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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
14.03.2024
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
OVG Koblenz: IHK-Beitrag; Risiko-Tool zur Bemessung der Höhe der Ausgleichsrücklage

OVG Koblenz, Urteil vom 25.4.2023 – 6 A 11192/22

ECLI:DE:OVGRLP:2023:0425.6A11192.22.00

BB-ONLINE BBL2024-686-3

Leitsätze

1. Das von den Industrie- und Handelskammern in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag entwickelte Risiko-Tool stellt eine geeignete Prognosemethode zur Bemessung der Höhe der Ausgleichsrücklage dar. (Rn.26)

2. Bei der Anwendung des Risiko-Tools dürfen einzelne Risiken nicht in unzulässiger, widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise berücksichtigt, der Höhe nach beziffert oder mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet werden; ebenso bedarf es tragfähiger Gründe, sofern die Industrie- und Handelskammer von der standardisierten Anwendung des Konfidenzniveaus abweicht.(Rn.32)

3. Die Bildung einer zweckgebundenen Rücklage muss auf einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit basieren. Soweit sich die Rücklage auf mehrere Wirtschaftsjahre erstreckt, setzt dies eine hinreichende zeitliche Konkretisierung und Begrenzung sowie einen sachlichen Grund voraus, der darin bestehen kann, einen Finanzbedarf künftiger Jahre durch die Bildung zweckgebundener Rücklagen sicherzustellen.(Rn.50)

 

Sachverhalt

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Veranlagung zum Kammerbeitrag durch die Beklagte.

Die Klägerin betreibt mit Hauptsitz in C... in zahlreichen Filialen in der Pfalz ein Handelsgewerbe für Bekleidung und ist deshalb Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer – IHK –. Diese setzte gegenüber der Klägerin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3. März 2021 für das Jahr 2018 endgültig einen Grundbeitrag von 1.200,00 € und eine Umlage von 1.728,32 €, für das Jahr 2019 endgültig einen Grundbeitrag von 1.200,00 € und eine Umlage von 996,43 € sowie für das Jahr 2021 vorläufig einen Grundbeitrag von 1.200,00 € und eine Umlage von 1.434,83 € fest. Der Beitragsveranlagung für 2018 und 2019 gingen jeweils bestandskräftige und von der Klägerin beglichene vorläufige Veranlagungen (für das Jahr 2018 in Höhe von 2.655,71 € und für das Jahr 2019 in Höhe von 2.562,49 €) voraus, sodass sich für das Jahr 2018 noch eine Nachforderung von 272,61 € und für das Jahr 2019 ein Guthaben von 366,06 € ergab. Mithin veranlagte die Beklagte die Klägerin für das Jahr 2018 zu einem Restbeitrag von 272,61 €, verrechnete diesen Restbeitrag sowie den vorläufigen Beitrag für 2021 mit dem Guthaben aus dem Beitragsjahr 2019 und forderte so eine noch offene Beitragszahlung von 2.541,38 € ein.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, soweit für das Jahr 2018 eine endgültige und für das Jahr 2021 eine vorläufige Veranlagung erfolgt waren. Sie begründete den Widerspruch insbesondere damit, die Beklagte betreibe durch zu hohe Rücklagen eine unzulässige Vermögensbildung. Die Rücklagen genügten nicht dem Gebot der Schätzgenauigkeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung insbesondere aus, die Beitragsfestsetzung genüge den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an eine zulässige Rücklagenbildung. Im Jahr 2018 sei die Ausgleichsrücklage von über 8 Millionen € auf rund 4 Millionen € abgeschmolzen worden. Die Bewertung des durch diese Rücklage abzusichernden Risikos sei erstmalig für das Jahr 2017 und dann auch in den Folgejahren jeweils anhand einer sog. Monte-Carlo-Simulation (Risiko-Tool) erfolgt. Bei dieser Simulation handele es sich um ein stochastisches Modell, welches u. a. die Risiken durch konjunkturelle Schwankungen oder auch IT- und Haftungsrisiken berücksichtige und eine mögliche Schadenshöhe abbilde. Diese Simulation habe einen Finanzierungsbedarf von mindestens 3,98 Millionen € im Jahr 2018 ergeben. Obwohl für das Jahr 2019 ein Absicherungsbedarf von mindestens 4,1 Millionen € ermittelt worden sei, habe man die Ausgleichsrücklage nur mit knapp 4 Millionen € geplant; der Betrag habe 15,3 % der Aufwendungen im Erfolgsplan entsprochen. Im Jahr 2021 sei die Ausgleichsrücklage – bei einem geplanten „Verbrauch“ in Höhe von 37.000,00 € – nur noch mit 3,397 Millionen € dotiert worden. Die Höhe dieser Rücklage sei wiederum mit der Monte-Carlo-Simulation geschätzt worden. Die Instandhaltungsrücklage mit einem Volumen von 500.000,00 € sei im Jahr 2018 für eine in den Jahren 2019 bis 2020 erwartete Dachsanierung am Standort Pirmasens gebildet worden; schon im Jahr 2019 seien 300.000,00 € hiervon verbraucht worden. Im Jahr 2020 sei die Dachsanierung abgeschlossen und die Rücklage deswegen zurückgeführt worden. Die im Nachtragshaushalt vom November 2018 beschlossene Digitalisierungsrücklage mit einem Volumen von rund 3,358 Millionen € sei für 5 Jahre zum Zwecke der Absicherung von Kosten einer gemeinschaftlichen Digitalisierung der IHK-Organisation geplant worden. Insoweit sollten Geschäftsprozessmodelle möglichst aller deutschen Industrie- und Handelskammern digitalisiert, die unterschiedlichen IT-Systeme harmonisiert, in den Schnittstellen optimiert und auch eine erweiterte Portallösung geschaffen werden. Die Höhe der Rücklage sei durch einen externen Experten plausibilisiert und nach aktuellem Erkenntnisstand angepasst worden.

