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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
22.04.2021
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG München: Nachträgliche Erhöhung eines Investitionsabzugsbetrags

FG München, Urteil vom 30.11.2020 – 7 K 1071/20, rkr.

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2021-1008-1

Nicht Amtlicher Leitsatz 

Wird ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 4 EStG rückgängig gemacht, weil das begünstigte Wirtschaftsgut nicht lang genug betrieblich genutzt wird, kann der Steuerpflichtige dies durch die Erhöhung eines bisher nicht voll ausgeschöpften Investitionsabzugsbetrags für ein anderes Wirtschaftsgut kompensieren (Rechtslage 2007–2020).

EStG § 7g Abs. 1

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine mit notariellem Vertrag vom 10.12.2013 nach § 2 Abs. 1a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Werbeleistungen im Rahmen von Motorradrennen.

Die Klägerin erklärte in der Körperschaftsteuererklärung 2014 einen Steuerbilanzgewinn in Höhe von 6.017 € und machte einen außerbilanziellen Investitionsabzugsbetrag (IAB) gemäß § 7g Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 6.000 € geltend. Im Körperschaftsteuerbescheid 2014 vom 28.10.2015 ergab sich nach Berücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d Abs. 2 EStG in Höhe von 116 € ein zu versteuerndes Einkommen von 0 €, sodass die Körperschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wurde. Im Bescheid für den Gewerbesteuermessbetrag 2014 wurde vom Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 116 € ein anrechenbarer Gewerbeverlust in Höhe von 116 € berücksichtigt und ein Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 0 € festgesetzt. Die Steuerbescheide ergingen endgültig und wurden bestandskräftig.

Der geltend gemachte IAB bezog sich auf die künftige Anschaffung von zwei Wirtschaftsgütern, einem Anhänger mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 9.500 € und einem Kastenwagen/Transportfahrzeug mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 15.000 €. Für den Anhänger wurde ein IAB in Höhe von 3.800 € und für den Kastenwagen/Transportfahrzeug in Höhe von 2.200 € in Anspruch genommen.

Am 13.01.2015 schaffte die Klägerin einen Transporter … und am 28.01.2015 einen Kofferanhänger … an. Der IAB in Höhe von insgesamt 6.000 € wurde in 2015 aufgelöst und dem Gewinn außerhalb der Bilanz zugerechnet.

Im Jahr 2016 verkaufte die Klägerin den Anhänger … Das beklagte Finanzamt (FA) wies die Klägerin mit Schreiben vom 25.07.2018 darauf hin, dass damit die Verbleibensvoraussetzungen gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b EStG nicht erfüllt seien und deshalb nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG der Abzug in Höhe von 3.800 € im Jahr 2014 und die Hinzurechnung in gleicher Höhe im Jahr 2015 rückgängig zu machen seien. Das FA machte mit den nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG geänderten Bescheiden über Körperschaftsteuer 2014 und Gewerbesteuermessbetrag 2014 vom 10.01.2019 den bisherigen Abzug nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 3.800 € rückgängig. Dies führte zu einer entsprechenden Erhöhung der Einkünfte und des Gewerbeertrags. Nach Berücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d Abs. 2 EStG in Höhe von 294 € und eines Verlustrücktrags aus 2015 in Höhe von 3.622 € wurde die Körperschaftsteuer auf 0 € festgesetzt. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde nach Berücksichtigung eines Gewerbeverlustes aus früheren Erhebungszeiträumen in Höhe von 294 € auf 126 € festgesetzt.

Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und beantragte die rückwirkende Erhöhung des bereits ursprünglich gebildeten IAB für den Transporter um 3.800 € auf 6.000 €, sodass sich in der Summe keine Einkommensänderung ergeben sollte. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.04.2020 als unbegründet zurück. Es verwies zur Begründung auf Tz. 3, 2. Alternative des BMF-Schreibens vom 15.01.2016 (BStBl I S. 83), wonach eine nachträgliche Erhöhung des IAB ausscheide, wenn bei bereits durchgeführten Investitionen die Erhöhung erkennbar dem Ausgleich von nachträglichen Einkommenserhöhungen diene. Außerdem gehöre die Inanspruchnahme eines IAB zu den steuerlichen Wahlrechten, die formell bis zum Eintritt der Bestandskraft derjenigen Steuerfestsetzung ausgeübt werden könnten, auf welche sie sich auswirken sollten. Die Veranlagungen des Abzugsjahres 2014 seien endgültig und bestandskräftig, daher bestehe für eine rückwirkende Ausübung eines steuerlichen Wahlrechtes kein Raum. Durch die rückwirkende Erhöhung des IAB für den Transporter, die nur der Kompensation der Rückgängigmachung des IAB für den Kofferanhänger dienen würde, würde im Ergebnis die strenge Bindung des IAB an ein bestimmtes Wirtschaftsgut gemäß § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG unterlaufen.

Hiergegen richtet sich die Klage. Der rückwirkenden Ausübung eines Wahlrechtes stehe die formelle Bestandskraft der Steuerbescheide für das Jahr 2014 nicht entgegen, da dieses Wahlrecht innerhalb der Einspruchsfrist bezüglich des geänderten Körperschaftsteuerbescheides 2014 bzw. des geänderten Gewerbesteuerbescheides 2014 vom 10.01.2019 ausgeübt worden sei und betragsmäßig den Rahmen des § 351 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) nicht überschreite. Im Übrigen wäre der Zweck des § 7g EStG, zum Zwecke der Stärkung des Eigenkapitals bzw. der Liquidität des investierenden Unternehmens Abschreibungen von künftigen Anschaffungen vorzuverlagern, auch bei nachträglicher Geltendmachung eines IAB im Rahmen des Einspruchsverfahrens verwirklicht. Seit der Neufassung des § 7g EStG durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 sei auch die Prüfung eines Finanzierungszusammenhangs entbehrlich. Die Investitionsabsicht sei bereits mit der Benennung des Gegenstandes im Rahmen der Einreichung der Steuererklärung ausreichend dokumentiert und glaubhaft gemacht worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 2014 bzw. des geänderten Gewerbesteuerbescheides 2014, jeweils vom 10.01.2019, den bereits gebildeten IAB um 3.800 € zu erhöhen und die Einkünfte bzw. den Gewinn aus Gewerbebetrieb entsprechend herabzusetzen, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen und verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).

Aus den Gründen

Zulässigkeit der Klage

II. 1. Die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2014 ist nach § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, obwohl im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid eine Steuer von 0 € festgesetzt worden ist. Denn dadurch, dass sich im angefochtenen Änderungsbescheid vom 10.01.2019 durch die Rückgängigmachung des IAB um 3.800 € der Gesamtbetrag der Einkünfte von ursprünglich 116 € auf 3.916 € erhöht hat, wurde erstmals ein Teil des steuerlichen Verlustes 2015 in Höhe von 3.622 € nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG zurückgetragen. Nach der Rechtsprechung des BFH wird über Grund und Höhe des Verlustrücktrags ausschließlich im Rahmen der Veranlagung des Rücktragsjahres entschieden. Gleichzeitig setzt eine Entscheidung im Verlustrücktragsjahr über die nach § 10d Abs. 1 EStG als Verlustrücktrag abgezogenen Beträge eine Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres voraus. Diese Größe bestimmt das Maximalvolumen für den Verlustrücktrag und begründet eine Beschwer des Steuerpflichtigen (Bundesfinanzhof - BFH - Urteile vom 10.03.2020 IX R 24/19, BFH/NV 2020, 873 Rz. 28; vom 09.02.2017 X B 49/16, BFH/NV 2017, 721 Rz. 13-14).

Begründetheit der Klage

2. Die Klage ist auch begründet. Das FA ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die nachträgliche Erhöhung des IAB für den Transporter um 3.800 € unzulässig ist.

