fälle des Hin- und Herzahlens gesetzlich geregelt habe, so unter anderem in § 19 Abs. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Dem entspreche auch die Rechtsprechung des BFH, der mehrfach entschieden habe, dass das Hin- und Herzahlen von Beträgen im Rahmen des sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahrens und (umgekehrt) im Rahmen des sog. Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens Gestaltungen seien, die im Hinblick auf § 42 AO grundsätzlich als unbedenklich zu qualifizieren sind. Der dabei angelegte Maßstab, dass die Transaktion „rechtlich und faktisch sauber“ sein müsse, sei im Streitfall beachtet worden. So seien die Beschlüsse für die Zahlung in die Kapitalrücklage und die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit ordentlich gefasst und tatsächlich umgesetzt worden.

Das vom Gesellschaftsrecht vorgesehene Vorgehen, Einzahlungen in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, etwa durch Nachschüsse gemäß § 26 GmbHG, um der Gesellschaft die Ablösung betrieblicher Verbindlichkeiten zu ermöglichen, widerspreche zudem nicht den Wertungen des Rechts, sondern entspreche ihnen vielmehr.

Unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20.07.2018 (Aktenzeichen IX R 5/15) sei es nach Ansicht der Klägerin auch nicht entscheidend, dass im Streitfall keine tatsächlichen Zahlungsflüsse stattgefunden haben. Hierauf komme es nicht an, zumal Systeme wie das ICA-System in Konzernen anerkannt seien. Die Alleingesellschafterin habe eine über das ICA-System abgebildete Forderung gegen sich selbst in die Klägerin eingelegt, sodass diese eine Eigenkapitalzuführung erfahren habe. Angesichts der wirtschaftlich starken Position der Alleingesellschafterin sei diese Forderung werthaltig gewesen. Da das Gesellschaftsrecht auch Sacheinlagen kenne, könne es keinen Unterschied machen, ob im Rahmen des ICA-Systems Guthaben in die Klägerin eingelegt oder ihr Bankguthaben transferiert wird. Die Alleingesellschafterin sei auch bei der gewählten Vorgehensweise – wie bei einem tatsächlichen Mittelabfluss – wirtschaftlich belastet. Durch das ICA-System sei der Klägerin von der Alleingesellschafterin – gleichsam einer Bank – Liquidität zur Verfügung gestellt worden.

Das FA könne sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung nicht auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg vom 13.04.2010 (Aktenzeichen 6 K 53/06) stützen. Der Streitfall unterscheide sich von dem im jenem Urteil entschiedenen Sachverhalt, in dem der Alleingesellschafter „seiner“ GmbH Darlehen gewährt hatte und in einer späteren Beschlussurkunde, in der er sich zwecks Vermeidung der Überschuldung der GmbH zu einer Einlage verpflichtete, zugleich die Aufrechnung des Einzahlungsanspruchs der GmbH mit den Darlehensverbindlichkeiten erklärte. Im Streitfall seien zwei zeitlich auseinanderfallende Rechtsgeschäfte vereinbart und vollzogen worden. Die Transaktion habe nicht bloß auf dem Papier stattgefunden, sondern es seien tatsächlich Gutschriften erfolgt und über das ICA-System abgebildet worden.

Schließlich lägen außersteuerliche Gründe für die gewählte Vorgehensweise vor. Ins-besondere habe die Gestaltung die Beseitigung der handelsbilanziellen Überschuldung im Vorfeld der bevorstehenden Bilanzveröffentlichung der Alleingesellschafterin und die nachhaltige Liquiditätsverbesserung der Klägerin als Ziel gehabt. Der gewählte Weg habe auch nicht der Erlangung eines Steuervorteils gedient, sondern habe lediglich den steuerlichen Ist-Zustand bewahrt, ohne zu einem zusätzlichen und nicht gerechtfertigten Steuervorteil zu führen.

