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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
24.10.2019
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Sachsen-Anhalt: Prüferbilanzen als solche sind für den formellen Bilanzenzusammenhang irrelevant

FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.2.20193 K 972/14, rkr.

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2019-2609-1

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bzw. wann Ausgleichsansprüche im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, bei der die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Organgesellschaft war, des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft als Verbindlichkeiten zu bilanzieren sind, nachdem auf Grund einer Betriebsprüfung beim Organträger geänderte Umsatzsteuerbescheide ergangen waren, die (zunächst) zu einer Rückzahlungsverpflichtung des Organträgers an den Beklagten geführt hatten.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1995 gegründet. Unternehmensgegenstand war jedenfalls bis zum Streitjahr 2008 die Lagerung, Handel und Verarbeitung von Körnerfrüchten, Futtermitteln und Nährmitteln jeglicher Art sowie der Landhandel im weitesten Sinne und Handel mit landwirtschaftlichem Bedarf. Alleinige Gesellschafterin war die D mit Sitz in Z, welche zunächst unter „E“ mit Sitz in Y firmierte. Seit dem Streitjahr 2008 ist C der alleinige, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer beider Gesellschaften. Auch davor war die Geschäftsführung jeweils personenidentisch.

Zwischen der B und der D wurde ausweislich der Eintragungen im Handelsregister am 19. November 2002 mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Zudem bestand ab dem 1. Januar 2003 zwischen beiden Gesellschaften eine umsatzsteuerliche Organschaft, bei der die B die Organgesellschaft und die D die Organträgerin war.

Soweit die B in den Jahren 2004 und 2005 Gutschriften erteilte, erfasste sie mit Gutschriftenerteilung den sich hieraus ergebenden Vorsteueranspruch der Organträgerin als Forderung ihrerseits gegenüber der Organträgerin.

Die D firmierte im Jahr 2015 in „A“ um. Auf Grund des Verschmelzungsvertrages vom 30. Januar 2018 und den Zustimmungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlungen vom selben Tag wurde die B auf die A als übernehmender Rechtsträger verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 9. Februar 2018 in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft eingetragen.

Der Beklagte führte bei der B (nachfolgend als Organgesellschaft bezeichnet), sowie auch der D in der Zeit vom 12. Dezember 2007 bis 18. Juni 2008 eine steuerliche Betriebsprüfung durch, die sich auf die Jahre 2002-2005 erstreckte. Der Betriebsprüfungsbericht, auf den hinsichtlich der einzelnen Feststellungen verwiesen wird, datiert auf den 24. Juni 2008.

Der Beklagte stellte fest, dass die Organgesellschaft den an sie leistenden Unternehmen in den Jahren 2004 und 2005 Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis erteilt hatte. Ein Teil der erstellten Gutschriften habe jedoch nicht die Angabe der Steuernummern der liefernden Unternehmen enthalten, so dass die D als Organträgerin insoweit nicht zum Vorsteuerabzug aus den Gutschriften berechtigt gewesen sei. Weiter habe die Organgesellschaft am 24. März 1998 einen Beratungsvertrag mit ihrem ehemaligen Gesellschafter F geschlossen, wofür ein monatliches Entgelt von DM (€) vereinbart worden sei. Eine Umsatzsteuer wurde in dem Vertrag nicht ausgewiesen. Es sei nicht vereinbart worden, ob es sich hierbei um ein Netto- oder Bruttobetrag handeln solle. Gesonderte Rechnungslegungen seien nicht erfolgt. Der bisher hieraus in Anspruch genommene Vorsteuerabzug sei ebenfalls zu versagen. Dieses habe bei der Organträgerin D insoweit die Minderung der abzugsfähigen Vorsteuern in folgendem Umfang zur Folge:

 

 

Minderung aus Gutschriften

Minderung Vertrag F

2003:

 

€      

2004:

€      

€      

2005:

€      

€      

Gesamt 2003-2005:

 

€      

 

Hinsichtlich der Organgesellschaft war der Beklagte der Auffassung, dass diese auf Grund der umsatzsteuerlichen Organschaft und der hieraus resultierenden Ausgleichspflicht in den Jahren 2003 bis 2005 entsprechende Verbindlichkeiten gegenüber der Organträgerin in Ihren Jahresabschlüssen passivieren müsse, d.h. zum 31. Dezember 2005 eine Verbindlichkeit i.H.v. von €. Auf dieser Basis erließ der Beklagte am 26. August 2008 einen zu Gunsten der Organgesellschaft geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2005, gegen den diese keinen Einspruch einlegte.

Die Organgesellschaft selbst berichtigte aber Ihre Bilanzen insoweit nicht und führte die vom Beklagten eingestellten Verbindlichkeiten gegenüber der Organträgerin auch in den Folgejahren nicht fort.

