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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
29.10.2015
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Köln: Hinzuschätzungen wegen Verletzung der Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten

FG Köln, Beschluss vom 15.7.2014 – 6 V 1134/14

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2015-2736-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze DES KOMMENTATORS

1. Hat ein Steuerpflichtiger seine Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten verletzt, bestehen im Rahmen der summarischen Überprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung, wenn diese anhand eines branchenbezogenen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes vorgenommen wurde.

2. Der Aufgabegewinn anlässlich einer Betriebsübertragung umfasst auch die entschädigungslose Befreiung von Steuernachforderungen.

AO § 201; AO § 162 Abs. 1, Abs. 2; AO § 146 Abs. 4, Abs. 5

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache einerseits über die Höhe der im Rahmen einer Außenprüfung vorgenommenen Hinzuschätzung und andererseits über die Höhe des vom Antragsgegner festgestellten Aufgabegewinns.

Die Antragstellerin betrieb einen Lebensmitteleinzelhandel. Für das Streitjahr führte der Antragsgegner aufgrund der Anordnung vom 10.5.2013 eine Außenprüfung durch. Dabei wurden insbesondere die folgenden Feststellungen getroffen:

Der Betriebsprüfer bemängelte die Ordnungsmäßigkeit der Buch- und Kassenführung. Trotz Ankündigung im Rahmen der Vorprüfung (2007 bis 2009) und darauf gegründeter Aufforderung wurden keine digitalen Grundaufzeichnungen für die beiden Registrierkassen des Systems Vectron Commander vorgelegt. Für beide Ladenkassen wurden lediglich einheitliche Transaktionsberichte vorgelegt. Darüber hinaus war die Vollständigkeit der Z-Abschläge nicht prüfbar, da die Z-Nummern nicht fortlaufend respektive doppelt vergeben und die Z-Bons lückenhaft vorgelegt wurden.

Das daneben für die Monate Januar bis August handschriftlich geführte Kassenbuch weist nachträgliche Einfügungen, Überschreibungen und Verbesserungen mit Tipp-Ex auf. Tageskassenbestände wurden bis Juni nicht ausgewiesen. Es erfolgte lediglich eine rechnerische Ermittlung des Bestandes am Seitenende zum Zwecke des Übertrags. Es fehlte daher an der Sturzfähigkeit der Kasse.

Beginnend mit September bis zum Jahresende wurde ein elektronisches Kassenbuch unter Nutzung des Systems FGS geführt. Die eingegebenen Daten wurden durch das Programm in Excel-Dateien gespeichert. Bestände wurden rechnerisch ermittelt; Differenzen zu ausgezählten Beständen wurden nicht ausgewiesen.

Darüber hinaus wiesen die erstellten Ausgangsrechnungen keine fortlaufenden Nummern aus. Teilweise wurden auch Rechnungsnummern vergeben, die zum Nummernkreis anderer Wirtschaftsjahre (2009) gehören. Die Vollständigkeit der Ausgangsrechnungen konnte daher nicht geprüft werden.

Infolge dieser Mängel der Buch- und Kassenführung erhöhte der Antragsgegner die Umsätze im Wege der Schätzung um 3 % (= netto 54.000 €).

Daneben wurde im Rahmen der Außenprüfung erstmals ein Aufgabegewinn für die Antragstellerin ermittelt. Aufgrund einer zwischen der Antragstellerin und der A GmbH (GmbH) am 15.10.2010 geschlossenen Vereinbarung wurde das Vermögen der Antragstellerin unter Auflösung derselben auf die GmbH übertragen. Hierzu wurden u.a. folgende Regelungen getroffen:

2.

Die GmbH vereinbart mit der GbR, dass deren Aktiva und Passiva, also insbesondere die Forderungen und Verbindlichkeiten, das Inventar und der Warenbestand zum 31.12.2010 von der GmbH entschädigungslos übernommen werden.

