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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
21.03.2019
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Keine Rückstellungen für die mit der Auflösung von Baustellen verbundenen Aufwendungen

FG Münster, Urteil vom 5.12.2018 – 13 K 2688/15 K, Rev. eingelegt (Az. BFH XI R 2/19)

ECLI:DE:FGMS:2018:1205.13K2688.15K.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2019-750-1

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Klägerin berechtigt war, in den Streitjahren Rückstellungen für die mit der Auflösung von Baustellen verbundenen Aufwendungen zu bilden.

Die Klägerin ist eine ... GmbH, deren Unternehmensgegenstand u.a. in der Ausführung von Gerüstbauten jeder Art besteht. ... Der Sitz der Klägerin befindet sich in A., in B. unterhält sie ein Zentrallager für Gerüstmaterial.

In den Streitjahren war die Klägerin im Wesentlichen im Spezialgerüstbau bei Großindustrieanlagen tätig. Mit den Betreibern dieser Anlagen schloss die Klägerin, wenn sie bei entsprechenden Ausschreibungen den Zuschlag bekommen hatte, jeweils Rahmenverträge mit einer Laufzeit von regelmäßig ... Jahren, auf deren Grundlage mit den jeweiligen Auftraggebern Einzelverträge (Abrufe) über konkret zu erbringende Gerüstbauarbeiten geschlossen wurden. In den Rahmenverträgen waren Entgelte für die Erstellung von Gerüsten vereinbart, die überwiegend nach der Größe der zu errichtenden Gerüste (in der Regel Aufmaß der Gerüste und Abrechnung nach laufenden Metern), nachrangig auch pauschal (z.B. bei Kleingerüsten) oder nach dem Umfang angefallener Arbeitsstunden bemessen waren. Mit diesen Entgelten waren nach den Vereinbarungen in den Rahmenverträgen auch der An- und Abtransport des Gerüstmaterials, dessen Vorhaltung, die Baustelleneinrichtung sowie die Montage und die Demontage der Gerüste abgegolten. Die Abrechnung der Gerüstarbeiten mit dem jeweiligen Auftraggeber und die gewinnerhöhende Erfassung der Entgelte bei der Klägerin erfolgte jeweils nach Abwicklung der Einzelaufträge. Um der Vorhalteverpflichtung nachzukommen und die geschuldeten Arbeiten zeitnah ausführen zu können, errichtete die Klägerin in zahlreichen Fällen mit Zustimmung des jeweiligen Auftraggebers auf dem Gelände der Industrieanlagen Materiallager, in denen sich die für die Abwicklung der Aufträge benötigten Materialbestände sowie weitere Betriebs- und Geschäftsausstattung (u.a. Container für Büroarbeiten und für die Unterbringung von Arbeitnehmern; Trecker, Anhänger und Gabelstapler etc. für den Transport des Gerüstmaterials auf der Baustelle) befanden. Mit den Rahmenverträgen verpflichtete sich die Klägerin regelmäßig gegenüber ihren Auftraggebern, von diesen zur Verfügung gestellte Lager- und Arbeitsplätze sowie Zufahrtswege in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten bzw. wieder in den Zustand zu versetzen, in dem sie der Klägerin zu Beginn des Vertrages zur Verfügung gestellt worden sind. Auf von der Klägerin exemplarisch vorgelegte „Zusätzliche Vertragsbedingungen 12/86“ (ZVB 12/86) und „Allgemeine Vertragsbedingungen 01/2017“ (AVB 01/2017) wird Bezug genommen.

Ab dem Jahre 2004 begann die Klägerin mit der Bilanzierung einer - nach der Laufzeit der Rahmenverträge abgezinsten - Rückstellung für den bei Auslaufen der Rahmenverträge erforderlichen Abtransport des auf der jeweiligen Baustelle befindlichen Materials. Die Bemessung der Rückstellung nahm die Klägerin in der Weise vor, dass sie zum jeweiligen Bilanzstichtag den auf der Baustelle gelagerten Materialbestand erfasste und hiervon ausgehend eine Kalkulation der Personalkosten im Zusammenhang mit der Rückführung des Materials ins Zentrallager nach B. (Zeitaufwand für das Zusammenführen, Sichten, Ordnen, Verpacken, Verladen, Transportieren und Abladen des Materials) sowie der Kosten für den Transport vornahm. Auf die exemplarisch zu den Akten gereichten Kalkulationen zum 31.12.2009 bis 2013 wird Bezug genommen.