Überdies sei im Rahmen der 63. Steuerlichen Jahresarbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht im Mai 2012 ein Praxisfall diskutiert worden, der dem Streitfall in seinen zentralen Punkten entspreche. Bei der Diskussion des Falles sei ein Gestaltungsmissbrauch nicht nur von dem als steuerlicher Berater tätigen Diskussionsleiter, sondern auch von einem angesehenen Richter des BFH, einem renommierten Finanzbeamten und von einem angesehenen Hochschullehrer verneint worden.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, dass das Einkommen und der Gewerbeertrag um 15.209.129 Euro gemindert werden, der Verlust zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2011 um diesen Betrag erhöht wird und der Betrag nach § 27 Abs. 2 KStG ebenfalls um 15.209.129 Euro erhöht wird;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Es hält § 42 AO dem Grunde nach für anwendbar, weil die „Umgehung des Steuergesetzes“ nicht eine einzelne Rechtsnorm meine, sondern das Gesetz als Ganzes. Die gewählte Vorgehensweise sei ungewöhnlich und zur Erreichung des definierten Ziels unangemessen gewesen. Das Ziel der Beseitigung der handelsbilanziellen Überschuldung hätte durch einen einfachen Forderungsverzicht erreicht werden können. Die „Zuführung“ in die Kapitalrücklage durch eine lediglich buchungstechnische Gutschrift auf dem ICA-Konto und die unmittelbar anschließende Verrechnung mit Verbindlichkeiten seien hingegen ungewöhnlich gewesen und hätten alleine der Steuerminderung gedient. Durch beachtliche außersteuerliche Gründe sei die Gestaltung nicht zu rechtfertigen gewesen. Die Unangemessenheit der Gestaltung folge daraus, dass lediglich ein auf dem Papier vollzogenes Hin- und Herzahlen stattgefunden habe, die Alleingesellschafterin wirtschaftlich aber nicht belastet worden sei. Es habe lediglich eine Verrechnung der Einlageforderung mit der nicht mehr werthaltigen Verbindlichkeit aus dem Gesellschafterdarlehen und dem negativen Saldo des ICA-Kontos gegenüber der Alleingesellschafterin stattgefunden. Es läge insoweit kein dem Urteil des FG München vom 27.10.2009 (Aktenzeichen 6 K 3941/06) vergleichbarer Sachverhalt vor, der wegen der Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters für unbedenklich beurteilt worden sei. Denn in jenem Sachverhalt sei der leistende Gesellschafter durch die Zuführung tatsächlicher Barmittel wirtschaftlich belastet gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FA hat den Vorgang der Einlage in die Kapitalrücklage der Klägerin und die anschließende Tilgung des Gesellschafterdarlehens und der Verbindlichkeit aus dem ICA-System zutreffend als Forderungsverzicht behandelt und das Einkommen und den Gewerbeertrag der Klägerin um 15.209.129 Euro erhöht.

1. Soweit sich die Klägerin gegen den geänderten Bescheid vom 24.04.2017 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 wendet, ist die Klage schon nach Maßgabe von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG unbegründet. Als Folge der gesetzlichen Neukonzeption zu dem Verhältnis zwischen Steuerfestsetzungsbescheiden zu Verlustfeststellungsbescheiden mit dem Jahressteuergesetz 2010 sind Klagen, die einzig mit dem Einwand erhoben werden, dass bei der Feststellung des vortragsfähigen Verlustes ein zu hoher Gesamtbetrag der Einkünfte zugrunde gelegt worden sei, gegen den Festsetzungsbescheid zu richten, aus dem der Gesamtbetrag der Einkünfte für Feststellungszwecke gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG übernommen worden ist. Hierdurch ist eine Geltendmachung dieses Einwands durch Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheids – wie im Streitfall – ausgeschlossen.

2. Die Klage ist auch im Übrigen unbegründet. Die von der Klägerin und ihrer Alleingesellschafterin gewählte Vorgehensweise einer Einlage in die Kapitalrücklage mit anschließender Tilgung von Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrer Alleingesellschafterin stellt einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO dar und war bei der Klägerin wie ein Forderungsverzicht der Alleingesellschafterin zu behandeln.

a) Nach § 42 Abs. 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden (Satz 1). Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (Satz 2). Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs i.S.v. § 42 Abs. 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (Satz 3). Gemäß § 42 Abs. 2 AO liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt, es sei denn, dass für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Dabei führt nicht bereits das Motiv, eine Steuerersparnis zu erzielen, dazu, dass eine steuerliche Gestaltung unangemessen ist. Die Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (vgl. BFH-Urteile vom 07.12.2010 IX R 40/09, Bundessteuerblatt –BStBl.– II 2011, 427; vom 29.05.2008 IX R 77/06, BStBl. II 2008, 789; vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648). Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist der einfachste rechtliche Weg regelmäßig der angemessene, wohingegen unangemessene Rechtsgestaltungen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u.ä. sind (BFH-Urteil vom 19.08.1999 I R 77/96, BStBl. II 2001, 43). Hat eine Gestaltung überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck, kann sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Dies kann dann gegeben sein, wenn durch mehrere sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisierende Geschäfte lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn mit den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Gestaltung die Wirkungen einer gegenläufigen Gestaltung kompensiert werden sollen und sich die zur Kompensation gewählte Gestaltung deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist (vgl. BFH-Urteil vom 12.07.2012 I R 23/11, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 2012, 1901). Eine Gestaltung ist daher dann unangemessen, wenn sie nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht (BFH-Urteile vom 19.08.1999 I R 77/96, BStBl. II 2001, 43; vom 19.05.1993 I R 124/91, BStBl. II 1993, 889; vom 23.10.1996 I R 55/95, BStBl. II 1998, 90).

b) Nach diesen Maßstäben ist bei der gewählten Vorgehensweise ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 Abs. 2 AO darin zu sehen, dass die Alleingesellschafterin der Klägerin eine lediglich – über das ICA-System – buchhalterisch vollzogene Einlage von Geldmitteln in die Kapitalrücklage der Klägerin leistet, um ihr gemäß des zugleich gefassten Entschlusses eine unmittelbar der Einlage folgende und ebenfalls nur buchhalterisch vollzogene Tilgung von zuvor gewährten Darlehen mit den zugeführten Geldmitteln zu ermöglichen. Die Vorgehensweise diente lediglich der Vermeidung der vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge bei einem Verzicht eines Gesellschafters auf seinen Rückzahlungsanspruch aus einem der Gesellschaft hingegebene Darlehen und stellt sich als eine unangemessene Gestaltung mit dem alleinigen Ziel der Steuerminderung dar, die nicht durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt war.