Da der Bestand der Aktiva zum 31.12.2010 nicht wesentlich vom Bestand der Verbindlichkeiten abweicht (vorl.Summen- und Saldenliste zum 31.10.2010), wird kein Kaufpreis oder Ablösebetrag vereinbart. Nach Fertigstellung der Bilanz zum 31.12.2010 wird diese Grundlage der Vereinbarung.

a. Die Forderungen …

b. Die GmbH verpflichtet sich, alle am 31.12.2010 bereits bestandenen oder zukünftig sich für die Zeit bis zum 31.12.2010 noch ergebenden Verbindlichkeiten der GbR (z. B. städtische Bescheide, Steuer -und Nebenkostennachforderungen) gegenüber den jeweiligen Gläubigern an Erfüllungs Statt zu erfüllen.

Die GbR ist verpflichtet, der GmbH die ihr bereits bekannten und noch zu erwartenden Verbindlichkeiten bis spätestens zur Unterzeichnung dieser Vereinbarung vollständig aufzulisten. Die GmbH ist verpflichtet, die bisherige GbR sowie deren Gesellschafter von einer eigenen Inanspruchnahme durch die Gläubiger freizustellen.

…“

Eine Gegenleistung wurde nicht – auch nicht in Form von GmbH-Geschäftsanteilen – vereinbart. Wegen der bilanziellen Überschuldung sowie aufgrund einer durchgeführten Ertragswertberechnung ergab sich ein gemeiner Wert der Antragstellerin i.H.v. 0 €. Der Antragsgegner ermittelte daher den Aufgabegewinn anhand des negativen Kapitalkontos der einzelnen Gesellschafter. Ausgehend von der vorgelegten Bilanz der Antragstellerin erhöhte der Beklagte hierbei die Passiva um einen Betrag i.H.v. 59.183,04 €.

Diese Erhöhung der Passiva resultierte aus einer für die Geschäftsjahre 2007 bis 2009 durchgeführten Außenprüfung (Vorprüfung). Im Rahmen der Vorprüfung erhöhte der Antragsgegner den steuerlichen Gewinn der Antragstellerin und passivierte in der Prüferbilanz infolgedessen Umsatzsteuerverbindlichkeiten, Gewerbesteuer- und Zinsrückstellungen in einer Gesamthöhe von zunächst 84.891,51 € (vgl. BP-Bericht vom 12.3.2012). Die Auswertung des BP-Berichtes erfolgte durch Bescheide vom 13.4.2012. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde der BP-Bericht am 4.6.2012 geändert und die entsprechenden Rückstellungen auf den Gesamtbetrag i. H. v. 62.353,40 € reduziert (vgl. Prüferbilanz zum BP-Bericht vom 4.6.2012). Zudem erfolgte im weiteren Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens eine Reduktion der Mehrsteuern durch Teilabhilfebescheide auf den Betrag i. H. v. 59.183,04 €.

In der Bilanz der Antragstellerin zum 31.12.2010, die mit einer Steuerberaterbescheinigung des Steuerberaters B vom 27.4.2012 versehen ist, sind diese Mehrsteuern weder als Verbindlichkeiten noch als Rückstellungen berücksichtigt.

Infolge vorgenannter Feststellungen im Rahmen der Außenprüfung erließ der Antragsgegner am 5.2.2014 einen Gewinnfeststellungsbescheid gegenüber der Antragstellerin. Mit Schriftsatz vom 4.3.2014 legte die Antragstellerin hiergegen Einspruch ein und begehrte die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides (AdV). Zur Begründung ihres Einspruchs führte die Antragstellerin aus, die im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Mängel würden eine Zuschätzung i. H. v. 3 % des Umsatzes nicht rechtfertigen. Die inzident vorgeworfene Kassenmanipulation sei nicht erfolgt. Insbesondere würden die Kassen allein von Fremdpersonal bedient und eine Anweisung zur Kassenmanipulation sei an die Mitarbeiter nicht ergangen. Die vom Antragsgegner vorgenommene Passivierung von Steuerschulden und die damit einhergehende Erhöhung des negativen Kapitalkontos seien nicht nachvollziehbar. Eine Begründung hierzu sei der Antragsgegner schuldig geblieben. Der lapidare Hinweis auf die Ergebnisse der Vorprüfung könne die Erhöhung nicht tragen. Zudem seien etwa bestehende Schulden, die nicht in der Bilanz ausgewiesen seien, nicht von der GmbH übernommen worden und könnten daher nicht zu einem Aufgabegewinn führen.

