R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
28.07.2022
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Düsseldorf: Keine Bilanzberichtigung bei zu Unrecht gebildeter § 6b-Rücklage

FG Düsseldorf, Urteil vom 3.5.2022 – 6 K 3388/16 K,F

ECLI:DE:FGD:2022:0503.6K3388.16K.F.00

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2022-1776-1

Sachverhalt

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 07.05.1992 gegründet und hat ihren statuarischen Sitz in Z-Stadt. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb und die Verwaltung von Grundbesitz. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer ist seit 01.01.2000 Herr A mit Wohnsitz im Ausland. Die Geschäftsanschrift lautet auf Straße 01, 00000 Z-Stadt. Hierbei handelt es sich um die Adresse der B GmbH. Die B GmbH verwaltete die Immobilien der Klägerin. Die Klägerin erzielte in den Jahren bis 2002 Einkünfte aus der Verwaltung eigenen Grundbesitzes und Kapitalvermögens. In 2002 veräußerte die Klägerin ihren lmmobilienbestand und wies in Höhe des Veräußerungsgewinns in der Bilanz per 31.12.2002 eine Rücklage nach § 6b Einkommensteuergesetz - EStG - in Höhe von ... € aus. In 2003 bis 2006 verwaltete die Klägerin ihr Kapitalvermögen. In 2006 wurde die Rücklage i.H.v. ... € auf ein Reinvestitionsobjekt in Y-Stadt übertragen bzw. i.H.v. ... € gewinnerhöhend aufgelöst. Diese Immobilie in Y-Stadt wurde bis zu Ihrem Verkauf in 2011 durch die Klägerin vermietet. Die laufende Bewirtschaftung des Grundstücks erfolgte wiederum durch die B GmbH. Der Veräußerungsgewinn in Höhe von ... € wurde in 2011 als steuerpflichtiger Ertrag erklärt und veranlagt.

Im Rahmen einer in 2004/2005 durchgeführten Prüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z-Stadt für die Jahre 1999 bis 2002 wurde von dem Prüfer die Frage aufgeworfen, ob sich in Deutschland nur der statuarische Sitz der Klägerin befinde, während der Ort der Geschäftsleitung im Ausland sei. Von der Klägerin wurde dies vehement bestritten. Der Betriebsprüfer ging daraufhin davon aus, dass sich der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin im Prüfungszeitraum in Deutschland befand und erkannte die in der Bilanz zum 31.12.2002 ausgewiesene Rücklage gemäß § 6b EStG in Höhe von ... € an. Der Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 02.10.2006 wurde bestandskräftig.

Für das Jahr 2003 wurde die Körperschaftsteuer für die Klägerin mit unter Nachprüfungsvorbehalt stehendem Bescheid vom 27.12.2006 zunächst auf ... € festgesetzt.

Am 20.10.2008 wurde bei der Klägerin mit einer Prüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z-Stadt begonnen, die sich auf die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2006 erstreckte. Im Rahmen dieser Prüfung war der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin nicht streitig und damit auch nicht Gegenstand der Prüfung. Der Betriebsprüfer nahm weiterhin an, dass sich der Ort der Geschäftsleitung, wie von der Klägerin angegeben, in Deutschland befand.

Im Zusammenhang mit den von der Klägerin in 2003 erwirtschafteten Einkünfte aus der Verwaltung eigenen Kapitalvermögens stellte der Betriebsprüfer u.a. verdeckte Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer A in Höhe von insgesamt ... € fest. Darin enthalten waren verdeckte Gewinnausschüttungen – vGA - in Höhe der Anschaffungskosten für verschiedene Wert- und Schmuckgegenstände iHv. ... €, [Gemälde (17.04.2003, ... €), Teppiche (11.08.2003, ... €), Armreifen Ring Uhr (17.07.2003, ... €), Armbanduhr (06.11.2003, ... €), Collier Ohrschmuck (16.12.2003, ... €)] deren betriebliche Veranlassung die Klägerin nach Auffassung des Prüfers nicht nachweisen konnte. Des Weiteren nahm der Betriebsprüfer vGA u.a. in Höhe einer Darlehensauszahlung in 2003 an A von ... € an, weil das Darlehen einem fremden Dritten u.a. wegen der unzureichenden Besicherung so nicht gewährt worden wäre. Aufgrund dieser Betriebsprüfung erging am 12.03.2013 ein geänderter Bescheid über Körperschaftsteuer für 2003 in dem u.a. ein Körperschaftsteuer-Erhöhungsbetrag von ... € berücksichtigt wurde, der seine Ursache in der vGA von ... € hat.

Mit ihrem gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2003 eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, in  2003 habe der Ort der Geschäftsleitung im Ausland gelegen und es sei kein eigenes Immobilienvermögen in Deutschland verwaltet worden. Es läge daher kein steuerpflichtiges Einkommen in Deutschland vor - die festgesetzte Körperschaftsteuer wäre auf null zu reduzieren.