aa) Verzichtet ein Gläubiger auf die Rückzahlung einer wertlos gewordenen Forderung aus einem an eine buchführende Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen, führt dies zu einem Wegfall der passivierten Verbindlichkeit bei der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft und zu einer Mehrung ihres Betriebsvermögens. Die Betriebsvermögensmehrung infolge des Wegfalls der bisher passivierten Verbindlichkeit ist buchhalterisch durch deren Ausbuchung abzubilden und führt bei der Gesellschaft handelsrechtlich zu einem Ertrag oder – wenn es sich bei dem verzichtenden Gläubiger um einen Gesellschafter der Gesellschaft handelt und eine entsprechende Zweckbestimmung getroffen wurde – zu einer erfolgsneutralen Einstellung in die Kapitalrücklage. Für steuerrechtliche Zwecke richten sich die Folgen eines im Gesellschaftsverhältnis veranlassten Verzichts eines Gesellschafters auf die Rückzahlung einer gegenüber der Kapitalgesellschaft bestehenden Darlehensforderung nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG nach der Werthaltigkeit der Forderung. Im Umfang des noch werthaltigen Teils der Forderung liegt eine verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft vor, die mit dem Teilwert anzusetzen und außerhalb der Bilanz in Abzug zu bringen ist. In Höhe der Differenz zwischen dem steuerlich bilanzierten Wert der Verbindlichkeit – regelmäßig dem Nennwert – und ihrem Teilwert entsteht hingegen ein Gewinn bei der Kapitalgesellschaft (BFH-Beschlüsse vom 09.06.1997 GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 und vom 16.05.2001 I B 143/00, BStBl. II 2002, 436; BFH-Urteile vom 15.10.1997 I R 58/93, BStBl. II 1998, 305 und vom 31.05.2005 I R 35/04, BStBl. II 2006, 132; Roser, in Gosch, KStG, 4. Auflage 2020, § 8 Rn 118).

Übertragen auf den Streitfall hätte ein am 28.12.2011 vereinbarter Verzicht der Alleingesellschafterin der Klägerin auf ihre Rückzahlungsansprüche aus dem unverzinslichen Gesellschafterdarlehen und der Forderung aus dem negativ valutierenden ICA-Konto bei der Klägerin zu einem Gewinn in Höhe der Werthaltigkeit dieser Forderungen geführt. Soweit das FA eine Werthaltigkeit der Forderungen der Alleingesellschafterin in der Höhe angenommen hat, in der der zum 31.12.2010 nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag von ca. 15,3 Mio. Euro beseitigt wurde und sich ein positiver Eigenkapitalausweis zum 31.12.2011 i.H.v. 2.090.871 Euro ergeben hat, und dies der Bewertung der verdeckten Einlage zugrunde gelegt hat, folgt der Senat dieser Bewertung, die auch von der Klägerin nicht angegriffen wurde. Denn den Forderungen kann aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Klägerin jedenfalls kein höherer Teilwert beigemessen werden, weil die Klägerin über keine ausreichenden Vermögenswerte zur Bedienung dieser – aus ihrer Sicht – Verbindlichkeiten verfügte. Ein Unterschreiten des vom FA angenommenen Teilwerts durch das Gericht ist zudem nicht möglich, weil dies mit einer Erhöhung des Gewinns zulasten der Klägerin verbunden wäre.

bb) Mit der gewählten Vorgehensweise wurden die steuerrechtlichen Folgen eines Forderungsverzichts vermieden.

