R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
28.04.2011
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
BVerfG: Pflicht zur Offenlegung von Jahresabschlüssen verfassungsgemäß

 

BVerfG, Beschluss vom 1.2.2011 - 2 BvR 1236/10

Leitsatz (des Kommentators)

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Offenlegungspflicht bei Jahresabschlüssen (§ 325 HGB) und deren Sanktionierung (§ 335 HGB).

Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG; § 325, § 335 HGB

Sachverhalt

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung, die nach verspäteter Offenlegung eines Jahresabschlusses erfolgt ist.

1. Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Ihr oblag nach § 325 HGB, bis zum 31.12.2007 Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2006 beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einzureichen. Nachdem sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, gab das Bundesamt für Justiz der Beschwerdeführerin mit Androhungsverfügung vom 12.3.2008 auf, die Unterlagen binnen einer Nachfrist von sechs Wochen offenzulegen und bekanntzumachen; zugleich drohte es die Verhängung eines Ordnungsgelds an. Der Androhungsverfügung beigelegt war ein zweiseitiges Merkblatt über das Ordnungsgeldverfahren. Die Verfügung wurde der Beschwerdeführerin zugestellt.

Mit Schreiben vom 18.3.2008 übersandte die Beschwerdeführerin ihre Bilanzen zum 31.12.2006 und 31.12.2007 statt an den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers an das Bundesamt für Justiz. Mit Schreiben vom 6.8.2008 legte das Bundesamt für Justiz den Irrtum der Beschwerdeführerin offen. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

"Ihnen wird hiermit Gelegenheit gegeben, die Erfüllung ihrer Einreichungspflicht [...] bis zum 3. September 2008 nachzuholen. [...] Sollten die erforderlichen Unterlagen nicht bis zum 3. September 2008 [...] eingereicht werden, wird das angedrohte Ordnungsgeld festzusetzen sein."   

Mit Schreiben vom 25.8.2008 übersandte die Beschwerdeführerin ihre Unterlagen für die Jahre 2006 und 2007 nunmehr an den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.

Mit Bescheid vom 9.10.2008 setzte das Bundesamt für Justiz gegen die Beschwerdeführerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 2 500 Euro fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 5.11.2008 wies das LG Bonn mit Beschluss vom 11.3.2009 zurück. Zur Begründung führte es aus, mit der Einreichung der Unterlagen beim Bundesamt für Justiz habe die Beschwerdeführerin ihrer Offenlegungspflicht nicht Genüge getan. Auch wenn die Beschwerdeführerin nicht auf ihren Irrtum hingewiesen worden sei, treffe sie ein Verschulden. Die Unterlagen seien zudem unvollständig, da der Anhang für das Jahr 2006 fehle. Mit Schriftsatz vom 16.3.2009 legte die Beschwerdeführerin über ihren Rechtsanwalt "Rechtsmittel" gegen den Beschluss vom 11.3.2009 ein und erhob den Rechtsbehelf der Anhörungsrüge. Das LG habe nicht berücksichtigt, dass das Bundesamt mit Schreiben vom 6.8.2008 die mit Verfügung vom 12.3.2008 gesetzte Frist verlängert habe. Dieses Schreiben sei dem Gericht mit Schriftsatz vom 2.12.2008 übersandt worden. Mit Schreiben vom 17.3.2009 wies das LG darauf hin, dass bislang lediglich die erste Seite des Schreibens vom 6.8.2008 bei Gericht eingereicht worden sei. Außerdem seien die Jahresabschlussunterlagen immer noch unvollständig, da weiterhin der zwingend erforderliche Anhang fehle. Mit Schriftsatz vom 1.4.2009 übersandte der Verfahrensbevollmächtigte daraufhin das vollständige Schreiben an das Gericht. Unter dem gleichen Datum übersandte er an den Betreiber des Bundesanzeigers den Anhang 2006. Mit Beschluss vom 11.5.2010 wies das Landgericht, mit Verweis unter anderem auf sein Schreiben vom 17.3.2009, die Anhörungsrüge zurück.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesamts für Justiz und die Entscheidungen des LG. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Der Beschwerdeführerin sei das rechtliche Gehör im Ordnungsgeldverfahren versagt worden, da das LG die der Beschwerdeführerin gewährte Fristverlängerung nicht berücksichtigt habe. Zudem verletze die Beschwerdeführerin die Auferlegung des Ordnungsgelds sowie dessen Höhe in ihren Rechten. Die Beschwerdeführerin treffe kein oder nur ein geringes Verschulden. Das Ordnungsgeld übersteige den jährlichen Gewinn und den jährlichen Ertrag um ein Vielfaches.

Aus den Gründen

            Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Voraussetzungen der Annahme nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

Die Verfassungsbeschwerde, die offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 93a Abs. 2 lit. a) BVerfGG), ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

            Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

1. Soweit die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die von ihr behauptete Verletzung ihrer Rechte nicht substantiiert dargelegt hat (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).