Mit Bescheid vom 10.4.2014 lehnte der Antragsgegner den AdV-Antrag ab, weshalb die Antragstellerin mit hiesigem Antrag weiterhin die Aussetzung begehrt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 5.2.2014 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist er auf die im Prüfungsbericht vom 2.12.2013 aufgeführten Feststellungen der Außenprüfung. Wegen des Fehlens digitaler Grundaufzeichnungen und der fehlerhaften Nummerierung der vorgelegten Transaktionsberichte sei eine Hinzuschätzung gemäß § 162 AO gerechtfertigt. Insofern komme es – entgegen der von der Antragstellerin im Einspruchsverfahren geäußerten Auffassung – nicht auf ein Verschulden der Antragstellerin an. Auch die Höhe der Hinzuschätzung sei nicht zu beanstanden, da sie sich im Rahmen der Durchschnittssätze des Lebensmitteleinzelhandels bewege.

Weiterhin sei auch die vorgenommene Erhöhung der Passiva wegen bislang unterlassener Passivierung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten und Gewerbesteuerrückstellungen aufgrund der Vorprüfung zutreffend erfolgt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Steuer- und Betriebsprüfungsakten verwiesen.

Aus den Gründen

II. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Zulässigkeit des Antrags

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Finanzgericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – seit Beschluss vom 10.02.1967 – III B 9/66, BStBl III 1967, 182).

An der formellen Rechtmäßigkeit des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides bestehen keine ernstlichen Zweifel. Dabei kann unbeantwortet bleiben, warum eine Schlussbesprechung gemäß § 201 AO nicht durchgeführt wurde; das Unterlassen einer nach § 201 AO gebotenen Schlussbesprechung führt nämlich nicht zur Rechtswidrigkeit der gleichwohl ergangenen Steuerbescheide (vgl. BFH, Urteil vom 24.5.1989 – I R 85/85, BStBl II 1989, 900, [BB 1990, 120]; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 11. Auflage, München 2012, § 201 Rn. 5 m. w. N.). Dies gilt umso mehr als der Antragstellerin im Schriftwege (vgl. insbesondere das Erörterungsschreiben des Antragsgegners vom 8.7.2013, die Antwort der damaligen steuerlichen Beraterin der Antragstellerin, StB C vom 2.8.2013, Darlegung der Prüfungsfeststellungen vom 4.11.2013, Übersendung des BP-Berichts am 2.12.2013, sowie Stellungnahme zum BP-Bericht durch die D Partnerschaft vom 16.12.2013) rechtliches Gehör eingeräumt wurde.

Unbegründetheit des Antrags

Auch in materieller Hinsicht bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides.

Rechtmäßigkeit der Umsatzzuschätzung ist nicht zweifelhaft

Insbesondere ist die Rechtmäßigkeit der vom Antragsgegner vorgenommenen Umsatzzuschätzung i.H.v. netto 54.000 € nicht ernsthaft zweifelhaft. Gemäß § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ist eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn diese nicht zu ermitteln sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige seine Buchführungs-und Aufzeichnungspflichten verletzt, § 162 Abs. 2 Satz 2 AO. Bei Führung der Bücher ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Buchungen und sonstige erforderliche Aufzeichnungen stets vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen sind, § 146 Abs. 1 Satz 1 AO. Hierbei ist insbesondere sicherzustellen, dass eine Buchführung oder eine Aufzeichnung nicht verändert werden kann, § 146 Abs. 4 AO. Die erforderlichen Aufzeichnungen und Bücher können auch auf Datenträgern geführt werden. In einem solchen Fall ist sicherzustellen, dass während der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können, § 146 Abs. 5 Satz 2 AO.

