R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
24.04.2014
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG München: Keine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG neben der Poolabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter

FG München, Gerichtsbescheid vom 19.12.2013 - 10 K 1076/12, rkr.


Sachverhalt


I. Streitig ist die Zulässigkeit einer Sonderabschreibung für Wirtschaftsgüter, für die ein Sammelposten zu bilden ist.


Der Kläger reichte für sein neu eröffnetes Gewerbe ... eine Eröffnungsbilanz zum ... 2008 und eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für die Zeit vom ... bis ... 2008 ein. Im Anlagevermögen stellte er einen Sammelposten geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) in Höhe von 8.963,71 € ein, von dem er nach dem Anlageverzeichnis eine Abschreibung in Höhe von 1.764,71 € und eine weitere Sonderabschreibung in Höhe von 1.792 € abzog, so dass der Sammelposten zum 31. Dezember 2008 5.407 € betrug.


Mit Bescheiden vom ... setzte das beklagte Finanzamt (FA) die Einkommensteuer 2008 auf ... € und den Gewerbesteuermessbetrag 2008 auf ... € fest. Dabei erhöhte es u.a. die Abschreibung bei den Sammelposten GWG von 1.764,71 € auf 1.792 € (1/5 des Sammelpostens in Höhe von 8.963,71 €), ließ aber daneben die zusätzlich geltend gemachte Sonderabschreibung in Höhe von weiteren 1.792 € nicht zum Abzug zu, weil es sich bei dem Sammelposten um eine Rechengröße und nicht um ein Wirtschaftsgut handle.


Die deshalb eingelegten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom ... als unbegründet zurückgewiesen.


Zur Begründung der dagegen gerichteten Klage trägt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor: Bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens könne nach § 7g Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) eine Sonderabschreibung bis zu 20 % der Anschaffungskosten in Anspruch genommen werden. § 6 Abs. 2a EStG spreche ebenfalls von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die bei Anschaffungskosten zwischen 150 € und 1.000 € in einen Sammelposten eingestellt würden. Dass es sich bei dem GWG Sammelposten um ein Wirtschaftsgut handle, ergebe sich aus der Tatsache, dass ein Investitionsabzugsbetrag möglich sei. In einem Aufsatz komme auch Wendt zu der Auffassung, dass eine Sonderabschreibung auf GWG Sammelposten möglich sei (vgl. FR 2008, 598, 603). Zudem habe der Gesetzgeber bei den Sonderabschreibungen die GWG explizit nicht ausgenommen. Deswegen sei eine Sonderabschreibung bei den GWG Sammelposten möglich.


Der Kläger beantragt, unter Änderung der Bescheide vom 12. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 16. Februar 2012 eine Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 5 EStG bei dem GWG Sammelposten in Höhe von 1.792 € zu gewähren und die Einkommensteuer 2008 sowie den Gewerbesteuermessbetrag 2008 entsprechend herabzusetzen.


Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.


Es verweist zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze verwiesen.


Aus den Gründen


II. Die Klage ist unbegründet.


1. Nach § 7g Abs. 5 EStG können bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter den - im Streitfall vorliegenden - Voraussetzungen des Absatzes 6 im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden.


Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsguts oder Eröffnung des Betriebs in voller Höhe als Betriebsausgaben abzusetzen, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag, für das einzelne Wirtschaftsgut 150 € nicht übersteigen. Nach § 6 Abs. 2a Satz 1 EStG ist für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsguts oder der Eröffnung des Betriebs ein Sammelposten zu bilden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag, für das einzelne Wirtschaftsgut 150 €, aber nicht 1.000 € übersteigen. Der Sammelposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung in den folgenden vier Wirtschaftsjahren mit jeweils einem Fünftel gewinnmindernd aufzulösen (§ 6 Abs. 2a Satz 2 EStG).


2. Im Streitfall ist der Kläger nicht berechtigt, bei dem GWG Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG neben der - zu Recht in Höhe von 1.792 € gewährten - Poolabschreibung Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG vorzunehmen.


a) Die Vornahme einer Sonderabschreibung scheitert bereits daran, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.


So können nach § 7g Abs. 5 EStG bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden.