Die Klägerin hätte im Streitjahr 2014 im Rahmen der ursprünglichen Veranlagung für den Transporter mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 15.000 € unstreitig einen IAB in Höhe von 6.000 € (40%) geltend machen können. Die Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 EStG sind insoweit erfüllt, dass Wirtschaftsgut wurde im folgenden Jahr angeschafft und blieb mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung folgenden Wirtschaftsjahres im Betriebsvermögen der Klägerin. Da zunächst nur ein IAB in Höhe von 2.200 € in Anspruch genommen worden ist, war die Klägerin berechtigt, im Rahmen des Einspruchs gegen den nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG geänderten Bescheid den Antrag nach § 7g Abs. 1 EStG nunmehr dahingehend auszuüben, dass der IAB in maximal zulässige Höhe in Anspruch genommen wird.

Gegen die nachträgliche Erhöhung des IAB spricht weder der Grundsatz, dass steuerliche Wahlrechte nur bis zum Eintritt der Bestandskraft der jeweiligen Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, auf welche sie sich auswirkten noch gibt es einen Grundsatz, dass eine Änderung des IAB unzulässig wäre, wenn sie nur der Kompensation der von der Rückgängigmachung eines IAB gemäß § § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG ausgelösten Rechtsfolgen dient.

IAB kann nicht nur für im Zeitpunkt der Antragstellung ausstehende Investitionen beantragt werden

a) In der Rechtsprechung ist es geklärt, dass ein IAB nicht nur für im Zeitpunkt der Antragstellung ausstehende Investitionen beantragt werden kann. Vielmehr ist das Merkmal der „voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG, ebenso wie das der voraussichtlichen Anschaffung i.S.v. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG, aus Sicht des Bilanzstichtags auszulegen, für den der IAB geltend gemacht wird. Demgemäß kann - bei Vorliegen der weiteren materiellen Voraussetzungen - von einer voraussichtlichen Anschaffung/Herstellung und von voraussichtlichen Anschaffungs-/Herstellungskosten im Sinne dieser Norm auch dann auszugehen sein, wenn der Antrag auf IAB für das innerhalb des dreijährigen Investitionsprogramms angeschaffte Wirtschaftsgut dem FA erst nach dem Anschaffungszeitpunkt zugeht (BFH-Urteil vom 28.04.2016 I R 31/15, BStBl II 2017, 306 [BB 2016, 2031 m. BB-Komm. von Glasenapp]). Darüber hinaus muss ein IAB nicht bereits bei der erstmaligen Einreichung der Steuererklärung geltend gemacht werden, sondern ist auch zulässig, wenn die Rücklage später zum Zwecke der Bescheidänderung gebildet wurde. Er kann sogar nach einer Betriebsprüfung gebildet werden, um eine nach den Ergebnissen der Außenprüfung eintretende Gewinnerhöhung zu kompensieren (BFH-Urteile vom 23.03.2016 IV R 9/14, BStBl II 2017, 295 [BB 2016, 2096 m. BB-Komm. Tippelhofer]; vom 06.04.2016 X R 28/14, BStBl II 2017, 302). In dem zuletzt genannten vom BFH entschiedenen Fall wurde ein IAB rückgängig gemacht, weil das Wirtschaftsgut nicht innerhalb von drei Jahren nach Antragstellung fertiggestellt bzw. angeschafft wurde. Der Kläger des dortigen Verfahrens hat im Rahmen des Klageverfahrens erstmals den IAB für andere Wirtschaftsgüter geltend gemacht, für die bisher keine IAB beantragt worden waren und hat damit die Gewinnerhöhung aufgrund der Rückgängigmachung des IAB kompensiert. Der BFH hat dies unter der Voraussetzung zugelassen, dass die Investitionsabsicht für die Wirtschaftsgüter, für die der IAB im Klageverfahren erstmals geltend gemacht wird, ausreichend dargelegt wird.