Die Organgesellschaft berichtigte auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung noch im Jahr 2008 die fraglichen Gutschriften, versah sie mit einer entsprechenden Steuernummer des Leistenden und versandte sie an die leistenden Unternehmer. Ebenfalls wurde der Beratervertrag mit dem ehemaligen Gesellschafter F geändert und die Umsatzsteuer dort nunmehr ausgewiesen. Im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung der Organträgerin für Oktober 2008 berücksichtigte diese nunmehr einen Vorsteuerbetrag von €. Dem stimmte der Beklagte zu.

Gegenüber der D als Organträgerin erließ der Beklagte zudem entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2005 vom 14. November 2008. Die hiergegen gerichtete Klage der D vor dem hiesigen Finanzgericht (3 K 912/16) hatte hingegen auf Grund der zwischenzeitlich erfolgten Rechtsprechung des EuGH zur umsatzsteuerlich rückwirkenden Rechnungsberichtigung Erfolg. Der Beklagte erließ in Erledigung des Klagebegehrens am 4. Juli 2017 entsprechende geänderte Bescheide über Umsatzsteuer für 2014 und 2005, in denen er in den Erläuterungen auf das BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 (V R 26/15) verwies.

Der Beklagte führte bei der Organgesellschaft in der Zeit vom 13. Dezember 2011 bis 19. April 2013 eine weitere steuerliche Betriebsprüfung durch, die sich auf die bereits unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO veranlagten Jahre 2006-2009 erstreckte. Der Betriebsprüfungsbericht, auf den hinsichtlich der einzelnen Feststellungen verwiesen wird, datiert auf den 24. Juni 2013.

Der Beklagte stellte fest, dass die Organgesellschaft die Feststellungen der Vor-BP hinsichtlich der Umsatzsteuerverbindlichkeiten gegenüber der D in Ihren Bilanzen ab 2006 nicht fortgeführt hat. Aufgrund der Korrektur der Gutschriften im Jahr 2008 und der Berücksichtigung des streitigen Vorsteuerbetrages von € bei der Umsatzsteuervoranmeldung der Organträgerin für den Monat Oktober 2008, habe die Klägerin zum 31. Dezember 2008 eine Umsatzsteuerforderung gegenüber der Organträgerin in eben dieser Höhe zu aktivieren, wodurch die in gleicher Höhe in der Passivierung fortzuführende Umsatzsteuerverbindlichkeit entfalle. Insoweit sei der Gewinn für das Streitjahr zu erhöhen, wobei der Beklagte in der Anlage 2 zum BP-Bericht von einem abweichenden Betrag von € ausging. Für den Vorsteuerabzug sei nicht allein entscheidend, ob die Leistungen als ein Tatbestandsmerkmal der Vorschrift erbracht worden seien, sondern daneben auch eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung durch den Unternehmer geschuldet werde. Erst bei Erfüllung aller Voraussetzungen liege ein zivilrechtlicher Anspruch auf Vorsteuerabzug vor. Insoweit sei das von der Klägerin genannte BFH Urteil vom 12. Mai 1993, BStBl. II 1993, 786, nicht anwendbar.

Die Umsatzsteuerverbindlichkeit gegenüber der Organträgerin D lt. Vor-BP in Höhe von € zum 31. Dezember 2005 sei zudem bis zur Verrechnung der Umsatzsteuernachzahlung mit dem Vergütungsanspruch aus den korrigierten Gutschriften im November 2008 zu verzinsen. Der einheitliche Zinssatz für alle Verrechnungen und Konten im Konzernkreis zwischen den verbundenen Unternehmen betrage für den Prüfungszeitraum 6 %. Für das Kalenderjahr 2008 sei eine Verzinsung bis zum 14. November 2008 vorzunehmen, da die Umsatzsteuervoranmeldung aus den korrigierten Gutschriften am 10. November 2008 erfolgt sei und der Auszahlungsanspruch mit Abtretungsantrag und dessen Bearbeitung entsprechend später am 14. November 2008 erfolgt sei. Für das Jahr 2008 seien daher Zinsen i.H.v. € gewinnmindernd zu passivieren, wobei der Beklagte bei der Berechnung auch Zinseszinsen berücksichtigte. Da ab dem Jahr 2008 im Rahmen der Gewerbesteuer alle Entgelte für Schulden Hinzurechnungsbeträge zu Gewerbesteuer darstellten, sei der Betrag i.H.v. € gewerbesteuerrechtlich im Jahr 2008 hinzuzurechnen.

In Auswertung des Betriebsprüfungsberichtes erließ der Beklagte am 5. August 2013 gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag für 2008. Er setzte die Körperschaftsteuer für 2008 von bisher 0,00 € auf € herauf. Den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 setzte er von bisher 0,00 € auf € herauf. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er jeweils auf.