Mit ihrer am 1. Februar 2022 eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Aufhebungsbegehren hinsichtlich der Beitragsjahre 2018 und 2021 weiterverfolgt und ihre Argumentation, die Rücklagenbildung der Beklagten in den betreffenden Beitragsjahren stelle eine unzulässige Vermögensbildung dar, was die Fehlerhaftigkeit der Mittelbedarfsfeststellung zur Folge habe, bekräftigt. Die Rücklagen seien in einer Höhe gebildet worden, die keinem schätzgenau ermittelten Risiko und Finanzbedarf entspreche. Die Abschätzung eines Risikos und des damit verbundenen Finanzbedarfs mittels eines Risiko-Tools wie der Monte-Carlo-Simulation sei generell unzulässig, da solche Instrumente nicht geeignet seien, eine sachgerechte Abschätzung von finanziellen Risiken auf der Grundlage von Tatsachen und der gebotenen Nutzung naheliegender und bestmöglicher Informationen vorzunehmen. Es sei auch nur eingeschränkt nachvollziehbar, wie die Risikoschadenssummen für die einzelnen in die Methode eingestellten Risiken rechnerisch ermittelt worden seien, weil Erkenntnisgrundlagen für die herangezogenen Ausgangsdaten und Eintrittswahrscheinlichkeiten fehlten. Einer Rücklagenbildung müsse zudem stets eine Risikoabschätzung bezogen auf das betroffene Wirtschaftsjahr zugrunde gelegt werden. Insbesondere im Jahr 2018 habe die Beklagte erst kurz vor Ende des Wirtschaftsjahres mit einem Nachtragshaushalt die Werte des abzudeckenden Risikos in Millionenhöhe beschlossen, obwohl kurz vor Abschluss des Wirtschaftsjahres keine Möglichkeit mehr bestanden habe, nach der sich diese Risiken noch hätten verwirklichen können. Die Vermögenslage der Beklagten rechtfertige angesichts der regelmäßigen Bilanzgewinne, die immer wieder vorgetragen würden, keine derartige Rücklagenbildung. Die am 31. Dezember 2017 noch mit 8,5 Millionen € dotierte Ausgleichsrücklage sei zwar durch Entnahmen im Jahr 2018 um 7,5 Millionen € reduziert, durch eine Zuführung von 3 Millionen € aber wieder auf rund 4 Millionen € aufgestockt worden. Dies sei geschehen, obwohl gleichzeitig ein Bilanzgewinn angefallen sei. Eine solche Absicherung des Schwankungsrisikos in Höhe von 4 Millionen € sei im November 2018 nicht mehr geboten gewesen, weil dessen Realisierung im verbliebenen Zeitraum des Jahres 2018 nicht mehr zu erwarten gewesen sei. Die Digitalisierungsrücklage von über 3 Millionen € sei für das Jahr 2018 mit Nachtragshaushalt von November auf Vorrat geschaffen worden, obwohl sie kein Risiko im gleichen Jahr abgedeckt habe. Die erst in den Folgejahren zu erwartenden Kosten seien als jährlich zu planender Kammeraufwand im Haushaltsplan zu finanzieren und könnten deswegen keine Risikoabsicherung rechtfertigen. Die Rücklagenbildung verstoße insoweit gegen den Grundsatz der Jährlichkeit der Haushaltsplanung. In den Jahren 2019 bis 2021 habe man eine Ausgleichsrücklage von bis zu 4 Millionen € aufrechterhalten, ohne dass das abzudeckende Risiko schätzgenau auf der Grundlage einer ausreichenden Tatsachenbasis ermittelt worden sei.

Mit Urteil vom 25. August 2022 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Januar 2022 – richtigerweise: 4. Januar 2022 – insoweit aufgehoben, als für das Jahr 2018 ein zusätzlicher Beitrag in Höhe von 272,61 € festgesetzt worden ist; im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar halte die von der Beklagten gebildete Ausgleichsrücklage für das Jahr 2018 einer rechtlichen Überprüfung stand, insbesondere begegne die Anwendung des Risiko-Tools keinen grundsätzlichen Bedenken. Dies gelte allerdings nicht für die mit Nachtragshaushalt für das Jahr 2018 von der Vollversammlung der Beklagten gebildete Digitalisierungsrücklage, da diese kein im Jahr 2018 bestehendes finanzielles Risiko abdecke. Insoweit komme es nicht mehr darauf an, ob die beiden weiteren im Jahr 2018 gebildeten zweckgebundenen Rücklagen – die Instandhaltungsrücklage und die Zinsausgleichsrücklage – zulässig gewesen seien. Nicht zu beanstanden sei die für das Jahr 2021 vorgenommene Rücklagenbildung, da die bei der Wirtschaftsplanung von der Beklagten gebildeten bzw. weiter aufrechterhaltenen Rücklagen in Ausübung des der Beklagten zustehenden Gestaltungsspielraums einem zulässigen finanziellen Risiko dienten und dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügten. Es erscheine keineswegs unvertretbar, sich angesichts der im Jahr 2020 aufgekommenen Ungewissheiten hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die künftige konjunkturelle Entwicklung bei dem selbst gesetzten Rahmen einer Risikoabschätzung mittels der Monte-Carlo-Simulation nicht an einer Mindestabsicherung in Höhe einer Schadenssumme bei einem Konfidenzniveau von 95 % zu orientieren, wenn der von der Vollversammlung auf Empfehlung des Vorstands akzeptierte, maximale Absicherungsbedarf bei einem Konfidenzniveau von 99 % nicht einmal ausgeschöpft werde. Darüber hinaus genügten auch die Digitalisierungsrücklage, die Zinsausgleichsrücklage und die Instandhaltungsrücklage den rechtlichen Anforderungen an zweckgebundene Rücklagen.

