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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
12.07.2012
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Berlin-Brandenburg: Keine Aktivierung von Minusstunden in der Bilanz des Arbeitgebers

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.8.2011 – 6 K 2028/06

Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2012-1786-1 unter www.betriebs-berater.de

LEITSATZ (DES KOMMENTATORS)
Ein Arbeitgeber darf einen zu seinen Gunsten bestehenden Saldo auf dem Arbeitszeitkonto eines Arbeitnehmers („Minusstunden“) regelmäßig nicht in der Bilanz aktivieren.

EStG § 5 Abs. 1, Abs. 5; HGB § 246 Abs. 1; BGB § 615

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Arbeitsvermittlung und gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ist. Streitig ist die Frage, ob die Klägerin für sog. Minderstunden, die auf Grund einer unterbliebenen Vermittlung entstanden sind, eine Aktivierung vornehmen muss.

Die von der Klägerin mit ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsverträge enthielten in § ... die Regelung, dass die wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden beträgt und geleistete Überstunden als Freizeit ausgeglichen werden. Der umgekehrte Fall betraf die sog. Minderstunden, die dadurch entstehen konnten, dass die Arbeitnehmer weniger als 38 Stunden bzw. überhaupt nicht eingesetzt wurden. Hierzu fanden sich in § ... des sog. Arbeitsbedingungenkatalogs, der Bestandteil des Arbeitsvertrags war, folgende Regelungen:

„... 4. Überstunden

  • - Überstunden werden in einem Überstundenkonto geführt und werden durch Freizeit wieder ausgeglichen.
  • - Minusstunden werden ebenso geführt und werden bei Leistung von Überstunden gegengerechnet.
  • - Der Termin des Ausgleiches ist mit dem Arbeitgeber abzustimmen und bedarf dessen Genehmigung.

... 14. Leistungen bei Nichteinsatz

  • - Für die Dauer des Nichteinsatzes erhält der Arbeitnehmer eine Lohnfortzahlung von 100 % des Grundgehaltes."

Die Klägerin zahlte ihren Arbeitnehmern im Jahr 2003 Gehälter in Höhe von Euro .... In diesem Betrag waren Euro ...,- enthalten, die auf Minderstunden im Sinne von Nr. ... des Arbeitsbedingungenkatalogs entfielen und die die Klägerin ebenfalls als Aufwand behandelte.

Außerdem führte die Klägerin ihrer Rückstellung für Überstundenvergütungen zum 31.12.2003 Euro ...,- zu, so dass sich eine Rückstellung in Höhe von Euro ...,- ergab. Der Jahresüberschuss 2003 betrug Euro ....

Mit Körperschaftsteuerbescheid für 2003 vom .... September 2004 folgte der Beklagte der Steuerklärung - ausgenommen hiervon waren nicht abziehbare Betriebsausgaben - und setzte die Körperschaftsteuer auf Euro ...,- fest; der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Auf Grund eines Einspruchs setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer mit Änderungsbescheid vom .... Oktober 2004 auf Euro ...,- herab, wobei er den Steuerbilanzgewinn unverändert mit Euro ...,- zu Grunde legte; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2003 beanstandete der Prüfer die Gewinnminderung in Höhe von Euro ...,- auf Grund der Gehaltszahlungen für Minderstunden. Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass die Klägerin insoweit einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten hätte bilden müssen. Die sich hieraus ergebende Gewinnerhöhung in Höhe von Euro ...,- sei jedoch in Höhe von Euro ...,- zu mindern, weil die Klägerin drei Arbeitnehmern, die im Jahr 2003 Minderstunden angesammelt hätten, zum Bilanzstichtag bereits gekündigt habe. Hieraus ergebe sich per Saldo eine Gewinnerhöhung von Euro ...,00 Euro.