Der hiergegen gerichtete Einspruch der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Organgesellschaft, ging am 23. August 2013 beim Beklagten ein. Gegen den ebenfalls in Auswertung des Betriebsprüfungsberichtes geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer für 2007 legte sie keinen Einspruch ein.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 12. August 2014 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer für 2008 auf 121.439,00 € und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 auf 31.097,00 € herab. Eine Abhilfe im Hinblick auf die im Streit stehende Problematik war hiermit nicht verbunden. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Organgesellschaft, ist am 11. September 2014 bei Gericht eingegangen.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin trägt vor, dass sie selbst in ihren Bilanzen für die Jahre 2006-2008 keine Anpassung an die von dem Beklagten vorgenommenen Bilanzierungsansätze in der zeitlich ersten Betriebsprüfung vorgenommen habe. Nach Auffassung der Organgesellschaft sei bereits zum 31. Dezember 2005 keine Verbindlichkeit gegenüber der Organträgerin zu bilanzieren. Die zum damaligen Zeitpunkt noch inkomplette Vorsteuer sei in der Bilanz zum 31. Dezember 2005 zutreffend als Forderung erfasst worden.

Lägen, wie hier, ordnungsgemäße Rechnungen in Form von Gutschriften vor, so sei der Vorsteuerabzug grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum möglich, in dem die bezogene Leistung ausgeführt worden sei. Die durch die Gutschriften dokumentierten Leistungen seien sämtlich im Veranlagungszeitraum 2005 bezogen worden. Die formellen Fehler der Gutschriften änderten entgegen der Auffassung des Beklagten nichts an der von der Organschaft auch vorgenommenen zeitlichen Erfassung einer Vorsteuerforderung im Jahr 2005. Dieses gelte erst recht aufgrund der Tatsache, dass die streitigen Gutschriften mit umsatzsteuerrechtlicher Rückwirkung auf das Jahr 2004 bzw. 2005 im Jahr 2008 berichtigt worden seien. Die Tatsache, dass dieses im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft geschehen sei, sei ohne Relevanz.

Auch ohne Korrektur der Gutschriften, bei denen lediglich die Steuernummer des leistenden gefehlt habe, sei eine entsprechende Vorsteuerforderung bereits in den Bilanzen 2004 und 2005, wie von der Klägerin vorgenommen, zu aktivieren. Die Vorsteuererstattung sei keine zivilrechtliche Forderung, sondern eine öffentlich-rechtliche Forderung gegenüber dem Finanzamt. Öffentlich rechtliche Schuldverhältnisse seien bilanzrechtlich unterschiedlich zu zivilrechtlichen Schuldverhältnissen zu behandeln. In der Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen seien stärker als bei der Beurteilung privater Schuldverhältnisse die gesetzlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen. Privatrechtliche Ansprüche hingen hingegen vom subjektiven Verhalten der Beteiligten ab. Bei öffentlich rechtlichen Ansprüchen sei zunächst nur zwischen gebundenen Anspruchsgrundlagen und Ermessensentscheidungen zu unterscheiden. Dabei sei die Qualität der einzelnen Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen. Dieses finde seinen Niederschlag darin, dass bei öffentlich-rechtlichen Steueransprüchen auf das abstrakte Vorliegen abgestellt werde und nicht auf die Konkretisierung durch einen Steuerbescheid wie § 10 Abs. 1 S. 3 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zeige. Letztlich sei unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Bilanzrichtigkeit unstreitig davon auszugehen, dass die Organgesellschaft zum Bilanzstichtag 2005 vom Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Umsatzsteuergesetz (UStG) ausgegangen sei, da niemand freiwillig auf einen Vorsteueranspruch verzichte, zumal wenn er als Gutschriftenersteller als Herr der Vorsteuererstattung anzusehen sei. Für den umgekehrten Fall müsse ein verständiger und fachkundig beratener Steuerpflichtiger von der späteren Richtigstellung im Rahmen der Betriebsprüfung ausgehen.

Hinzu komme, dass im konkreten Sachverhalt zum Berichtigungszeitpunkt 2008 alle Voraussetzungen einer materiell richtigen Gutschrift vorgelegen hätten, so dass die Negation einer Vorsteuerforderung in der Prüferbilanz 2005 umso unverständlicher erscheine.

Der Beklagte weise zwar zutreffend auf den BFH-Beschluss vom 31. Januar 2013 (BStBl. II 2013, 317) hin, mit dem der subjektive Fehlerbegriff zu Gunsten einer objektiven Betrachtungsweise geopfert werde. Der Beklagte lasse aber außer Acht, dass sich die Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffes nur auf Rechtsfragen bezogen habe. Hinsichtlich der Tatsachenfrage, um die es sich hier handele, nämlich ob die Steuernummer im richtigen Feld der Gutschrift enthalten sei, habe er die Beantwortung des richtigen Fehlerbegriffes ausdrücklich offengelassen.