Soweit die Klägerin meint, in der gewählten Gestaltung läge bereits keine Umgehung eines Steuergesetzes, weil die Gewinnermittlungsvorschriften für den Betriebsvermögensvergleich beachtet und im Streitfall auch angewendet worden seien, ist dem nicht zu folgen. Die „Umgehung eines Steuergesetzes“ ist dabei schon keine tatbestandliche Voraussetzung für die Anwendung von § 42 Abs. 1 Satz 3 AO. Wenn es in § 42 Abs. 1 Satz 1 AO heißt, „Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden“, beschreibt dies lediglich die zentrale und programmatische Aussage der Missbrauchsverhinderungsvorschrift § 42 AO, mit der die „Rechtsgeltung und die Durchsetzbarkeit des Regelungsinhaltes einer Norm aus eigener Kraft" bezweckt wird (BFH-Urteil vom 19.12.2001 X R 41/99, BFH/NV 2002, 1286). Es soll hierdurch zum Ausdruck gebracht werden, dass die Erfüllung des Tatbestands begünstigender Normen nicht durch inkriminierte Gestaltungen herbeigeführt und umgekehrt die Erfüllung des Tatbestands belastender Steuernormen durch inkriminierte Gestaltungen nicht vermieden werden kann (vgl. Wendt, DStJG, Band 33 (2010), 117, 125). Zu einer solchen Tatbestandsvermeidung kam es jedoch im Streitfall gerade durch die Einlage in die Kapitalrücklage der Klägerin und der anschließenden Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten mit den erhaltenen Einlagemitteln. Denn die von den steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften vorgesehene Rechtsfolge, dass bei einem Wegfall einer Darlehensverbindlichkeit durch einen Verzicht des Darlehensgläubigers ein Gewinn bei dem buchführenden Darlehensnehmer entsteht, wurde dadurch vermieden, dass die Alleingesellschafterin der Klägerin als deren bedeutsamster Gläubiger von einem Verzicht absehen konnte, weil sie der Klägerin zuvor eigene Mittel zur Verfügung gestellt hatte, die zur rechtlichen Erfüllung der Forderungen, auf deren Rückzahlungen zu verzichten gewesen wäre, notwendig waren. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus den gesetzlichen Gewinnermittlungsvorschriften in §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG und den dort verwendeten Begriffen des Gewinns und des Betriebsvermögensvergleichs. Aus diesem Grund liegt in der gewählten Gestaltung auch nicht lediglich die Umgehung der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 09.06.1997 (GrS 1/94). Denn mit dieser Entscheidung hat der BFH letztlich nur die durch §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgesehene Rechtsfolge, dass bei Wegfall einer bilanzierten Verbindlichkeit ein Gewinn entsteht, näher konkretisiert.

cc) Zur Erreichung des laut Klägerin angestrebten wirtschaftlichen Ziels war die gewählte Vorgehensweise auch unangemessen. Sie diente einzig der Vermeidung der Besteuerungsfolgen bei der Klägerin, die bei einer angemessenen Gestaltung eingetreten wären.

(1) Für das nach Angaben der Klägerin zu erreichende Ziel, sie von ihrer Überschul-dung zu befreien, wäre die rechtlich und wirtschaftlich naheliegende und damit als grundsätzlich angemessen zu erachtende Maßnahme gewesen, dass ihre Alleingesellschafterin auf ihre Rückzahlungsansprüche verzichtet. Es wäre für die Alleingesellschafterin dann nicht notwendig gewesen, der Klägerin weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Hierdurch wäre auch mit einem Rechtsakt die Überschuldungssituation beseitigt und der Verschuldungsgrad der Klägerin gesenkt worden, weil die Klägerin hierdurch von sämtlichen Verbindlichkeiten – mit Ausnahme der betragsmäßig unwesentlichen anderen Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 6.700 Euro – frei geworden wäre. Denn neben diesen betragsmäßig unwesentlichen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten bestanden nur die Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin der Klägerin. Es wäre hierdurch überdies auch den Wertungen des Gesetzes entsprochen worden, nach denen bei einem Freiwerden von einer Verbindlichkeit durch einen Verzicht des Gläubigers die damit einhergehende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ebenso der Besteuerung unterliegen soll wie grundsätzlich jede andere Mehrung des Betriebsvermögens auch.

Ein so zum Zwecke der Verbesserung des Bilanzbildes vereinbarter Forderungsverzicht wäre zudem auch unter Einstellung in die Kapitalrücklage der Klägerin erreichbar gewesen. Nach handelsrechtlichen Maßgaben ist dies zulässig und hätte für handelsrechtliche Zwecke – auf die es für das erstrebte Ziel der Klägerin nur ankommen kann – bei einer dahingehenden Zweckbestimmung nicht zu einem außerordentlichen Ertrag, sondern zu einer Zuzahlung in die Kapitalrücklage geführt (vgl. Störk/Kliem/Meyer, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 272 HGB Rn 195 f.). Zweck der hingegen im Streitfall gewählten Vorgehensweise über eine Einlage und eine Begleichung der Verbindlichkeiten kann insoweit nur gewesen sein, bei der Klägerin eine aus dem verbleibenden Abwicklungsvermögen zu zahlende Steuerlast zu vermeiden und bei der Alleingesellschafterin Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der Klägerin durch Buchung einer Kapitalzuführung zu erzeugen.

Soweit die Klägerin darüber hinaus vorträgt, die gewählte Gestaltung aus Gründen der Verbesserung des Bilanzbildes gewählt und hierdurch die Parameter für positive Bilanzkennzahlen herbeigeführt und ihre Bonität gesteigert zu haben, ist dies nicht überzeugend. Denn die Klägerin befand sich im Streitjahr 2011 bereits in einer Phase der Abwicklung ihres Geschäftsbetriebs, weil sie letztmalig im Jahr 2010 ihrem Unternehmensgegenstand der ...Baufinanzierung aktiv nachgekommen ist und in der Folgezeit nur noch mit der Abrechnung vergangener Finanzierungen beschäftigt war. Es erschließt sich deshalb nicht, weshalb die Klägerin dann zum Ende des Streitjahres 2011 ein beachtliches Interesse an der Aufbesserung des Bilanzbildes oder einer Steigerung ihrer Bonität gehabt haben soll, weil es sich hierbei üblicherweise um Zielsetzungen handelt, um perspektivisch am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können.