Darüber hinaus minderte der Prüfer den Gewinn für 2003 auf Grund einer Umsatzsteueränderung für 2001 um Euro ..., so dass sich insgesamt eine Gewinnminderung in Höhe von Euro ... ergab und unter Berücksichtigung der Korrekturen bei der Körperschaftsteuer und beim Solidaritätszuschlag ein Gewinn von Euro .... Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf den Außenprüfungsbericht vom .... Oktober 2005, insbesondere Tz. 9., Bezug.

Der Beklagte folgte den Feststellungen des Außenprüfers und erließ am Mittwoch, dem .... Dezember 2005 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid und setzte die Körperschaftsteuer auf Euro ...,- fest, wobei er einen Gewinn von Euro ...,- zu Grunde legte.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht am .... Januar 2006 Einspruch ein. Sie machte geltend, dass die Voraussetzungen für die Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens nicht vorlägen. Der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens sei nur zulässig, wenn Vorleistungen des eigenen Vertragspartners aus einem gegenseitigen Vertrag für eine zeitraumbezogene Gegenleistung des anderen Vertragspartners oder Vorleistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gegeben seien. Die vom Beklagten vorgenommene Zuordnung auf die ersten Arbeitstage nach dem Abschlussstichtag sei nicht möglich, da die Minderstunden nach dem Tarifvertrag nur mit ggf. anfallenden Überstunden verrechnet werden könnten.

Ebenso wenig komme die Aktivierung einer Forderung aus geleisteten Anzahlungen in Betracht. Denn nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag erhalte der Arbeitnehmer auch im Falle eines Nichteinsatzes eine Lohnfortzahlung in Höhe von 100 % des Grundgehaltes. Anfallende Minderstunden wirkten sich somit nicht auf die Höhe des Monatsgehaltes aus. Die Klägerin müsse das vereinbarte Arbeitsentgelt unabhängig vom Einsatz des Arbeitnehmers bei einem Entleiher bezahlen. Um Vorauszahlungen würde es sich nur handeln, wenn die Gehaltszahlung ein Vorschuss auf eine Gehaltszahlung sei, die im Folgemonat verrechnet werde. Im Übrigen sei es Merkmal einer Vorleistung, dass sie bei Nichterfüllung durch den Vertragspartner zurückgefordert werden könne. Die Minderstunden würden aber weder mit Entgeltansprüchen verrechnet werden, noch bestehe ein Anspruch der Klägerin gegenüber ihren Arbeitnehmern auf Rückzahlung der Löhne.

Mit Einspruchsentscheidung vom .... Oktober 2006 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zwar sei ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten mangels eines bestimmten Zeitraums nicht zu bilden. Die Aktivierung sei aber unter dem Gesichtspunkt der Aktivierung von Forderungen aus Anzahlungen vorzunehmen.

Es handle sich bei den Arbeitsverträgen um schwebende Geschäfte, bei denen sich zwar Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstünden. Allerdings sei dieses Gleichgewicht im Hinblick auf die Minderstunden gestört. Die Aufzeichnung der Minderstunden sei darauf zurückzuführen, dass die Arbeitnehmer nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag nicht nur ihre Arbeitsleistung anbieten müssten, sondern sich auch zur Leistung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden verpflichtet hätten. Es handle sich somit bei der Zahlung des Stundenlohns um Anzahlungen, wobei noch nicht feststehe, wann die Überstunden zu erbringen seien bzw. tatsächlich erbracht würden. Die Klägerin habe insoweit einen Anspruch auf Verrechnung der Minderstunden mit zukünftigen Überstunden, der erst im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegfalle und insoweit erfolgswirksam aufzulösen sei, da ein Anspruch auf Rückzahlung des Arbeitslohnes für die nicht ausgeglichenen Minderstunden nicht bestehe. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin im umgekehrten Fall der Überstunden eine Rückstellung in Höhe von ...,00 Euro passiviert habe.