Die Beschwerdeführerin hat schon nicht dargetan, worin der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegen soll. Das LG hat spätestens bei seinem Beschluss vom 11.5.2010 den gesamten Sachvortrag der Beschwerdeführerin, insbesondere die von ihr behauptete zweite Fristverlängerung, zur Kenntnis genommen und gewürdigt.

Die Beschwerdeführerin hätte weiter vortragen müssen, weshalb die angegriffenen Entscheidungen auf diesem Verstoß beruhen (vgl. BVerfGE 28, 17 <20>; 77, 275 <281>; 82, 236 <256 ff.>; 91, 1 <25 f.>; 94, 1 <7>; 105, 252 <264>; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 92 Rn. 18). Hierzu enthält die Beschwerdeschrift jedoch lediglich die pauschale Behauptung, die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf dem Verfassungsverstoß.

            Unbegründetheit der Verfassungsbeschwerde

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

Die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen die Beschwerdeführerin ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

            Keine Grundrechtsverletzung

Soweit die Beschwerdeführerin als juristische Person Trägerin von Grundrechten sein kann (Art. 19 Abs. 3 GG), greift die Auferlegung des Ordnungsgelds zwar in ihr verfassungsmäßiges Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein (vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 106 <Juni 2006> m.w.N.). Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Grundrecht vorliegend aber nicht verletzt, weil die Festsetzung des Ordnungsgelds nach § 335 HGB gerechtfertigt war (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 11.3.2009 - 1 BvR 3413/08 -, NJW 2009, S. 2588).

Es bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Offenlegungspflicht (§ 325 HGB) und deren Sanktionierung (§ 335 HGB). Auch verletzt die Anwendung von § 325 HGB im zugrunde liegenden Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB weder die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Art. 12 Abs. 1 GG noch ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG. Mögliche Eingriffe in diese Grundrechte sind durch die mit der Offenlegung der in § 325 Abs. 1 HGB bezeichneten Rechnungslegungsunterlagen verfolgten, in erheblichem Allgemeininteresse liegenden Zwecke eines effektiven Schutzes des Wirtschaftsverkehrs durch Information der Marktteilnehmer und einer Kontrollmöglichkeit der betroffenen Gesellschaften vor dem Hintergrund deren nur beschränkter Haftung jedenfalls gerechtfertigt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10.9.2009 - 1 BvR 1636/09 -, [...]). Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, eine gewährte Fristverlängerung habe der Auferlegung des Ordnungsgelds im vorliegenden Fall entgegengestanden, übergeht er die Feststellung des Gerichts, nach der die Einreichungspflicht auch innerhalb der verlängerten Fristen nicht vollständig erfüllt wurde.

            Auch die Höhe des Ordnungsgelds ist verfassungsrechtlich unbedenklich

Auch die festgesetzte Höhe des Ordnungsgelds begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und ist insbesondere nicht unverhältnismäßig. Nach § 335 Abs. 1 S. 4 HGB beträgt das Ordnungsgeld mindestens 2 500 Euro und höchstens 25 000 Euro. Das Bundesamt für Justiz hat damit den geringstmöglichen Betrag festgesetzt.

Ein Unterschreiten der Mindestordnungsgeldhöhe von 2 500 Euro sieht das Gesetz nur unter den Voraussetzungen des § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB bei lediglich geringfügiger Überschreitung der gesetzten Nachfrist vor. Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor, da die Beschwerdeführerin die erforderlichen Jahresabschlussunterlagen in ordnungsgemäßer Form erst am 1.4.2009 eingereicht hat.

Billigkeitsgesichtpunkte rechtfertigen dagegen nach der einschlägigen fachgerichtlichen Rechtsprechung eine Herabsetzung des Ordnungsgelds nicht, da § 335 Abs. 1 S. 4 und Abs. 3 S. 5 HGB insoweit eine abschließende und zu dem - zum damaligen Zeitpunkt anwendbaren - § 135 Abs. 2 Satz 2 FGG speziellere Regelung treffen (LG Bonn, Beschluss vom 10.12. 2008 - 37 T 472/08 -, [...]; vgl. auch Stollenwerk/Kurpat, BB 2009, S. 150 <154>). Diese Gesetzesauslegung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Selbst wenn man die Auffassung der Beschwerdeführerin als zutreffend unterstellt, es komme für die Höhe des Ordnungsgelds auch auf den Grad des Verschuldens an, wäre die Festsetzung der Mindesthöhe nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin hat trotz Hinweises auf den richtigen Adressaten sowohl in der Androhungsverfügung als auch im Merkblatt die Unterlagen an den falschen Adressaten übersandt, trotz Hinweises im Merkblatt auf den erforderlichen Umfang der Unterlagen den Anhang zweimal nicht ordnungsgemäß übersandt; nicht nur die gesetzliche Frist (31.12.2007), sondern auch die ihr gesetzte Nachfrist und die von ihr behauptete zweite Nachfrist versäumt und die Unterlagen in der erforderlichen Form erst am 1.4.2009 eingereicht, und dies trotz anwaltlicher Beratung im Beschwerdeverfahren. Damit wäre für das Bundesamt der Justiz die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgelds - das bereits angedroht wurde - ohne Weiteres zulässig.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

stats