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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
15.09.2022
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Hessisches FG: Rechtsgrundlage für die Auflösung eines passiven Ausgleichspostens

Hessisches FG, Urteil vom 14.6.2022 – 3 K 1706/18, NZB eingelegt (Az. BFH I B 34/22)

ECLI:DE:FGHE:2022:0614.3K1706.18.00

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2022-2159-1

Leitsatz (des Kommentators)

Die Einführung des § 14 Abs. 4 KStG zur erfolgswirksamen Auflösung eines Ausgleichpostens durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 mit Wirkung auf Zeiträume vor 2008 erfolgte für Zeiträume vor 2007 (hier: 2005) mit unzulässiger (echter) Rückwirkung. Eine erfolgswirksame Auflösung eines Ausgleichspostens aufgrund Richtlinienrechts (hier: R 63 Abs. 2 und 3 KStR 2004) oder Gewohnheitsrechts aufgrund langjähriger Übung ist mangels gesetzlicher Grundlage (hier: für Zeiträume vor 2007) unzulässig.

KStG § 14 Abs. 4, 34 Abs. 9 Nr. 5 i. d. Fassung d. JStG 2008; R 63 Abs. 2 und 3 KStR 2004 (entsprechend R 14.8 Abs. 2 und 3 KStR 2015)

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die einkommenswirksame Auflösung eines passiven Ausgleichspostens, der im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses gebildet wurde. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der A KG. Die Klägerin ist im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Z Produkten, die im Zusammenhang mit den vorgenannten Erzeugnissen stehen oder ihrer Verarbeitung dienen, im In- und Ausland tätig. Entsprechendes galt im Streitzeitraum für die A KG. In gewerbesteuerlicher Hinsicht war der Beklagte (das Finanzamt) für die vorgenannte Gesellschaft zuständig; gleiches galt für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

Im Jahr 2005 war die A KG zu 100 % an der B GmbH sowie ebenfalls zu 100 % an der C Beteiligungs GmbH beteiligt. Zwischen der A KG (als Organträger) und der B GmbH (als Organgesellschaft) bestand in den Veranlagungszeiträumen 1992 bis einschließlich 2000 eine ertragsteuerliche Organschaft, in deren Rahmen bei ihr ein passiver organschaftlicher Ausgleichsposten in Höhe von xxx € gebildet wurde, der auch nach Beendigung der Organschaft in der Steuerbilanz verblieb. Dessen Bildung lag in handelsrechtlichen Mehrabführungen während der bestehenden Organschaft begründet. Der im Rahmen der Organschaft abgeschlossene Gewinnabführungsvertrag endete durch Aufhebungsvertrag vom 20.12.2000 zum 31.12.2000. Seitdem wurde der Ausgleichsposten unverändert fortgeführt.

Mit Einbringungsvertrag vom 07.12.2005 brachte die A KG 94,5 % der Anteile an der B GmbH in die C Beteiligungs GmbH ein. Die Einbringung erfolgte zu Buchwerten gegen Gewährung von Geschäftsanteilen. Im Rahmen der Steuererklärung 2005 erklärte die A KG eine erfolgsneutrale Auflösung des anteiligen Ausgleichspostens i.H.v. 94,5 % bzw. xxx €. In den daraufhin ergangenen Festsetzungs- bzw. Feststellungsbescheiden (Gewerbesteuer/Gewinnfeststellung) erkannte das Finanzamt die erfolgsneutrale Auflösung des Ausgleichspostens zunächst an.

In der Zeit vom 08.02.2010 bis 05.06.2012 fand bei der A KG eine steuerliche Außenprüfung statt. In deren Rahmen wurde von Seiten der Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, der anteilige Ausgleichsposten sei gemäß R 63 Abs. 3 Körperschaftsteuerrichtlinien (KStR) 2004 und Rz. 43 ff. des BMF-Schreibens vom 26.08.2003 (Bundessteuerblatt - BStBl - I 2003, 437) erfolgswirksam aufzulösen. Der Innendienst folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 10.05.2013 entsprechende Änderungsbescheide, in denen unter Anwendung von § 8b Körperschaftsteuergesetz (KStG) bzw. § 3 Nr. 40 Einkommensteuergesetz (EStG) der Gewinn aus Gewerbebetrieb um xxx € erhöht wurde.

Gegen die Änderungsbescheide legte die A KG fristgerecht Einspruch ein. Diese wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 01.11.2018 als unbegründet zurück. Dagegen wendet sich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der A KG mit ihrer am 04.12.2018 vor dem Hessischen Finanzgericht erhobenen Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, der steuerliche Ausgleichsposten sei nicht teilweise aufzulösen, sondern vollständig unverändert fortzuführen.

