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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
10.10.2024
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
OLG Köln: Keine existenzbedrohenden Ordnungsgelder wegen Verstoßes gegen Offenlegungspflicht beim Jahresabschluss

OLG Köln, Beschluss vom 4.9.2024 – 28 Wx 4/24

ECLI:DE:OLGK:2024:0904.28WX4.24.00

Volltext der Entscheidung://BB-ONLINE BBL2024-2414-1

Amtliche Leitsätze

1. In dem Ordnungsgeldverfahren gemäß § 335 HGB bleibt eine Personengesellschaft des Handelsrechts im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren trotz einer nach Festsetzung des Ordnungsgeldes erfolgten Löschung im Handelsregister weiterhin beteiligtenfähig (§ 8 FamFG) um die Berechtigung der festgesetzten Ordnungsgelder in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen.

2. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen gewähren die Höchstgrenzen gemäß § 335 Abs. 1a HGB dem Bundesamt für Justiz bei der Festsetzung von Ordnungsgeldern einen weiten Ermessensspielraum. Dieser Spielraum gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern findet seine Grenze in dem grundgesetzlich begründeten Übermaßverbot.

3. Das Übermaßverbot ist jedenfalls dann verletzt, wenn die in den Jahresabschlussberichten durch einen Wirtschaftsprüfer attestierte finanzielle Situation des Unternehmens nicht ansatzweise erkennen lässt, dass die festgesetzten Ordnungsgelder ohne vollständige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz leistbar sind und damit der Schutzbereich des Art. 12 GG berührt ist.

4. Befinden sich die für eine Ermessensentscheidung benötigten Unterlagen in Form von Jahresabschlussberichten bei Akten kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 S. 1 FamFG), auch wenn diese nicht Gegenstand der angefochtenen Beschwerdeentscheidung waren.

HGB § 335 Abs 1a, HGB § 335a Abs. 3 S. 2, FamFG § 8, FamFG § 74 Abs. 6 S. 1, 2

Sachverhalt

Die Rechtsbeschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung von zwei Ordnungsgeldern über jeweils 250.000 € durch das Bundesamt für Justiz (BfJ) wegen der nicht fristgemäßen Einreichung ihrer Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.

Das BfJ drohte zunächst mit gleichlautenden Schreiben vom 02.08.2021 ein 1. Ordnungsgeld über jeweils 2.500 € wegen der unterbliebenen Veröffentlichung der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 an. Nachdem in der Folgezeit die Rechtsbeschwerdeführerin ihren Verpflichtungen auch weiterhin nicht nachgekommen war, setzte das BfJ am 21.02.2022 die angedrohten Ordnungsgelder über jeweils 2.500 € fest und drohte ein 2. Ordnungsgeld über jeweils 250.000 € unter Setzung einer Nachfrist von 6 Wochen an.

Mit den hier streitgegenständlichen Verfügungen vom 13.12.2022 setzte das BfJ sodann gegen die Rechtsbeschwerdeführerin die beiden angedrohten 2. Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € fest und drohte weitere (3.) Ordnungsgelder über jeweils 1.000.000 € an.

Grundlage für die Höhe der angedrohten und festgesetzten erhöhten Ordnungsgelder von 250.000 € bildete ein interner Vermerk des BfJ vom 24.11.2022 der auszugsweise wie folgt lautet:

„….Bei der Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeldern gegen Emittenten ist über § 31 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG der besondere Ordnungsgeldrahmen des § 335 Abs. 1a HGB zu berücksichtigen. Die Staffelung ist wie folgt vorzunehmen:

• 1. Festsetzung: 2.500 Euro

• 2. Festsetzung: 250.000 Euro

• 3. Festsetzung: 500.000 Euro

• 4. Festsetzung: 1 Million Euro

• jede weitere Festsetzung: Erhöhung um 1 Million Euro, bis der Höchstbetrag erreicht ist……..“

Zugestellt wurden die Verfügungen vom 13.12.2022 nicht mehr an den Steuerberater der Rechtsbeschwerdeführerin, sondern (wieder) unmittelbar an die Geschäftsadresse in N01 W., bei der es sich um eine „Briefkastenadresse“ handelt. Die Zustellung erfolgte am 12.01.2023 durch Einwurf in den Briefkasten. Die Post wurde von dort – wie üblich – durch eine Nachbarin an den Geschäftsführer der Rechtsbeschwerdeführerin in die V. weitergeleitet.

Die Jahresabschlüsse 2019 und 2020 wurden am 29.12.2022 durch die Rechtsbeschwerdeführerin bei dem Bundesanzeiger zur Veröffentlichung eingereicht.

Mit Schreiben vom 30.01.2023, eingegangen per Telefax beim BfJ am gleichen Tage, hat der Verfahrensbevollmächtige der Rechtsbeschwerdeführerin jeweils Beschwerde gegen die Festsetzung der beiden Ordnungsgelder eingelegt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeeinlegung beantragt.

Bezüglich der festgesetzten Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € hat die Beschwerdeführerin gerügt, dass diese unverhältnismäßig seien und die Rechtsbeschwerdeführerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten.