Die Rückstellung entwickelte sich wie folgt:

 

 

Bestand 31.12.2003

0,00

Zuführung 2004

14.000,00

Bestand 31.12.2004

14.000,00

Zuführung 2005

107.200,00

Bestand 31.12.2005

121.200,00

Zuführung 2006

96.000,00

Bestand 31.12.2006

217.200,00

Zuführung 2007

23.200,00

Bestand 31.12.2007

240.400,00

Zuführung 2008

46.400,00

Bestand 31.12.2008

286.800,00

Zuführung 2009

52.230,88

Bestand 31.12.2009

339.030,88

Zuführung 2010

17.569,12

Bestand 31.12.2010

356.600,00

Reduzierung 2011

./. 7.782,29

Bestand 31.12.2011

348.817,71

Zuführung 2012

21.241,40

Bestand 31.12.2012

370.059,11

Reduzierung 2013

./. 4.200,00

Bestand 31.12.2013

365.859,11

 

Im Jahr 2008 begann das Finanzamt (FA) für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C. (GKBP) bei der Klägerin mit der Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2002 bis 2007. Der Prüfer vertrat u.a. die Auffassung, die Bildung einer Rückstellung für die mit der Auflösung von Baustellen verbundenen Aufwendungen sei unzulässig, da Rückstellungen für drohende Verluste steuerrechtlich nicht zulässig seien und die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nicht vorlägen. Letzteres folge daraus, dass eine Verpflichtung zur Räumung der Baustellen frühestens von dem Zeitpunkt an bestanden habe, an dem der jeweilige Vertrag ausgelaufen sei. Zum 31.12.2007 habe es jedoch keine Baustelle gegeben, in Bezug auf die die Klägerin bereits vor dem 31.12.2007 zur Räumung verpflichtet gewesen sei. Zudem komme eine Rückstellungsbildung auch deshalb nicht in Betracht, weil es an einer Verpflichtung mit Außenwirkung fehle. Das Erfordernis zur Räumung der Baustellen ergebe sich aus den betrieblichen Notwendigkeiten der Klägerin, denn es liege ihrem ureigenen Interesse, die ihr gehörenden Materialien von der Baustelle zu entfernen und in ihr Lager zurückzubringen. Der Prüfer schlug daher vor, die zum 31.12.2007 in Höhe von 240.400,00 € bestehende Rückstellung gewinnerhöhend aufzulösen. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 2.9 des Betriebsprüfungsberichtes vom 28.05.2008 Bezug genommen.

Der Beklagte folgte den Vorschlägen des Prüfers und erließ am 20.04.2009 auf der Grundlage von § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2007. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens ist der Körperschaftsteuerbescheid für 2007 mit Änderungsbescheiden vom 17.08.2009 und vom 04.12.2009 aus hier nicht streitigen Gründen nochmals geändert worden. Soweit die Klägerin zunächst auch Einspruch gegen die (aus anderen Gründen) geänderten Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2006 eingelegt hatte, hat sie diese Einsprüche im Verlaufe des Einspruchsverfahrens gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2007 wieder zurückgenommen.

Während des Einspruchsverfahrens führte das FA für GKBP bei der Klägerin eine weitere Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2009 bis 2013 durch; das Jahr 2008 blieb ungeprüft. Die Prüferin vertrat u.a. die Auffassung, die von der Klägerin gebildete Rückstellung für Baustellenauflösung sei aus den in Tz. 2.9 des Betriebsprüfungsberichts vom 28.05.2008 niedergelegten Gründen gewinnwirksam aufzulösen. Sie schlug daher insoweit Gewinnkorrekturen für 2009 bis 2013 in Höhe von 98.630,88 € (2009), 17.569,12 € (2010), ./. 7.782,29 € (2011), 21.241.40 € (2012) bzw. ./. 4.200,00 € (2013) vor. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 2.2 des Betriebsprüfungsberichtes vom 26.11.2014 verwiesen.

Der Beklagte folgte auch diesen Vorschlägen und erließ am 18.12.2014 bzw. am 05.01.2015 entsprechend geänderte Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2013.

Mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2015 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2007 und mit Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 die Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide für 2009 bis 2013 sowie gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2013 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin unter den Aktenzeichen 13 K 2688/15 K, 13 K 3089/15 K und 13 K 3091/15 G Klagen erhoben, die der Senat mit Beschluss vom 13.11.2018 unter dem erstgenannten Aktenzeichen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Beklagte habe die von der Klägerin gebildete Rückstellung für Baustellenauflösung zu Unrecht gewinnwirksam aufgelöst, denn es handele sich um eine zulässige Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten. Es sei in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass auch eine sich aus zivilrechtlichen Vorschriften ergebende Rechtspflicht zum zukünftigen Abbruch oder zur Entfernung einer Einrichtung bzw. einer baulichen Veränderung zur Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten verpflichte.