Gemäß dem Erlass des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 08.12.2011 – VI 3011 – S 2770 – 054 – (Deutsches Steuerrecht 2012, 1607) sei ein organschaftlich gebildeter Ausgleichsposten nicht aufzulösen, wenn die Anteile an einer Organgesellschaft von dem Organträger zum Buchwert in eine andere Gesellschaft eingebracht würden und das Organschaftsverhältnis nach der Einbringung zulässigerweise in Form einer mittelbaren Organschaft fortgeführt werde. Dies müsse auch in den Fällen gelten, in denen das Organschaftsverhältnis bereits aufgelöst und die ehemalige Organgesellschaft bzw. deren Anteile zu Buchwerten in eine andere Kapitalgesellschaft eingelegt worden seien.

Die Beendigung der ertragsteuerlichen Organschaft habe gemäß Abschnitt 63 Abs. 3 KStR 2004 keine Auswirkungen auf einen etwaigen bestehenden besonderen Ausgleichsposten. Dieser sei nach Beendigung der Organschaft bis zur Veräußerung der Beteiligung unverändert fortzuführen. Daraus folge, dass es für die Frage, ob der Ausgleichsposten aufgrund der Einbringung aufzulösen sei, nicht darauf ankomme, ob die Organschaft noch bestehe oder ob sie bereits aufgelöst worden sei.

Die Auflösung bestehender besonderer steuerlicher Ausgleichsposten bei Einbringung zu Buchwerten würde die Generierung von steuerlich abzugsfähigem Aufwand und „steuerlichen Gestaltungen“ ermöglichen. Bei diesen Fallkonstellationen stünde dem generierten Aufwand keine Versteuerung stiller Reserven der Organgesellschaft gegenüber. Hieraus sei zu folgern, dass die Einbringung einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft nicht zur Auflösung bestehender besonderer Ausgleichsposten führen dürfe, wenn die Einbringung zu Buchwerten erfolge.

Falls der besondere steuerliche Ausgleichsposten doch aufzulösen wäre, müsse die Auflösung erfolgsneutral erfolgen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 07.02.2007 (I R 5/05, BStBl II 2007, 796 [BB 2007, 1441 m. BB-Komm. Euler]) geurteilt, dass es an einer Rechtsgrundlage für eine erfolgswirksame Auflösung des besonderen passiven Ausgleichspostens fehle. Der Nichtanwendungserlass des BMF vom 05.10.2007 ändere nichts an der fehlenden Rechtsgrundlage. Erst durch den im Rahmen des Jahressteuergesetzes (JStG) 2008 vom 20.12.2007 angefügten § 14 Abs. 4 KStG sei eine Rechtsgrundlage für die ertragswirksame Auflösung eines besonderen passiven Ausgleichspostens geschaffen worden. Zwar solle diese Regelung gemäß des ebenfalls mit dem JStG 2008 angefügten § 34 Abs. 9 Nr. 5 KStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2008 anzuwenden sein. Soweit sich diese Regelung auf die Auflösung entsprechender Ausgleichsposten vor dem Jahr 2007 beziehe, handele es sich aber um eine unzulässige echte Rückwirkung. Die Neuregelung greife im Streitfall in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt ein.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, über den Gewerbesteuermessbetrag sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2005 betreffend die A KG vom 10.05.2013 in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 01.11.2018 dahingehend zu ändern, dass der Ertrag aus der Auflösung eines passiven Ausgleichpostens bei der A KG in Höhe von xxx € rückgängig gemacht und der Gewinn sowie der Gewerbeertrag entsprechend herabgesetzt sowie der Gewerbeverlust entsprechend höher festgestellt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, die erfolgswirksame Auflösung des Ausgleichspostens sei zu Recht erfolgt, da im Rahmen des Einbringungsvorgangs insoweit ein mit dem Fall der Veräußerung gleichzusetzender Anteilstausch erfolgt sei.