Der Aktivierung in Höhe von Euro ...,- sei eine Passivierung in Gestalt einer Rückstellung in Höhe von Euro ...,- gegenüber zu stellen, da mit den bereits zum Abschlussstichtag ausgesprochenen drei Kündigungen der Vermögensgegenstand „Lohnvorauszahlung" (aus den bereits bezahlten Minderstunden) hinsichtlich der drei gekündigten Arbeitnehmer untergegangen sei, weil Rückforderungsansprüche nicht bestünden.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor:

Für die Annahme eines schwebenden Geschäfts im Rahmen der Arbeitsverhältnisse müssten die Leistungsanteile, zu denen sich Leiharbeitnehmer und Arbeitgeber verpflichtet haben, als nicht erfüllt anzusehen sein und durch die angefallenen Minderstunden eine Leistungsstörung im Bezug auf das Arbeitsverhältnis vorliegen. Die zukünftige Leistung des Arbeitgebers bestehe darin, das zugesagte Gehalt zu zahlen. Die zukünftige Leistung des Arbeitnehmers bestehe darin, die von ihm zugesagte Arbeitsleistung zu erbringen bzw. dem Arbeitgeber anzubieten. Eine Vorleistung des Arbeitgebers bzw. ein Erfüllungsrückstand sei nicht gegeben, da der Arbeitnehmer nach deutschem Arbeitsrecht lediglich seine Arbeit anbieten müsse. Es sei ausschließlich Sache des Arbeitgebers, diese bereitgehaltene Arbeitsleistung durch tatsächliche Tätigkeitsinhalte auszufüllen.

Eine Leistungsstörung sei im vorliegenden Fall auch deshalb nicht anzunehmen, da die Klägerin gemäß § ... des Musterarbeitsvertrages in Verbindung mit Nr. ... des Arbeits-bedingungskatalogs für die Dauer des Nichteinsatzes eine Lohnfortzahlung in Höhe von 100 % zugesichert habe. Dem stehe nicht entgegen, dass gemäß Nr. ... des Arbeitsbedingungskatalogs Minderstunden geführt und bei Leistung von Überstunden gegengerechnet würden, da seitens der Leiharbeitnehmer zwar ein Anspruch auf Vergütung oder Ausgleich von Überstunden bestehe (vgl. § ... des Arbeitsvertrags und Nr. ... des Arbeitsbedingungskatalogs), seitens des Arbeitgebers jedoch bei anfallenden Minderstunden kein Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitslohn. Ein derartiges Rückforderungsrecht sei nach der Rechtsprechung des BFH aber ein wichtiges Merkmal einer Vorleistung (BFH, Urteile vom 1.6.1989 - IV R 64/88, BB 1989, 1591, und vom 25.6.1979 - VIII R 145/78). Die Minderstunden würden auch nicht mit Entgeltansprüchen verrechnet werden.

Einer unterbliebenen Aktivierung der Minderstunden stehe auch nicht die Passivierung einer Rückstellung für Überstunden entgegen, da durch die Passivierung dem in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB normierten Vorsichtsprinzip Rechnung getragen werde.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte am .... 1.2007 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2003 erlassen, der einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO enthält.

Die Klägerin beantragt, den Körperschaftsteuerbescheid für 2003 vom .... 12.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom .... Oktober 2006 sowie in Gestalt des Änderungsbescheids vom .... 1.2007 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn um Euro ...,- gemindert wird, und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten sei die Aufzeichnung der Minderstunden darauf zurückzuführen, dass die Arbeitnehmer nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag nicht nur ihre Arbeitsleistung anbieten müssten, sondern sich auch zur Leistung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden verpflichtet hätten. Damit handle es sich bei der Zahlung des Stundenlohns um Anzahlungen, wobei zum Zahlungszeitpunkt noch nicht feststehe, wann Überstunden zu erbringen seien bzw. ob tatsächlich Überstunden erbracht würden. Das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung sei somit gestört, so dass eine Aktivierung der bezahlten Minderstunden als Anzahlung geboten sei.

