R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
03.03.2011
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
: Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags für bereits getätigte Investitionen im Einspruchs- oder Klageverfahren ausgeschlossen

 

FG Berlin Brandenburg, Urteil vom 16.9.2010 - 12 K 12197/09, Rev. eingelegt (Az. BFH VIII R 48/10)

LEITSATZ (DES KOMMENTATORS)

Der Finanzierungszusammenhang des § 7g EStG n. F. ist nur gewahrt, wenn der Investitionsabzugsbetrag für bereits getätigte Investitionen mit Abgabe der Steuererklärung und nicht erst im Einspruchs- oder Klageverfahren geltend gemacht wird.

Sachverhalt:

Der Kläger erzielt als Kfz-Sachverständiger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Letztere ermittelt er gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Für das Streitjahr beantragte der Kläger in seiner am 11. Dezember 2008 eingereichten Steuererklärung zunächst - nur - die Gewährung eines Investitionsabzugsbetrages gemäß § 7g EStG in Höhe von € 1 540 für einen PC, einen Laptop und einen Bildschirm. Der Beklagte veranlagte den Kläger erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer auf € 23 255 fest.

Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und begehrte nunmehr die Gewährung eines weiteren Investitionsabzugsbetrages in Höhe von € 15 500 für ein am 10. Dezember 2008 zum Preis von € 38 753,79 angeschafftes Fahrzeug.

Der Kläger trägt vor, dass er in seiner ursprünglichen Steuererklärung für das Streitjahr den Investitionsabzugsbetrag für das Fahrzeug nicht geltend gemacht habe, weil bei Erstellung der Gewinnermittlung im Oktober 2008 noch unklar gewesen sei, ob der Nachweis der überwiegenden betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs mittels Fahrtenbuch erbracht werden solle. Den Entschluss dazu habe er, der Kläger, erst zwischen Oktober 2008 und dem Zeitpunkt der Anschaffung im Dezember 2008 gefasst. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger präzisiert, dass er sich spätestens mit der Auslieferung des Fahrzeugs am 09. Dezember 2008 zur Führung des Fahrtenbuches entschlossen und dieses ab diesem Tag auch tatsächlich geführt habe.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er sein Wahlrecht zur Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides ausüben könne. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) ein Investitionsabzugsbetrag unter dem Gesichtspunkt des Finanzierungszusammenhanges in Fällen, in denen tatsächlich keine Investition vorgenommen werde, nur bis zum Ablauf des Investitionszeitraumes, und im Übrigen nur bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Anschaffung des entsprechenden Wirtschaftsgutes geltend gemacht werden könne. Er, der Kläger, habe den Investitionsabzugsbetrag zwar nachträglich, jedoch noch vor Ablauf der Investitionsfrist geltend gemacht. Er habe seine Investitionsabsicht mit Schreiben an den Beklagten vom 06. März 2009 auch hinreichend konkretisiert und ergänzend die mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr eingereichte Aufstellung über die geplanten Investitionen durch eine berichtigte Aufstellung ersetzt. Bei der Anschaffung des Fahrzeuges handele es sich um eine der größten Investitionen in sein Betriebsvermögen, die keinesfalls spontan getätigt werde. Schon damit sei die Investitionsabsicht glaubhaft gemacht. Zudem habe er, der Kläger, das Fahrzeug größtenteils durch sogenannten Drei-Wege-Finanzierung (Rückgabe, Restzahlung oder Anschlussfinanzierung) zwischenfinanziert, so dass ein direkter Zusammenhang zischen der Anschaffung und der Berücksichtigung des Investitionsbetrages bestehe, weil die Höhe des einsetzbaren Eigenkapitals von der steuerlichen Anerkennung des Investitionsabzugsbetrages abhänge.

Der Kläger meint, dass die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages für ihn gänzlich ausgeschlossen sei, wenn man der Auffassung der Finanzverwaltung folge. Er habe seine Steuererklärung am 11. Dezember 2008 eingereicht; die Rechnung über das Fahrzeug datiere aber vom 10. Dezember 2008. Im Extremfall werde die Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrages für alle Investitionen des Jahres 2008 nach dem 02. Januar des Jahres ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige seine Steuererklärung nach der Anschaffung einreiche. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages dürfe aber nicht von dem Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung abhängen.

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29. Januar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. August 2009 dahingehend zu ändern, dass ein Investitionsabzugsbetrag in Höhe von € 15 500 berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen:

1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat die Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrages zu Recht versagt.

a) Nach § 7g Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (sog. Investitionsabzugsbetrag). Voraussetzung ist nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 EStG, dass der Betrieb des Steuerpflichtigen bestimmte Größenmerkmale nicht überschreitet, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den folgenden drei Jahren angeschafft oder hergestellt wird, das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird und der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den bei dem Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt.