Die Auswirkungen von Mehr- und Minderabführungen während einer Organschaft und die Notwendigkeit der Bildung und Auflösung von besonderen Ausgleichsposten habe die Finanzverwaltung bereits seit den 1960er Jahren geregelt (zuletzt in R 63 Abs. 2 und 3 KStR 2004, in R 14.8 Abs. 3 KStR 2015 sowie im BMF-Schreiben vom 26.08.2003, BStBl I 2003, 437). Die Ausgleichsposten dienten dazu, die Einmalbesteuerung der Gewinne eines Organkreises sicherzustellen. Sie verhinderten, dass Teile des Einkommens des Organkreises doppelt oder gar nicht besteuert würden. Aufgrund der langjährigen gefestigten und anerkannten Übung habe sich eine gewohnheitsrechtliche Situation bei der Besteuerung der Ausgleichsposten entwickelt. Es sei erkennbar, dass sich der Gesetzgeber die Verwaltungsgrundsätze zu eigen gemacht habe und bei seinen Reformgesetzen von einer Geltung dieser Grundsätze ausgegangen sei. Der BFH habe dies im Urteil vom 07.02.2007 (I R 5/05, BStBl II 2007, 796 [BB 2007, 1441 m. BB-Komm. Euler]) zwar anders gesehen. Einerseits habe er den oben genannten Grundsatz der steuerlichen Organschaft und der Bildung von Ausgleichsposten grundsätzlich zugelassen; andererseits habe er aber die herrschende Meinung zur erfolgswirksamen Auflösung eines passiven Ausgleichspostens verworfen, weil es dafür an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehle. Dieses Urteil sei aber nicht allgemein anzuwenden (Nichtanwendungserlass des BMF vom 05.10.2007, BStBl I 2007, 743). Die durch die vorgenannte Rechtsprechung entstandene systemwidrige Schieflage, die zu Unsicherheiten über die Rechtslage geführt habe, sei durch die klarstellende gesetzliche Festschreibung der langjährigen Grundsätze mittels des angefügten § 14 Abs. 4 KStG im Rahmen des JStG 2008 beseitigt worden. Gemäß § 34 Abs. 9 Nr. 5 KStG in der Fassung vom 20.12.2008 sei § 14 Abs. 4 KStG auch für die Vergangenheit anzuwenden.

Dem klägerischen Einwand, dass die durch das JStG 2008 erfolgte gesetzliche Verankerung des Systems der besonderen Ausgleichsposten eine unzulässige echte Rückwirkung darstelle, sei entgegenzuhalten, dass zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit die Situation bestanden habe, dass die Unternehmen sich auf eine rechtliche Beurteilung hätten verlassen können, wie sie in dem entschiedenen Einzelfall durch das Urteil des BFH vom 07.02.2007 getroffen worden sei.

Auch die übrigen von der Klägerin vorgebrachten Argumente führten zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. So sei das Organschaftsverhältnis nach der Einbringung nicht in Form einer mittelbaren Organschaft fortgeführt worden. Der besondere Ausgleichsposten sei nicht aufgrund der erfolgten Beendigung der Organschaft im VZ 2000, sondern erst mit der in 2005 erfolgten Einbringung der Anteile als Veräußerungstatbestand erfolgswirksam aufgelöst worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 18.05.2022 und 24.05.2022). Die Verwaltungsakten (2 Bände) waren Gegenstand des Verfahrens.

Aus den Gründen

Begründetheit der Klage

1. Die zulässige Klage ist begründet.

Die angefochtenen Steuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Das Finanzamt hat den in Rede stehenden organschaftlichen Ausgleichsposten zu Unrecht erfolgswirksam aufgelöst.

Unter bestimmten Voraussetzungen wird das Einkommen einer Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft), die sich durch einen Gewinnabführungsvertrag verpflichtet hat, ihren ganzen Gewinn an ein anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zugerechnet (§ 14 i.V.m. § 17 KStG). Weicht der an den Organträger abgeführte Gewinn aus anderen Gründen als infolge der Auflösung einer Rücklage vom Steuerbilanzgewinn ab, ist in der Steuerbilanz des Organträgers ein besonderer aktiver oder passiver Ausgleichsposten in Höhe des Unterschieds zu bilden, der dem v.H.-Satz der Beteiligung des Organträgers am Nennkapital der Organgesellschaft entspricht (Abschn. 63 Abs. 2 KStR 2004). Die besonderen Ausgleichsposten sind bei Beendigung des Gewinnabführungsvertrages nicht gewinnwirksam aufzulösen, sondern bis zur Veräußerung der Beteiligung weiter zu führen. Im Zeitpunkt der Veräußerung der Organbeteiligung sind die besonderen Ausgleichsposten aufzulösen.

Im Streitfall hatte die A-KG dementsprechend einen passiven Ausgleichsposten gegenüber der B GmbH aus dem Saldo der Mehr- und Minderabführungen in Höhe von xxx € gebildet.

Es kann dahinstehen, ob die Bildung des Postens als solcher entsprechend den Regelungen in Abschn. 63 Abs. 2 KStR 2004 rechtlich möglich ist, denn dies ist zunächst ohne steuerliche Auswirkung. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass dieser - im Ergebnis - passive Ausgleichsposten im Zeitpunkt der Einbringung nicht erfolgswirksam aufzulösen ist.