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, mit der sie ihr Aufhebungsbegehren auch hinsichtlich der vorläufigen Veranlagung im Wirtschaftsjahr 2021 weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Das Risiko-Tool sei zur Bemessung der Ausgleichsrücklage grundsätzlich ungeeignet. Den Einsatz eines solchen Rechenmodells mit seinen theoretischen mathematischen Methoden, das zur Bewältigung „technisch-naturwissenschaftlicher Ungewissheiten“ diene, habe das Bundesverwaltungsgericht als unzulässig angesehen. Hierdurch habe sich die Beklagte nicht naheliegender und bestmöglicher Informationsquellen bedient. Zudem sei die Auswahl eines Konfidenzniveaus von 99 %, das sich erheblich auf die Höhe der Ausgleichsrücklage auswirke, sachlich nicht gerechtfertigt gewesen und erscheine willkürlich; insofern mangele es an einer nachvollziehbaren Begründung der Beklagten. Willkürlich erscheine auch die bewusste Unterdotierung der Rücklage im Vergleich zum vermeintlich erkannten abzusichernden Risiko. Zudem verstoße die Bildung einer Ausgleichsrücklage für das Jahr 2021 gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Jährlichkeit, da diese Rücklage auch zum Ausgleich prognostizierter negativer Auswirkungen der Coronakrise in den Jahren 2022 und 2023 gebildet worden sei. Die Bildung einer Digitalisierungsrücklage für das Jahr 2021 sei rechtsfehlerhaft erfolgt, da in der Rücklage Mittel gebunden seien, die in der Vergangenheit für zukünftige Jahre und Bedarfe angesammelt worden seien. Bei den Kosten für die Digitalisierung handele es sich nicht um ein abzudeckendes Risiko; vielmehr handele es sich um einen absehbaren Bedarf, den es jeweils zu kalkulieren gelte. Zudem habe die Beklagte die Möglichkeit, auf etwaige Kalkulationsabweichungen durch einen Nachtragshaushalt zu reagieren. Auch die von der Beklagten gebildete Zinsausgleichsrücklage widerspreche dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Jährlichkeit. Dass tatsächlich in einem einzigen Wirtschaftsjahr zur Finanzierung der Pensionsverpflichtungen der gesamte rechnerisch ermittelte Unterschiedsbetrag nach § 253 Abs. 6 des Handelsgesetzbuchs – HGB – benötigt würde, sei weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen worden. Ferner habe keine nachvollziehbare Berechnung der Höhe der Zinsausgleichsrücklage für das Jahr 2021 stattgefunden. Letztlich habe die Beklagte mit der streitgegenständlichen Veranlagung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, nachdem sie insbesondere in einem Parallelverfahren vor dem Verwaltungsgericht eine dort angegriffene Beitragsveranlagung für die Jahre 2016 bis 2021 aufgehoben habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. August 2022 den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2022 auch insoweit aufzuheben, als die Beklagte für das Jahr 2021 im Wege der vorläufigen Veranlagung einen Beitrag in Höhe von 2.634,83 € festgesetzt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor: Der von ihr gebildeten Ausgleichsrücklage liege als zulässiger Zweck der Ausgleich von möglichen ergebniswirksamen Schwankungen im betroffenen Wirtschaftsjahr zugrunde. Auch sei die Ausgleichsrücklage in rechtmäßiger Weise dotiert und eine sachgerechte, vertretbare und gerichtlich anerkannte Methodik gewählt sowie in nicht zu beanstandender Weise angewandt worden. Sie habe den der Risikoermittlung entnommenen Betrag auch in zulässiger Weise unterschreiten können; insofern stelle das ermittelte mögliche Schadensausmaß – in vorliegendem Fall unter Anwendung eines Konfidenzniveaus von 99 % – die obere Grenze der zulässigen Dotierung der Ausgleichsrücklage dar und es liege in ihrem Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum, diesen Wert zu unterschreiten. Sie habe auch zulässigerweise zweckgebundene Rücklagen vorsehen dürfen; diese unterlägen von vornherein einer konkretisierten Bindung und gingen im Zusammenhang mit dem Rücklagenzweck über das eigentliche Wirtschaftsjahr hinaus, sodass das Gebot der Jährlichkeit der zweckbestimmten Vorsorge zur Deckung eines künftigen Finanzbedarfs nicht entgegenstehe. Insbesondere habe sie im Wirtschaftsjahr 2021 in zulässiger Weise eine Digitalisierungsrücklage in der von ihr vorgesehenen Höhe bilden dürfen. Auch die von der Klägerin beanstandete Zinsausgleichsrücklage sei zulässigerweise in die Mittelbedarfsfeststellung eingeflossen. Die Rücklagendotierung werde jährlich aktualisiert, indem sie die Pensionsverpflichtungen aus der Zusage für Invaliditäts- und Altersrente aus den Versorgungsverträgen und Einzelzusagen jedes Jahr durch ein versicherungsmathematisches Gutachten der M... D... GmbH berechnen lasse; insofern könne nicht von einer willkürlichen Vorgehensweise gesprochen werden. Insgesamt dürften keine überzogenen Anforderungen an die Sachgerechtigkeit und Vertretbarkeit eines Wirtschaftsplans und seiner Planansätze einschließlich der enthaltenen Rücklagendotierungen gestellt werden. Sie habe auch nicht gleichheitswidrig dadurch gehandelt, dass sie in Einzelfällen angegriffene Beitragsbescheide anderer Mitglieder aufgehoben habe. Die Aufhebungen seien von sachlichen Gründen, die im vorliegenden Fall nicht vorlägen, getragen gewesen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass in diesen Fällen endgültig von einer Beitragserhebung abgesehen worden sei.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Gerichtsakten, insbesondere aus den Schriftsätzen der Beteiligten und deren Anlagen, sowie den vorgelegten Verwaltungsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Aus den Gründen

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte auf die zulässige Klage der Klägerin den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2022 auch insoweit aufheben müssen, als die Klägerin für das Jahr 2021 vorläufig zu einem Beitrag in Höhe von 2.634,83 € veranlagt worden ist. Der Bescheid ist nämlich auch insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

I. Die Beitragserhebung findet im Hinblick auf das im Berufungsverfahren noch ausschließlich streitgegenständliche Beitragsjahr 2021 in § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – IHKG –, § 16 in Verbindung mit §§ 6 und 7 der Beitragsordnung der Beklagten sowie der für das streitgegenständlichen Beitragsjahr 2021 geltenden Wirtschaftsatzung, in der die Höhe der zu erhebenden Vorauszahlung geregelt ist, nicht die erforderliche Rechtsgrundlage.

Nach § 3 Abs. 2 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den

Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

Das Gesetz legt eine zweistufige Willensbildung der Industrie- und Handelskammer bei der Beitragserhebung zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Industrie- und Handelskammer den Wirtschaftsplan auf. Dieser gilt für ein Wirtschaftsjahr und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen. Vor dem Hintergrund der in dem betreffenden Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

In einem Beitragsanfechtungsverfahren ist nicht nur die – hier nicht beanstandete – Umlegung des festgestellten Mittelbedarfs auf die Kammerzugehörigen (zweite Stufe) gerichtlich zu überprüfen, sondern inzident auch, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Bei der gerichtlichen Überprüfung ist jedoch zu beachten, dass die Industrie- und Handelskammer hinsichtlich der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt, der der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur hinsichtlich der Frage unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet dabei die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt insbesondere das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem für Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses Gebot ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist. Vielmehr müssen Prognosen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar sein.