Im Laufe eines Rechtstreits über Lohnsteuerhaftung (FG Düsseldorf 9 K 1108/13) erging ein Schreiben der Berichterstatterin, in dem es u.a. heißt:

„Aus dem Aktenvermerk der Groß- und Konzern-Bp vom 01.03.2008 – dieser bezieht sich auf die Vor-Bp bei der Klägerin für 1999 bis 2002 (siehe Anlage zum Schreiben des FA vom 26.09.2014) - geht sogar hervor, dass Herr C meinte, der Ort der tatsächlichen GeschäftsIeitung der Klägerin sei im Ausland, da Herr A seine Geschäftsführertätigkeit dort ausübe. Stber D von der E, der zweite Prozessbevollmächtigte RA Dr. F und Herr A widersprachen dem. Vielleicht wollten sie eine Besteuerung der Klägerin in zwei Ländern vermeiden. Man verständigte sich auf die Rechtsauffassung der Klägerin. Leider wurde der Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt. Nach derzeitiger Aktenlage besuchte Herr C weder den Sitz der Klägerin in Z-Stadt, noch die Geschäftsräume der B GmbH. B und seine Mitarbeiter wurden nicht befragt. Auch das von der Klägerin angebotene schriftliche Beweismaterial wurde nicht gesichtet.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin in den Jahren von 2003 bis 2010 über Büroräume in Z-Stadt verfügte. Die Tätigkeit von Angestellten der B GmbH als Verwalterin eines Mietobjekts der Klägerin kann zwar zu einer Betriebsstätte in Deutschland führen (siehe Anlage 9 zum Schriftsatz der Klägerin vom 13.11.2013 betreffend die KSt). Dies ist aber für das vorliegende Verfahren ohne Belang.“

Daraufhin schloss sich der Beklagte der Auffassung der Klägerin an, dass der Ort der Geschäftsleitung im Ausland liege und Deutschland nach Art. 6 DBA Deutschland/ Ausland nur das Besteuerungsrecht bzgl. der Einkünfte aus der Vermietung und das Ausland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht auf die übrigen Einkünfte habe. Zugleich vertrat er die Auffassung, dass  in Deutschland seit 2000 keine Betriebsstätte mehr vorgelegen habe,  die Bildung der Rücklage in 2002 damit rechtswidrig gewesen und im ersten offenen Jahr gewinnerhöhend aufzulösen sei. Auf die daraus resultierende Verböserung wies er hin.

Am 04.11.2016 erging für 2003 eine Einspruchsentscheidung, in der die angekündigte Änderung umgesetzt wurde.

Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, die Rücklage sei nicht in 2003 aufzulösen.

Sie ist der Auffassung, die Bildung der Rücklage nach § 6b EStG sei zulässig gewesen. Sie habe in Deutschland im Jahre 2002 über eine Betriebsstätte am Ort des Vermögensverwalters B GmbH verfügt. Sie hätte wesentliche Managementfunktionen auf den Vermögensverwalter outgesourct.

Darüber hinaus hätte sie eigene Arbeitnehmer in Z-Stadt (und später in Y-Stadt) gehabt: Die angestellten Hausmeister (siehe Anlage 2: Auszug Bilanz 2002 / Lohnaufwand) hätten sich um die im Eigentum der Klägerin stehende Immobilie gekümmert und notwendige Wartungs- und Reparaturarbeiten ausgeführt. Zu diesem Zweck hätten die Hausmeister in den Kellerräumen Straße 01 eine Werkstatt gehabt, die ihnen einerseits zur Ausführung der notwendigen Arbeiten gedient habe und andererseits zur Aufbewahrung der notwendigen Werkzeuge und Ersatzteile (Rohre, Dichtungen, etc.). Diese Räumlichkeiten (Werkstatt) hätten im Eigentum der Klägerin gestanden und seien nicht vermietet worden.

Zudem sei es EU-rechtswidrig, die Bildung dieser Rücklage von der Existenz einer inländischen Betriebsstätte abhängig zu machen.

Weiterhin sei die Rücklage bereits deshalb nicht aufzulösen, weil das Jahr der Rücklagenbildung 2002 bestandskräftig veranlagt und nicht mehr änderbar sei.  Eine rechtswidrig aber bestandskräftig gebildete Rücklage sei in der Folge wie eine wirksam gebildete Ansparrücklage zu behandeln.