Die Klägerin habe insoweit einen Anspruch auf Verrechnung der bereits bezahlten Minderstunden mit zukünftigen Überstunden, der erst im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses endgültig wegfalle und insoweit erfolgswirksam aufzulösen sei, da ein Anspruch auf Rückzahlung des Arbeitslohnes für die nicht ausgeglichenen Minderstunden nicht bestehe.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung die von der Klägerin gebildete Rückstellung für Überstunden in Höhe von Euro ... dem Grunde und der Höhe nach für unstreitig erklärt. Weiterhin haben sie erklärt, dass die Beträge von Euro ... für die Minderstunden und Euro ... für die ausgeschiedenen Arbeitnehmer der Höhe nach unstreitig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands verweist der Senat auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf den Musterarbeitsvertrag, den Arbeitsbedingungenkatalog, den Außenprüfungsbericht sowie die Bilanzakte.

Aus den Gründen

  • Begründetheit der Klage

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Zu Unrecht hat der Beklagte Gehaltsaufwendungen in Höhe von Euro ...,- aktiviert und diesem Betrag eine Rückstellung in Höhe von Euro ...,- gegenüber gestellt.

  • Keine Aktivierung als aRAP

1. Eine Aktivierung als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten scheidet aus, wie auch der Beklagte mittlerweile annimmt.

  • Voraussetzungen für die Bildung eines aRAP

a) Nach § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG haben Kapitalgesellschaften für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden, soweit die Ausgaben Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Diese Regelung stimmt mit § 250 Abs. 1 HGB überein und soll gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen gezahltes Entgelt für eine vom Vertragspartner noch zu erbringende Gegenleistung, die sich auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, erst nach der Leistungserbringung durch Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens gewinnmindernd berücksichtigt wird.

Voraussetzung für die Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens ist, dass es sich um Ausgaben handelt, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen. Das Gesetz erläutert den Begriff der bestimmten Zeit nicht näher. Nach dem Wortlaut ist zwar eine unbestimmte, d. h. ungewisse Zeit ausgeschlossen. Tatsächlich ist der Begriff der „bestimmten Zeit" aber einer Auslegung zugänglich (BFH, Urteil vom 9.12.1993 - IV R 130/91, BStBl. II 1995, 202, BB 1994, 827). Dabei soll das Zeitbestimmtheitsgebot insbesondere eine willkürliche Beeinflussung des Gewinns durch nicht nachprüfbare Annahmen verhindern (BFH, Urteil vom 9.12.1993 - IV R 130/91, BStBl. II 1995, 202, BB 1994, 827).

Nach der Rechtsprechung des BFH stellen Zahlungen Aufwand oder Ertrag für eine bestimmte Zeit dar, wenn

  • die Gegenleistung für einen „kalendermäßigen" Zeitraum geschuldet wird (BFH, Urteil vom 3.11.1982 - I B 23/82, BStBl. II 1983, 132) oder
  • der Zeitraum nach eindeutigen Maßstäben berechenbar ist, z. B. die Dauer eines Ausbildungsverhältnisses unter Heranziehung des Gesetzes und eines Tarifvertrags (BFH, Urteil vom 5.4.1984 - IV R 96/82, BStBl. II 1984, 552, BB 1984, 1404; s. weitere Nachweise bei Federmann in Herrmann/Heuer/Rau-pach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 1926a).

Dabei genügt es, wenn zumindest ein Mindestzeitraum bestimmbar ist (s. Nachweise bei Federmann, a. a. O., § 5 EStG Anm. 1926a). Unzureichend ist es jedoch, wenn eine bestimmte Zeit nur geschätzt werden kann.