Soweit der Beklagte geltend mache, es fehle am Vorliegen einer Außenverpflichtung der Klägerin gegenüber einem Dritten, so lasse er unberücksichtigt, dass die Klägerin nach dem Inhalt der mit ihren Auftraggebern abgeschlossenen Rahmenverträge und hilfsweise auch nach § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Räumung der jeweiligen Baustelle verpflichtet sei. So sei etwa in den AVB 01/2017 ausdrücklich geregelt, dass die Klägerin für die Dauer der gesamten Bauzeit für den Rückbau der Baustellen verantwortlich sei und - vorwiegend beim Entfernen des Materials von der Baustelle - anfallende Beschädigungen von Zufahrtswegen und Verkehrsflächen unverzüglich auf ihre Kosten zu beseitigen habe. Da die Räumungspflichten bereits bei Vertragsschluss vereinbart würden, handele es sich auch nicht um durch den Ablauf der Rahmenverträge oder durch die Aufforderung zur Baustellenräumung aufschiebend bedingte Verpflichtungen. Einer weiteren Konkretisierung bedürfe es nicht, weil es sich nicht um öffentlich-rechtliche, sondern um privatrechtliche Verpflichtungen handele.

Ein neben der Außenverpflichtung bestehendes Eigeninteresse der Klägerin zur Auflösung der Baustelle sei lediglich von untergeordneter Bedeutung. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Außenverpflichtung nahezu vollständig von einem eigenbetrieblichen Interesse überlagert werde. Dies sei vorliegend indes nicht der Fall, denn es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den von der Klägerin abgewickelten Baustellen nicht um klassische Baustellen im herkömmlichen Sinne handele, sondern um vertraglich begrenzte Tätigkeiten für den jeweils vom Auftraggeber ausgeschriebenen Zeitraum. Wegen der vertraglich bestehenden Räumungspflichten könne eine vollständige Überlagerung dieser Verpflichtungen durch eigenbetriebliche Interessen der Klägerin nicht ernsthaft angenommen werden. Ein Eigeninteresse der Klägerin könne überhaupt erst dann zum Tragen kommen, wenn – entgegen ihren eigentlichen Interessen – ein Rahmenvertrag nicht verlängert werde und sie ihre Tätigkeit an der jeweiligen Baustelle einstellen müsse. Das Verbringen des auf der Baustelle befindlichen und im Eigentum der Klägerin stehenden Materials in ihr Lager sei mithin nur eine denknotwendige Folge der Geltendmachung der Räumungsverpflichtung durch den betreffenden Auftraggeber. Da aufgrund des Umfangs des Materials regelmäßig keine andere Möglichkeit zur Lagerung bestehe als im Zentrallager der Klägerin in B., umfassten die durch die Räumungsverpflichtung ausgelösten Kosten zwangsläufig auch den Rücktransport des Materials in das Zentrallager.

Die Räumungsverpflichtung der Klägerin entstehe auch nicht erst bei Auslaufen des jeweiligen Rahmenvertrages, sondern bereits mit dem Beginn der Geschäftsbeziehung. Zwar sei, da eine Verlängerung des jeweiligen Rahmenvertrages nicht auszuschließen sei, regelmäßig ungewiss, wann die Verbindlichkeit zu erfüllen sei und in welcher Höhe künftig Aufwendungen anfielen. Die Verbindlichkeit sei wirtschaftlich jedoch nicht erst bei Beendigung des jeweiligen Vertragsverhältnisses, sondern bereits in dem jeweils abgelaufenen Wirtschaftsjahr verursacht, denn sie entstehe bereits in dem Augenblick, in dem die Baustelle eingerichtet werde. Dies folge daraus, dass eine eingerichtete Baustelle – wenn auch zu einem ungewissen Zeitpunkt – in jedem Fall bei Beendigung des Vertragsverhältnisses geräumt werden müsse. Zudem werde der erforderliche Vergangenheitsbezug dadurch manifestiert, dass in den Angeboten der Klägerin ein eigenständiger Posten für die mit der Auflösung der Baustellen zusammenhängenden Aufwendungen enthalten sei. Die Inanspruchnahme der Klägerin sei auch hinreichend wahrscheinlich, denn in Anbetracht des Umstandes, dass sich an den Ausschreibungen für die Rahmenverträge regelmäßig zahlreiche Wettbewerber beteiligten, bestehe zum jeweiligen Bilanzstichtag in Bezug auf jeden der abgeschlossenen Rahmenverträge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass es nicht zu einer Verlängerung komme.

Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, in Bezug auf die Aufwendungen komme allenfalls die Bildung einer – steuerlich unzulässigen – Aufwandsrückstellung in Betracht, weil der Vorgang wirtschaftlich mit einer Geschäftsverlegung zu vergleichen sei, so übersehe er, dass der Gegenstand der von der Klägerin übernommenen vertraglichen Verpflichtung nicht in einem Umzug der Klägerin in neue Geschäftsräume, sondern in der Beseitigung einer Baustelleneinrichtung bestehe. Die hierfür anfallenden Aufwendungen seien nicht mit Umzugskosten vergleichbar, denn der Abbau der Baustelleneinrichtung diene nicht dazu, in der Zukunft quantitativ oder qualitativ erweiterte betriebliche Aktivitäten vornehmen zu können. Das vom Beklagten in Bezug genommene BFH-Urteil vom 24.05.g[richtig ist wohl 24.08.]1972 (VIII R 31/70, BStBI II 1972, 943) sei schon deshalb nicht einschlägig, weil die von der Klägerin errichteten Baustellen keinerlei Einfluss auf den Ort ihrer Geschäftsleitung gehabt hätten. Da die Klägerin mit der Einrichtung einer Baustelle auch nicht das Ziel verfolge, ihren Geschäftsbetrieb zu erweitern, gehe es bei der Auflösung einer Baustelle nicht um eine (Teil)Verlegung des Geschäftsbetriebes. Gegenstand der Baustellenauflösung sei allein die Erfüllung der von der Klägerin mit ihren Auftraggebern geschlossenen Verträge; der Beklagte lasse insoweit außer Betracht, dass eine tatsachliche und rechtliche Verknüpfung der Beseitigungsverpflichtung mit dem konkreten Vertragsverhältnis bestehe. Unabhängig davon sei auch nicht nachvollziehbar, warum allein der Umstand, dass eine Baustelle zugleich die Voraussetzungen einer steuerlichen Betriebsstätte erfülle, auch dann zum Ausschluss einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten führen solle, wenn die Voraussetzungen für ihre Bildung grundsätzlich vorlägen.

Der Bildung der Rückstellung stehe ferner nicht das Verbot der Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen, denn die Klägerin habe sich mit ihren Beseitigungsverpflichtungen im Erfüllungsrückstand befunden. Für die Frage, ob ein Erfüllungsrückstand vorliege, sei abweichend von der älteren Rechtsprechung des BFH nicht mehr auf eine zivilrechtliche, sondern auf eine wirtschaftliche Betrachtung abzustellen. Es komme daher nicht mehr entscheidend darauf an, ob eine Leistung schon fällig sei. Ein Erfüllungsrückstand könne vielmehr auch dann bestehen, wenn er eine noch nicht fällige Schuld betreffe. Die Verpflichtungen der Klägerin umfassten vom Abschluss der Rahmenverträge an auch die Räumung der Baustellen. Die Tatsache, dass die Erfüllung der vertraglich begründeten Verpflichtung zur Räumung naturgemäß erst nach der Beendigung eines Rahmenvertrages zu erfolgen habe, betreffe lediglich die Fälligkeit der Sachleistungsverpflichtung. Da die Klägerin diese Verpflichtungen zu den betreffenden Bilanzstichtagen noch nicht erfüllt, aber bereits die anteiligen Entgelte für die wirtschaftlich in der Vergangenheit begründeten Verpflichtungen vereinnahmt habe, habe sie sich bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Räumung mit diesen Verpflichtungen im Erfüllungsrückstand befunden.