Überzeugende Gründe dafür, dass die Klägerin und ihre Alleingesellschafterin aus wirtschaftlichen oder Praktikabilitätsgründen nicht den Weg über den Forderungsverzicht gewählt haben, sind nicht erkennbar. Soweit die Klägerin vorträgt, auch bei einem Forderungsverzicht seien ein Beschluss und eine Gutschrift über das ICA-System notwendig gewesen, um ihr weiteres Eigenkapital zuzuführen, ist dem nicht zu folgen. Während in der gewählten Gestaltung neben dem Beschluss des „Board of Directors“ vom 27.11.2011 auch eine Entscheidung der Alleingesellschafterin über die Einlageleistung (vgl. die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses bei einer GmbH gemäß § 26 Abs. 1 GmbHG) erfolgen musste, hätte es für einen Wegfall der Forderungen und eine Erhöhung des Eigenkapitals jedenfalls nicht mehrerer Rechtsakte bedurft. Anstelle einer Einlagehandlung und einer Darlehensrückzahlung hätte ein auf Erlass der Verbindlichkeiten gerichtetes Rechtsgeschäft genügt, mit dem zugleich auch eine etwaige Zweckbestimmung zur Einstellung in die Kapitalrücklage hätte getroffen werden können. Einer mehraktigen Buchung auf dem ICA-Konto der Klägerin, wie es im Streitfall mit der Gegenbuchung zu der Einlage und der anschließenden Gegenbuchung zu der Darlehensrückzahlung erfolgt ist, hätte es nicht bedurft.

(2) Die Unangemessenheit der Gestaltung im Streitfall zeigt sich zudem dadurch, dass eine wirtschaftliche Veränderung weder bei der Klägerin noch ihrer Alleingesellschafterin eingetreten ist. Vielmehr handelte es sich letztlich um wirtschaftlich gegenläufige und in ersichtlich zeitlicher Nähe erfolgte Vorgänge, bei denen der Klägerin auf ihrem Konto im ICA-System ein Betrag gutgeschrieben wurde, nur um diesen Betrag anschließend wenige Minuten später unter anderer Bezeichnung wiederum der Alleingesellschafterin zurück gutzuschreiben und die Klägerin zwischenzeitlich von ihren Verbindlichkeiten zu befreien. Gegenläufige Zahlungen, die die wirtschaftliche Position der hieran Beteiligten nicht verändern, stellen indes ein zentrales Indiz für eine unangemessene Gestaltung dar (vgl. BFH-Urteile vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648 und vom 29.08.2007 IX R 17/07, BStBl. II 2008, 502; FG Niedersachsen, Urteil vom 26.09.2012 2 K 13510/10, GmbH-Rundschau –GmbHR– 2013, 613), weil sie sich in ihrer Wirkung neutralisieren. So verhielt es sich im Streitfall. Denn die erste Maßnahme der gewählten Gestaltung – Zuführung von Eigenkapital – wurde unmittelbar durch Gegenbuchung auf dem ICA-Konto und Verrechnung mit dem dortigen negativen Saldo und danach durch die zweite Maßnahme – Gutschrift auf die Darlehensverbindlichkeit – in ihrem wirtschaftlichen Gehalt revidiert. Als wirtschaftliches Ergebnis der lediglich buchhalterisch vollzogenen Vorgänge hat die Alleingesellschafterin nur ihre überwiegend wertlosen Rückzahlungsansprüche in die Klägerin eingebracht, ohne dass es für die Klägerin zu einer wirtschaftlichen Besser- oder Schlechterstellung kam.

(3) Eine Angemessenheit der gewählten Vorgehensweise ergibt sich auch nicht dar-aus, dass das Gesellschaftsrecht Fälle des „Hin- und Herzahlens“, namentlich in § 19 Abs. 5 GmbHG, sowie nachträgliche Leistungen in das Eigenkapital, namentlich in § 26 GmbHG, vorsieht.

Dabei liegt bei der im Streitfall gewählten Abwicklung mittels des ICA-Systems bereits schon kein „Hin- und Herzahlen“ vor, weil sich die Einlage und die anschließende Tilgung des Gesellschafterdarlehens mangels tatsächlichen Geld(mittel)flusses vielmehr lediglich als „Hin- und Herbuchen“ darstellen. Darüber hinaus liegt mit der zuerst erfolgten Buchung der Einlage in die Kapitalrücklage der Klägerin i.H.v. 17,3 Mio. Euro mit zeitgleicher Gegenbuchung auf dem ICA-Konto auch schon kein „Hin- und Herbuchen“ vor. Denn vielmehr wurde mit der Gegenbuchung der bis dahin negative Saldo des ICA-Kontos positiv und es fand im Umfang des vorherigen Negativsaldos unmittelbar nur eine Verrechnung auf dem ICA-Konto statt.