Den Wiedereinsetzungsantrag, den die Rechtsbeschwerdeführerin im Wesentlichen damit begründet hat, dass die von der Nachbarin in W. weitergeleitete Post ihren Geschäftsführer erst am 28.01.2023 in der V. erreicht habe, hat das BfJ unter Bezugnahme auf § 335 Abs. 5 HGB mit Bescheid vom 08.02.2023 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 22.02.2023 haben die von der Beschwerdeführerin zusätzlich mandatierten Rechtsanwälte P. & Partner Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung eingelegt und das bisherige Beschwerdevorbringen bezüglich der angegriffenen Ordnungsgeldentscheidungen ergänzt.

Das BfJ hat den Beschwerden nicht abgeholfen und diese mit Verfügungen vom 27.02.2023 dem Landgericht Bonn zur Entscheidung vorgelegt.

Die Rechtsbeschwerdeführerin hat ihr bisheriges Vorbringen gegenüber dem Landgericht mit Schriftsatz vom 05.05.2023 wiederholt und vertieft.

Mit – gleichlautenden – Beschlüssen vom 08.01.2024 hat das Landgericht die Beschwerden gegen die Ordnungsgeldentscheidungen und die Versagung der Wiedereinsetzung durch das BfJ jeweils zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Gleichzeitig hat es wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde durch die Rechtsbeschwerdeführerin Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 335a Abs. 1 HGB i.V.m. § 17 FamFG gewährt.

Zur Begründung seiner Entscheidungen stellt das Landgericht darauf ab, dass die Voraussetzungen für die erhöhten Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € gemäß § 335 Abs. 1a HGB vorlägen. Bei der Festsetzung sei die finanzielle Situation des Unternehmens nur ein Aspekt im Rahmen der Bemessung. Weitere Kriterien seien das Maß des Verschuldens sowie die Beharrlichkeit der Publizitätsverweigerung und die wirtschaftliche Bedeutung der Offenlegung. Dem Unternehmen dürfe es nicht ermöglicht werden, sich „freizukaufen“. Eine Herabsetzung der Ordnungsgelder wegen Liquiditätsproblemen scheide aus, da auch Pflichtverletzungen vorgebeugt werden solle. Die drastischen Sanktionen nach § 335 Abs. 1a HGB begründe der Unionsgesetzgeber damit, dass diese „hinreichend abschreckend“ sein müssten, damit „saubere und transparente Märkte“ gefördert werden (Erwägungsgrund 16 der Änderungs-RL 2013/50/EU). Der Kammer sei auch bekannt, dass an dieser Regelung wegen der existenzbedrohenden Wirkung Kritik geübt werde. Eine Möglichkeit zur Herabsetzung folge hieraus jedoch nicht. Schließlich scheide eine Herabsetzung aufgrund solcher sich aus der Offenlegung ergebenden Umstände aus, wenn die Festsetzung vor der Offenlegung erfolgt sei, § 335 Abs. 4 S. 3 HGB (OLG Köln, Beschluss vom 28.12.2015, 28 Wx 28/15).

Hinsichtlich der Entscheidung des BfJ bezüglich des Antrags auf Wiedereinsetzung hat das Landgericht festgestellt, dass obwohl ein Fall des § 335 Abs. 5 HGB nicht vorliege und ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden sei, das BfJ diesen beschieden habe.

Mit den gegen diese Entscheidungen des Landgerichts erhobenen Rechtsbeschwerden vom 04.03.2024 macht die Rechtsbeschwerdeführerin geltend, dass die Höhe der festgesetzten Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € nicht angemessen sei.

Die Rechtsbeschwerdeführerin habe als kapitalmarktorientiertes Unternehmen im Sinne des § 264 d HGB zwar alle Fristen zur Offenlegung der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 verstreichen lassen, erfülle damit die Voraussetzungen für ein erhöhtes Ordnungsgeld und erkenne auch an, dass wegen wiederholter Säumnis der Offenlegung eine empfindliche Geldauflage geboten sei. Jedoch sei die Höhe der Ordnungsgelder nicht mehr verhältnismäßig. Das Unternehmen habe lediglich Genussrechte in einem Gesamtwert von 1.200.000,00 € ausgegeben. Die in Frage stehenden Ordnungsgelder von insgesamt 500.000 € für die Bilanzierungsjahre 2019 und 2020 stellten 41,7 % dieser Genussrechte dar und gefährdeten die Rechtsbeschwerdeführerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz. Die in dem Vermerk des BfJ vom 24.11.2022 niedergelegten Abstufungen zur Höhe der Ordnungsgelder würden den tatsächlichen Anforderungen an die Wirklichkeit und insbesondere an die Möglichkeit, das Unternehmen fortzuführen, nicht gerecht.

Die Rechtsbeschwerdeführerin beantragt,

die Ordnungsgeldentscheidungen des Bundesamtes für Justiz vom 13.12.2022 (EHUG-00198511/2021-01/03 und EHUG-00198573/2021-01/03) und die Beschlüsse des Landgerichts Bonn vom 08.01.2024 (32 T 102/23 und 32 T 103/23) aufzuheben.