Jedoch handelt es sich bei dem Sammelposten nicht um ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, sondern um einen Posten eigener Art bzw. eine Rechengröße innerhalb des Anlagevermögens, der bzw. die die Zusammenfassung vieler gleicher oder unterschiedlicher Wirtschaftsgüter enthält (vgl. R 6.13 Abs. 6 Satz 1 EStR 2012; Kleinle/ Dreixler in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand Dezember 2011, § 6 Rz. 1303).


b) Aber selbst wenn - ggf. eine juristische Sekunde - vor der Bildung des Sammelpostens im Investitionsjahr ein oder mehrere abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens noch einer gesonderten Abschreibung zugänglich wären, verdrängt die Regelung des § 6 Abs. 2a EStG jedenfalls als lex specialis die Abschreibungen nach § 7 ff EStG (so auch Kulosa in Schmidt, EStG, 32. Auflage 2013, § 6 Rz. 605 / § 7g Rz. 41; und Kleinle/Dreixler in Hermann/ Heuer/Raupach Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand Dezember 2011, § 6 Rz. 1307; a.A. Pohl in DStR 2008, 2302, 2304; Lambrecht in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 11. Auflage 2012, § 7g Rz. 44 unter Hinweis auf Pohl; Wendt in FR 2008, 598, 603).


Der Senat erkennt in der Tatsache, dass § 7g Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG - im Gegensatz zu § 7g Abs. 5 EStG - eine Regelung betreffend die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinne von § 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG enthält, keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bei der Zulässigkeit der Sonderabschreibung bewusst auf eine Ausklammerung der GWG verzichtet habe und somit die Sonderabschreibung neben der Poolabschreibung nach § 6 Abs. 2a EStG zulässig sein müsse (so Pohl in DStR 2008, 2302, 2304). Vielmehr spricht der Gesetzgeber in § 7g Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG von der „Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung, erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinne von § 6 Abs. 2 und 2a". Damit unterscheidet der Gesetzgeber - jedenfalls ab Geltung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 - aber nicht zwischen Regelabschreibung und Sonderabschreibung, sondern unterscheidet zwischen Regelabschreibung, erhöhter Abschreibung, Sonderabschreibung und Abschreibung nach § 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG. Diese Einschätzung wird im Übrigen bestätigt durch die Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG, wonach die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Abs. 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen sind. In der Folge sind auf der einen Seite weder § 7a Abs. 4 EStG (Regelabschreibung neben Sonderabschreibung) noch § 7g Abs. 5 EStG (Kumulierungsverbot „lediglich" für erhöhte Abschreibung und Sonderabschreibung) anwendbar (vgl. hierzu Argumentation Wendt in FR 2008, 598, 603), noch ist es auf der anderen Seite ausgeschlossen, in § 6 Abs. 2a EStG eine Sonderregelung zur Regel- und Sonderabschreibung zu sehen (a.A. Pohl in DStR 2008, 2302, 2304, wonach § 6 Abs. 2a EStG an die Stelle der Regelabschreibung tritt). Nach Auffassung des Senats ist auch die Formulierung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 27. Oktober2006 (IV R 8/05, BFH/NV 2007, 231): „ ,Sofortabschreibung' nach § 6 Abs. 2 EStG anstelle der an sich gebotenen Aktivierung und Aufwandsverteilung nach § 7 EStG" nicht so zu verstehen, dass der BFH insoweit die Sofortabschreibung als Anwendungsfall der Regelabschreibung qualifizieren wollte.


c) Der Senat hält die Auslegung des § 6 Abs. 2a EStG als lex specialis zu den Abschreibungen nach § 7 ff EStG auch im Hinblick auf Sinn und Zweck der Abschreibung für richtig. Denn statt einer Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes bzw. statt einer steuerlichen Berücksichtigung lediglich des Teiles der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Aufwand, der dem Wertverzehr der betreffenden Periode entspricht (Aufwandsverteilungsthese oder Wertverzehrthese, vgl. z.B. Waldhoff in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Stand September 2009, Rz. A 18 ff.), führt eine Abschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG neben der Poolabschreibung jedenfalls dann, wenn die Sonderabschreibung die Bemessungsgrundlage der Poolabschreibung nicht mindert, zu einer 120%igen Abschreibung der historischen Anschaffungsund Herstellungskosten (Wendt in FR 2008, 598, 603; für eine teleologische Korrektur insoweit Pohl in DStR 2008, 2302, 2304).


Dagegen war es die Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung des § 6 Abs. 2a EStG, die Bürokratiekosten der Unternehmen deutlich zu reduzieren (vgl. BT-Drs.16/4841, S. 51), ohne die Einnahmenseite des Staates zu belasten (vgl. BT-Drs.16/4841, S. 35), nicht jedoch, zusätzliche Subventionen zu schaffen.


3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).


Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO). Es erscheint sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a FGO).

stats