Im Hinblick auf die von der Klägerin insbesondere beanstandete Rücklagenbildung ist zu beachten, dass der Beklagten die Bildung von zweckfreiem Vermögen grundsätzlich verboten ist. Dies schließt die Bildung von Rücklagen zwar nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Darüber hinaus muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Kammern dürfen daher keine überhöhten Rücklagen bilden und solche baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Wirtschaftsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung aufweist, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 C 6.15 –, juris Rn. 12 ff.).

An diesen Grundsätzen ist auch nach Umstellung auf die Verwaltungsdoppik festzuhalten. So ist die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammer als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 IHKG weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a. a. O., juris Rn. 17, m. w. N.; OVG Nds, Urteil vom 17. September 2018 – 8 LB 130/17 –, juris Rn. 48; HambOVG, Urteil vom 20. Februar 2018 – 5 Bf 213/12 –, juris Rn. 52).

II. Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen stellt sich die Mittelbedarfsfeststellung im Wirtschaftsjahr 2021 als rechtswidrig dar, da die Beklagte die Ausgleichsrücklage der Höhe nach fehlerhaft gebildet hat (dazu 1.). Im Übrigen ist die Bildung der von der Klägerin angegriffenen zweckgebundenen Rücklagen – der Digitalisierungsrücklage und der Zinsausgleichsrücklage – nicht zu beanstanden (dazu 2.). Zudem hat die Beklagte mit der Aufhebung von Beitragsbescheiden anderer Mitglieder nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen (dazu 3.).

1. Die von der Beklagten im Wirtschaftsjahr 2021 gebildete Ausgleichsrücklage ist zwar nicht dem Grunde (dazu a), jedoch der Höhe nach zu beanstanden (dazu b).

a) Die Beklagte hat die Ausgleichsrücklage zur Kompensation etwaiger ergebniswirksamer Schwankungen im Wirtschaftsjahr 2021 vorgesehen (vgl. § 15a Abs. 2 Satz 2 des Finanzstatuts der Beklagten vom 19. November 2013). Sie dient damit dem Erhalt der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit und der Sicherung der Verfügbarkeit der für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel der Beklagten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2020 – 8 C 9.19 –, juris Rn. 14), mithin einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.

b) Die Höhe der von der Beklagten gebildeten Ausgleichsrücklage ist jedoch nicht mehr von einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gedeckt. Zwar hat sich die Beklagte einer grundsätzlich geeigneten Methodik zur Bemessung der Ausgleichsrücklage bedient (dazu aa), diese Methodik jedoch im zugrunde liegenden Einzelfall fehlerhaft angewandt (dazu bb). Zudem verstößt die Bildung der Ausgleichsrücklage auch im Übrigen gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit und den Grundsatz der Jährlichkeit (dazu cc).

aa) Die Höhe der Risikovorsorge, die zugleich die maximal zulässige Obergrenze für die Ausgleichsrücklage darstellt, ist mit Hilfe eines implementierten Risikokalkulationsmodells und einer von Wirtschaftsprüfern geprüften Softwarelösung, dem Risiko-Tool, ermittelt worden. Gegen die Anwendung dieser Softwarelösung, die die Industrie- und Handelskammern in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und einer Unternehmensberatungsgesellschaft zum Zwecke der Berechnung von Risiken für die jährliche Dotierung der Ausgleichsrücklage vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 (a. a. O.) zum Gebot der Schätzgenauigkeit entwickelt haben, und die auf erprobten Standardverfahren basiert, ist, eine ordnungsgemäße Handhabung im Einzelfall vorausgesetzt, nichts zu erinnern.

Das Risiko-Tool listet katalogartig Risikobereiche mit Einzelrisiken (sog. Risikofelder) auf, die für die Industrie- und Handelskammern individuell auswählbar sind. Zu jedem Risikofeld wird ein Risikoerfassungsbogen erstellt, der eine Risikobeschreibung und die der Kalkulation zugrunde liegenden Berechnungsannahmen enthält. Diese Angaben erfolgen unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse der jeweiligen Industrie- und Handelskammer, die selbst entscheidet, welche Risikobereiche und -felder mit welcher Begründung und welchen Berechnungsannahmen in die Risikobetrachtung einfließen. Im Bereich Berechnungsannahmen nimmt die Industrie- und Handelskammer eine Einschätzung der Höhe des möglichen Schadensausmaßes in der Ausprägung „Minimum“, „Erwartet“ und „Maximum“ sowie eine Festlegung der Eintrittswahrscheinlichkeit („sehr gering (< 10 %)“, „gering (> 10 % - 25 %)“, „mittel (> 25 % - 50 %)“, „hoch (> 50 % - 75 %)“ und „sehr hoch (> 75 %)“ für jedes von ihr ausgewählte Risikofeld vor. Anschließend wird eine detaillierte Risikobetrachtung zur Bestimmung der Höhe des auf die Kammer einwirkenden Gesamtrisikos mittels eines Simulationsverfahrens, der sog. Monte-Carlo-Simulation, erstellt. Die Simulation greift in jeder Iteration auf einen zufälligen Wert aus dem Wahrscheinlichkeitsintervall des Risikofeldes zurück. Wenn es zu einem Risikoeintritt kommt, zieht die Simulation einen Schadenswert zwischen minimalem, wahrscheinlichem und maximalem Wert. Je Iteration werden alle Risikoeintritte und die entsprechenden Schadenswerte addiert und gespeichert. Dieses Vorgehen wird unter Berücksichtigung der Risikokorrelationen tausendfach wiederholt, um ein stabiles Bild der Gesamtrisikosituation zu erhalten. Ziel des Risiko-Tools ist es, eine Vorstellung zu erhalten, welches Gesamtrisiko die Kammer eingeht. Je nach Auswahl des sog. Konfidenzniveaus (90 %, 95 %, 99 % oder 99,99 %) erhält man eine Information, mit welcher Wahrscheinlichkeit in Höhe dieses Konfidenzniveaus das tatsächliche Risiko nicht höher ist als das vom Risiko-Tool ermittelte Gesamtrisiko. Je höher das ausgewählte Konfidenzniveau, desto höher ist das ermittelte Gesamtrisiko.