Klägerin und Beklagter stimmten nunmehr überein, dass ab 2003 der Ort der Geschäftsleitung im Ausland gelegen habe. Soweit sich Vermögen im Inland befunden hätte, sei die gesamte Kommunikation mit Steuerberatern, Banken und sogar dem Finanzamt Z-Stadt vom Ausland aus geschehen. Bei einer Auflösung der Rückstellung in 2003 hätte Deutschland mangels Inlandsbezug für diesen Gewinn jedenfalls kein Besteuerungsrecht. Die Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG  stehe in keinerlei Veranlassungszusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie im Jahre 2002 und stelle damit ebenfalls keine inländische Einkunft dar im Sinne des DBA Deutschland/Ausland.

VGA lägen nicht vor. Hinsichtlich des Erwerbs der Wertgegenstände sei es zu keinem Eigentumsübergang auf den Gesellschafter gekommen. Die Gegenstände seien von der Klägerin erworben und bei dieser bilanziert worden. Soweit die Gegenstände in späteren Veranlagungszeiträumen veräußert worden seien, sei dies durch die Klägerin erfolgt. Der Erlös sei ausschließlich ihr zugeflossen. Soweit der Beklagte versuche eine private Nutzung der Gegenstände zu suggerieren, sei dem entgegenzuhalten, dass die Gegenstände immer in einem Bankschließfach der ...bank Z-Stadt lagerten. Einer privaten Nutzung stehe zudem die räumlich Distanz zwischen Wohnort und Tresor (> 750 km) entgegen sowie zwei voneinander unabhängige Gutachten, die den Zustand der streitbefangenen Gegenstände als neuwertig und ungetragen bestätigten.

Die Darlehensausreichung sei nur dann als vGA zu qualifizieren, wenn eine Uneinbringlichkeit der Forderung eine Teilwertabschreibung auslösen würde (BFH-Urteile vom 11.11.2015 1 R 5/14, BFHE 252, 353, BStBI II 2016, 491;vom 5.6.2013 I R 37/12, BFH/NV 2013, 1628) oder das Darlehen von vornherein nicht ernstlich vereinbart gewesen wäre (BFH-Urteil vom 16.6.2015 IX R 28/14, BFH/NV 2015, 2489; Rengers in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 KStG, Rz. 571). Das sei nicht der Fall. Die Vereinbarungen im Kreditvertrag seien klar, im Voraus getroffen und zivilrechtlich wirksam. Die Regelungen zur Verzinsung seien stets eingehalten worden. Das Darlehen sei immer verzinst, die Zinsen an jedem Bilanzstichtag ermittelt und eingebucht bzw. bezahlt worden. Somit fehle es an der Vermögensminderung, die für eine Qualifikation als „andere Ausschüttung" zwingend notwendig sei. Letztlich stellten sich die Auszahlungen an Herr A nur als Aktivtausch dar. Darüber hinaus seien sehr wohl Sicherheiten vereinbart: In § 4 des Darlehensvertrags (Anlage K 6) vom 10.01.2001 heiße es hierzu: „Zur Sicherung tritt der Darlehensnehmer alle ihm zustehenden Ansprüche aus der gewerblichen Beteiligung an der Grundstücksverwaltung G GmbH an die Darlehensnehmerin ab“. Laut Bilanz zum 31.12.2006 - dem Ende des BPZeitraums - weise die Handelsbilanz ein ausschüttungsfähiges Volumen von ... T€ aus.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätzen verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das zu versteuernde Einkommen für den Veranlagungszeitraum 2003 um ... € zu reduzieren (entspricht Auflösung § 6b Rücklage [... €] und Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG [... €]),

die Körperschaftsteuer 2003 um den festgesetzten KSt-Erhöhungsbetrag in Höhe von ... € zu verringern,

die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Auflösung der Rückstellung nach § 6b EStG im Streitjahr sei zu Recht erfolgt. Da die Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG in 2002 mangels inländischer Betriebsstätte zu Unrecht gewinnmindernd gebildet worden sei, sei diese im Wege der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG in der ersten noch offenen Steuerbilanz gewinnerhöhend aufzulösen.

Dass im Streitfall die Klägerin eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Räumen der Hausverwaltung B GmbH hatte, ergebe sich weder aus den Schilderungen der Klägerin über ihre Betätigung in diesen Räumen noch aus der nunmehr vorgelegten Bestätigung der B GmbH. Vielmehr bestätige dieses Schreiben der B GmbH geradezu, dass es sich hier lediglich um eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit gehandelt habe. Von dem im Vortrag der Klägerin erwähnten Lager und dem Werkstattraum sei dem Prüfer bei der Besichtigung der betrieblichen Räumlichkeiten nichts mitgeteilt worden.