Der Kaufmann habe fehlende Tatsachen, die ihm in der Zeit zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzaufstellung bekannt werden, bei der Bewertung der Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Vorliegend könne als Tatsache in diesem Sinne nicht das Datum der Berichtigung der fehlerhaften Gutschriften im Jahr 2008 anzusehen sein. Vielmehr werde das Rechtsinstitut des Wertaufhellungsgrundsatzes bei Tatsachenfragen überlagert durch den Grundsatz der subjektiven Bilanzrichtigkeit. Unter diesem Gesichtspunkt sei zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 bei der Organgesellschaft entweder vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 UStG oder bei Nichtvorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen von der Berichtigungsabsicht der noch fehlenden Einzelvoraussetzungen auszugehen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Perfektionierung des § 15 UStG mit eigenen Mitteln, d.h. Gutschriften, durchgeführt werden könne.

Die Grundsätze des formellen Bilanzzusammenhangs gelten vorliegend nicht. Die finanzamtliche Prüferbilanz sei nach herrschender Meinung keine Bilanzberichtigung im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 1 EStG, da der Prüfer nur den abschnittsbezogenen Gewinn nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs ändere, aber nicht in den vom Steuerpflichtigen festgestellten Jahresabschluss eingreife. Die Grundsätze des formellen Bilanzzusammenhangs griffen aber in anderer Weise. Denn es sei genau der formelle Bilanzzusammenhang auf den sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin beziehe, wenn sie ihre für richtig erachtete und für richtig befundene Forderung aus dem Jahr 2005 in den Folgejahren und damit auch im Jahr 2008 beibehalte. Dieses Ergebnis gelte umso mehr, als es keine Angleichungsverpflichtung an einen für falsch erachteten Korrekturvorgang der Betriebsprüfung geben könne.

Zwar sei nach Auffassung der Klägerin die Vorsteuerforderung in ihrer bilanziellen Gewinnauswirkung nur einmal aufwandswirksam zu berücksichtigen. Für den Fall, dass die Behandlung der Vorsteuer aber zu einer doppelten Gewinnauswirkung führe, könnte gegebenenfalls § 174 Abs. 2 AO in Betracht kommen. Da die Voraussetzungen des § 173 Abs. 2 AO aber nicht gegeben seien, müsse dieser Aspekt nicht weiter verfolgt werden. Eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Entlastung gebe es nicht. Die Verfassung schütze den Bürger vor einer steuerrechtlich unverhältnismäßigen Belastung und nicht umgekehrt. Die Aufgabe der unzulässigen Begünstigung des Steuerpflichtigen übernehme allein der Erstattungsanspruch des § 37 Abs. 2 AO. Da vorliegend aber ein rechtlicher Grund für die Doppelbegünstigung vorliege, sei kein Anwendungsbereich für § 37 AO gegeben. Auch sonst sei anerkannt, dass die technische Zufälligkeit des Steuerrechts, insbesondere des Steuerbilanzrechts, zu Ergebnissen führen könne, die nicht immer dem Grundsatz der Total-Steueridentität entsprechen.

Die Entscheidung des EuGH vom 15. September 2016 (C -518/14) stelle in mehrfacher Hinsicht eine Bestätigung der Rechtsauffassung der Klägerin dar. Insbesondere spreche sich der EuGH in umsatzsteuerlicher Hinsicht für die zeitliche Erfassung der Vorsteuer aufgrund eines fehlerhaften ergänzungsbedürftigen Dokuments im Zeitpunkt des Erhalts dieses fehlerhaften Dokuments aus. Daraus folge, dass im Zeitpunkt des Leistungsempfangs und dem Vorliegen einer darauf unstreitig bezogenen Rechnung die Vorsteuer geltend zu machen sei. Wenn der EuGH aber schon den vorgezogenen Zeitpunkt für die Umsatzsteuer genügen lasse, so gelte dieses erst recht für deren bilanzielle Behandlung.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2008 vom 5. August 2013 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. August 2014 dahingehend abzuändern, dass die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung eines um € verminderten Gesamtbetrags der Einkünfte herabgesetzt wird,

den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 vom 5. August 2013 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. August 2014 dahingehend abzuändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines um € verminderten Gewerbeertrags vor Verlustabzug herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen.

Streitig sei die Aktivierung einer Umsatzsteuerforderung gegenüber der Organträgerin zum 31. Dezember 2008 i.H.v. €. Hierzu habe die Klägerin erneut ausführlich ihren Standpunkt zu Entstehung des Vorsteuerabzugs aus den berichtigten Gutschriften und dem Beratervertrag mit Herrn F unter Heranziehung der Grundsätze des Umsatzsteuerrechtes dargestellt. Die umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Entstehung des Vorsteuerabzugs sei aber im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung und sei im Übrigen im (bereits abgeschlossenen) Klageverfahren der Organträgerin wegen Umsatzsteuer für 2004 und 2005 (Az. 3 K 1273/13) zu klären.