Soweit die Klägerin zur Darlegung der Angemessenheit der Gestaltung im Streitfall auf die Regelungen in § 19 Abs. 5 und § 26 GmbHG Bezug nimmt, bedarf es zunächst keiner Entscheidung darüber, ob Regelungen des GmbHG und die diesen Regelungen zugrundeliegenden Wertungen auf die Klägerin, die keine GmbH, sondern eine Kapitalgesellschaft panamaischen Rechts ist, überhaupt unmittelbar Anwendung finden. Denn dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen und Rechtsfolgen bestimmter Fälle des „Hin- und Herzahlens“ gesetzlich geregelt hat, führt nicht zur steuerrechtlichen Anerkennung jedweder Sachverhalte, in denen Geldmittel zwischen Gesellschaft und Gesellschafter „hin- und hergezahlt“ werden.

Mit Einfügung von § 19 Abs. 5 GmbHG hat der Gesetzgeber insbesondere nur die bis dahin eintretenden Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen bei vorabgesprochenen „Hin- und Herzahlungen“ zwischen Gesellschafter und Gesellschaft beschränken und ein ökonomisch sinnvolles „Hin- und Herzahlen“ im Rahmen eines Cash Pooling ermöglichen wollen, weil dies aus Gläubigersicht unbedenklich erscheint (vgl. Bundestags-Drucksachen –BT-Drs.– 16/6140, 34, 40; Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 10. Auflage 2021, § 19 Rn 122). Mit der gesellschaftsrechtlichen Anerkennung von Geldflüssen in diesen Sachverhalten hat der Gesetzgeber also gerade nur einen als regelungswürdig erachteten Sonderfall des „Hin- und Herzahlens“ als zulässig erfassen wollen. Hinzu kommt, dass in Fällen von § 19 Abs. 5 GmbHG durch die tatbestandliche Voraussetzung eines vollwertigen Rückgewähranspruchs gerade gesichert wird, dass die Einlageleistung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach bei der Gesellschaft verbleibt. So lag es im Streitfall gerade nicht, weil die eingelegten Mittel unmittelbar nach der Einlageleistung an die Alleingesellschafterin der Klägerin zurückgebucht wurden und wie von Anfang an beabsichtigt nicht bei der Klägerin verbleiben sollten.

Auch § 26 GmbHG eignet sich weder zur generellen Rechtfertigung von „Hin- und Herzahlungen“ zwischen Gesellschaft und Gesellschafter noch zur steuerlichen Anerkennung der Vorgehensweise im Streitfall. Dabei ist zwar anzuerkennen, dass Gesellschafter nachschusspflichtig sein oder auch freiwillig Nachschüsse leisten können. Indes ist auch die Rückzahlung von den als Nachschuss bezeichneten Gesellschafterbeiträgen im Anwendungsbereich von § 26 GmbHG zunächst nur unter den besonderen Voraussetzungen von § 30 Abs. 2 GmbHG und nicht als stets zulässige Vorgehensweise anerkannt. Eine Rückzahlung von Gesellschafterbeiträgen ist danach nur zulässig, wenn sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich ist und wenn sie nach Ablauf von drei Monaten erfolgt, nachdem ein Rückzahlungsbeschluss bekanntgemacht worden ist. Die Sperrfrist, die ihrem Zweck nach Gesellschaftsgläubigern die Wahrung ihrer Rechte ermöglichen soll (Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 30 Rn 71), wäre im Streitfall schon nicht eingehalten worden.

Hinzu kommt, dass die in § 26 GmbHG geregelte Zahlung von Gesellschafternachschüssen und die in § 30 GmbHG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässige Rückzahlung von Nachschüssen ersichtlich nicht die Rückzahlung von Fremdkapital in Gestalt von Darlehensverbindlichkeiten mit den nachgeschossenen Geldmitteln erfassen, sondern die Rückzahlung des zuvor mit den Nachschüssen erhöhten Eigenkapitals.

dd) Soweit das FG München in dem mit Urteil vom 27.10.2009 (Aktenzeichen 6 K 3941/06, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2010, 462) entschiedenen Sachverhalt einen Gestaltungsmissbrauch abgelehnt und dabei maßgeblich darauf abgestellt hat, dass das Steuerrecht an die zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Gesellschafterfinanzierung anknüpfe und ebenfalls von einer steuerrechtlichen Finanzierungsfreiheit ausgehe, steht dies nicht im Widerspruch zu der Bewertung der im Streitfall gewählten Vorgehensweise als gestaltungsmissbräuchlich i.S.v. § 42 Abs. 2 AO.