Es bestünden keine Anhaltspunkte, den Ort der Geschäftsleitung der Klägerin im Inland zu verorten. Der Einzige, der auf Grund seiner rechtlichen Stellung als Geschäftsführer die geschäftliche Oberleitung habe ausüben können, sei Herr A. Anhaltspunkte dafür, dass Herr A sich zur Wahrnehmung dieser Aufgabe regelmäßig in Deutschland aufgehalten hätte, gebe es nicht. Ausweislich der abgerechneten Reisekosten könne nur davon ausgegangen werden, dass er die von ihm beauftragten Personen in unregelmäßigen Abständen persönlich in Deutschland aufgesucht habe, um mit Ihnen geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen. Sofern man nicht unterstellen wolle, dass Herr A zwischen diesen Terminen in Deutschland seine Aufgaben habe ruhen lassen, könne er diesen nur vom Ausland aus nachgekommen sein.

Hinsichtlich der Wertgegenstände sei von einem Eigentumsübergang auf den Gesellschafter im Zeitpunkt des Erwerbs auszugehen. Eine betriebliche Veranlassung für die Anschaffung der diversen Schmuck- und Wertgegenstände sei nicht ersichtlich.

Die Darlehensauszahlungen an Herrn A stellten bei der Klägerin Vermögensminderungen dar, da eine Rückzahlung der Darlehen von Anfang an nicht ernsthaft gewollt gewesen sei. Dies ergebe sich u.a. aus der mangelnden Sorgfalt bei der Formulierung der Darlehensverträge, der fehlenden Besicherung der Darlehen, der fehlenden Vereinbarungen zur Rückführung der Darlehensbeträge, der Senkung des Zinssatzes trotz Erhöhung des Darlehensrisikos, der Anhebung der Kreditlinie ohne Rückzahlungsplan/Besicherung trotz bestehender Darlehensschuld. Die Vereinbarung, dass alle dem Darlehensnehmer zustehenden Ansprüche aus der gewerblichen Beteiligung an der Grundstücksgemeinschaft G GmbH abgetreten werden, stelle keine ausreichende Besicherung der Darlehen dar, da u.a. diese Ansprüche erst nach Beschluss durch den Gesellschafter und Darlehensnehmer A selbst entstünden. Das Darlehen an den Gesellschafter sei per 31.12.2018 immer noch mit einem Betrag von ... € in der Bilanz ausgewiesen.

Zur weiteren Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung, auf die Bezug genommen wird.

Aus den Gründen

Die angefochtenen Bescheide sind im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig. Die Klägerin ist insoweit in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO-).

Zu Unrecht hat der Beklagte einen KSt-Erhöhungsbetrag nach § 38 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetzes - KStG - (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) auf der Grundlage einer Leistung in Höhe von ... € (Darlehen ... €; Wertgegenstände ... €) bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 2003 angesetzt. Insoweit liegen keine Leistungen nach § 38 Abs. 2 KStG vor.

Nach § 38 Abs. 2 KStG erhöht sich die Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Leistungen erfolgen, um 3/7 des Betrags der Leistungen, für die ein Teilbetrag aus dem Endbetrag im Sinne des Absatzes 1 als verwendet gilt. Mit der Vereinheitlichung der Terminologie i.R. der Neufassung des § 38 KStG durch Art. 2 Nr. 20 des UntStFG vom 20.12.2001 ersetzt der Gesetzgeber die in der ursprünglichen Fassung des § 38 KStG i.d.F. des StSenkG verwendeten Begriffe der „Ausschüttungen” in § 38 Abs. 1 Satz 4 und 5 KStG i.d.F. des StSenkG sowie der „Gewinnausschüttungen” in § 38 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 und 3 KStG i.d.F. des StSenkG durch den insoweit als Oberbegriff zu verstehenden Terminus der „Leistungen”, der i.R. der Verwendungsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 5 KStG i.d.F. des StSenkG bereits benutzt wird (Bott in: Bott/Walter, KStG, 1. Aufl. 1996, 158. Lieferung, § 38 KStG, Rn. 41). Die Folge einer KSt-Erhöhung tritt bei Vornahme von Ausschüttungen und damit unabhängig davon ein, ob diese in offener oder verdeckter Form erfolgen. Zu den Leistungen i.S.d. § 38 Abs. 1 KStG gehören alle Auskehrungen, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben (Bott in: Bott/Walter, KStG, 1. Aufl. 1996, 142. Lieferung, § 38 KStG, Rn. 41, juris). Leistungen iS der Vorschrift sind daher auch vGA.

Im Streitfall liegen der KSt-Erhöhung nach Auffassung des Beklagten vGA zugrunde. VGA lassen sich indessen nicht begründen.

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des BFH seit Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, Bundessteuerblatt - BStBl - III 1967, 626).

Soweit die Prüfer den fehlenden Nachweis einer betrieblichen Veranlassung der Anschaffung von Wert- und Schmuckgegenstände als Grund für die Annahme einer vGA gesehen haben, steht dem entgegen, dass eine Kapitalgesellschaft nicht über eine außerbetrieblichen Sphäre verfügt, so dass die betriebliche Veranlassung stets gegeben ist (FG Düsseldorf, Urteil vom 04. April 2017 – 6 K 3320/14 K,F –, juris).