Im Streitfall liegt ein Veräußerungstatbestand vor – Ausgleichsposten war aufzulösen, …

a) Anders als von der Klägerin angenommen, liegt im Streitfall ein Veräußerungstatbestand vor, weshalb der Ausgleichsposten - wie von der Klägerin im Rahmen ihrer Steuererklärung 2005 nebst zugehöriger Gewinnermittlung selbst ausgeführt - aufzulösen war. Bei der Ausgliederung (Einbringung) handelt es sich nämlich um einen tauschähnlichen Vorgang (Einbringung der Anteile zu Buchwerten gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten), der einer Veräußerung gleichzustellen ist.

Soweit sich die Klägerseite zur Begründung der von ihr vertretenen gegenteiligen Sichtweise auf den Erlass des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 08.12.2011 – VI 3011 – S 2770 – 054 beruft, so ist dem nicht zu folgen. Aus dem vorgenannten Erlass ist die klägerseitig vorgenommene rechtliche Würdigung nicht zu entnehmen.

Auch danach ist bei einer Ausgliederung (Einbringung) vom Vorliegen eines tauschähnlichen Vorgangs auszugehen, der einer Veräußerung gleichzustellen ist. Eine Abweichung sei dann angezeigt, wenn die Einbringung der Anteile an der Organgesellschaft zum Buchwert erfolge und das bestehende Organschaftsverhältnis nach der Einbringung zulässigerweise in Form einer mittelbaren Organschaft fortgeführt werde. Die beiden vorgenannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Der Klägerin ist zwar darin recht zu geben, dass die Einbringung zu Buchwerten erfolgte. Vorliegend fehlt es aber am Vorliegen der zweiten Tatbestandsvoraussetzung, da keine mittelbare Organschaft entstanden ist. Stattdessen ist das Organschaftsverhältnis bereits zum 31.12.2000 endgültig beendet worden.

… aber es fehlte eine taugliche Rechtsgrundlage für die erfolgswirksame Auflösung

b) Es fehlt aber an einer tauglichen Rechtsgrundlage für die erfolgswirksame Auflösung des Ausgleichspostens. Eine solche ergibt sich weder aus R 63 Abs. 2 und 3 KStR 2004 (aa)) noch aus dem im Rahmen des JStG 2008 eingeführten § 14 Abs. 4 KStG (bb)).

Anwendung der Verwaltungsregelung führt zu einem gesetzlich nicht geregelten Besteuerungstatbestand

aa) Im Streitfall führt die Anwendung der Verwaltungsregelung (R 63 Abs. 2 und 3 KStR 2004) zu einem gesetzlich nicht geregelten Besteuerungstatbestand. Die Finanzverwaltung kann nicht im Wege einer Erlassregelung die Besteuerung etwaiger handelsrechtlicher Mehrabführungen im Falle der Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft beim Organträger sicherstellen. §§ 14 ff. KStG regeln nur die Besteuerung des nach steuerlichen Grundsätzen bei der Organgesellschaft ermittelten Einkommens beim Organträger. Es ist Sache des Gesetzgebers, Besteuerungstatbestände zu schaffen (vgl. BFH-Urteil vom 07.02. 2007 I R 5/05, BStBl II 2007, 796 mit weiteren Nachweisen – m.w.N. - [BB 2007, 1441 m. BB-Komm. Euler]), insbesondere, wenn - wie im Streitfall - typisierend unterstellt wird, dass sich die Mehrabführungen mindernd auf den Veräußerungspreis ausgewirkt haben. Da es sich insoweit um eine für den Steuerpflichtigen belastende Regelung handelt und der Fiskus im Wege der Eingriffsverwaltung tätig wird, bedarf es wegen des in Art. 20 Abs. 3 GG geregelten Vorbehalts des Gesetzes und der in diesem Kontext vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelten „Wesentlichkeitstheorie“ (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14.03.1972 2 BvR 41/71, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 33, 1) einer gesetzlichen Rechtsgrundlage; eine Regelung der Exekutive ist diesbezüglich nicht ausreichend. Daran gemessen stellen R 63 Abs. 2 und 3 KStR 2004 keine taugliche Eingriffsgrundlage dar.