Insbesondere wird die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter, nach der es einem Gesellschafter freisteht, seine Gesellschaft entweder mit Eigen- oder mit Fremdkapital zu finanzieren (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.1992 I R 127/90, BStBl. II 1992, 532), nicht in Abrede gestellt oder eingeschränkt. Denn die Versagung der steuerlichen Anerkennung folgt im Streitfall nicht schon daraus, dass die Alleingesellschafterin der Klägerin formal Eigenkapitalmittel anstelle von Fremdkapitalmitteln zur Verfügung gestellt hat. Der Gestaltungsmissbrauch liegt nicht in diesem von der Finanzierungsfreiheit erfassten Einzelschritt, mit dem das Bilanzbild der Klägerin bereits verbessert und deren Eigenkapitalquote unter Minderung des Verschuldungsgrades erhöht worden wäre. Der Gestaltungsmissbrauch ergibt sich vielmehr zusammen mit dem sich anschließenden zweiten Teilschritt der Darlehensrückgewähr mittels der unmittelbar zuvor gewährten Einlagemittel und der Abwicklung sämtlicher Teilschritte nur als zeitlich kurz hintereinander vorgenommene Buchungsvorgänge im konzerninternen ICA-System. Erst in dieser Gesamtschau wird die gesetzlich vorgesehene Folge beim Wegfall einer Darlehensverbindlichkeit durch Verzicht eines Gläubigers umgangen und der Gestaltungsmissbrauch offenbar.

Dabei kann sich die Klägerin im Hinblick auf die zeitgleich mit der Einlage erfolgte Verrechnung mit dem negativen Saldo auf dem ICA-Konto und der anschließenden Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit auch deshalb nicht auf den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit berufen, weil es von vornherein nicht beabsichtigt war, die Klägerin durch das Zuführen von Geld oder geldeswerten Mitteln zu finanzieren. Ersichtlich bestand kein Interesse der Alleingesellschafterin, die Klägerin für deren betrieblichen Zwecke mit Eigenkapital zu versorgen. Denn zugleich mit der Entscheidung der Alleingesellschafterin, einen Betrag von 17,3 Mio. Euro als „additional paid in capital or capital surplus" in die Kapitalrücklage der Klägerin zu leisten, hat die Klägerin die Verwendung dieses Geldes in Gestalt der Rückzahlung an die Alleingesellschafterin beschlossen. Es stand hierdurch von vornherein bereits fest, dass die für die vermeintliche Kapitalausstattung geleisteten Mittel unmittelbar an die Alleingesellschafterin zurückfließen und nicht bei der Klägerin verbleiben.

Ein Vergleich des Streitfalls mit dem durch das FG München entschiedenen Sachverhalt scheidet auch deshalb aus, weil in jenem Sachverhalt nicht nur Buchungsvorgänge innerhalb eines konzerninternen Verrechnungssystems vorgenommen wurden, sondern die einlegenden Gesellschafter nach den Urteilsfeststellungen tatsächliche Geldeinlagen erbracht und reale Geldbeträge eingezahlt haben. Damit ist keine Aussage darüber getroffen, dass bereits die Verwendung von in Unternehmensgruppen anzutreffenden konzerninternen Verrechnungssystemen zu einem Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 Abs. 2 AO führt oder auch nur den Verdacht eines Gestaltungsmissbrauchs nahelegt. Solche Verrechnungssysteme sind rechtlich und rechtspraktisch anerkannt. Indes ist nicht zu verkennen, dass die Gesellschafter in jenem durch das FG München entschiedenen Sachverhalt durch Bewirkung einer tatsächlichen Geldeinlage wirtschaftlich belastet waren, während die Alleingesellschafterin der Klägerin im Streitfall ihre Einlage nur buchhalterisch vollzogen hat und hierdurch wirtschaftlich nicht belastet war. Zudem hatten die Gesellschafter in dem durch das FG München entschiedenen Sachverhalt den Urteilsfeststellungen zufolge ihre Geldeinlage auch fremdfinanziert und waren deshalb zusätzlich dadurch wirtschaftlich belastet, dass sie Rückzahlungsansprüchen der außenstehenden Kapitalgebern ausgesetzt waren. Anders lag es im Streitfall, bei dem keine Fremdfinanzierung der eingelegten Mittel erfolgte. Hinzu kommt, dass in jenem Sachverhalt die Einlagemittel einem denkbaren Vollstreckungszugriff fremder – d.h. nicht mit der dortigen Gesellschaft verbundener – Gläubiger unterlagen, weil die Einlage nicht nur innerhalb eines konzerninternen Verrechnungssystems mittels einer Buchung erfolgte, sondern durch Geldüberweisung auf ein externes Bankkonto der Gesellschaft bei einem Kreditinstitut geleistet wurden. Selbst bei einem nur kurzzeitigen Verbleib der Mittel auf dem Bankkonto hätte sich ein etwaiges Pfändungspfandrecht am Kontoguthaben zugunsten anderer Gläubiger auswirken können. Ein solcher Vollstreckungszugriff bestand im Streitfall wegen der nur buchhalterisch erfolgten Abwicklung der Gestaltung zu keinem Zeitpunkt.

ee) Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BFH vom 20.07.2018 (Aktenzeichen IX R 5/15, BStBl. II 2019, 194), wonach ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nicht vorliegt, wenn die zu gleichen Teilen beteiligten Gesellschafter einer GmbH in gleicher Höhe Einzahlungen in das Gesellschaftsvermögen leisten, damit die GmbH ihre gegenüber nicht mit den Gesellschaftern identischen Gläubigern bestehenden betrieblichen Verbindlichkeiten, für die sich die einlegenden Gesellschafter verbürgt hatten, ablösen kann.