Im Streitfall ergebe sich die Verpflichtung zur Passivierung einer Umsatzsteuerverbindlichkeit gegenüber der Organträgerin zum 31. Dezember 2005 sowie der Aktivierung einer Umsatzsteuerforderung gegenüber der Organträgerin zum 31. Dezember 2008 in Höhe von € aus den gegenüber der Organträgerin ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen und der hieraus resultierenden Verpflichtung der Klägerin im Innenverhältnis durch das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.

Daher sei auch die Entscheidung des EuGH (Urteil vom 15. September 2016, C -518/14) zur umsatzsteuerrechtlich rückwirkenden Rechnungsberichtigung für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, da die bilanzielle Behandlung der Aktivierung einer Umsatzsteuerforderung gegenüber der Organträgerin streitig sei.

Das Ergebnis der umsatzsteuerrechtlichen Würdigung im Rechtsstreit der Organträgerin wegen Umsatzsteuer für 2004 und 2005 (Az. 3 K 1273/13) könne sich erst in den aktuellen Bilanzen der Klägerin widerspiegeln und habe keine Auswirkungen auf das Streitjahr 2008.

Aus den Gründen

1. Die Klage ist begründet.

Die Bescheide über Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuermessbetrages für 2008 vom 5. August 2013 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 12. August 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Beklagte hat zu Unrecht in der Prüferbilanz zum 31. Dezember 2005 eine Umsatzsteuer-Verbindlichkeit gegenüber der Organträgerin passiviert. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin diese Verbindlichkeit in Ihren Bilanzen für 2006 bis 2008 nicht fortgeführt hat, kann der (unzutreffende) Bilanzansatz auch nicht für den Betriebsvermögensvergleich des Streitjahres 2008 herangezogen und gewinnerhöhend aufgelöst werden (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1999 IV R 70/98, BStBl II 2000, 129). Die Grundsätze des formellen Bilanzzusammenhangs gelten insoweit nur zwischen Bilanzen, die der Steuerpflichtige selbst aufgestellt bzw. berichtigt hat und die der Veranlagung des Vorjahres zu Grunde lagen. Da die Organgesellschaft zudem unstreitig bereits mit Erstellung der streitigen Gutschriften in den Jahren 2004 und 2005 eine Vorsteuerforderung gegenüber der Organträgerin aktiviert hat, ist im Jahr 2008 auch nicht auf Grund der in diesem Jahr korrigierten und nun auch formell zum Vorsteuerabzug berechtigten Gutschriften eine erneute Aktivierung einer Vorsteuerforderung vorzunehmen.

a) Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat zutreffend bereits bei Ausstellung der fraglichen Gutschriften eine Vorsteuer-Forderung aktiviert. Der Ansatz einer Umsatzsteuer-Verbindlichkeit gegenüber der Organträgerin zum 31. Dezember 2005 war daher unzutreffend und wurde von der Organgesellschaft zutreffend nicht in ihren Bilanzen der Folgejahre fortgeführt.

Dass eine umsatzsteuerliche Organschaft im Streitjahr und auch in den Jahren 2004 und 2005 vorliegt, steht zwischen den Beteiligt nicht im Streit.

aa) Letztlich gelten hinsichtlich der (im Regelfall erfolgsneutralen) Aktivierung einer Vorsteuerforderung gegenüber der Organträgerin die gleichen Grundsätze wie bei jedem „normalem“ Geschäftsvorfall, bei dem die Vorsteuerforderung zu aktivieren wäre (erfolgsneutral). Die umsatzsteuerliche Organschaft führt nur dazu, dass sich die Forderung nicht gegen das Finanzamt richtet, sondern gegen die Organträgerin, wobei eine solche Forderung nur dann gegeben sein kann, wenn die Organträgerin ihrerseits etwa auf Grund von Gutschriften der Organgesellschaft oder Eingangsrechnungen einen grundsätzlich bestehenden Anspruch auf Vorsteuererstattung gegen das Finanzamt hat.

Nach der BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, WM 2013, 468), geltend machen (BFH-Urteil vom 08. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BStBl II 2017, 543). Diese Grundsätze gelten auch für Vorsteuererstattungen der Organgesellschaft gegenüber der Organträgerin.

bb) Es gelten hinsichtlich der Aktivierung einer Vorsteuerforderung die im BFH-Urteil vom 31. August 2011 (X R 19/10, BStBl II 2012, 190) aufgestellten Grundsätze. Die Rechtsprechung zur Aktivierung von Zahlungsansprüchen gegenüber dem Finanzamt nach Korrektur einer Rechnung gem. § 14c UStG und eines darauf resultierenden Erstattungsanspruches erst im Jahr der Rechnungskorrektur (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2012 III R 96/07, BStBl II 2012, 719) ist demgegenüber nicht einschlägig.

Die Aktivierung von Forderungen richtet sich bei buchführenden Gewerbetreibenden nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.