Die Höhe der zurückgestellten Beträge sei nicht zu beanstanden, denn die Klägerin habe die Rückstellungsbeträge unter Berücksichtigung des Umfangs des auf der jeweiligen Baustelle befindlichen Materials nach den Preis- bzw. Wertverhältnissen zum jeweiligen Bilanzstichtag vorgenommen und abgezinst. Der Beklagte habe bisher auch keine Einwendungen gegen die Höhe der angesetzten Beträge erhoben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Körperschaftsteuerbescheid für 2007 vom 04.12.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2015 sowie die Körperschaftsteuerbescheide für 2009 bis 2013 vom 18.12.2014 und die Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2013 vom 05.01.2015, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015, in der Weise zu ändern, dass die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen für Baustellenauflösung in Ansatz gebracht und dementsprechend der Gewinn - vor Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung - um 240.400,00 € (2007), 98.630,88 € (2009), 17.569,12 € (2010) und 21.241,40 € (2012) vermindert sowie um 7.782,29 € (2011) und 4.200,00 € (2013) erhöht wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidungen vom 23.07.2015 und vom 31.08.2015 und führt ergänzend aus, im Kern handele es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Kosten um Aufwendungen für die Verlegung von Betriebsstätten, denn die Baustellen stellten bereits aufgrund der Dauer ihres Bestehens Betriebsstätten dar. Eine Rückstellungsbildung wegen der Verlegung einer Betriebsstätte sei nach der Rechtsprechung des BFH wegen des fehlenden Schuldcharakters jedoch nicht zulässig. Rückstellungsfähig seien lediglich anlässlich einer Betriebsverlegung anfallende Einzelverpflichtungen mit Schuldcharakter; dies allerdings auch erst dann, wenn die Verbindlichkeiten hinreichend konkretisiert seien. Für die mit einer Geschäftsverlegung verbundenen Risiken könne keine Rückstellung gebildet werden, weil diese dem allgemeinen Geschäftsrisiko zuzuordnen seien. Unabhängig davon handele es sich bei den mit einem Aus- bzw. Umzug verbundenen Aufwendungen nicht um in der Vergangenheit verursachten, sondern um Aufwand zukünftiger Perioden.

Die Klägerin habe bisher auch keine Tatsachen vorgetragen, die es im Einzelfall überwiegend wahrscheinlich erscheinen ließen, dass sie zum jeweiligen Bilanzstichtag ernsthaft mit dem Auslaufen eines Rahmenvertrages habe rechnen müssen. Sie habe bisher immer nur abstrakt darauf verwiesen, dass zum jeweiligen Bilanzstichtag die Möglichkeit bestanden habe, dass die Rahmenverträge nicht verlängert werden würden und sie in einem solchen Fall zur Räumung der betreffenden Baustelle verpflichtet sei. Wie oft dies in den Streitjahren tatsächlich vorgekommen sei, habe die insoweit feststellungsbelastete Klägerin nicht dargelegt. Angesichts dessen seien die von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtungen schon nicht hinreichend konkretisiert. Eine solche Konkretisierung sei entgegen der Ansicht der Klägerin jedoch nicht nur für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, sondern in gleicher Weise auch für zivilrechtliche Verpflichtungen erforderlich.

Der Berichterstatter hat in der Sache am 27.06.2018 einen Erörterungstermin durchgeführt; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin verwiesen.

Der Senat hat am 05.12.2018 mündlich verhandelt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage hat keinen Erfolg.

 

I. Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens sind nur die Körperschaftsteuerbescheide für 2007 und für 2009 bis 2013 sowie die Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2013, nicht aber die Bescheide über den Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer für 2007 und 2009 bis 2013. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin die zunächst unter den Aktenzeichen 13 K 2688/15 K und 13 K 3091/15 K erhobenen Klagen ausweislich der Klageschriften „wegen der Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag“ 2007 und 2009 bis 2013 erhoben hat, denn der Solidaritätszuschlag wurde insoweit nur zur Bezeichnung der angefochtenen Sammelbescheide aufgeführt. Dies entspricht nicht nur der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom 27.06.2018), sondern folgt auch daraus, dass die Bescheide über die Festsetzung des Solidaritätszuschlages zur Körperschaftsteuer nicht Gegenstand der angefochtenen Einspruchsentscheidungen vom 23.07.2015 bzw. vom 31.08.2015 waren und die Klägerin – anders als im Einspruchsverfahren für das Jahr 2007, in dem sie die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlages geltend gemacht hat (die Bescheide für 2009 bis 2013 sind diesbezüglich vorläufig ergangen) – im Klageverfahren keine eigenständigen Einwendungen gegen diese Bescheide erhoben hat.

 

II. Die Klage ist wegen fehlender Beschwer (§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) unzulässig, soweit sie die Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages für 2011 und 2013 betrifft, denn die Klägerin begehrt insoweit eine Erhöhung des Gewinns um 7.782,29 € (2011) bzw. um 4.200,00 € (2013). Zwar kann eine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn deshalb die Festsetzung einer höheren Steuer bzw. eines höheren Messbetrages begehrt wird, weil der Kläger andernfalls bei späteren Steuerfestsetzungen (z. B. als Folge der Anwendung des Grundsatzes des Bilanzenzusammenhangs und des Eingreifens höherer Steuersätze) Nachteile erleidet oder angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern und sich dort zum Nachteil des Klägers auswirken (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 25.04.2018 VI R 64/15, BFH/NV 2018, 831 m.w.N.). Anhaltspunkte hierfür hat die Klägerin jedoch nicht geltend gemacht; insbesondere ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass eine – ggf. kompensierende – Berücksichtigung der Gewinnerhöhungen für 2011 und 2013 bei späteren Steuer- bzw. Messbetragsfestsetzungen für die Klägerin nachteilig sein könnte; im Hinblick auf etwaige Zinsfestsetzungen gem. § 233a AO dürfte sich eine Berücksichtigung der Gewinnerhöhungen in späteren Festsetzungen jedenfalls eher zugunsten der Klägerin auswirken.