Die zur Begründung der Entscheidung gemachten Ausführungen des BFH führen zu keiner anderen Entscheidung im Streitfall. Dieser weicht schon in wesentlichen Punkten von dem durch den BFH entschiedenen Sachverhalt ab. So wurden die zur Darlehenstilgung gegenüber den Fremdgläubigern verwendeten Mittel der Gesellschaft in dem durch den BFH entschiedenen Fall effektiv dadurch zur Verfügung gestellt, dass die Gesellschafter die Geldmittel auf ein Bankkonto überwiesen haben und nicht wie im Streitfall lediglich durch Buchung einer Forderung im konzerninternen ICA-System zur vermeintlichen Verfügung stellten. Insoweit bestand ebenfalls ein denkbarer Vollstreckungszugriff für Außenstehende, der im Streitfall nicht gegeben war. Darüber hinaus existierten in jenem Sachverhalt Fremdgläubiger, für deren Forderungen gegen die Gesellschaft sich deren Gesellschafter verbürgt hatten. Mit der Kapitalmaßnahme wurde in jenem Sachverhalt also eine tatsächliche wirtschaftliche Entlastung erreicht, nämlich sowohl bei den Gesellschaftern, weil sie sich nicht mehr einer Bürgschaftsinanspruchnahme ausgesetzt sahen, als auch bei der Gesellschaft selbst, die nicht mehr Schuldnerin von Verbindlichkeiten war. Überdies zeigt sich eine wirkliche wirtschaftliche Belastung der Gesellschafter in dem durch den BFH entschiedenen Sachverhalt dadurch, dass die zur Einlage verwendeten Geldmittel teilweise – aber den Urteilsfeststellungen zufolge in erheblichem Umfang – aus der Veräußerung von Privatvermögen der Gesellschafter stammten. Es wurden insoweit anders als im Streitfall, in dem die lediglich konzernintern ohne Beteiligung Dritter erbrachte Einlageleistung und die Darlehenstilgungen nur buchhalterisch vollzogen wurden, tatsächliche Geldmittel bewegt, dem Finanzkreislauf zwischen Gesellschaft und Gesellschafter entnommen und wirtschaftlich zulasten der Gesellschafter auf fremde Gläubiger zu deren Befriedigung übertragen.

ff) Dass die im Streitfall gewählte Vorgehensweise nach Maßgabe zwingender Vorgaben des Rechts Panamas als dem Gründungsstaat der Klägerin gewählt werden musste und dies der Beurteilung der Gestaltung als missbräuchlich i.S.v. § 42 Abs. 2 AO entgegensteht, wurde von der Klägerin nicht vorgetragen. Für das Gericht bestehen auch keine dahingehenden Anhaltspunkte.

c) Das FA hat im Streitfall mit der vorgenommenen Gewinnerhöhung zutreffend gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 AO diejenigen Rechtsfolgen gezogen, die bei einem von der Alleingesellschafterin der Klägerin ausgesprochenen und auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Forderungsverzicht eingetreten wären. Dabei nimmt der Senat zugunsten der Klägerin und in Übereinstimmung mit dem FA eine Veranlassung des Forderungsverzichts durch das Gesellschaftsverhältnis an, da hierdurch die durch den Wegfall der Verbindlichkeiten eintretende Gewinnerhöhung durch eine außerhalb der Bilanz erfolgende Hinzurechnung einer verdeckten Einlage – zu der es ohne eine Veranlassung des Forderungsverzichts im Gesellschaftsverhältnis nicht käme – gemindert wird.

3. Die so ermittelte Betriebsvermögensmehrung ist bei der Klägerin kein nach § 3a Abs. 1 EStG steuerfreier Sanierungsertrag. Nach dieser Vorschrift sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen steuerfrei, wenn sie auf einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne von § 3a Abs. 2 EStG beruhen.

Die Vorschrift des § 3a EStG, die in Reaktion auf den Beschluss des BFH vom 28.11.2016 (GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393) mit Art. 19 des Jahressteuergesetzes 2018 zum 05.07.2017 (Bundesgesetzblatt –BGBl.– I 2018, 2338) eingefügt wurde, kann für das Streitjahr 2011 keine Anwendung finden. Denn sie ist erst mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2017 in Kraft getreten (§ 52 Abs. 4a Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2018). Darüber hinaus setzt eine unternehmensbezogene Sanierung voraus, dass sie zum Zwecke der Fortführung des Geschäftsbetriebs erfolgt. Dies war im Falle der Klägerin ersichtlich nicht beabsichtigt.

4. Aus den vorgenannten Gründen hat die Klage gegen den geänderten Bescheid vom 24.04.2017 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und die hiermit verfolgte Erhöhung des festzustellenden Betrags nach § 27 Abs. 2 KStG keinen Erfolg.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

 

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