Das Bundesamt für Justiz beantragt als Verfahrensbeteiliger,

die Rechtsbeschwerden als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Das BfJ hält die Rechtsbeschwerden bereits für unzulässig aufgrund einer fehlenden Beteiligtenfähigkeit der Rechtsbeschwerdeführerin gemäß § 335a Abs. 3 Satz 2 HGB i. V. m. § 8 FamFG. Dem liegt zugrunde, dass – was erst im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens bekannt geworden ist – die Rechtsbeschwerdeführerin am 28.08.2023 im Handelsregister (Amtsgericht München HRA 103923) gelöscht worden ist. Die einzige Kommanditistin, die O. GmbH, ist aus der Gesellschaft ausgeschieden und hat ihre Kommanditeinlage auf die Komplementärin, die O. Management GmbH, übertragen. Damit ist die Kommanditgesellschaft aufgelöst und ohne Liquidation beendet worden. Die (frühere) Komplementärin O. Management GmbH ist sodann ausweislich des Handelsregistereintrags vom 27.12.2023 (Amtsgericht München HRB N02) auf Grund eines Verschmelzungsvertrages vom 29.11.2023 mit der F. GmbH mit Sitz in G. (Amtsgericht H. HRB N03) verschmolzen. Am 03.01.2024 wurde in das Handelsregister der übernehmenden F. GmbH eingetragen, dass die O. Management GmbH durch Übertragung ihres Vermögens unter Auflösung ohne Abwicklung als Ganzes auf die übernehmende Gesellschaft verschmolzen ist.

Auf entsprechende Nachfrage des Senats, hat das BfJ mitgeteilt, dass nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens beabsichtigt sei, die festgesetzten Ordnungsgelder im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben.

Hilfsweise macht das BfJ geltend, dass die Beschwerden durch das Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden seien. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 335 Abs. 4 Satz 1 HGB für die Festsetzung der 2. Ordnungsgelder lägen vor.

Auch seien die festgesetzten Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 250.000 Euro der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das BfJ habe in Ausübung seines Ermessens gemäß § 31 Abs. la Satz 1 VermAnlG i. V. m. § 335 Abs. 1a, Abs. 1c HGB die Ordnungsgelder jeweils in Höhe von 250.000 Euro zu Recht festgesetzt.

Es handele sich bei der Rechtsbeschwerdeführerin um einen Emittenten i.S.v. § 1 Abs. 3 VermAnlG. Bei der Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeldern gegen Emittenten i.S.d. VermAnlG sei gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG der besondere Ordnungsgeldrahmen des § 335 Abs. 1a HGB zu berücksichtigen.

Das BfJ habe in beiden Ordnungsgeldverfahren berücksichtigt, dass es sich jeweils um eine zweite Festsetzung handelt. Der Ansatz eines Betrags von 250.000 Euro für die zweite Festsetzung entspräche der dortigen Verwaltungspraxis, wie sich auch aus dem in der Akte befindlichen Vermerk vom 24.11.2022 ergebe. Der Betrag von 250.000 Euro liege noch im unteren Bereich des Ordnungsgeldrahmens für Emittenten im Sinne des Vermögensanlagengesetzes, sei aber gegenüber den ersten Ordnungsgeldern deutlich erhöht, um einen starken Anreiz zu schaffen, die gesetzliche Offenlegungspflicht zu erfüllen. Vor dem Ziel des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, die Publizitätspflicht durch abschreckende Sanktionen effektiv durchzusetzen, begegne der Betrag von 250.000 Euro für die zweite Ordnungsgeldfestsetzung daher keinen Bedenken.

Der Senat hat mit Beschluss vom 03.04.2024 die beiden Rechtsbeschwerdeverfahren 28 Wx 4/24 (Jahresabschluss 2019) und 28 Wx 5/24 (Jahresabschluss 2020) gemäß § 20 FamFG i.V.m. § 335a Abs. 3 Satz 2 HGB zur gleichzeitigen Entscheidung verbunden.

Aus den Gründen

Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen und Reduzierung der Ordnungsgelder

II. Die Rechtsbeschwerden führen zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen und zur Reduzierung der Ordnungsgelder auf jeweils 25.000 Euro (insgesamt 50.000 €) für die nicht fristgemäße Veröffentlichung der Jahresabschlüsse 2019 und 2020.

Zulässigkeit der Rechtsbeschwerden

1. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig.

Statthaftigkeit, Form- und Fristgerechtheit, Begründetheit der Beschwerden

a) Sie sind infolge der Zulassung in den angegriffenen Beschlüssen statthaft (§ 335a Abs. 3 S. 1 HGB) und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 71 FamFG).

Rechtsbeschwerdeführerin ist trotz der zwischenzeitlich erfolgten Löschung im Handelsregister auch weiterhin beteiligtenfähig

b) Die Rechtsbeschwerdeführerin ist im vorliegenden Verfahren trotz der zwischenzeitlich erfolgten Löschung im Handelsregister auch weiterhin beteiligtenfähig gemäß § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 8 FamFG.

Die Frage der Beteiligtenfähigkeit ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Fehlt sie in einem Antragsverfahren, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen. (BeckOK FamFG/Perleberg-Kölbel, 50. Ed. 1.5.2024, FamFG § 8).