Im Streitfall fehlt es für die Begründung von vGA hinsichtlich der Anschaffung von Vermögensgegenständen und der Auszahlung der Darlehen im Übrigen bereits an der Vermögensminderung.

Die von der Klägerin angeschafften Vermögensgegenstände sind bei dieser aktiviert. Eine Teilwertminderung (z.B. nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG) ist nicht eingetreten. Eine Nutzung durch den Geschäftsführer oder durch eine diesem nahestehende Person hat der Beklagte nicht dargelegt und nachgewiesen. Die Vermutung, dass Schmuck u.a. regelmäßig privat von Gesellschafter-Geschäftsführern (mit-)genutzt werden und nicht ausschließlich der Vermögensanlage der Kapitalgesellschaft dienen, lässt sich angesichts der räumlichen Entfernung der Lagerorte und dem Wohnsitz des Geschäftsführers nicht aufstellen. Soweit der Beklagte meint, die Wertgegenstände passten zum gehobenen Lebensstil des Geschäftsführers, liegt hierin allenfalls ein Indiz für eine gesellschaftsrechtliche Mitveranlassung, auf die es jedoch mangels Vermögensminderung nicht ankommt.

Auch die Darlehenshingabe führt nicht zu einer Vermögensminderung.

Eine Vermögensminderung durch Darlehensauszahlungen in 2003 an Herrn A liegt mangels Teilwertminderung im Streitjahr nicht vor. Dem Vortrag der Klägerin, dass das Darlehen weiterhin werthaltig war und das Darlehen vereinbarungsgemäß durchgeführt worden ist, ist der Beklagte nicht substantiell entgegen getreten.

Eine vom Beklagten behauptete unangemessen niedrige Verzinsung führt nicht zu einer Vermögensminderung bzgl. der Darlehensforderung. Die Frage der Zinshöhe ist insoweit relevant, ob in der Differenz zu einem angemessen Zinssatz eine vGA vorliegt. Der Beklagte hat indessen nicht behauptet und auch nicht dargelegt, es läge eine vGA wegen unangemessener Zinshöhe vor.

Eine möglicherweise fehlende Besicherung führt gleichfalls nicht zu einer Vermögensminderung, sofern das Darlehen nicht aufgrund fehlender Besicherung (teilweise) ausfällt. Das ist indessen nicht der Fall.

Bei einer Darlehenshingabe durch eine Gesellschaft an ihren Gesellschafter oder an eine diesem nahe stehenden Person liegt allerdings bereits zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn es von vornherein an einer Rückzahlungsabsicht fehlt (BFH-Urteil vom 7.11.1990 I R 35/89, BFH/NV 1991, 839). Die vom Beklagten geltend gemachte Unvollständigkeit des Darlehensvertrags führt nicht zwangsläufig zum Rückschluss auf eine vGA, da einzelne Kriterien des Fremdvergleichs nicht als absolute Tatbestandsmerkmale verstanden werden dürfen. Wird im Darlehensvertrag keine Vereinbarung über einen Rückzahlungszeitpunkt getroffen, ist von einer gesetzlichen Kündigungsfrist gem. § 609 BGB auszugehen. Es kann dann nur überprüft werden, ob die gesetzliche Kündigungsfrist die Annahme rechtfertigt, dass der Darlehensvertrag nicht ernstlich gemeint sein kann. Die Würdigung vorzunehmen, ist die Aufgabe des FG (BFH, Urteil vom 29. Oktober 1997 – I R 24/97 –, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573). Hinsichtlich der Frage, ob die Rückzahlungsverpflichtung nicht ernstlich vereinbart worden ist, trägt der Beklagte (wie insgesamt für das Vorliegen einer vGA) die objektive Feststellungslast (vgl. BFH - Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 20. März 1974 I R 197/72, BFHE 112, 153, BStBl II 1974, 430; vom 16. Februar 1977 I R 94/75, BFHE 122, 48, BStBl II 1977, 568; vom 13. Juli 1994 I R 43/94, BFH/NV 1995, 548; vom 9. August 2000 I R 82/99, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 2001, 208).

Der Senat kann sich nicht die Überzeugung bilden, dass das Darlehen von Anfang an ohne Absicht der Rückführung begeben worden ist. Die hierfür erforderliche Überzeugung lässt sich aus dem Gesamtbild des Darlehensverhältnisses nicht gewinnen. Die vorliegenden Indizien können die Überzeugung des Gerichts nicht herbeiführen, dass eine Rückführung des Darlehens von Beginn an nicht beabsichtigt war.