Diese Simulation stellt ein in der Wirtschaft anerkanntes Verfahren dar, das vor allem im Bereich des betrieblichen Risikomanagements im Finanz- und Versicherungssektor zum Einsatz kommt und daher auch für die Belange einer Industrie- und Handelskammer, die sich bei ihrer Risikoabwägung ebenso erheblichen Unwägbarkeiten gegenübersieht, als sachgerechte und vertretbare Prognosemethode angesehen werden kann. Es ist mithin zur Berechnung der Höhe der Ausgleichsrücklage einer Industrie- und Handelskammer geeignet (so auch bereits OVG RP, Beschluss vom 28. Oktober 2019 – 6 A 10522/18.OVG –, BA S. 6; ferner: OVG Nds, Urteil vom 17. September 2018 – 8 LB 128/17 –, LS Nr. 11, juris Rn. 188; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. November 2022 – 19 K 1529/20 u. a. –, juris Rn. 52; VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Mai 2022 – 20 K 730/20 –, vorgelegt als Anlage BZAG 4; VG Wiesbaden, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 K 867/17.WI –, vorgelegt als Anlage BZAG 3; VG Trier, Urteil vom 25. Juni 2021

– 2 K 945/20.TR –, juris Rn. 41; Günther, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Werkstand: 87. EL September 2021, § 3 IHKG Rn. 118c).

Entgegen der klägerischen Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht keine Feststellung getroffen, die Anwendung des Risiko-Tools sei zur Bemessung der Ausgleichsrücklage generell ungeeignet oder gar unzulässig. Mit der vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich angesprochenen Verpflichtung, bei der Mittelbedarfsprognose auf eine „möglichst realitätsgerechte Schätzung der künftigen Einnahmen und Ausgaben der Kammern“ zurückzugreifen, der ein „zur Bewältigung technisch-naturwissenschaftlicher Ungewissheiten angewandter Maßstab für die gerichtliche Kontrolle behördlicher Prognosen“ nicht genüge (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 2020 – 8 C 9.19 –, juris Rn. 20, – 8 C 10.19 –, juris Rn. 24, und – 8 C 11.19 –, juris Rn. 22), ist nicht das Risiko-Tool als solches, sondern der vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in den dortigen Ausgangsentscheidungen angewandte allgemeine Maßstab für die gerichtliche Überprüfung behördlicher Prognoseentscheidungen (OVG Nds, Urteil vom 17. September 2018, a. a. O., juris Rn. 40) gemeint. Dies erschließt sich zum einen daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich auf einen „Maßstab“ abstellt, das von der Beklagten angewandte Risiko-Tool – vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht als „DIHK-Risikotool“ bezeichnet – jedoch keinen Maßstab, sondern vielmehr als softwarebasiertes Instrument eine Prognosemethode zur jahresspezifischen Ermittlung des Gesamtrisikos darstellt, die die – anderweitig festgelegten – Anforderungen an eine schätzgenaue Risikovorsorge erst umsetzen soll. Zum anderen ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch ansonsten kein Hinweis für eine generelle Ungeeignetheit der Softwarelösung zu entnehmen; vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht hierzu gar nicht geäußert, sondern lediglich festgestellt, die unter Nutzung des Risiko-Tools eingepflegten Werte in den konkreten Verfahren seien gegriffen gewesen, was nicht die Softwarelösung als solches, sondern lediglich deren Anwendung im Einzelfall betrifft. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat das Risiko-Tool demgegenüber als „grundsätzlich geeignete Prognosemethode zur Bemessung der Höhe der Ausgleichsrücklage“ erachtet (vgl. OVG Nds, Urteil vom 17. September 2018 – 8 LB 128/17 –, LS Nr. 11, juris Rn. 188).

bb) Stellt das Risiko-Tool eine dem Grunde nach zulässige Prognosemethode zur Bemessung der Ausgleichsrücklage dar, so muss das Tool im Einzelfall auch bestimmungsgemäß zum Einsatz kommen und mit sachgerechten und vertretbaren Daten gefüllt werden. Daran mangelt es im zugrunde liegenden Einzelfall.

Denn das Gebot der Schätzgenauigkeit verlangt aus ex-ante Sicht sachgerechte und vertretbare Prognosen und damit eine auf die konkrete Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen abgestimmte Prognose, sodass es prognosefehlerhaft ist, bei der Anwendung dieser Methode einzelne Risiken in unzulässiger, widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise zu berücksichtigen, der Höhe nach zu beziffern oder mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit zu bewerten (vgl. OVG RP, Beschluss vom 28. Oktober 2019 – 6 A 10522/18.OVG –, BA S. 6, mit Verweis auf OVG Nds, Urteil vom 17. September 2018 – 8 LB 128/17 –, juris Rn. 188; Günther, a. a. O.); ebenso bedarf es tragfähiger Gründe, sofern die Kammer von der standardisierten Anwendung des Konfidenzniveaus abweicht.

Zwar besitzt die Industrie- und Handelskammer sowohl bei der Auswahl und Bemessung der zu berücksichtigenden Risikoarten, bei der Einschätzung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten als auch bei der Wahl des Konfidenzniveaus einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a. a. O., juris Rn. 14, 16); dieser ist jedoch im zugrunde liegenden Einzelfall in Bezug auf die Wahl des Konfidenzniveaus überschritten worden.

Als Konfidenzniveau werden in der Praxis (vgl. Günther, a. a. O., § 3 IHKG Rn. 118b) und so auch in dem hier zur Anwendung gelangten Risiko-Tool sowohl 90 %, 95 %, 99 % als auch 99,99 % zugrunde gelegt. Ist die Industrie- und Handelskammer – aus welchen Gründen auch immer – weniger risikofreudig, wählt sie ein höheres Konfidenzniveau aus. Mit einem solch höheren Konfidenzniveau steigt auch das zu ermittelnde Gesamtrisiko – teilweise beträchtlich – an, da es mit größerer Wahrscheinlichkeit das tatsächlich eintretende Schadensausmaß einschließt.