 

III. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie nicht begründet.

Die Körperschaftsteuerbescheide für 2007, 2009, 2010 und 2012 sowie die Gewerbesteuermessbescheide für 2009, 2010 und 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Gewinne der Klägerin zu Recht um Beträge von 240.400,00 € (2007), 98.630,88 € (2009), 17.569,12 € (2010) und 21.241,40 € (2012) erhöht, da für die – der Höhe nach unstreitigen – Aufwendungen im Zusammenhang mit künftigen Baustellenauflösungen schon dem Grunde nach keine Rückstellung gebildet werden durfte.

 

1. Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind in der Handelsbilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot für Verbindlichkeitsrückstellungen gehört zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch für die Steuerbilanz. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer betrieblich veranlassten Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Zudem muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen und es darf sich bei den Aufwendungen nicht um (nachträgliche) Herstellungs- oder Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts handeln. Des Weiteren setzt das Bestehen einer Verbindlichkeit den Anspruch eines Dritten im Sinne einer erzwingbaren Außenverpflichtung, also grundsätzlich einer Schuld gegenüber einer dritten Person voraus. Der Dritte als Gläubiger muss daher regelmäßig einen Anspruch i.S. des § 194 BGB gegen den Steuerpflichtigen, also das Recht haben, vom Steuerpflichtigen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Ausreichend ist allerdings auch ein faktischer Leistungszwang, dem sich der Steuerpflichtige aus sittlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann, obwohl keine Rechtspflicht zur Leistung besteht.

Demgegenüber ist (abgesehen von der hier nicht einschlägigen Regelung in 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB) die Bildung von Aufwandsrückstellungen, denen keine Verpflichtung gegenüber einem Dritten zugrunde liegt, nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 2 Satz 1 HGB unzulässig. Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des BFH für Außenverpflichtungen, bei denen die Leistungspflicht gegenüber dem Dritten von eigenbetrieblichen Erfordernissen des Unternehmens gleichgerichtet und kongruent überlagert wird. Ob dies der Fall ist, ist auf der Grundlage einer Abwägung zwischen den Interessen des Leistungsverpflichteten einerseits und den Interessen des Anspruchsberechtigten andererseits zu entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 25.02.1986 VIII R 134/80, BStBl II 1986, 788 [BB 1986, 1612]; vom 08.11.2000 I R 6/96, BStBl II 2001, 570 [BB 2001, 566 m. BB-Komm. Moxter]; vom 27.06.2001 I R 45/97, BStBl II 2003, 121 [BB 2001, 1893 m. BB-Komm. Euler]; vom 29.11.2007 IV R 62/05, BStBl II 2008, 557 [BB 2008, 830 m. BB-Komm. Euler]; vom 17.10.2013 IV R 7/11, BStBl II 2014, 302 [BB 2014, 175 m. BB-Komm. Behrens]; vom 05.06.2014 IV R 26/11, BStBl II 2014, 886 [BB 2014, 2288 m. BB-Komm. Behrens]; vom 09.11.2016 I R 43/15, BStBl II 2017, 379 [BB 2017, 879 m. BB-Komm. von Glasenapp]; BFH-Beschluss vom 22.08.2006 X B 30/06, BFH/NV 2006, 2253g;; kritisch zu diesem Merkmal Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz. 792b; Tonner in Bordewin/Brandt, § 5 EStG Rz 582; MüKoBilR/Hennrichs, Band 2 , 2013, § 249 Rz. 32; Hageböke FR 2017, 412; Riedel FR 2015, 371; Meinert, EFG 2015, 1968).