Das Darlehen hat sich ohne Rückzahlungen (aber mit Verrechnungen mit Forderungen aus Ausschüttungen) bis 2013 stets auf dann ... € und per 31.12.2018 auf ... € erhöht. Die Klägerin hat indessen vorgebracht, die ausländische Finanzverwaltung habe das Darlehen nicht beanstandet, anderenfalls wäre es zurückgezahlt worden.

Weil das Darlehen verzinslich und jederzeit rückforderbar gewesen ist, spricht das stetige Aufwachsen der Forderung nach Auffassung des Senats nicht per se dafür, dass eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war. Gegen eine Rückführungsabsicht spricht zwar die Feststellung der Betriebsprüfung, wonach (s. Tz. 2.5.5.5 BP-Bericht) die Einkommenslage des Geschäftsführers eine Rückführung nicht erwarten lasse. Dem wäre allerdings das Ausschüttungsvolumen von ... € zum 31.12.2016 sowie die die freien verfügbaren Kapitalrücklagen von ... € und der Bilanzgewinn von ... € per 31.12.2018 entgegen zu halten. Dass eine Sicherung mit Ausschüttungsanprüchen gegen die Klägerin (insoweit könnte die Klägerin aufrechnen) erfolgt ist, spricht ebenfalls nicht gegen eine Rückführungsabsicht. Vielmehr ist das Darlehen demnach (teilweise) gesichert, was eine Wertlosigkeit der Darlehensforderung ausschließt. Aufgrund dieser Sachlage ist der Senat nicht davon überzeugt, dass eine Rückführung des Darlehens von Anfang an nicht beabsichtigt gewesen ist.

Soweit die Klägerin auch die Körperschaftsteuererhöhung hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Betrages einer Leistung nach § 38 Abs. 2 KStG angefochten hat (... €), ist die Klage nicht begründet. Die Klägerin hat – wie bereits auch im Einspruchsverfahren - keine Gründe vorgetragen, aus denen sich die diesbezügliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ergeben könnte. Anhaltspunkte hierfür sind auch aus den Akten nicht ersichtlich. Das Besteuerungsrecht für die, aus der im sog. Anrechnungsverfahren gebildeten Gliederung des verwendbaren Einkommens (hier EK 02) folgenden Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 2 KStG, besteht jedenfalls aufgrund veranlassungsbezogener Zuordnung (vgl. BFH Urteil vom 20 Mai 2015 I R 75/14, juris) im Inland.

Die Rücklage nach § 6b EStG ist in 2003 nicht aufzulösen, der Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG nicht anzusetzen.

Gemäß § 6b Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige, die u.a. Grund und Boden oder Gebäude veräußern, im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- und Herstellungskosten der in Satz 2 bezeichneten Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt worden sind, einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen. Gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 EStG können Steuerpflichtige im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden, soweit sie den Abzug nach Abs. 1 nicht vorgenommen haben. Nach § 6b Abs. 5 Satz 3 EStG ist eine Rücklage, die am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Die Voraussetzungen des § 6b Abs. 5 Satz 3 EStG sind ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig nicht erfüllt.

Streitig ist vielmehr, ob die Vorschriften der Bilanzberichtigung zur Auflösung rechtswidrig aber wirksam gebildeter Rücklagen gewinnwirksam anwendbar sind.

Es kann dahinstehen, ob, wie der Beklagte meint, die Bildung der Rücklage in 2002 rechtswidrig erfolgt sei, weil die Klägerin weder Ort der Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte bis 2002 im Inland gehabt habe. Denn die Rücklage nach § 6b EStG ist unabhängig davon, ob sie 2002 zu Recht gebildet worden ist, im Streitjahr 2003 nicht gewinnwirksam aufzulösen. Denn es fehlt an einer rechtlichen Grundlage für eine gewinnwirksame Auflösung in 2003 der in 2002 wirksam gebildeten Rücklage. Die Anwendung der Grundsätze über den formellen Bilanzenzusammenhang führt nach Ansicht des Senats im Streitfall nicht zu einer Gewinnerhöhung durch Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG.