Nach dem (imparitätischen) Realisationsprinzip, das einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung i.S. des § 5 Abs. 1 EStG darstellt, darf ein Gewinn grundsätzlich erst ausgewiesen werden, wenn er durch Umsatz (Veräußerung oder sonstigen Leistungsaustausch) verwirklicht ist; Vermögensmehrungen dürfen nur erfasst werden, wenn sie disponibel sind. Gewinnrealisierung tritt dann ein, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen in der Weise erbracht hat, dass ihm die Forderung auf die Gegenleistung (z.B. die Zahlung), von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen, so gut wie sicher ist (BFH-Urteil vom 23. März 2011 X R 42/08, BFHE 233, 398).

Dementsprechend sind Forderungen (§ 266 Abs. 2 B.II. HGB), insbesondere Geldforderungen aus Lieferungen und Leistungen, zu aktivieren, sobald sie (unabhängig von der rechtlichen Entstehung) wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht und am Bilanzstichtag hinreichend sicher sind (BFH-Urteile vom 12. Mai 1993 XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, 786; vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom 14. März 2006 VIII R 60/03, BFHE 212, 535, BStBl II 2006, 650; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 37. Aufl., § 5 Rz 270 „Forderungen“).

Für die Bilanzierung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein Anspruch bereits im zivil- oder öffentlich-rechtlichen Sinne entstanden ist. Maßgebend ist bei einem erst in der Entstehung begriffenen Anspruch vielmehr, ob sich die Anwartschaft genügend konkretisiert hat und im Falle einer Betriebsveräußerung von den Vertragsparteien bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt würde (BFH-Urteil vom 28. September 1967 IV 291/65, BFHE 90, 69, BStBl III 1967, 763, betr. Anspruch auf Auszahlung einer formell noch nicht entstandenen Umsatzsteuer-Vergütung). In dieser Entscheidung hat der BFH weiter ausgeführt, für die Aktivierung eines Steuererstattungsanspruchs genüge es, wenn der Anspruch, dessen Realisierung sich kein Kaufmann vernünftigerweise entgehen lasse, erhoben werden könne.

So muss beispielsweise ein auf der Geltendmachung von Vorsteuer beruhender Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch bereits dann aktiviert werden, wenn zunächst nur eine nicht ordnungsgemäße Rechnung vorhanden ist, sofern -wie im Regelfall- nicht damit zu rechnen ist, dass der Rechnungsaussteller sich einer Berichtigung dieser Rechnung widersetzen werde (BFH-Urteil vom 12. Mai 1993 IX R 1/93, BFHE 171, 448). Denn die Notwendigkeit, die Rechnung berichtigen zu lassen, ist im Vergleich zum Tatbestandsmerkmal der „Ausführung der Leistung“ von untergeordneter Bedeutung und beeinträchtigt die Sicherheit der Forderung nicht in einem Maße, das in Anwendung des Realisationsprinzips eine Bilanzierung verbieten könnte (BFH-Urteil vom 31. August 2011 X R 19/10, BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190).

Hinzu kommt, dass zivilrechtliche Ansprüche selbst dann zu aktivieren sein können, wenn sie formal noch unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit stehen, sofern der Kaufmann nach den Umständen des Einzelfalls bereits am Bilanzstichtag bei normalem Geschäftsablauf fest mit der Zahlung rechnen kann (BFH-Urteil vom 9. Februar 1978 IV R 201/74, BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370).

cc) Nach diesen Grundsätzen hat die Organgesellschaft den aus den Gutschriften dem Grunde nach bereits begründete Vorsteuererstattungsanspruch (gegenüber der Organträgerin) zutreffend bereits in den Jahren der Gutschriftenerteilung aktiviert. Es ist nach Maßgabe eines vernünftig denkenden Kaufmanns nicht damit zu rechnen, dass sich die Organgesellschaft als Gutschriftenausstellerin einer Berichtigung der Gutschriften auf Verlangen der Organträgerin entgegen stellen würde, denn eine solche Berichtigung hätte für sie ausschließlich Vorteile durch die dann auch formell bestehende Berechtigung der Organträgerin zum Vorsteuerabzug und dem dann für die Organgesellschaft auch durchsetzbaren Anspruch auf Vorsteuererstattung gegenüber der Organträgerin. Dies gilt umso mehr, als dass die Berichtigung der Gutschriften nicht von der Zustimmung des Lieferanten abhängig ist und mit verhältnismäßig geringfügigem Aufwand zu erledigen ist, so dass es die Organgesellschaft selbst in der Hand hat, die Voraussetzungen für den auch formell bestehenden Vorsteuer-Erstattungsanspruch der Organträgerin und damit auch ihren Anspruch gegenüber dieser selbst herbeizuführen.