 

2. Bei Anwendung dieser vom Senat für zutreffend gehaltenen Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall war die Klägerin nicht berechtigt, für die von ihr kalkulierten Kosten im Zusammenhang mit künftig vorzunehmenden Baustellenauflösungen eine gewinnmindernde Rückstellung zu bilden, da die insoweit bestehenden Außenverpflichtungen der Klägerin durch ihre eigenbetrieblichen Interessen an den Baustellenauflösungen überlagert wurden. Zwar macht die Kläger zu Recht geltend, dass sie nach den mit ihren Auftraggebern bestehenden vertraglichen Vereinbarungen (bzw. hilfsweise nach den §§ 985, 1004 BGB) verpflichtet war, die Baustellen nach Auslaufen der jeweiligen Rahmenverträge zu räumen und den ursprünglichen Zustand der für Lagerzwecke verwendeten Grundstücke wiederherzustellen. Bei der Beurteilung der Frage, ob die zurückgestellten Aufwendungen vorrangig zur Erfüllung einer Außenverpflichtung oder im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse erbracht werden, ist jedoch bereits zu berücksichtigen, dass die zurückgestellten Aufwendungen nicht der Wiederherstellung der der Klägerin von ihren Auftraggebern zur Verfügung gestellten Grundstücke in den ursprünglichen Zustand dienten (mit solchen Aufwendungen war im Rahmen der Baustellenauflösungen nach den ausdrücklichen Ausführungen der Klägerin im Erörterungstermin vom 27.06.2018 und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.12.2018 nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang zu rechnen), sondern ausschließlich das Zusammenstellen, Sichten, Verpacken und Verladen des der Klägerin gehörenden Materials sowie den Transport und das Abladen des Materials im Zentrallager der Klägerin betrafen. Daraus folgt, dass im Gegensatz zu Wiederherstellungs- und Abbruchverpflichtungen, deren Erfüllung regelmäßig im alleinigen Interesse des Anspruchsberechtigten liegt, weil sich daraus für den Verpflichteten kein wirtschaftlicher Nutzen mehr ergibt, vorliegend von gleichgerichteten Interessen der Klägerin und ihrer Auftraggeber auszugehen ist: Die Räumung der Grundstücke nach Auslaufen des Rahmenvertrages liegt sowohl im Interesse des jeweiligen Auftraggebers, der das Grundstück dem nächsten Auftragnehmer für die Errichtung eines Materiallagers wieder zur Verfügung stellen will, als auch im Interesse der Klägerin, für die die geordnete Räumung des Grundstücks und der Rücktransport des Materials von erheblichem Nutzen ist, weil sie das Material anschließend für weitere Baustellen verwenden kann.

Nimmt man eine Gewichtung der gleichgerichteten Interessen vor, so folgt schon aus dem erheblichen Umfang und Wert des auf den Baustellen befindlichen Materials, dass die geordnete Räumung des Grundstücks und der Rücktransport des Materials eher im Interesse der Klägerin als im Interesse ihrer Auftraggeber liegt, denn ein Verlassen der Baustellen unter Zurücklassen des Materials würde die Klägerin wesentlich härter treffen als ihre Auftraggeber, die das zurückgelassene Material gewinnbringend verwerten, dem nächsten Auftragnehmer zur Verfügung stellen oder auf Kosten der Klägerin entsorgen könnten. Bei lebensnaher Betrachtung ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin die ihr für die Laufzeit der Rahmenverträge zur Verfügung gestellten Grundstücke auch dann räumen und das ihr gehörende Material in ihr Zentrallager nach B. zurückbringen würde, wenn sie hierzu nicht ausdrücklich verpflichtet wäre. Dem entspricht, dass weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Räumung einer Baustelle nach Auslaufen eines Rahmenvertrages schon einmal von einem Auftraggeber auf dem Rechtswege gegenüber der Klägerin durchgesetzt werden musste. Für ein überwiegendes Interesse der Klägerin an der geordneten Räumung und an der Rückführung des Materials in das Zentrallager spricht des Weiteren der Umstand, dass die vertraglich vereinbarten bzw. kraft Gesetzes bestehenden Räumungsverpflichtungen nur einen Teil der von der Klägerin zurückgestellten Aufwendungen abdecken. Denn während der Anspruch der Auftraggeber auf Räumung des Grundstücks jeweils an der Grundstücksgrenze endete, umfassen die zurückgestellten Aufwendungen auch den Rücktransport und die Einlagerung des Materials im Zentrallager. Dabei weist der Umstand, dass die Klägerin selbst bei erheblichen Entfernungen zwischen den Baustellen und dem Zentrallager (von bis zu 675 km) von einem Rücktransport des Materials ausgegangen ist daraufhin, dass ihr in erheblichem Maße an einer Weiterverwendung des Materials und nicht etwa an dessen Entsorgung in der Nähe der abgeschlossenen Baustellen gelegen war. Schließlich sieht sich der Senat in seiner Einschätzung auch dadurch bestätigt, dass die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur für den – nach Ansicht des Senates mit der Auflösung eines auswärtigen Lagers und dem Rücktransport des dort gelagerten Materials in ein Zentrallager durchaus vergleichbaren Fall – des Entstehens von Aufwendungen für eine nach Auslaufen eines Mietvertrages erforderlich werdende Betriebs- oder Geschäftsverlegung ebenfalls davon ausgeht, dass die Räumungs- und Umzugskosten dem überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Unternehmens zuzuordnen sind (siehe etwa Urteil des Reichsfinanzhofs –RFH– vom 24.01.1933 I A 218/31, RStBl 1933, 337; BFH-Urteil vom 24.08.1972 VIII R 31/70, BStBl II 1972, 943; Blümich/Krumm § 5 EStG Rz. 792a; Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Anm. 1266; Crezelius in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 5 Rz. 164 „Betriebsverlegung“; Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG, § 5 Rz. D 400 „Geschäftsverlegung“; Beck’scher Bilanzkommentar, § 249 Rz. 100 „Entfernungsverpflichtungen“).