Gemäß § 8 FamFG sind u.a. juristische Personen des Privatrechts, Kapitalgesellschaften des Handelsrechts und Personengesellschaften des Handelsrechts beteiligtenfähig (BeckOK FamFG/Perleberg-Kölbel, 50. Ed. 1.5.2024, FamFG § 8 Rn. 6). Die

Rechtsbeschwerdeführerin ist als GmbH & Co. KG eine besondere Form der Kommanditgesellschaft (KG), sie zählt damit zu den Personengesellschaften des Handelsrechts und ihre Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit folgt aus § 161 Abs. 2 i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB (BGH, Beschluss vom 19.09.2017 – VI ZR 497/16 –, juris Rn. 2). Sie hat ihre Beteiligtenfähigkeit für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren auch nicht durch ihre Löschung aus dem Handelsregister am 28.08.2023 verloren.

Im Regelfall entfällt die Partei- oder Beteiligtenfähigkeit einer GmbH & Co. KG, wenn diese wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister von Amts wegen gelöscht wird (vgl. BGH, Urt. v. 7: Oktober 1994 – V ZR 58/93 –, juris Rn. 6 [BB 1994, 2378]; zur GmbH: BGH, Urt. v. 25. Oktober 2010 – II ZR 115/09 –, juris Rn. 22). Die Gesellschaft ist dann rechtlich nicht mehr existent. Dies gilt auch dann, wenn – wie vorliegend – die Kommanditgesellschaft aufgelöst und ohne Liquidation beendet worden ist.

Die Eintragung der Löschung in das Handelsregister wirkt für die Beendigung der Rechts- und Prozessfähigkeit einer Personengesellschaft aber nicht konstitutiv, sondern ist nur deklaratorisch (OVG Bautzen Beschl. v. 3.2.2023 – 6 B 22/22, BeckRS 2023, 1948 Rn. 37-41, beck-online).

Vor diesem Hintergrund sind in der Rechtsprechung verschiedene Konstellationen anerkannt, in denen eine Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit fortbesteht. So bleibt die Gesellschaft trotz ihrer Löschung im Handelsregister weiterhin rechts- und parteifähig, falls Anhaltspunkte dafür bestehen, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, (BGH, Urt. v. 5. März 2020 – I ZR 32/19 –, juris Rn. 14; Urt. v. 25. Oktober 2010 – II ZR 115/09 –, juris Rn. 22; im Fall der Löschung einer GmbH & Co. KG: OVG M-V, Beschluss vom 14. Juni 2012 – 1 L 91/11 –, juris Rn. 11). In öffentlich-rechtlich geprägten Verfahren wird beispielsweise im Steuerrecht eine Beteiligungsfähigkeit der gelöschten Gesellschaft angenommen, solange sie ergangene Steuer- oder Haftungsbescheide angreift. (BFH Beschluss vom 15.2.2006 – I B 38/05 – BFH/NV 2006, 1049, juris RdNr. 16 mwN). Im sozialgerichtlichen Verfahren bleibt die gelöschte Gesellschaft beteiligtenfähig, wenn in einem Betriebsprüfungsbescheid Beitragsforderungen aufgrund einer noch nicht abgewickelten Beitragszahlungspflicht festgesetzt worden sind (BSG Beschl. v. 13.12.2022 – B 12 BA 23/22 B, BeckRS 2022, 43210 Rn. 9-12, beck-online).

Bei dem hier streitgegenständlichen Ordnungsgeldverfahren gemäß § 335 HGB handelt es sich um ein Justizverwaltungsverfahren (§ 335 Abs. 2 S. 2 HGB). Die Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld ist eine Beugemaßnahme mit strafähnlichen Charakter (BeckOGK/Waßmer, 1.12.2023, HGB § 335 Rn. 2). Die Vollstreckung der Ordnungsgelder richtet sich nach dem Justizbeitreibungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 JBeitrG) und das BfJ ist Vollstreckungsbehörde in Bezug auf bestandskräftige Forderungen aus dem Ordnungsgeldverfahren (§ 2 Abs. 2 JBeitrG). Abweichend von dem zivilprozessualen Grundsatz des § 750 ZPO (Vollstreckung nur für und gegen die im Titel genannte Personen) eröffnet § 4 JBeitrG die Möglichkeit, die Vollstreckung gegen jeden durchzuführen, der nach den für den beizutreibenden Anspruch geltenden besonderen Vorschriften oder kraft Gesetzes nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Leistung oder zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet ist

(BeckOK KostR/Berendt, 45. Ed. 1.4.2024, JBeitrG § 4 Rn. 1). Folgerichtig hat das BfJ auf entsprechende Nachfrage des Senats auch klargestellt, dass auch nach Löschung der Rechtsbeschwerdeführerin eine Vollstreckung der bestandskräftigen Ordnungsgelder beabsichtigt sei.

Bei dieser Ausgangslage geht der Senat in Anlehnung an die zuvor skizzierten öffentlich-rechtlichen Fallgestaltungen davon aus, dass es der Rechtsbeschwerdeführerin trotz Löschung im Handelsregister vor dem Hintergrund der sich aus § 4 JBeitrG ergebenden Rückgriffsmöglichkeiten auf (andere) Vollstreckungsschuldner auch weiterhin möglich sein muss, die Berechtigung der festgesetzten Ordnungsgelder in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen.