Verlangt das Gebot der Schätzgenauigkeit aus ex-ante Sicht sachgerechte und vertretbare Prognosen, bedarf es bei der Anwendung des Risiko-Tools nicht nur der Zugrundelegung realitätsgerechter und widerspruchsfreier Risikobereiche bzw. -felder, Schadensausmaße und Eintrittswahrscheinlichkeiten, sondern auch einer hinreichenden Begründung des anzusetzenden Konfidenzniveaus. Auch vor dem Hintergrund des der Beklagten aus dem Selbstverwaltungsrecht erwachsenen weiten Gestaltungsspielraums ist es daher grundsätzlich notwendig, eine sachlich begründete Entscheidung auch für die Wahl des Konfidenzniveaus zu treffen. Eine gesonderte Begründung ist jedoch dann entbehrlich, wenn sich die Beklagte bei der Wahl des Konfidenzniveaus an einem standardisierten und als üblich anzuerkennenden Wert orientiert, mit dem sie gerade zum Ausdruck bringt, dass keine Besonderheiten, insbesondere keine Gründe für eine besonders konservative oder besonders risikofreudige Herangehensweise bestehen. Als ein solch standardisierter Wert ist ein Konfidenzniveau von 95 % anzunehmen (vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2023 – 20 K 1666/21 –, UA S. 10, vorgelegt als Anlage BB 1). Insbesondere die „AG Muster-Risikokatalog“ empfiehlt den Industrie- und Handelskammern ausweislich des Benutzerhandbuchs des Risikomanagements (dort Seite 11) die Auswahl dieses Konfidenzniveaus; auch im Versicherungsbereich, in dem auf ähnliche Prognosemethoden zurückgegriffen wird, wird mit einem solchen Konfidenzniveau gearbeitet (vgl. Günther, a. a. O.).

Im zugrunde liegenden Fall hat sich die Beklagten in Kenntnis dieses Standardwerts (vgl. Protokoll zur Vollversammlung am 16. November 2017, Seite 3) für die Anwendung eines Konfidenzniveaus von 99 % entschieden. Insbesondere vor dem Hintergrund des gravierenden Unterschieds zwischen einem Konfidenzniveau von 95 % (1,898 Millionen €) und einem Konfidenzniveau von 99 % (4,379 Millionen €) von fast 2,5 Millionen € im Wirtschaftsjahr 2021 hätte es unter Berücksichtigung des Gebots der Schätzgenauigkeit einer aussagekräftigen und belastbaren Begründung für eine Abweichung vom Standardwert bedurft. Zwar hat die Beklagte die von ihr vorgenommene Abweichung begründet; diese Begründung ist indes nicht tragfähig.

So führt die Beklagte aus, die Anwendung des standardisierten Konfidenzniveaus von 95 % führe dazu, dass im Jahr 2014 „die Rücklage als Resultat im Folgejahr 2016 sehr niedrig dotiert wäre […], was das Risiko von künftigen Beitragserhöhungen steigert und damit die Beitrags- und Generationengerechtigkeit gefährdet“. Hiermit bringt die Beklagte allein zum Ausdruck, das von der Monte-Carlo-Simulation im Falle der Anwendung eines Konfidenzniveaus von 95 % errechnete, abzusichernde Gesamtrisiko sei ihr im Ergebnis zu niedrig. Diese Erwägung liefert jedoch keinen sachgerechten Grund für die vom Standard abweichende Wahl eines bestimmten Konfidenzniveaus, der insbesondere darin liegen könnte, die Industrie- und Handelskammer habe – aus welchen Gründen auch immer – Veranlassung zur Wahl eines besonders konservativen oder besonders risikofreudigen Konfidenzniveaus. Mit dem Verweis auf „das Risiko von künftigen Beitragserhöhungen“ und einer Gefährdung der „Beitrags- und Generationengerechtigkeit“ verdeutlicht die Beklagte vielmehr lediglich ihre Intention, möglichst stabil hohe Ausgleichsrücklagen vorzuhalten, was eine Abweichung vom Konfidenzniveau-Standard gerade vor dem Hintergrund des Gebots der Schätzgenauigkeit nicht zu rechtfertigen vermag. Nichts anderes gilt für die weitere Erwägung der Klägerin, bei der Wahl des 95 % Konfidenzniveaus würde der „Liquiditätsbedarf und die Höhe eines ggf. notwendigen Kassenkredites […] deutlich höher ausfallen“, wodurch der Grundsatz der Beitrags- und Generationengerechtigkeit ebenfalls verletzt werden könnte.

Soweit die Beklagte ferner auf ein „internes Gutachten“ verweist, das die Risiken von Beitragsausfällen in Wirtschaftskreisen beleuchte und nach dem bei einer erneuten Wirtschaftskrise im Vergleich zu zurückliegenden Wirtschaftskrisen mit einem Ertragsausfall bei den Beiträgen und Entgelten in Höhe von bis zu 4,9 Millionen € zu rechnen sei, was „ebenfalls für die Wahl des 99 % Konfidenzintervalls“ spreche, eignet sich diese Begründung gleichfalls nicht zur Rechtfertigung eines höheren Konfidenzniveaus. Auch insoweit zieht die Beklagte nicht tragfähige Erwägungen heran. Denn der Verweis auf mögliche hohe Ertragsausfälle bei den Einnahmen und Entgelten hätte ohne Weiteres bereits im Rahmen des möglichen Schadensausmaßes sowie bei der Festlegung der Eintrittswahrscheinlichkeit des betroffenen Risikobereichs bzw. des Risikofeldes im Rahmen der Anwendung des Risiko-Tools Berücksichtigung finden können; ein Grund für die Erhöhung auch des Konfidenzniveaus geht hiermit jedoch nicht einher.

Fehlt es an einer hinreichend belastbaren sachgerechten Begründung für die Annahme eines vom Standard abweichenden höheren Konfidenzniveaus, war eine Begründung auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Ausgleichsrücklage im Wirtschaftsjahr 2021 nicht – wie noch in den Vorjahren – unterhalb des standardisierten Konfidenzniveaus von 95 % bewegt hat. Denn die Ausgleichsrücklage im Wirtschaftsjahr 2021 betrug rund 3,434 Millionen € und lag damit deutlich oberhalb des ermittelten Gesamtrisikos bei einem Konfidenzniveau von 95 % (1,898 Millionen €), wenn auch das Gesamtrisiko bei einem Konfidenzniveau von 99 % (4,379 Millionen €) tatsächlich nicht ausgeschöpft wurde.

cc) Auch im Übrigen kann sich der Senat nicht davon überzeugen, die Beklagte habe bei der Bildung der Ausgleichsrücklage im Wirtschaftsplan 2021 die haushaltsrechtlichen Grundsätze hinreichend beachtet (vgl. zum Maßstab: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2020 – 8 C 9.19 –, juris Rn. 17).