b) Der Besteuerung des Streitjahres ist auch nicht aus Gründen des formellen Bilanzenzusammenhangs eine von der selbst erstellten Bilanz der Organgesellschaft des Vorjahres 2007 abweichende „Prüferbilanz“ zu Grunde zu legen, die zum 31. Dezember 2007 die streitige Verbindlichkeit gegenüber der Organträgerin enthalten würde. Denn dieser Bilanzansatz ist, wie oben dargestellt, fehlerhaft. Die Organgesellschaft hat ihn zutreffend nicht übernommen und in den Jahren 2006 bis 2008 fortgeführt. Der formelle Bilanzenzusammenhang, der ggf. zu einer gewinnerhöhenden Auflösung des unrichtigen Bilanzpostens im ersten noch nicht bestandskräftigen Jahr, dem Streitjahr 2008, führen könnte, greift daher nicht ein. Er gilt nur zwischen vom Steuerpflichtigen selbst aufgestellten bzw. berichtigten Bilanzen. Aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergibt sich für den Streitfall nichts anderes.

aa) Der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs besagt, dass als „Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs“ i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG das Betriebsvermögen anzusetzen ist, das tatsächlich der Gewinnermittlung für das Vorjahr und der darauf beruhenden Veranlagung bzw. Feststellung zugrunde gelegt worden ist. Fehlerhafte Bilanzansätze sind danach grundsätzlich in der ersten Schlussbilanz richtig zu stellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich ist (BFH-Urteile vom 11. Februar 1998 I R 150/94, BFHE 185, 565, BStBl II 1998, 503 und vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443). Die Lehre vom formellen Bilanzzusammenhang hat das JStG 2007 v. 13. Dezember 2006 durch Einfügung des 2. HS. in § 4 Abs. 2 S. 1 gesetzlich verankert. Danach ist eine Änderung nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann. Die Bilanzberichtigung ist - positiv ausgedrückt - nunmehr davon abhängig, dass alle Steuerfestsetzungen, auf die sich die Bilanzberichtigung auswirken würde, verfahrensrechtlich noch änderbar sind. § 4 Abs. 2 S. 1 idF des JStG 2007 ist erstmals auf die Berichtigung v. Bilanzen anzuwenden, auf denen die Einkommensteuerfestsetzungen in den VZ ab 2007 beruhen, selbst wenn bei abweichendem Wj. eine Besteuerungslücke entsteht. (Bode in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 4 EStG, Rn. 113a).

Allerdings gilt der formelle Bilanzenzusammenhang nur insoweit, als dass der bestandskräftigen Veranlagung des Vorjahres eine vom Steuerpflichtigen erstellte oder berichtigte Bilanz zu Grunde lag.

Eine Bilanzberichtigung kann nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nur der Steuerpflichtige selbst vornehmen. Dem Finanzamt ist eine Berichtigung verwehrt (vgl. BFH-Urteil vom 04. November 1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129 m.w.N.). Hält das Finanzamt eine Bilanz für fehlerhaft, darf es diese Bilanz der Besteuerung nicht zugrunde legen und muss eine eigene Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich mit ggf. auf der Grundlage der Bilanz abgeänderten Werten vornehmen. Übernimmt der Steuerpflichtige dann die vom Finanzamt ermittelten Werte, führt er selbst eine Bilanzberichtigung durch, deren Zulässigkeit nach den vom BFH aufgestellten Grundsätzen (grundlegend Beschluss des Großen Senats vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142) zu beurteilen ist. Allerdings kann der Steuerpflichtige im Einzelfall verpflichtet sein, eine Bilanzberichtigung vorzunehmen. Diese Verpflichtung kann sich etwa aus einem rechtskräftigen Urteil ergeben. Sie kann ferner aus den Grundsätzen von Treu und Glauben folgen. Davon wird z.B. dann auszugehen sein, wenn der Steuerpflichtige selbst wie im Fall des BFH-Urteils vom 28. April 1998 VIII R 46/96 (BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443) im Wege einer Selbstanzeige die Fehlerhaftigkeit der Bilanz erklärt.

Besteht die Verpflichtung zur Bilanzberichtigung nicht und weicht das Finanzamt fehlerhaft von der Bilanz des Steuerpflichtigen ab, wird dieser Bilanzierungsfehler nicht Teil der maßgeblichen Steuerbilanz, d.h. insoweit entsteht keine von der Bilanz des Steuerpflichtigen abweichende „Veranlagungsbilanz“, die in den Folgejahren über den Bilanzenzusammenhang korrigiert werden könnte (Bode in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 4 Rz. 117).

Sind somit, wie vorliegend, die Werte des Finanzamtes unzutreffend, übernimmt der Steuerpflichtige sie nicht und ist er auch nicht durch ein rechtskräftiges Urteil zur Übernahme der fehlerhaften Werte in die Bilanz verpflichtet, muss seine richtige Bilanz für den Betriebsvermögensvergleich im Folgejahr herangezogen werden. Daraus folgt, dass das fehlerhafte Abweichen von einer Bilanz des Steuerpflichtigen nicht in einem späteren Veranlagungszeitraum korrigiert werden kann. Eine Korrektur kann nur in demselben Jahr erfolgen, soweit dies nach den Vorschriften der Abgabenordnung zulässig ist. Dies gilt in gleicher Weise für Fehler zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 04. November 1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129).