Hinzuschätzung erfolgte dem Grunde nach zu Recht …

Die vom Antragsgegner vorgenommene Hinzuschätzung erfolgte dem Grunde nach zu Recht. Die im Rahmen der Außenprüfung festgestellten und zugestandenen Buchführungsmängel eröffnen – auch nach Auffassung der Antragstellerin – die Schätzungsbefugnis des Antragsgegners gemäß § 162 AO. Soweit die Kassenaufzeichnungen der Antragstellerin elektronisch geführt wurden, war die Antragstellerin entgegen ihrer Verpflichtung gemäß § 146 Abs. 5 Satz 2 AO im Rahmen der Außenprüfung außerstande, die elektronischen Grundaufzeichnungen vorzulegen. Die daneben geführten handschriftlichen Aufzeichnungen für die Monate Januar bis August des Streitjahres weisen nachträgliche Einfügungen, Streichungen und Korrekturen mittels Tipp-Ex auf. Die täglichen Kassenbestände sind bis einschließlich Juni des Streitjahres nicht vermerkt. Deshalb kann auch aufgrund des handschriftlich geführten Kassenbuchs keine ordnungsmäßige Kassenführung festgestellt werden; sie verstößt insoweit gegen § 146 Abs. 4 AO. Auch die unter Verwendung des Systems FGS für die Monate September bis Dezember geführten Kassenbücher können die Mängel der Buchführung nicht beseitigen. Nach den Feststellungen der Finanzverwaltung speichert dieses System die eingegebenen Daten in Excel-Dateien, die eine Veränderung der Daten zulassen. Insoweit verstößt die Buchhaltung ebenfalls gegen § 146 Abs. 4 AO. Letztlich lassen auch die vorgelegten Ausgangsrechnungen eine Schätzung auf Grundlage des § 162 AO zu. Die Rechnungen sind namentlich nicht fortlaufend nummeriert und weisen teilweise Rechnungsnummern anderer Veranlagungszeiträume aus. Daher kann die Vollständigkeit dieser Rechnungen nicht festgestellt werden. Insoweit ist unbeachtlich, dass die Antragstellerin nach eigenem Vortrag ihre Mitarbeiter nicht angewiesen hat, die Kasse zu manipulieren. Wegen der aufgezeigten Mängel sind Manipulationen nämlich nicht auszuschließen, respektive nachträgliche Änderungen der Aufzeichnungen festgestellt.

… und ist auch in der Höhe nicht zu beanstanden

Die vom Antragsgegner vorgenommene Schätzung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Antragstellerin in ihrer Einspruchsbegründung und dem hiesigen Antrag darauf hingewiesen, dass eine Schätzung dem Zweck einer leistungsgerechten Besteuerung dient. Daher muss eine Schätzung in Ableitung aus und unter Berücksichtigung aller Umstände dem tatsächlichen Sachverhalt mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit entsprechen (BFH-Urteil vom 9.11.1978 – VI R 195/77, BFHE 126, 418, BStBl II 1979, 149, [BB 1979, 200]). Hierbei ist insbesondere die Schlüssigkeit und wirtschaftliche Möglichkeit des Schätzungsergebnisses kritisch zu hinterfragen. Die vom Antragsgegner vorgenommene Schätzung genügt bei der im hiesigen Verfahren kursorischen Prüfung diesen Anforderungen. Nachdem die Antragstellerin in den Vorjahren (2007 – 2009) Rohgewinnaufschlagsätze zwischen 17 % und 25 % erwirtschaftete, wurde im Streitjahr laut der vorgelegten Bilanz lediglich ein Rohgewinn i.H.v. 2,1 % des Wareneinsatzes erzielt. Unter Berücksichtigung der Umsatzzuschätzung von 3 % ergibt sich der (moderate) Rohgewinnaufschlagsatz i.H.v. 5,04 %. Die Richtsatzsammlung 2010 weist für den Lebensmitteleinzelhandel einen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 23 % aus. Damit ist das Schätzungsergebnis sowohl auf Grundlage eines internen Betriebsvergleichs mit den Vorjahren als auch aufgrund des externen Betriebsvergleichs weder unplausibel noch wirtschaftlich unmöglich. Es begegnet mithin keinen durchgreifenden Bedenken.