Ob und wie – insbesondere gegen wen – die Ordnungsgelder vollstreckt werden können, ist durch den Senat hingegen nicht im Rahmen des Ordnungsgeldverfahrens und bei der Frage der Beteiligtenfähigkeit zu prüfen, sondern erst auf der späteren Ebene der Zwangsvollstreckung in einem selbstständigen Verfahrensabschnitt zu klären (vgl. für die Einforderung rückständiger Krankenkassenbeiträge einer gelöschten GmbH BSG Beschl. v. 13.12.2022 – B 12 BA 23/22 B, BeckRS 2022, 43210 Rn. 9-12, beck-online).

Schließlich lässt die Löschung der Rechtsbeschwerdeführerin auch nicht die Verfahrensfähigkeit gemäß § 9 FamFG entfallen, da hier der bevollmächtige Rechtsanwalt in dem Ordnungsgeldverfahren bereits vor Löschung mandatiert war, § 11 FamFG i.V.m. § 86 ZPO, und eine vor der Löschung vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung erteilte Prozessvollmacht bestehen bleibt (BeckOK ZPO/Piekenbrock, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 86 Rn. 3).

Entscheidung kann im schriftlichen Verfahren getroffen werden

c) Die vorliegende Entscheidung kann der Senat im schriftlichen Verfahren treffen (§ 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 74 Abs. 4, § 32 Abs. 1 FamFG). Eine mündliche Verhandlung war weder zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes noch aus sonstigen Gründen, etwa zur Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör, geboten.

Angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts und kann in der Sache selbst entschieden werdemn

2. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts i.S.d. § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 72 Abs. 1 FamFG, da Rechtsnormen durch das Landgericht nicht richtig angewendet worden sind. Damit waren nach § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i. V. m. § 74 Abs. 5 FamFG die angefochtenen Beschlüsse, die sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellen (§ 335a Abs. 3 S. 2 HGB i. V. m. § 74 Abs. 2 FamFG), aufzuheben.

Der Senat kann aufgrund der vorliegenden Entscheidungsreife auch in der Sache selbst entscheiden (§ 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 74 Abs. 6 S. 1, 2 FamFG).

Voraussetzungen für die Verhängung erhöhter zweiter  Ordnungsgelder wegen wiederholter Nichterfüllung der Pflicht zur Veröffentlichung der Jahresabschlüsse liegen unzweifelhaft vor,…

a) Die Voraussetzungen für die Verhängung erhöhter 2. Ordnungsgelder wegen wiederholter Nichterfüllung der Pflicht zur Veröffentlichung der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 liegen – wovon auch die Rechtsbeschwerdeführerin ausgeht – unzweifelhaft vor.

Bei der Rechtsbeschwerdeführerin handelt es sich um einen Emittenten von Vermögensanlagen i.S.d. Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG). Damit waren die Abschlussunterlagen für die Jahre 2019 und 2020 gemäß § 23 Abs. 1 VermAnlG spätestens 6 Monate nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahres an den Bundesanzeiger bzw. das Unternehmensregister zu übermitteln. Diese Frist hat die Rechtsbeschwerdeführerin trotz entsprechender Ordnungsgeldandrohungen innerhalb der gesetzten Nachfristen von 6 Wochen, § 335 Abs. 3 S. 1 HGB i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 VermAnlG, unstreitig nicht erfüllt. Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Ordnungsgeldrahmen sich nach § 335 Abs. 1a HGB bestimmt und damit abweichend von dem gemäß § 335 Abs. 1 S. 4 HGB bestimmten Höchstbetrag von 25.000 € deutlich höhere Ordnungsgelder festgesetzt werden können und zwar höchstens den höheren Betrag von bis zu zehn Millionen Euro, 5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahrs oder das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen wirtschaftlichen Vorteils. In diesem von Gesetzes wegen vorgegebenen Rahmen bewegt sich auch die vom BfJ in einem internen Vermerk vom 24.11.2022 auf § 335 Abs. 1a Nr. 1 HGB vorgesehene Staffelung der Ordnungsgelder.

… aber die Höhe begegnet rechtlichen Bedenken

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts begegnet jedoch die Höhe der von dem BfJ festgesetzten 2. Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die durch das BfJ festgesetzten Ordnungsgelder über insgesamt 500.000 € verletzten das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot.

Grundsätzlich steht die Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes im Ermessen des BfJ. Dieses hat regelmäßig ein spürbares Ordnungsgeld festzusetzen, um der Gefahr zu begegnen, dass ein solches in Kauf genommen und so die Offenlegung des Jahresabschlusses hinausgezögert wird. Dem Verpflichteten darf es auch nicht ermöglicht werden, sich „freizukaufen“. Kriterien für die Höhe des Ordnungsgeldes sind insbesondere das Maß des Verschuldens und die finanzielle Situation des Unternehmens sowie die Beharrlichkeit der Publizitätsverweigerung und die wirtschaftliche Bedeutung der Offenlegung. Eine Herabsetzung des Ordnungsgeldes wegen Liquiditätsproblemen scheidet regelmäßig aus, da es auch Pflichtverletzungen vorbeugen soll. (BeckOGK/Waßmer, 1.12.2023, HGB § 335 Rn. 120, 121)

Zudem sind bei kapitalmarktorientierten Unternehmen die Höchstgrenzen gemäß § 335 Abs. 1a HGB bewusst hoch angesetzt worden. Die somit möglichen drastischen Sanktionen begründet der Unionsgesetzgeber damit, dass die Ordnungsgelder „hinreichend abschreckend“ sein müssten, damit „saubere und transparente Märkte“ gefördert werden (Erwägungsgrund 16 der Änderungs-RL 2013/50/EU).