Denn die Beklagte hätte die Entscheidung über das Vorhalten der Ausgleichsrücklage und über deren Höhe bei jedem Wirtschaftsplan – und damit jährlich – erneut treffen müssen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a. a. O., juris Rn. 18). Ausweislich der Anlage zu TOP 5-4 der Sitzung der Vollversammlung der Beklagten vom 1. Dezember 2020, bei der eine Betrachtung („Rücklagenspiegel“) des Zeitraums von 2019 bis 2023 – ähnlich eines Fünf-Jahres-Plans – vorgenommen worden ist, stellt sich die Rücklagenbildung als mehrjähriger, aufeinander aufbauender Prozess dar, ohne dass ersichtlich würde, dass die Beklagte für jedes Jahr eine eigenständige Rücklagenberechnung vorgenommen hätte. So lag die Ausgleichsrücklage zum 1. Januar 2019 noch bei 3.953.214,47 € und man habe mit einem „Verbrauch“ in Höhe von 4.195,89 € geplant. Anschließend belief sich die Ausgleichsrücklage zum 1. Januar 2020 in Höhe des Differenzbetrags von 3.949.018,58 € und es wurde mit einem „Verbrauch“ in Höhe von 515.000,00 € kalkuliert. Im hier maßgeblichen Wirtschaftsjahr 2021 entsprach die Ausgleichsrücklage zum 1. Januar 2021 abermals der Höhe des Differenzbetrags von 3.434.018,58 € und es wurde ein „Verbrauch“ der Ausgleichsrücklage in Höhe von 37.000,00 € veranschlagt. Auch die Rücklagen für die Jahre 2022 und 2023 wurden bereits geplant und ein jeweiliger „Verbrauch“ (in Höhe von 1.331.800,00 € bzw. 1.913.216,79 €) eingestellt, sodass die Ausgleichsrücklage zum Ende des Betrachtungszeitraums – dem 31. Dezember 2023 – nur noch 152.001,79 € betragen sollte. Hieraus wird deutlich, dass die Beklagte keine jahresbezogene Festlegung der Ausgleichsrücklage, sondern eine mehrjährige Betrachtung angestellt hat, ohne die im jeweiligen Wirtschaftsjahr bestehenden Risiken ausreichend in ihre tatsächlichen Überlegungen zur Bildung der Ausgleichsrücklage einzustellen. Zu dieser Erkenntnis passt die textliche Ausführung im Protokoll der Sitzung der Vollversammlung vom 1. Dezember 2020, dass „Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage schwerpunktmäßig in den Jahren 2022/2023 erfolgen“ sollen (Einführungsteil, S. 7 und 9). Diese Umstände lassen stark darauf schließen, die Beklagte habe sich zur Bemessung der Ausgleichsrücklage tatsächlich an einem mehrere Jahre betreffenden Zeitraum orientieren wollen. Damit geht zwar nicht der Vorwurf einher, die Beklagte habe die Ausgleichsrücklage im Wirtschaftsjahr 2021 mit Risiken der Folgejahre begründet; allerdings lässt eine solch mehrjährige Betrachtung keine hinreichende Befassung mit den abzusichernden Risiken des jeweiligen Wirtschaftsjahres erkennen.

Zudem hat sich die Beklagte mit einer solchen Vorgehensweise allzu sehr von der eigentlich durchgeführten Risikoprognose unter Anwendung des Risiko-Tools entfernt. Der Senat erkennt insoweit zwar, dass die Beklagte für jedes Wirtschaftsjahr Risikobetrachtungen nach der sog. Monte-Carlo-Simulation vorgenommen hat (für das Wirtschaftsjahr 2021 ausweislich Anlage zu TOP 5-7 der Sitzung der Vollversammlung vom 1. Dezember 2020) und die Anwendung des Risiko-Tools – wie bereits ausgeführt – dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist. Es wird jedoch nicht hinreichend erkennbar, welcher Zusammenhang zwischen dem von der Beklagten ermittelten Gesamtrisiko mit der von ihr tatsächlich gebildeten Ausgleichsrücklage überhaupt noch besteht. Ein solcher Zusammenhang zwischen dem von der Beklagten erstellten Rücklagenspiegel und der Risikoprognose anhand des Risiko-Tools ergibt sich insbesondere nicht aus den Unterlagen und Protokollen zur Sitzung der Vollversammlung am 1. Dezember 2020 und konnte von der Beklagten bis zuletzt nicht plausibel dargelegt werden. Vielmehr rechtfertigt insbesondere der mehrjährige Rücklagenspiegel die Annahme, die Heranziehung des Risiko-Tools diene zuvörderst dazu, ein möglichst hohes Gesamtrisiko zu veranschlagen, bis zu dem man sich im Sinne eines äußeren Rahmens „frei bewegen“ können soll. Diese Vorgehensweise verletzt indes nicht nur das Gebot der Schätzgenauigkeit, sondern auch den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Jährlichkeit.

2. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, sind die von der Beklagten gebildeten und von der Klägerin angegriffenen zweckgebundenen Rücklagen – die Digitalisierungsrücklage (dazu a) und die Zinsausgleichsrücklage (dazu b) – nicht zu beanstanden.

Die Bildung einer zweckgebundenen Rücklage muss auf einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit basieren. Soweit sich die Rücklage auf mehrere Wirtschaftsjahre erstreckt, setzt dies eine hinreichende zeitliche Konkretisierung und Begrenzung sowie einen sachlichen Grund voraus, der darin bestehen kann, einen Finanzbedarf künftiger Jahre durch die Bildung zweckgebundener Rücklagen sicherzustellen (vgl. OVG RP, Urteil vom 25. April 2023 – 6 A 11191/22.OVG –).