Auch § 14 Abs. 4 KStG kommt als Rechtsgrundlage nicht in Betracht

bb) Auch § 14 Abs. 4 KStG kommt als Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Zwar regelt § 34 Abs. 9 Nr. 5 KStG in der Fassung vom 20.12.2008, dass § 14 Abs. 4 KStG auch für die Vergangenheit und damit auch für das Streitjahr anzuwenden sei. Der Senat ist aber der Auffassung, dass diese Norm einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot darstellt, weshalb sie im Jahr 2005 keine Anwendung finden kann (so auch Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG Kommentar, § 14, Rz. 796 f, Walter in Bott/Walter, KStG Kommentar, § 14 KStG, Rz. 977; Suchanek/Herbst, Finanz-Rundschau (FR) 2008, 112; Kolbe, Steuern und Bilanzen (StuB) 2008, 293, 297 f.; Strahl, Kölner Steuerdialog 2008, 15896, 15910; Gosch, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung 2013, 53; Tiede, StuB 2013, 93).

Zwar wird in der Literatur auch die gegenteilige Auffassung vertreten,…

aaa) Zwar wird in der Literatur auch die gegenteilige Auffassung vertreten (Bareis, FR 2008, 649, 657 f.; Dötsch, Die Unternehmensbesteuerung (Ubg) 2008, 117, 125; Reiß, Der Konzern 2008, 9). Danach sei § 14 Abs. 4 KStG lediglich eine klarstellende gesetzliche Festschreibung der Grundsätze zur Bildung und Auflösung von Ausgleichsposten. Aufgrund der langjährigen, gefestigten und anerkannten Übung habe sich eine gewohnheitsrechtliche Situation bei der Besteuerung der Ausgleichsposten entwickelt. Es sei erkennbar, dass der Gesetzgeber sich die Verwaltungsgrundsätze zu eigen gemacht habe und bei seinen Reformanstrengungen von einer Geltung dieser Grundsätze ausgegangen sei. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass § 14 Abs. 4 KStG eine bestehende Rechtslage lediglich klarstelle und keine neue Rechtslage schaffe. Dogmatisch könnten diese Überlegungen darauf gestützt werden, dass von verfassungsrechtlicher Relevanz nur solche Gesetze seien, die die bisherige Rechtslage in belastender Weise veränderten. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Ausgleichsposten und der bestehenden Verwaltungsanweisung habe in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt die Situation bestanden, dass die Unternehmen sich auf eine rechtliche Beurteilung hätten verlassen können, wie sie in dem entschiedenen Einzelfall durch den BFH getroffen worden sei (vgl. Dötsch, Ubg 2008, 117, 125).

… aber dieser Meinung schließt sich der erkennende Senat nicht an

bbb) Dieser Meinung schließt sich der erkennende Senat nicht an. Er ist der Auffassung, dass es sich vorliegend um eine unzulässige echte Rückwirkung handelt, weil durch die Neufassung Sachverhalte tangiert werden, die in der Vergangenheit liegen und bereits abgeschlossen sind. Auf der Grundlage des BFH-Urteils vom 07.02.2007 (I R 5/05, BStBl II 2007, 796 [BB 2007, 1441 m. BB-Komm. Euler]) ist klargestellt, dass für bereits gebildete passive Ausgleichsposten keine Versteuerung bei ihrer späteren Auflösung eingreifen kann, da dafür im Zeitpunkt ihrer früheren Bildung die Rechtsgrundlage gefehlt, insbesondere kein Gewohnheitsrecht vorgelegen hatte. Da der BFH also explizit davon ausgeht, in der Vergangenheit habe hinsichtlich der Auflösung der organschaftlichen Ausgleichsposten kein Gewohnheitsrecht bestanden (da das auch eine entsprechende Rechtsprechung voraussetzen würde), ist die unter aaa) dargestellte Literaturmeinung - die maßgeblich auf das Vorliegen von Gewohnheitsrecht abstellt – abzulehnen. In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Steuerrecht um Eingriffsrecht handelt (siehe oben), für das die Verfassungsanforderungen in Art. 20 Abs. 3 GG festgeschrieben sind. Vor diesem Hintergrund sind Verwaltungsrichtlinien (wie R 63 Abs. 2 und 3 KStR 2004) nicht dazu geeignet, eine fehlende (gesetzliche) Rechtsgrundlage zu ersetzen. Auch stellt der Grundsatz der Einmalbesteuerung keine Rechtsgrundlage für eine erfolgswirksame Auflösung von passiven Ausgleichsposten dar. Soweit das Finanzamt darauf verweist, dass die Einmalbesteuerung der (etwaiger bisher nicht besteuerter handelsrechtlicher) Mehrgewinnabführungen sichergestellt werden müsse, ist dies nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz und aus fiskalischer Sicht zwar wünschenswert, doch fehlt - wie oben ausgeführt - die erforderliche gesetzliche Grundlage hierfür.

Kostenentscheidung

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung.

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