Ob die Vorschriften der Bilanzberichtigung zur Auflösung rechtswidrig aber wirksam gebildeter Rücklagen anwendbar sind, ist streitig. Die Klägerin verweist auf den 4. Senat des BFH, der mit IV R 16/09 (BFH, Urteil vom 2. Februar 2012, BFHE 236, 389, BStBl II 2012, 766) und IV R 30/04 (BFH, Urteil vom 28. April 2005, BFHE 209, 496, BStBl II 2005, 704) für die Rücklage nach § 7g Abs. 4 EStG entschieden hat, dass, sofern Korrekturvorschriften der AO im Jahr der Bildung der Rücklage nicht greifen, eine rechtswidrig gebildete Rücklage gleichwohl wirksam ist und im Rahmen von § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG aufzulösen ist. Aus der Formulierung, dass die Rücklage trotz Rechtswidrigkeit „wirksam“ ist, könnte folgen, dass eine Auflösung außerhalb des § 7g Abs. 4 EStG, dem im Streitfall § 6b Abs. 3 EStG entsprechen würde, nicht möglich ist. Dem dürfte die Auffassung zugrunde liegen, dass eine rechtwidrige aber wirksame Ausübung eines Wahlrechtes nicht zu einem unrichtigen Bilanzposten führt. Danach wäre die Klage insoweit wegen fehlender rechtlicher Möglichkeiten, die in 2002 wirksam gebildete Rücklage in 2003 aufzulösen, begründet. Allerdings war in beiden Verfahren des 4. Senats nicht die Frage der Bilanzberichtigung Gegenstand. Denn die Entscheidungen des 4. Senats waren zur Frage ergangen, ob eine rechtswidrige Rücklage gleichwohl mit Gewinnerhöhung und insbesondere Zuschlag nach § 7g Abs. 4 EStG aufzulösen ist. Jedoch hatte die Klägerin im Verfahren IV R 16/09 u.a. hilfsweise begehrt, dass die rechtswidrig gebildete Rücklage im ersten noch offenen Jahr im Wege der Bilanzberichtigung erfolgswirksam auszubuchen sei, ohne dass dabei ein Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG entstehe. Die Bilanzberichtigung hat der 4. Senat [allerdings ohne Begründung] gleichwohl nicht vorgenommen.

Zu § 6b EStG formuliert der 8. Senat des BFH ohne nähere Begründung, dass die Rücklage in der ersten noch offenen Bilanz aufzulösen sei, wenn sie zu Unrecht gebildet wurde: „Insoweit gilt für steuerfreie Rücklagen nichts anderes als für Rückstellungen (vgl. zu diesen zusammenfassend BFH/NV 1990, 630 unter 2. a). Die Verpflichtung zur Auflösung beruht auf dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs und dem Verbot einer Berichtigung von Bilanzen, die einer bestandskräftigen Veranlagung zugrunde lagen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.Mai 1990 X R 72/87, BFHE 161, 451, BStBl II 1990, 1044 mit weiteren Nachweisen)“ (BFH, Urteil vom 07. Juli 1992 – VIII R 24/91 –, Rn. 33, juris).

Der 1. Senat des BFH meint, der Geltung der Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs für die Frage der Auflösung der Ansparrücklagen nach § 7g EStG 2002 a.F. sei zuzustimmen: „Die hiervon abweichende Sicht des FG Baden-Württemberg stützt sich auf Entscheidungen des BFH, die zu Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ergangen sind. Da dieser Art der Gewinnermittlung aber kein steuerbilanzieller Vermögensvergleich zugrunde liegt, ist es ausgeschlossen, die im bestandskräftig veranlagten Jahr 01 gebildete Ansparrücklage nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs bereits im Jahr 02 gewinnwirksam aufzulösen; vielmehr ist insoweit die Zwei-Jahres-Frist des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 a.F. zu beachten (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 28. April 2005 IV R 30/04, BFHE 209, 496, BStBl II 2005, 704; BFH-Beschlüsse vom 31. März 2008 VIII B 212/07, BFH/NV 2008, 1322; vom 23. Juli 2009 X B 64/08, juris). Hiervon zu unterscheiden sind jedoch Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und damit auf der Grundlage einer nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG (ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes) erstellten Bilanz ermitteln. Da die Grundsätze über den formellen Bilanzenzusammenhang auf die zutreffende Erfassung des Totalgewinns und hierbei insbesondere auf einen möglichst raschen periodenübergreifenden Fehlerausgleich zielen, vermag der Senat keine Gründe dafür erkennen, weshalb ein Fehlerausgleich nach den allgemeinen Regeln des formellen Bilanzenzusammenhangs dann nicht zum Tragen kommen sollte, wenn --wie von der Vorinstanz im Streitfall angenommen-- eine Ansparrücklage zu Unrecht gebildet worden ist“ (BFH, Beschluss vom 30. April 2013 – I B 151/12 –, Rn. 8, juris).