Da die Organgesellschaft vorliegend den (unzutreffenden) Bilanzansatz aus der Vor-BP in Ihren Bilanzen 2006 bis 2008 nicht übernommen hat und auch für das Jahr 2005 keine Bilanzberichtigung vorgenommen hat, muss die von ihr erstellte Vorjahresbilanz auf den 31. Dezember 2007 für den Betriebsvermögensvergleich zu Grunde gelegt werden. Für die vom Beklagten vorgenommen streitige Gewinnerhöhung im Jahr 2008 fehlt es damit an einer Rechtsgrundlage.

bb) Aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergibt sich nichts anderes. Insbesondere war die Organgesellschaft nicht verpflichtet, die unzutreffenden Werte des Beklagten bereits deshalb zu übernehmen, weil sie gegen den zu Ihren Gunsten geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2005 keinen Einspruch eingelegt hat. Es besteht insoweit keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen gegen unzutreffende Änderungen des Finanzamts vorzugehen. Zudem ergibt sich aus den von der Organgesellschaft erstellten Bilanzen der Folgejahre 2006 bis 2008, dass diese mit der streitigen Passivierung der Verbindlichkeit gerade nicht einverstanden war, da diese in konsequenter Fortführung der Bilanzansätze gerade nicht übernommen wurde. Zudem hätte für den Beklagten bei bestehender Unsicherheit der Änderung zu Gunsten der Organgesellschaft im Jahr 2005 ggf. die Möglichkeit bestanden, die Steuer insoweit vorläufig festzusetzen, was ihr eine Korrekturmöglichkeit in späteren Jahren etwa für den Fall des Obsiegens der Organgesellschaft in dem hiesigen Klageverfahren ermöglicht hätte.

c) Selbst wenn entgegen der obigen Annahme die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs hinsichtlich der streitigen Verbindlichkeit dennoch greifen würden, käme nach Treu und Glauben dennoch eine gewinnwirksame Ausbuchung der streitigen Verbindlichkeit im Streitjahr nicht in Betracht.

Bei der Anwendung des formellen Bilanzenzusammenhangs ist der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142; BFH-Urteil vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77, BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456; BFH-Beschluss vom 30. März 1994 I B 81/93, BFH/NV 1995, 192; BFH-Urteil vom 28. Oktober 1998 X R 96/96, BFHE 187, 450, BStBl II 1999, 217, BStBl II 1999, 217). Der Grundsatz von Treu und Glauben ist zu Lasten des Steuerpflichtigen in Betracht gezogen worden, wenn dieser in Vorjahren die Bilanzierung eines Schuldpostens bewusst rechtswidrig und willkürlich unterlassen (BFH-Urteil vom 2. Mai 1984 VIII R 239/82, BFHE 141, 312, BStBl II 1984, 695) oder in anderer Weise bewusst unrechtmäßige Steuervorteile erstrebt hat (vgl. BFH-Urteile vom 7. Oktober 1971 IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl II 1972, 271; vom 3. Juli 1980 IV R 31/77, BFHE 131, 229, BStBl II 1981, 255). Zu Lasten des Finanzamts wurde der Grundsatz angewendet, wenn dieses dem Steuerpflichtigen unrichtige Bilanzansätze aufgedrängt hatte (BFH-Urteil vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77, BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456; Heinicke in Schmidt, EStG, 37. Aufl., § 4 Rz. 721).

Vorliegend hat zwar der Beklagte der Organgesellschaft den unrichtigen Bilanzansatz nicht aufgedrängt. Dieses liegt aber nur daran, dass er es nicht geschafft hat, die Organgesellschaft von der Richtigkeit des unzutreffenden Bilanzansatzes zu überzeugen und sich die Organgesellschaft geweigert hat, den Bilanzansatz zu übernehmen. Der Grundsatz von Treu und Glauben muss in einem solchen Fall, in dem das Finanzamt es zwar versucht, es aber nicht schafft, dem Steuerpflichtigen einen unzutreffenden Bilanzansatz aufzudrängen, erst recht zu Lasten des Finanzamts gelten.

d) Für die vom Beklagten zu Gunsten der Klägerin passivierten Zinsen, die gewerbesteuerrechtlich wieder hinzugerechnet wurden, gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

2. Im Hinblick auf den noch zu berechnenden beschränkten Verlustabzug aus dem Vorjahr, der sich auf die Festsetzungen des Streitjahres auswirkt, wurde die Berechnung der festzusetzenden Beträge gem. § 100 Abs. 2 Satz 3 und 4 FGO dem Beklagten aufgegeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Geltung des formellen Bilanzenzusammenhangs zugelassen.

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