  • Im Streitfall ist eine bestimmte Zeit nicht feststellbar

b) Im Streitfall ist eine bestimmte Zeit nicht feststellbar. Die Klägerin hat Lohn- und Gehaltsaufwendungen für verschiedene Arbeitnehmer geleistet, die über das Jahr gesehen - und damit nach einer etwaigen Verrechnung mit Überstunden gemäß Nr. ... des Arbeitsbedingungskatalogs - weniger als die vereinbarten 38 Wochenstunden geleistet haben. Die Zahlungen waren kein Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag, weil die Arbeitnehmer ihrer Verpflichtung zur Erbringung der Arbeit (soweit sie tatsächlich tätig waren) bzw. zur Bereitstellung ihrer Arbeitskraft mit Ablauf des jeweiligen Monats erfüllt hatten. Die Arbeitnehmer schuldeten damit nach dem Bilanzstichtag keine Gegenleistung mehr; sie waren auch nicht verpflichtet, innerhalb eines bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitraums das bereits erhaltene Gehalt im Umfang der nicht erbrachten Minderstunden durch künftige Überstunden abzuarbeiten.

  • Auch scheidet eine Aktivierung unter dem Gesichtspunkt geleisteter Anzahlungen aus

2. Ebenfalls scheidet eine Aktivierung unter dem Gesichtspunkt geleisteter Anzahlungen gemäß § 266 Abs. 2 Abschn. B. I. 4. HGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG und § 8 Abs. 1 KStG aus.

  • Vorliegen von Anzahlungen

a) Anzahlungen liegen vor, wenn es sich um Vorleistungen auf eine noch zu erbringende Lieferung oder Leistung handelt (BFH, Urteil vom 14.10.1999 - IV R 12/99, BStBl. II 2000, 25, BB 2000, 611, unter 2. der Gründe; zur Abgrenzung von Rechnungsabgrenzungsposten und Anzahlungen s. auch Federmann, a. a. O., § 5 EStG Anm. 1917). Als Leistung kommt auch eine Dienstleistung in Betracht, z. B. auch eine Arbeitsleistung. Keine Vorleistung liegt aber vor, wenn der Anspruch, auf den geleistet wird, rechtlich bereits entstanden ist (BFH, Urteil vom 9.12.1993 - IV R 130/91, BStBl. II 1995, 202, BB 1994, 827, unter 2. der Gründe, mit weiteren Nachweisen).

  • Lohn- und Gehaltsaufwendungen der Klägerin, soweit sie auf Minderstunden entfallen, sind keine Vorleistungen

b) Die Lohn- und Gehaltsaufwendungen der Klägerin, soweit sie auf Minderstunden entfallen, sind keine Vorleistungen, weil die Arbeitnehmer nicht verpflichtet waren, nach Ablauf des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums (Monats) hierfür Arbeitsstunden zu erbringen. Vielmehr stellen die auf die Minderstunden entfallenden Lohn- und Gehaltsaufwendungen eine Gegenleistung für die im jeweiligen Monat erbrachte tatsächliche Leistung bzw. - soweit diese unter 38 Stunden pro Woche lag - Bereitstellung von Arbeit dar. Der Arbeitnehmer hatte damit einen monatlichen Anspruch auf das volle Gehalt, wie sich aus § ... des jeweiligen Arbeitsvertrags sowie Nr. ... des Arbeitsbedingungenkatalogs ergab, so dass die Klägerin keine Vorleistung, sondern eine Gegenleistung erbrachte.

Etwaige Minderstunden führten auch nicht dazu, dass das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung gestört wurde. Denn nach Nr. ... des Arbeitsbedingungenkatalogs zahlte die Klägerin das volle Monatsgehalt dafür, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellte, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer tatsächlich vermittelt wurde oder nicht.

  • Selbst wenn man Vorleistungen annehmen würde, würde es sich nicht um schwebende Geschäfte handeln

c) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es sich, selbst wenn man Vorleistungen annehmen würde, nicht um schwebende Geschäfte handeln würde. Denn muss ausnahmsweise der zur Geldleistung Verpflichtete vorleisten, ist der Schwebezustand mit Erfüllung der Geldleistung beendet, auch wenn die Sach- oder Dienstleistung noch nicht erbracht ist (BFH, Urteil vom 11.10.2007 - IV R 52/04, BStBl. II 2009, 705, BB 2008, 494 m. BB-Komm. Bergemann, unter D. 2. Buchst. d der Gründe, mit weiteren Nachweisen).