Im Streitfall bestehen an der Investitionsabsicht bezüglich der Anschaffung des Kastenwagens/Transportfahrzeugs keine Zweifel, denn dieses Wirtschaftsgut wurde im Folgejahr tatsächlich angeschafft. Darüber hinaus wurde für dieses Wirtschaftsgut bereits in der ursprünglichen Veranlagung ein IAB, wenn auch nicht in voller Höhe, geltend gemacht. Wenn es aber grundsätzlich zulässig ist, einen IAB erstmals nachträglich geltend zu machen, um damit die Gewinnerhöhung aufgrund der Rückgängigmachung eines IAB für ein anderes Wirtschaftsgut zu kompensieren, so muss dies umso mehr gelten, wenn für das Wirtschaftsgut, für das der Antrag nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG nachträglich gestellt wird, bereits im erstmaligen Steuerbescheid aufgrund eines entsprechenden Antrags in der Steuererklärung ein IAB in Anspruch genommen wurde.

Nachträgliche Korrektur der Höhe des IAB ist möglich

b) Der IAB gehört zu den zeitlich unbefristeten Wahlrechten, die formell bis zum Eintritt der Bestandskraft derjenigen Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, auf die sie sich auswirken sollen (BFH-Urteil vom 17.01.2012 – VIII R 48/10, BStBl II 2013, 952, BB 2012, 1403 m. BB-Komm. von Glasenapp). Zwar sind die ursprünglichen Veranlagungen für das die Ausübung des IAB betreffenden Jahres 2014 bestandskräftig geworden. In Folge des geänderten Körperschaftssteuerbescheids 2014 aufgrund der Rückgängigmachung des IAB für den Anhänger nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG hat sich der Gesamtbetrag der Einkünfte jedoch um 3.800 € erhöht, sodass in gleicher Höhe ein höherer Verlustabzug (178 € Verlustvortrag aus 2013, 3.116 € Verlustrücktrag aus 2015) berücksichtigt wurde. § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG ist eine spezielle Korrekturvorschrift i.S.d. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO für den Fall der Rückgängigmachung des IAB. Sie führt zu keiner Gesamtaufrollung der Veranlagung, sondern zu einer punktuellen Korrektur in Höhe des zunächst in Anspruch genommenen IAB. Da der Änderungsbescheid aufgrund der Rückgängigmachung des IAB nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG vom 10.01.2019 den unanfechtbaren Körperschaftsteuerbescheid 2014 vom 28.10.2015 geändert hat, kann er im Rechtsbehelfsverfahren nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht (§ 351 Abs. 1 AO). Zwar wird sowohl im ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid 2014, wie auch im Änderungsbescheid eine Körperschaftsteuer von 0 € festgesetzt. Da die Festsetzung einer Körperschaftsteuer von 0 € im Änderungsbescheid die Folge des Verbrauchs von verrechenbaren Verlusten in Höhe von 3.800 € ist, ergibt sich der Änderungsrahmen im Streitfall nicht, wie im Regelfall, durch die Gegenüberstellung der jeweils festgesetzten Steuer, sondern durch den im Änderungsbescheid zusätzlich in Anspruch genommenen Verlustabzug in Höhe von 3.800 €. In diesem Rahmen kann der Änderungsbescheid durch die Inanspruchnahme des höheren IAB für den Kastenwagen/Transportfahrzeugs korrigiert werden, sodass es bei den Besteuerungsgrundlagen, wie sie im ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid vom 28.10.2015 enthalten waren, bleibt. Das bedeutet, dass der im Änderungsbescheid vom 20.01.2019 erstmals in Anspruch genommene Verlustvortrag aus 2013 und Verlustrücktrag aus 2015 nicht verbraucht wird. Die entsprechende Änderung des Gewerbesteuermessbescheid 2014 folgt aus § 35b Abs. 1 GewStG.

Vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Kostenentscheidung

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

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