Auch wenn nach den vorstehenden Grundsätzen dem BfJ ein weiter Ermessensspielraum für die Festsetzung auch drastischer Ordnungsgelder bei kapitalmarktorientierten Unternehmen eingeräumt ist, gilt dieser Spielraum jedoch nicht schrankenlos, sondern findet seine Grenze in dem grundgesetzlich begründeten Übermaßverbot.

Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots ergeben sich als Leitlinien allen staatlichen Handels zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip und haben Verfassungsrang (BVerfG NJW 1986, 769). Das Übermaßverbot begrenzt dabei einen ansonsten zulässigen Eingriff. Dieser muss zur Erreichung des vom Gesetzgeber erstrebten Ziels geeignet, aber auch erforderlich sein; das Ziel darf nicht auf eine andere, den Einzelnen weniger belastende Weise ebenso gut erreicht werden können. Schließlich muss das Maß der Belastung in einem vernünftigen Verhältnis zu den für den Betroffenen entstehenden Belastungen und den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen (BVerfGE 17, 108, 117).

Der nationale Gesetzgeber hat bei der Festlegung des Rahmens für die Höhe von Ordnungsgeldern gemäß § 335 HGB in zutreffender Weise von dem ihm zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraum Gebrauch gemacht und so sichergestellt, dass die von dem Unionsgesetzgeber vorgegebenen Ziele der „sauberen und transparenten Märkte“ durch das BfJ sachgerecht verfolgt werden können. Dabei stellt die differenzierte Ausgestaltung der Ordnungsgeldhöhe gemäß § 335 Abs. 1 S. 4 HGB für nicht kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit den Möglichkeiten der Reduzierung für Kleinst- und kleine Gesellschaften gemäß § 335 Abs. 4 Nr. 1, 2 HGB sicher, dass dem Übermaßverbot ausreichend Rechnung getragen wird. Ebenso geben für kapitalmarktorientierte Gesellschaften die Fälle der auf § 335 Abs. 1a Nr. 2 und 3 HGB gestützten erhöhten Ordnungsgelder durch die Begrenzung auf 5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahrs (Nr. 2) oder das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen wirtschaftlichen Vorteils (Nr. 3) einen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierten begrenzenden Rahmen vor.

Anders stellt sich die Situation jedoch in dem hier entscheidungserheblichen Fall eines auf § 335 Abs. 1a Nr. 1 HGB gestützten Ordnungsgeldes dar, wonach ein solches bis zu einer Höhe von bis zu 10 Mio. € festgesetzt werden kann. Insoweit fehlt anders als den Fällen des § 335 Abs. 1a Nr. 2 und 3 HGB ein an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteter Bezugspunkt zur Höhe des Ordnungsgeldes. Diese weite Spanne bezüglich der Höhe des Ordnungsgeldes ermöglicht es dem BfJ, flexibel auf die Umstände des Einzelfalls zu reagieren. Typischerweise sind dies das Maß des Verschuldens, die finanzielle Situation des Unternehmens, die Beharrlichkeit der Publizitätsverweigerung und die wirtschaftliche Bedeutung der Offenlegung. In diesem Rahmen begegnet es auch grundsätzlich keinen Bedenken, wenn die Höhe der Ordnungsgelder – wie vorliegend vom BFJ geschehen – pauschaliert und gestaffelt festgesetzt wird.

Wird dieser Ermessensspielraum jedoch in erheblichem Maße überschritten, steht zu besorgen, dass ein Ordnungsgeld für das betroffene Unternehmen den Schutzbereich des Art. 12 GG verletzt, indem aufgrund der Höhe im Falle der Vollstreckung die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz droht. Ein solches Ordnungsgeld würde die Ziele, „hinreichend abschreckend“ zu wirken und „saubere und transparente Märkte“ zu fördern, grundlegend verfehlen.

Einer Überprüfung der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot steht die Regelung des des § 335 Abs. 4 S. 3 HGB nicht entgegen

c) Anders als vom Landgericht in seinen Beschlüssen angenommen hat, steht im Beschwerdeverfahren einer Überprüfung der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation auch nicht die Regelung des § 335 Abs. 4 S. 3 HGB entgegen, wonach bei einer Herabsetzung zwingend nur solche Umstände zu berücksichtigen sind, die vor der Entscheidung des BfJ eingetreten sind. Diese vielfach kritisierte strikte Regelung beruht darauf, dass der Gesetzgeber in den §§ 335, 335a HGB ein streng typisiertes Verfahren geschaffen hat, das an dem „Massengeschäft“ des BfJ bei der Durchsetzung der Offenlegungspflichten ausgerichtet ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss. v. 28.12.2015 – 28 Wx 28/15, BeckRS 2016, 17329 Rn. 12 ff., beck-online). Wie der Senat aber bereits in dem zuvor zitierten Beschluss angedeutet hat (a.a.O. Rn. 14), kann die Einschränkung des § 335 Abs. 4 S. 3 HGB jedoch nicht schrankenlos gelten. Sobald wie im vorliegenden Fall verfassungsrechtliche Prinzipien wie etwa das Übermaßverbot missachtet worden sind, ist eine verfassungskonforme Auslegung geboten. So liegt der Fall hier. Es steht nicht eine Reduzierung der Ordnungsgelder aus allgemeinen Billigkeitserwägungen aufgrund nachträglich eingetretener Umstände im Raum, sondern betroffen ist der grundlegende Umstand, dass die auf § 335 Abs. 1a Nr. 1 HGB gestützten Ordnungsgelder den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot nicht gerecht werden. Nach Ansicht des Senats können jedoch nur solche Ordnungsgelder, die dem Übermaßverbot gerecht werden, von der Sperrwirkung des § 335 Abs. 4 S. 3 HGB erfasst werden.