  • Schließlich ist auch kein sonstiger Vermögensgegenstand zu aktivieren

3. Schließlich ist auch kein sonstiger Vermögensgegenstand im Sinne von § 266 Abs. 2 Abschn. B. II. 4. HGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG und § 8 Abs. 1 KStG zu aktivieren.

  • Position „sonstige Vermögensgegenstände"

a) Bei der Position „sonstige Vermögensgegenstände" handelt es sich um einen Auffangtatbestand für verschiedene, nicht eindeutig zuordenbare Vermögenswerte des Umlaufvermögens. Hierzu zählen etwa verschiedene Ansprüche wie z. B. Steuererstattungs- oder Schadensersatzansprüche, aber auch Gehaltsvorschüsse, soweit sie - mangels Erfüllung des Zeitbestimmtheitsgebots - nicht als Rechnungsabgrenzungsposten zu qualifizieren sind (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 2. Aufl., § 266 Rz. 70; zur Abgrenzung von Rechnungsabgrenzungsposten und sonstigen Vermögensgegenständen s. Federmann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 1917).

Da der handelsrechtliche Begriff „Vermögensgegenstand" und der steuerliche Begriff „Wirtschaftsgut" inhaltsgleich auszulegen sind (vgl. Großer Senat des BFH, Beschluss vom 7.8.2000 - GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632, BB 2000, 2247 m. BB-Komm. Herzig, unter C. II. 2. der Gründe), setzt ein Vermögensgegenstand ebenso wie ein Wirtschaftsgut einen Vorteil für den Betrieb voraus, dessen Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt. Diese Voraussetzungen erfüllen die vorstehend genannten Ansprüche und Vorschüsse, weil sie einen konkreten Wert für den Betrieb verkörpern. Denn bei einem Anspruch kann der Kaufmann in der Regel eine Geldleistung - alternativ eine Erfüllung in Gestalt einer Sachleistung - verlangen, während er bei einem Vorschuss typischerweise eine Sach- oder Dienstleistung fordern kann.

  • Im Streitfall ist ein Vermögensgegenstand bzw. ein Wirtschaftsgut zu verneinen

b) Im Streitfall ist ein Vermögensgegenstand bzw. ein Wirtschaftsgut zu verneinen, weil die Klägerin am Bilanzstichtag weder einen Anspruch gegen die Arbeitnehmer hatte, die Minderstunden geleistet hatten, noch diesen Arbeitnehmern einen Vorschuss gezahlt hatte.

  • Klägerin hatte am Bilanzstichtag keinen Anspruch gegen die Arbeitnehmer

aa) Der Klägerin stand im Umfang der bis zum Bilanzstichtag angefallenen Minderstunden kein Anspruch gegen ihre Arbeitnehmer zu. Nach dem Arbeitsvertrag konnte sie keine Rückzahlung verlangen, weil eine derartige Regelung nicht vereinbart war. Dies sieht auch der Beklagte, der im Fall der gekündigten Arbeitnehmer ausdrücklich einen Rückforderungsanspruch verneint und insoweit der von ihm bejahten Aktivierung eine Rückstellung gegenüberstellt.

Die Klägerin konnte auch nicht verlangen, dass die Arbeitnehmer im nächsten Jahr im Umfang der Minderstunden unentgeltlich tätig sein würden. Vielmehr wurden lediglich etwaige Überstunden der Arbeitnehmer, bei denen bis zum Bilanzstichtag Minderstunden angefallen waren, mit den Minderstunden verrechnet und konnten damit - entgegen der grundsätzlichen Regelung für Überstunden in Nr. ..., 1. Spiegelstrich des Arbeitsbedingungenkatalogs - nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden. Hieraus ergab sich aber kein Anspruch der Klägerin auf Erbringung von Überstunden nach dem Bilanzstichtag, zumal am Bilanzstichtag völlig ungewiss war, ob und ggf. wann die Arbeitnehmer, bei denen bis zum Bilanzstichtag Minderstunden angefallen waren, überhaupt vermittelt werden würden und dann auch Überstunden im Rahmen des vermittelten Arbeitsverhältnisses leisten müssten.