Ernstliche Zweifel indessen an der Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung, die darauf beruhen, dass in Anwendung der Grundsätze über den formellen Bilanzenzusammenhang das Kapitalkonto in der Schlussbilanz des ersten offenen Jahres im Hinblick darauf gewinnerhöhend korrigiert wird, dass der Steuerpflichtige in einem bestandskräftig veranlagten und festsetzungsverjährten früheren Veranlagungszeitraum eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet hat und das FA nunmehr meint, die Voraussetzungen des § 6b EStG hätten seinerzeit gar nicht vorgelegen, äußert dementgegen der 10. Senat des BFH (BFH, Beschluss vom 8. Februar 2017 – X B 138/16 –, juris). Fraglich sei, ob die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs eine erfolgswirksame Korrektur eines früheren Bilanzierungsfehlers im ersten offenen Jahr auch dann zulassen, wenn der Fehler sich nicht mehr in einer Bilanzposition, sondern lediglich im Kapitalkonto auswirkt (BFH, Beschluss vom 8. Februar 2017 – X B 138/16 –, Rn. 33, juris)

Der Senat ist der Auffassung, dass Gründe dafür fehlen, die auf Rückstellungen anzuwendenden Regeln des formellen Bilanzenzusammenhangs auch auf Rücklagen erfolgswirksam anzuwenden.

Steuerrechtlich ist ein Bilanzierungsfehler grundsätzlich bis zur Fehlerquelle zu berichtigen. Liegt die entsprechende Bilanz indes einer rechtskräftigen Veranlagung zu Grunde, ist die Berichtigung des unzutreffenden Bilanzansatzes in der Schlussbilanz des ersten Wirtschaftsjahres vorzunehmen, für das die Veranlagung nach allgemeinen Grundsätzen berichtigt oder geändert werden kann

Bilanzierungsfehler grundsätzlich (Korn u.a./Korn/Strahl/Mirbach/Bartone/Seifert/Feld-gen/Stahl/Stöcker/Schiffers in: Korn, Einkommensteuergesetz, 1. Aufl. 2000, 136. Lieferung, § 4, Rn. 429). Bleibt indessen ein Bilanzierungsfehler ohne Auswirkung auf die Höhe der Steuer, ist auch die Bilanzberichtigung - an der Fehlerquelle oder unter Durchbrechung des formellen Bilanzenzusammenhangs in der Anfangsbilanz des ersten noch offenen Jahres - erfolgsneutral vorzunehmen (Korn u.a./Korn/Strahl/Mirbach/Bartone/Seifert/ Feldgen/Stahl/Stöcker/Schiffers in: Korn, Einkommensteuergesetz, 1. Aufl. 2000, 135. Lieferung, § 4, Rn. 436).

Bis zum 31.12.2008 war Voraussetzung für die Bildung einer Rücklage in der Steuerbilanz, dass ein entsprechender Passivposten in der Handelsbilanz ausgewiesen wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG aF, sog. umgekehrte Maßgeblichkeit; auch R 6b.2 Abs. 2 EStR 2008). Die Rücklage stellt steuerliches Eigenkapital dar (Tiedchen in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 309. Lieferung 02.2022, § 5 EStG, Rn. 2470). Offene Rücklagen stellen Kapitalverwendungen dar. Sie sind steuerrechtlich nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig. Ein etwaiger Umfang der Abzugsfähigkeit der Sonderposten ergibt sich aus den jeweiligen steuerrechtlichen Sondervorschriften, die sie begründen. Die Rücklagenbildung erfolgt daher – vorbehaltlich etwaiger Sonderregeln - stets ohne Gewinnauswirkung. Dies gilt auch für die „Umschichtung“ des Eigenkapitals, wie z.B. der Auflösung einer Rücklage. Die Rücklage bleibt folglich auch dann Eigenkapital, wenn sie fehlerhaft gebildet worden ist.

So geht der BFH (vgl. z.B. Beschluss vom 05. Dezember 2005, XI B 3/05 Rn. 4, juris; Urteil vom 28. April 2005 – IV R 30/04 –, BFHE 209, 496, BStBl II 2005, 704) davon aus, dass die Rücklage zwar rechtswidrig, aber gleichwohl wirksam gebildet werden kann. Auf dieser Grundlage lässt sich rechtfertigen, eine rechtswidrig gebildete Rücklage gleichwohl der Zuschlagsregel des § 6b Abs. 7 EStG zu unterwerfen. Aber nur dann, wenn die Rücklage bei Rechtswidrigkeit auch unwirksam wäre, wäre die Bilanz fehlerhaft und im ersten offenen Jahr zu korrigieren.

Die Gewinnauswirkung (Minderung bei Bildung und Auflösung gegebenenfalls nach Zeitablauf zzgl. Zuschlag) ergibt sich demnach nicht aus Bilanzierungsregel sondern ausschließlich aus den Sonderregeln des § 6 b EStG. Die Auflösungsmöglichkeiten und steuerlichen Folgen sind in § 6b Abs. 3 EStG formuliert. Deren Voraussetzungen liegen ersichtlich und unstreitig in 2003 nicht vor.

Ein Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG ist in 2003 nicht anzusetzen, weil die Rücklage nach § 6b EStG in 2003 nicht aufzulösen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Die Berechnung der Steuer- und Feststellungsbeträge wird dem Beklagten nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

stats