Vorliegen von Entscheidungsreife

d) Auch, wenn das Landgericht in seinen Beschlüssen keine tragfähigen Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Rechtsbeschwerdeführerin getroffen hat, kann der Senat nach Auswertung der bei den landgerichtlichen Akten befindlichen Jahresabschlüsse für die Jahre 2019 und 2020 (vgl. Beiakte BfJ) hier in der Sache selbst entscheiden, da Entscheidungsreife vorliegt.

Nach § 74 Abs. 6 S. 1 FamFG hat das Rechtsbeschwerdegericht aus Gründen der Verfahrensökonomie regelmäßig in der Sache selbst zu entscheiden, soweit diese zur Endentscheidung reif ist. Dabei setzt eine Entscheidung über den Verfahrensgegenstand typischerweise voraus, dass keine Sachaufklärung mehr erforderlich ist, da nach § 74 Abs. 3 S. 4 FamFG i.V.m. § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO im Rechtsbeschwerdeverfahren der Grundsatz gilt, dass die Entscheidungsgrundlage abgeschlossen ist. Davon macht die Rechtsprechung im Wege einschränkender Auslegung der Norm aus Gründen der Verfahrensökonomie, d.h. im Interesse einer möglichst raschen und Kosten sparenden Erledigung der Sache bei Vermeidung eines neuen Verfahrens Ausnahmen, wenn die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, die ohne weitere Ermittlungen und tatrichterliche Beurteilung feststehen, weil sie entweder unstreitig oder eindeutig aus den Akten ersichtlich sind. Weitere Voraussetzung für eine Berücksichtigung derartiger neuer Tatsachen ist stets, dass schützenswerte Belange anderer Beteiligter nicht verletzt werden (Sternal/Göbel, 21. Aufl. 2023, FamFG § 74 Rn. 38-40).

So liegt der Fall hier. Maßgeblich für die Prüfung eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot ist die finanzielle Situation der Rechtsbeschwerdeführerin. Diese ergibt sich zwanglos und umfassend aus den veröffentlichten und auch bei den Akten befindlichen Jahresabschlüssen für die Jahre 2019 und 2020. Auf diese Unterlagen kann der Senat ohne weiteres zugreifen und eine Auswertung verursacht auch keine nennenswerte Mehrarbeit. Da die Rechtsbeschwerdeführerin in ihrem Vorbringen selbst auf ihre eigenen Jahresabschlüsse abgestellt hat und diese auch dem BfJ als Beteiligtem bekannt sind, ist auch nichts für eine Beeinträchtigung schützenswerter Interessen von Verfahrensbeteiligten ersichtlich.

Der Senat tritt damit an die Stelle des Beschwerdegerichts und kann eine eigenständige, von derjenigen des aufzuhebenden Beschlusses abweichende Tatsachenwürdigung vornehmen und das vom Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht ausgeübte Ermessen selbständig ausüben (vgl. umfassend: Sternal/Göbel, 21. Aufl. 2023, FamFG § 74 Rn. 38-40 und Rn. 69-71).

Hier streitgegenständliche Ordnungsgelder sind nicht mehr vertretbar, weil sie nicht ohne vollständige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz leistbar sind

e) Auf Basis der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 (vgl. jeweils BfJ Beiakte) kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die hier streitgegenständlichen Ordnungsgelder nicht mehr vertretbar sind. Die von der Wirtschaftsprüferin in den Abschlussberichten attestierte finanzielle Situation der Rechtsbeschwerdeführerin lässt nicht ansatzweise erkennen, dass die Ordnungsgelder über insgesamt 500.000 Euro ohne vollständige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz leistbar sind.

Ausweislich der Feststellungen in den Lageberichten weist die Rechtsbeschwerdeführerin die Größenmerkmale einer kleinen GmbH & Co. KG im Sinne der §§ 264a, 267 I HGB auf, ihre Bilanzsumme beträgt (lediglich) 1.654 TEURO und das Eigenkapital ist negativ. Die Gewinn- und Verlustrechnung ergibt für die Jahre 2019, 2020 jeweils einen Bilanzgewinn von 0,00 Euro. Die Geschäftstätigkeit ist „durch das Halten und die Verwaltung der mittelbaren Investition (Darlehen) in den polnischen Windenergiemarkt“ geprägt. Wesentliche Umsatzerlöse oder sonstige betriebliche Erträge wurden nicht erzielt. Bilanziell liegt eine Überschuldung vor. Die Liquidität zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes und zur Begleichung anfallender Kosten kann lediglich durch eine Kostenübernahme durch die Geschäftsführung sichergestellt werden. Aufgrund der Rahmenbedingungen geht die Wirtschaftsprüferin davon aus, dass der Fortbestand der Gesellschaft sowie die Rückzahlung der Genussrechte an die Anleger bedroht sind.