  • Lohn- und Gehaltsaufwendungen, soweit sie auf Minderstunden entfielen, stellten auch keinen Gehaltsvorschuss dar

bb) Die Lohn- und Gehaltsaufwendungen, soweit sie auf Minderstunden entfielen, stellten auch keinen Gehaltsvorschuss dar, auf Grund dessen die Klägerin noch eine Arbeitsleistung (irgendwann) nach dem Bilanzstichtag verlangen konnte. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen unter 2. der Gründe.

  • Ungleichgewicht zwischen passivierten Überstundenverpflichtungen und nicht aktivierten Minderstundenzahlungen folgt aus den Regelungen des Arbeitsvertrags

4. Soweit der Beklagte sinngemäß ein Ungleichgewicht zwischen passivierten Überstundenverpflichtungen und nicht aktivierten Minderstundenzahlungen rügt, weist der Senat darauf hin, dass dieses Ungleichgewicht aus den Regelungen des Arbeitsvertrags folgt. Soweit der Arbeitnehmer nämlich Überstunden leistete, brauchte er im folgenden Jahr nicht mehr tätig zu werden und konnte insoweit „Freizeit" in Anspruch nehmen, d. h. die Klägerin war verpflichtet, ihn gegen Bezahlung von der Arbeit freizustellen.

Soweit der Arbeitnehmer hingegen Minderstunden ansammelte, hatte die Klägerin keine Ansprüche gegen den Arbeitnehmer, wie aus den Ausführungen unter 3. der Gründe folgt. Hätte die Klägerin die Arbeitsverträge anders formuliert und Rückforderungsansprüche zu ihren Gunsten geregelt, falls der Arbeitnehmer die Minderstunden innerhalb einer bestimmten Zeit des Folgejahres nicht abarbeitet, wäre der Fall möglicherweise anders zu lösen gewesen; eine solche Regelung fehlt aber im Streitfall.

  • Keine Einwendungen gegen die Rückstellung für Überstunden

5. Schließlich bestehen keine Einwendungen gegen die Rückstellung für Überstunden. Dem Grunde nach muss ein Arbeitgeber eine Rückstellung bilden, wenn er seinen Arbeitnehmern noch Urlaub oder die Bezahlung von Überstunden schuldet (BFH, Beschluss vom 29.1.2008 - I B 100/07, BFH/NV 2008, 943). Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass zahlreiche Arbeitnehmer der Kläger im Streitjahr Überstunden geleistet hatten, die sich nicht mit Minderstunden verrechnen konnten. Auf Grund dieser Überstunden stand den Arbeitnehmern im Folgejahr ein Freizeitausgleich gemäß Nr. ... des Arbeitsbedingungenkatalogs zu. Den hierauf entfallenden Lohn- und Gehaltsaufwand musste die Klägerin im Wege einer Rückstellung passivieren. Über die Höhe der Rückstellung besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, so dass der Senat von Ausführungen hierzu absieht (zur Höhe s. auch BFH in BFH/NV 2008, 943; s. auch Happe, BBK 2006, Fach 12, 6865).

  • Ermittlung der geminderten Steuer

6. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geminderte Steuer gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 und 3 FGO zu berechnen und das Ergebnis der Klägerin unverzüglich formlos mitzuteilen; denn die Ermittlung der Körperschaftsteuer erfordert einen nicht unerheblichen Aufwand, weil sich verschiedene Steuerforderungen und -verbindlichkeiten ändern dürften (s. Anlage 1 zum Außenprüfungsbericht vom .... 10.2005).

  • Kostenentscheidung

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Hinzuziehung ergibt sich aus § 139 Abs. 3 S. 3 FGO.

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