Uneinheitlich beurteilt wird die Möglichkeit der nachträglichen Beanspruchung eines Investitionsabzugsbetrags, also nicht sogleich in der für das betreffende Jahr eingereichten Steuererklärung, sondern erst während eines Einspruchs- oder Klageverfahrens. Die Finanzverwaltung stellt bei nachträglicher Geltendmachung während des Investitionszeitraumes bei noch ausstehender Investition erhöhte Anforderungen an die Konkretisierung der Investitionsabsicht und verlangt die Glaubhaftmachung der Umstände, die den Steuerpflichtigen gehindert haben, den Investitionsabzugsbetrag bereits in der ursprünglichen Gewinnermittlung (gemeint ist wohl: Steuererklärung) geltend zu machen (BMF-Schreiben vom 08. Mai 2009, Bundessteuerblatt - BStBl. - I 2009, 633, Tz.25). Eine Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages nach der Investition hält die Finanzverwaltung grundsätzlich für ausgeschlossen, weil es am Finanzierungszusammenhang fehle (BMFSchreiben aaO., Tz. 27). Im Schrifttum wird teilweise bezweifelt, ob diese strengen Anforderungen eine Grundlage in § 7g EStG haben (Kulosa in L. Schmidt, EStG, Kommentar, 29. Auflage 2010, § 7g Rn. 18); teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der Abzugsbetrag jedenfalls dann stets - auch nachträglich - zu gewähren sei, wenn tatsächlich investiert wurde (B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Loseblatt-Kommentar, § 7g EStG Anm. 33 aE.).

Nach Auffassung des Senats ist der Investitionsabzugsbetrag jedenfalls dann grundsätzlich zu versagen, wenn die Investition bereits vor Einreichung der Steuererklärung getätigt wird, der Investitionsabzugsbetrag aber nicht mit der Steuererklärung geltend gemacht wird.

Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 7g EStG gehört - ebenso wie bei § 7g EStG a.F. (dazu BFH-Urteile vom 14. August 2001 - XI R 18/01, BStBl. II 2004, 181, unter II.2. der Gründe; vom 29. November 2007 - IV R 82/05, BStBl. II 2008, 471, unter II.1.b)aa) der Gründe; vom 29. April 2008 - VIII R 62/06, BStBl. II 2008, 747, unter II.1.c) der Gründe) - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der sogenannte Finanzierungszusammenhang (Kulosa aaO. Rn. 16; B. Meyer aaO: Anm. 33). Das bedeutet, dass zwischen der Investition und dem Investitionsabzugsbetrag ein Zusammenhang dergestalt bestehen muss, dass der Abzugsbetrag auch tatsächlich der Finanzierungserleichterung der Investition dient. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist es für die Annahme des Finanzierungszusammenhangs grundsätzlich erforderlich, dass die Absicht der Inanspruchnahme des Abzugsbetrages spätestens zum Zeitpunkt der Anschaffung des Wirtschaftsgutes vorliegt. Nach dem Wortlaut des § 7g EStG a.F. kann der Abzugsbetrag für die „künftige" Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes begehrt werden, nicht aber nachträglich für ein bereits angeschafftes oder hergestelltes. Das schließt es nicht aus, den Investitionsabzugsbetrag mit einer Steuererklärung, die erst nach Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsgutes eingereicht wird, geltend zu machen, weil in dieser Konstellation anzunehmen ist, dass die Absicht zur Inanspruchnahme bereits vor der Anschaffung oder Herstellung bestand und lediglich die Möglichkeit der Geltendmachung vor Fertigstellung der Steuererklärung nicht gegeben war. Macht der Steuerpflichtige den Abzugsbetrag jedoch erst nachträglich, also im Einspruchs- oder Klageverfahren geltend, und wurde die Investition bereits vor Einreichung der ursprünglichen Steuererklärung getätigt, so ist davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Investition noch nicht entschlossen war, den Abzugsbetrag als Finanzierungshilfe zu nutzen. Die nachträgliche Gewährung ist dann regelmäßig zu versagen, weil es am Finanzierungszusammenhang fehlt, es sei denn, der Steuerpflichtige kann glaubhaft machen, dass und warum er schon vor Durchführung der Investition zur Inanspruchnahme des Abzugsbetrages entschlossen war und warum er gehindert war, dies in seiner ursprünglichen Steuererklärung bereits anzugeben.

b) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger die nachträgliche Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrages für das im Dezember 2008 angeschaffte Fahrzeug nicht mehr beanspruchen.

Es fehlt am Finanzierungszusammenhang. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger glaubhaft machen kann, dass er bereits 2007 zur Anschaffung des Fahrzeugs entschlossen war, fehlt es jedenfalls an einer nachvollziehbaren Erläuterung, warum er den Investitionsabzugsbetrag nicht sogleich beantragt hat. Nach seinem eigenen Vortrag wurde ihm das Fahrzeug am 09. Dezember 2008 übergeben; am 11. Dezember 2008 reichte er seine Steuererklärung bei dem Beklagten ein. Unterstellt, sein Vortrag, er habe sich zwischen Oktober 2008 und der Anschaffung des Fahrzeugs zur Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages entschlossen, trifft zu, so ist nicht erklärlich, warum er dies nicht sogleich mit seiner Steuererklärung getan hat. Der Kläger hätte dafür nicht einmal die offenbar bereits im Oktober 2008 fertiggestellte Gewinnermittlung ändern, sondern lediglich die Auflistung der voraussichtlich anzuschaffenden Wirtschaftsgüter ergänzen müssen, wie er es im Einspruchsverfahren dann auch getan hat. Der Umstand, dass der Kläger seine Steuererklärung ohne Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrages für das Fahrzeug eingereicht hat, lässt nur den Schluss zu, dass er zu dieser Zeit gar nicht beabsichtigte, dafür einen Investitionsabzugsbetrag in Anspruch zu nehmen, sondern sich dazu erst später aus Gründen, die mit der Investition an sich nichts zu tun haben, entschlossen hat.

2. Die Revision war zuzulassen, weil die Frage, ob die in Anspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages nachträglich begehrt werden kann, wenn der Steuerpflichtige die Investition bereits vor Einreichen seiner ursprünglichen Steuererklärung getätigt hat, grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

stats