a) Diese Voraussetzungen erfüllt die Beklagte zunächst mit der Digitalisierungsrücklage. Sie hat hinreichend dargelegt, die Rücklage diene dem Entschluss der 79 deutschen Industrie- und Handelskammern, ihre Geschäftsmodelle und Prozesse gemeinsam zu digitalisieren, mithin einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Sie hat auch nachvollziehbar dargelegt, weshalb ein mehrjähriger Finanzbedarf bestehe, der sicherzustellen sei (zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Jährlichkeit bei der Digitalisierungsrücklage: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. November 2022 – 19 K 1529/20 –, juris Rn. 67). Der Finanzbedarf falle in einem Fünfjahreszeitraum (2019 bis 2023) an, wobei die Beklagte bei Planung und Durchführung des Digitalisierungsprojekts und der hierbei zu veranlassenden Maßnahmen von einer bundesweiten Abstimmung der Industrie- und Handelskammern abhängig sei. So könne die Zeitplanung erst konkretisiert werden, wenn die verantwortlichen Gremien der IT-Governance die Prioritäten innerhalb der fünf unterschiedlichen Digitalisierungsprogramme entschieden hätten. Zudem hat sie den entstehenden Bedarf auch nachvollziehbar und schlüssig beziffert, indem sie dem bundesweiten Finanzbedarf (197 Millionen €: geschätzte Kosten in Höhe von 252 Millionen € abzüglich Potentialen zur Kostenreduzierung in Höhe von 55 Millionen €) ihren Verteilungsschlüssel, dem Anteil am Gewerbeertragsaufkommen in Höhe von 1,69 %, mithin 3,36 Millionen €, gegenübergestellt hat. Für das Wirtschaftsjahr 2021, in dem die Digitalisierungsrücklage noch in Höhe von 2,57 Millionen € bestand, hat sie die Jahresplanwerte ausgehend von aktuellen Erkenntnissen gegenüber dem ursprünglichen Planungskonzept aktualisiert (vgl. Protokoll zur Sitzung der Vollversammlung vom 1. Dezember 2020, S. 9, und Anlage zu TOP 5-5).

b) Gleiches gilt für die von der Beklagten vorgesehene Zinsausgleichsrücklage, die der Absicherung eines durch eine Änderung der Abzinsung von Pensionsrückstellungen nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB entstandenen finanziellen Risikos der Beklagten dient. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insofern auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug, denen er sich anschließt. Soweit die Klägerin keinen Grund erkennt, eine mehrjährige Betrachtung der Zinsausgleichsrücklage vorzunehmen, ist zu berücksichtigen, dass die Änderung des § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB eine Verpflichtung zur Abzinsung von Altersversorgungsverpflichtungen (Pensionsrückstellungen) mit dem durchschnittlichen Marktzins nicht mehr der vergangenen sieben, sondern der vergangenen zehn Geschäftsjahre vorsieht, und der neue § 253 Abs. 6 HGB eine Ausschüttungssperre und eine Angabepflicht für den aus der Änderung resultierenden Unterschiedsbetrag beinhaltet. Die Neuregelungen gelten nach Art. 75 Abs. 6 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch erstmals für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen. Zwar sind durch die Verlängerung des Ermittlungszeitraums für den Diskontierungszinssatz von sieben auf zehn Jahre für Pensionsrückstellungen höhere Diskontierungssätze festzustellen, was zunächst zu einer Verringerung der Höhe der Pensionsrückstellungen führt. Dieser Entlastungseffekt ist allerdings nur temporärer Natur, denn der Entlastung im Jahr 2016 stehen zukünftig erhöhte Aufwendungen gegenüber (vgl. insoweit auch BT-Drs. 18/7584, S. 149; VG Frankfurt, Urteil vom 9. August 2018 – 12 K 1978/16.F –, juris Rn. 30). Damit ist ein legitimer Zweck für die mehrjährige Bildung der Zinsausgleichsrücklage gegeben. Zur Gewährleistung der aus dem Gebot der Schätzgenauigkeit folgenden Anforderungen hat die Beklagte zudem nachvollziehbar vorgetragen, die Pensionsverpflichtungen aus der Zusage für Invaliditäts- und Altersrente aus den Versorgungsverträgen und Einzelzusagen jährlich durch ein versicherungsmathematisches Gutachten berechnen zu lassen.

3. Im Hinblick auf die von der Klägerin behauptete Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hat sie auch im Berufungsverfahren keine hinreichenden tatsächlichen Umstände vorgetragen, die auf eine Vergleichbarkeit der Fallkonstellationen, in denen die Beklagte die Beitragsbescheide aufgehoben hat, mit der vorliegenden Beitragserhebung schließen lassen. Zudem ist nicht erkennbar, weshalb es für die Aufhebung anderer vorläufiger Beitragsfestsetzungen durch die Beklagte nicht tatsächlich sachliche Gründe, insbesondere die Kenntnisnahme neuer Tatsachen über die Bemessungsgrundlage, gegeben habe. Selbst wenn die Beklagte bislang auf eine Neuveranlagung in diesen Fällen verzichtet haben sollte, rechtfertigt dies nicht den Schluss auf einen endgültigen Verzicht auf die Neuveranlagung der betreffenden Kammerzugehörigen, zumal es ohne Weiteres sachgerecht und ökonomisch erscheint, den Ausgang des hiesigen Rechtsstreits und damit die Beantwortung der Fragen, die sich in jedem Beitragserhebungsverfahren – wie beispielweise die Mittelbedarfsfeststellung – stellen, abzuwarten.

Abgesehen davon verleiht der Gleichheitsgrundsatz der Klägerin ohnehin – auch bei Vorliegen der von ihr behaupteten tatsächlichen Voraussetzungen – nicht den von ihr klageweise verfolgten Anspruch auf Aufhebung des von ihr angegriffenen Beitragsbescheids. Denn selbst wenn die Beklagte vereinzelt in anderen Fällen ihrer Pflicht zur Rechtsanwendungsgleichheit nicht nachgekommen sein sollte, vermittelt dies keinen Anspruch der Klägerin, auch zu ihren Gunsten müsse unrechtmäßig auf eine Beitragserhebung verzichtet werden. Der Gleichheitssatz verbürgt nur die Gleichheit im Recht, nicht jedoch die Gleichheit im Unrecht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2010 – 5 B 63.09 –, juris Rn. 9, m. w. N., und Urteil vom 13. Dezember 2006 – 6 C 17.06 –, juris Rn. 25). Insoweit war auch eine weitere Sachaufklärung, in wie vielen Fällen und aus welchen Gründen einzelne Beitragsbescheide durch die Beklagte aufgehoben worden sind, nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO –.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die bei den Industrie- und Handelskammern bundesweit verbreitete Methodik zur Ermittlung der Höhe der Ausgleichsrücklage und die Gestaltungsmöglichkeiten der Industrie- und Handelskammern bei der Anwendung dieser Methodik gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.634,83 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG –).

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