Hinweis der Antragstellerin auf übermäßigen Kostendruck durch die Konkurrenz ändert daran ebensowenig …

Hieran vermag auch der Hinweis der Antragstellerin auf übermäßigen Kostendruck durch die Konkurrenz (vgl. Schreiben der früheren Steuerberaterin der Antragstellerin, StB C vom 1.8.2013, BP-Handakte, Bl. 222) nichts zu ändern. Derartigem Kostendruck sind Unternehmer regelmäßig ausgesetzt. Auch die Antragstellerin weist darauf hin, dass bereits im Jahr 2009 derartiger Kostendruck bestanden habe. Gleichwohl konnte sie im Jahr 2009 mit gleichen Ausgangspreisen einen Rohgewinnaufschlagsatz von 17,86 % erzielen. Darüber hinaus ist der Vortrag übermäßigen Kostendrucks im hiesigen Verfahren nicht glaubhaft gemacht.

… wie der Hinweis auf einen zu hohen Wareneinsatz

Auch der zugleich erfolgte Hinweis auf einen zu hohen Wareneinsatz, da in der Vergangenheit Warenbestände entgegen der steuerlichen Pflicht geschätzt wurden (vgl. Schreiben der früheren Steuerberaterin der Antragstellerin, StB C vom 1.8.2013, BP-Handakte, Bl. 222), vermag keine durchgreifenden Bedenken am Ergebnis der Hinzuschätzung zu begründen. Zwar ist zutreffend, dass der infolge festgestellter Warenbestandsveränderung berücksichtigte Aufwand deutlich höher ist als in Vorjahren (ca. 116.000 € in 2010; ca. -2.000 € in 2009; ca. 18.000 in 2008; ca. -5 € in 2007). Selbst unter Außerachtlassung dieses Wareneinsatzes ergibt sich aber nur ein Rohgewinnaufschlagsatz von 9,17 %, bei zusätzlicher Berücksichtigung der Hinzuschätzung ein Satz von 12,43 %. Diese Aufschlagsätze liegen immer noch weit unter dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag des Lebensmitteleinzelhandels. Zudem würde sich bei Reduktion des Wareneinsatzes um die als Aufwand erfasste Bestandsveränderung ein höherer Gewinn ergeben.

... oder der Einwand, bei Warenein- und -verkauf seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden

Der von der Antragstellerin vorgebrachte Einwand, „Wareneinkauf und Warenverkauf [seien] überprüft“ worden und dabei seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden (vgl. S. 4 der Antragsschrift vom 24.4.2014, FG-Akte, Bl. 10, 1. Absatz), kann nicht nachvollzogen werden. Soweit aus der Betriebsprüfungsakte und der Prüferhandakte ersichtlich, hat eine Verprobung zwischen Wareneinkauf (richtiger: Wareneinsatz) und Warenverkauf nur im Sinne einer Feststellung und kritischen Würdigung des erklärten Rohgewinnaufschlagsatzes erfolgt. Gerade aber diese Verprobung erlaubt die Zuschätzung in vorgenommenem Ausmaß. Selbst wenn eine weitergehende Verprobung im Sinne einer Warenverkehrsrechnung (rollierende Prüfung zwischen Warenanfangsbestand, Wareneinkauf, Warenabgang und Warenbestandsveränderung) erfolgt wäre und hierbei keinerlei Unregelmäßigkeiten zutage getreten wären, erscheint der Hinweis hierauf verfehlt. Denn insbesondere hinsichtlich der Warenbestandsveränderung herrscht – spätestens seit dem Schreiben der Steuerberaterin C vom 1.8.2013 – Unsicherheit.

Auch die Erhöhung der Passiva erfolgte zu Recht

Auch die neben der Hinzuschätzung streitige Erhöhung der Passiva erfolgte nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen kursorischen Prüfung zu Recht. Zwischen der Antragstellerin und der GmbH wurde vereinbart, dass „deren Aktiva und Passiva … zum 31.12.2010 von der GmbH entschädigungslos übernommen werden“. Diese Regelung erfasst nach Auffassung des Senats sämtliche Aktiva und Passiva, mithin auch die streitigen Steuerverbindlichkeiten und -rückstellungen. Dem mag zwar – und das kommt unter Ziffer 2. Abs. 2 der Vereinbarung zum Ausdruck – der Gedanke zugrunde gelegen haben, dass der Wert von Aktiva einerseits und Passiva andererseits vergleichbar sei und mithin kein Kaufpreis oder sonstiger Ablösebetrag zu zahlen sei. Dies ist aber lediglich eine Frage der Kaufpreisfindung, die sich möglicherweise im Rahmen von Sekundäransprüchen niederschlagen kann. Derartige Sekundäransprüche vermögen aber das Vermögen der Antragstellerin zum Stichtag nicht zu verändern.