 

3. Da die Klägerin bereits aufgrund der vorstehenden Ausführungen keine Verbindlichkeitsrückstellung für die Räumungs- und Rücktransportkosten bilden durfte, kann letztlich dahingestellt bleiben, ob – was in Anbetracht des Umstandes zweifelhaft erscheint, weil die Räumungspflicht nach der für die Streitjahre geltenden Regelung in Tz. 2.4 der ZVB 12/86 nicht schon mit dem Abschluss der Rahmenverträge, sondern erst mit der Beendigung der Rahmenverträge entstanden sein dürfte (vgl. zum Zeitpunkt des Entstehens der Rückgabepflicht bei Beendigung eines Mietvertrages etwa Staudinger/Rolfs (2018) § 546 BGB Rz 35) – in Bezug auf die zurückgestellten Aufwendungen in der Weise eine wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit vorlag, dass mit den Räumungsverpflichtungen nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern auch Vergangenes abgegolten wurde (vgl. dazu BFH-Urteile vom 09.11.2016 I R 43/15, BStBl II 2017, 379 [BB 2017, 879 m. BB-Komm. von Glasenapp] und vom 05.04.2017 X R 30/15, BStBl II 2017, 900 [BB 2017, 1712 m. BB-Komm. Hüttemann]). Aus dem gleichen Grunde musste der Senat auch nicht darüber entscheiden, ob sich das Gegenseitigkeitsverhältnis der zwischen der Klägerin und ihren Auftraggebern abgeschlossenen Rahmenverträge auch auf die Räumungsverpflichtungen der Klägerin bezog und ob eine Rückstellungsbildung nach den Grundsätzen über die Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte möglicherweise ausgeschlossen war, weil sich die Klägerin zu den betreffenden Bilanzstichtagen mit der Erfüllung ihrer Räumungsverpflichtungen (noch) nicht im Erfüllungsrückstand befand (vgl. dazu etwa BFH-Urteile vom 24.08.1972 VIII R 31/70, BStBl II 1972, 943; vom 12.12.1991 IV R 28/91, BStBl II 1992, 600 [BB 1992, 1178]; vom 06.02.2013 I R 8/12, BStBl II 2013, 686 [BB 2013, 1264 m. BB-Komm. Schmid] und vom 09.11.2016 I R 43/15, BStBl II 2017, 379 [BB 2017, 879 m. BB-Komm. von Glasenapp]).

 

4. Der Beklagte hat danach die durch die Rückstellungsbildung in den Jahren 2007, 2009, 2010 und 2012 eingetretenen Gewinnminderungen zu Recht wieder rückgängig gemacht. Er hat in den Jahren 2007 und 2009 im Wege der Bilanzberichtigung ebenfalls zu Recht die von der Klägerin in den Jahren 2004 bis 2006 bzw. 2008 gewinnmindernd erfassten Zuführungsbeträge zur Rückstellung für Baustellenauflösung in Höhe von insgesamt 217.200,00 € (2004 bis 2006) bzw. 46.400,00 € (2008) gewinnerhöhend wieder aufgelöst, denn die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2004 bis 2006 und für 2008 waren – beim insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die vorliegende Klage (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20.05.2010 X R 72/87, BStBl II 1990, 1044) – einer Änderung wegen eingetretener Bestandskraft nicht mehr zugänglich.

 

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO

 

V. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alt. FGO), denn zum einen liegt – soweit ersichtlich – bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Konstellation vor, zum anderen erscheinen Anwendungsbereich und Reichweite des von der Rechtsprechung für den Ansatz von Verbindlichkeitsrückstellungen entwickelten Negativkriteriums eines überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses an der Erfüllung der betreffenden Verbindlichkeit bisher nicht eindeutig geklärt (so auch Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz. 792b; Hageböke FR 2017, 412 und Schulze, HFR 2014, 111).

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