Bei dieser finanziellen Situation der Rechtsbeschwerdeführerin steht für den Senat außer Zweifel, dass die verhängten Ordnungsgelder über insgesamt 500.000 Euro in keinem vernünftigen Verhältnis zu den für die Rechtsbeschwerdeführerin entstehenden Belastungen und den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen.

Neufestsetzung der Ordnungsgelder

f) Der Senat setzt im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensentscheidung die Ordnungsgelder wie folgt neu fest: für die verspäteten Veröffentlichungen der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 wird jeweils ein Ordnungsgeld von 25.000 Euro als ausreichend und angemessen angesehen.

Die maßgeblichen Kriterien für die Bemessung der Höhe entnimmt der Senat dabei Art. 28c Abs. 1 S. 2 Transparenz-RL 2004/109/EG, dies sind namentlich:

-        Schwere und Dauer des Verstoßes (lit. a);

-        Grad an Verantwortung der verantwortlichen Person (lit. b);

-        Finanzkraft der verantwortlichen Person, wie sie sich beispielsweise aus dem Gesamtumsatz der verantwortlichen juristischen Person oder den Jahreseinkünften der verantwortlichen natürlichen Person ablesen lässt (lit. c);

-        Höhe der von der verantwortlichen Person erzielten Gewinne oder vermiedenen Verluste, sofern diese sich beziffern lassen (lit. d);

-        Verluste, die Dritten durch den Verstoß entstanden sind, sofern diese sich beziffern lassen (lit. e);

-        Maß der Bereitschaft der verantwortlichen Person zur Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde (lit. f);

-        frühere Verstöße der verantwortlichen Person (lit. g).

(BeckOGK/Waßmer, 1.12.2023, HGB § 335 Rn. 120, 121)

Wie von der Rechtsbeschwerdeführerin selbst eingeräumt, hat sie die maßgeblichen Fristen bewusst verstreichen lassen. Sie hat erst nach Festsetzung des 2. Ordnungsgeldes und Androhung eines 3. Ordnungsgeldes die Veröffentlichung vorgenommen. Dementsprechend werden auch die Ordnungsgelder dem Grunde nach nicht in Frage gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass aus der verspäteten Veröffentlichung Dritten Schäden entstanden sind oder die Rechtsbeschwerdeführerin messbare Vorteile aus diesem Umstand gezogen hat, sind nicht ersichtlich. Damit kommt hier der Finanzkraft der Rechtsbeschwerdeführerin die ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese ist – wie bereits dargestellt – dadurch gekennzeichnet, dass wesentliche Umsatzerlöse oder sonstige betriebliche Erträge nicht erzielt werden und bilanziell eine Überschuldung vorliegt. Zudem weist die Rechtsbeschwerdeführerin nur die Größenmerkmale einer kleinen GmbH & Co. KG im Sinne der §§ 264a, 267 Abs. 1 HGB auf.

Vor diesem Hintergrund wirken zwei Ordnungsgelder über jeweils 25.000 Euro „hinreichend abschreckend“ und berücksichtigen in ausreichendem Maße die eingeschränkte Finanzkraft der Rechtsbeschwerdeführerin.

Kostenentscheidung

3. Die Kostenentscheidung für die Gerichtsgebühren des Rechtsbeschwerdeverfahrens, von deren Erhebung nach Auffassung des Senats abzusehen ist, basiert auf § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. §§ 74 Abs. 4 FamFG i.V.m. dem – auch für Beschwerdeverfahren geltenden (Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 2, § 81 Rn. 1) - § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Eine Überbürdung der Kostenlast auf das Bundesamt für Justiz erscheint ebenso wenig sachgerecht wie eine Überbürdung der Kosten auf die Rechtsbeschwerdeführerin. Die Anwendung des § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG ist auch nicht zwingend nachrangig gegenüber einer sonst denkbaren Kostenniederschlagung aus § 21 GNotKG (MüKo-FamFG/Schindler, 2. Aufl. 2013, § 81 Rn. 19).

Billiges Ermessen

4. Gemäß § 335a Abs. 3 S. 6 i.V.m. Abs. 2 S 6 HGB kann der Senat nach billigem Ermessen bestimmen, dass den Beteiligten die außergerichtlichen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Hier hält es der Senat für billigt und gerecht, dass eine Kostenerstattung in Höhe von 50% erfolgt. Maßgeblich hierfür ist, dass die Rechtsbeschwerdeführerin zwar die gänzliche Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt hat, mit ihrer Beschwerde- und Rechtsbeschwerdebegründung aber die grundsätzliche Berechtigung eines Ordnungsgeldes nicht in Frage stellt, sondern lediglich die existenzbedrohende Höhe beanstandet. Vor diesem Hintergrund ist nur von einem teilweisen Erfolg auszugehen, den der Senat entsprechend der zuerkannten Kostenerstattung bewertet.

Gegenstandswert

5. Der Gegenstandswert bemisst sich nach der Höhe der angefochtenen Ordnungsgelder und ist demgemäß auf 500.000€ (2 x 250.000 €) festzusetzen.

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