Auch die sich anschließende Regelung zur noch aufzustellenden „Bilanz zum 31.12.2010“ führt zu keiner anderen Auslegung. Als notwendiger Ausfluss des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebotes ist es erforderlich, alle zu übertragenden Vermögensgegenstände aufzulisten oder anderweitig zu konkretisieren. Diesem Zweck sollte – mit Ausnahme der gesondert aufzulistenden Forderungen der Antragstellerin – die Bilanz auf den 31.12.2010 dienen. Keineswegs wird hierdurch aber die schuldrechtliche Verpflichtung alle Aktiva und Passiva zu übertragen und zu übernehmen tangiert und modifiziert.

Darüber hinaus kann sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht darauf berufen, dass die fraglichen Verbindlichkeiten und -rückstellungen nicht in der Bilanz zum 31.12.2010 enthalten waren, weil ein Ausweis hätte erfolgen müssen. Es kann insoweit dahinstehen, ob es sich bei der Antragstellerin bei zutreffender Betrachtung um eine Personenhandelsgesellschaft in Rechtsform der oHG handelt, weil sie einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unterhält und die handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften daher unmittelbar anzuwenden sind; jedenfalls hat sich die Antragstellerin – neben ihrer ggf. bestehenden steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach § 141 AO – gegenüber der GmbH vertraglich verpflichtet, eine Bilanz zu erstellen. In Ermangelung anderer Bilanzierungsvorschriften kann hiermit nur eine nach handelsrechtlichen Vorschriften zutreffend erstellte Bilanz gemeint sein. Eine solche – ausdrücklich in Anwendung handelsrechtlicher Bilanzierungsvorschriften erstellte (vgl. Steuerberatervermerk zur Bilanz vom 27.4.2013) – Bilanz hat die Antragstellerin auch der dinglichen Vermögensübertragung zugrunde gelegt und dem Antragsgegner im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zur Verfügung gestellt. Allerdings sind in dieser Bilanz die streitigen Steuerverbindlichkeiten und rückstellungen – entgegen § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB – nicht enthalten. Denn spätestens durch Bekanntgabe des (ersten) Prüfungsberichtes für die Vorprüfung vom 12.3.2012 und die sich anschließende Auswertung durch die Gewinnfeststellungsbescheide und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 – 2009 vom 13.4.2012 hätte die Antragstellerin des Risikos einer Inanspruchnahme gewahr werden und entsprechende Passivposten in der Übertragungsbilanz ausweisen müssen.

Ungeachtet der zwingenden Aufnahme der fraglichen Positionen in die Bilanz der Antragstellerin zum 31.12.2010 hat sich die „GmbH [zudem] verpflichtet […], alle am 31.12.2010 bereits bestandenen oder zukünftig sich für die Zeit bis zum 31.12.2010 noch ergebenden Verbindlichkeiten der GbR (z. B. städtische Bescheide, Steuer-und Nebenkostennachforderungen) gegenüber den jeweiligen Gläubigern an Erfüllungs Statt zu erfüllen.“ Jedenfalls durch diese Verpflichtung der GmbH ist die Antragstellerin von der wirtschaftlichen Belastung, die von den Steuernachforderungen ausgeht, befreit. Allein dies führt zur Erhöhung des Aufgabegewinns um den streitigen Betrag.

Vortrag der unbillligen Härte ist nicht substantiiert

Soweit die Antragstellerin in ihrer Einspruchsbegründung vom 28.3.2014 zudem vorträgt, die sofortige Vollziehbarkeit ziehe eine unbillige Härte nach sich, fehlt es an der notwendigen Substantiierung.

Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

 

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