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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
25.04.2008
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
: Finanziell schwierige Unternehmenssituation kein Rechtfertigungsgrund für Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses

 

LG Bonn, Beschluss vom 25.10.2007 - 11 T 21/07

Sachverhalt: I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 5 000 Euro wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgelds mit Verfügung vom 11.6.2007 angedroht. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Bundesamt für Justiz das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt.

Gegen die ihr am 22.8.2007 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 5.9.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, sie befinde sich seit Jahren in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ihre Buchhaltung habe personell um mehr als die Hälfte reduziert werden müssen. Der Verschärfung der Veröffentlichungspflichten habe nicht durch Aufstockung der personellen Ressourcen begegnet werden können. Der Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer für 2005 sei bezüglich großer Teile ihrer Aktiva eingeschränkt. Seit dem 18.12.2006 laufe die seitens der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung durchgeführte Prüfung der Rechnungslegung 2005. Das dokumentiere die Themen, die die Abschlusserstellung verzögerten. Ihr Vorstand wolle die negativen Auswirkungen des Ausweises eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages unter allen Umständen vermeiden. Eine durch Fehler des früheren Buchführungssystems veranlasste Umstellung auf ein anderes System binde erhebliche Ressourcen. Ihre Liquiditätslage sei extrem angespannt. Ihren Vorstand treffe kein Verschulden an der Verspätung bei der Einreichung der Unterlagen.

Aus den Gründen:

II. Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 2 HGB statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die Beschwerdeführerin räumt ein, die Frist zur Einreichung des Jahresabschlusses 2006 beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers nach § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB versäumt zu haben. Das Gesetz erachtet diese Frist generell als ausreichend für die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht. Der Umstand, dass der Festsetzung des Ordnungsgelds nach § 335 Abs. 1 HGB eine Fristsetzung nach § 335 Abs. 3 S. 1 HGB vorauszugehen hat, ändert nichts daran, dass die gesetzliche Frist nach § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB versäumt ist. Die Fristsetzung nach § 335 Abs. 3 S. 1 HGB gibt der Kapitalgesellschaft lediglich die Möglichkeit, einer Festsetzung des Ordnungsgeldes zu entgehen. Eine Herabsetzung des Ordnungsgelds ist nur für den Fall vorgesehen, dass die Frist des § 335 Abs. 3 S. 1 HGB geringfügig überschritten wird. Daraus ergibt sich, dass die Sechswochenfrist nicht etwa die Frist des § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB außer Kraft setzt. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob ein Jahresabschluss innerhalb der Sechswochenfrist erstellt werden kann. Die Frage, ob die Gesellschaft ein Verschulden trifft, ist maßgeblich auf die Einhaltung der Frist des § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB zu beziehen. Dem steht nicht entgegen, dass die Gesellschaft im Einspruchsverfahren die Unterlassung der Einreichung rechtfertigen kann (§ 335 Abs. 3 S. 1 aE HGB). Das zeigt zwar, dass es nach der Konzeption des Gesetzes Gründe geben kann, die die Unterlassung bis zum Ende der Frist des § 335 Abs. 3 S. 1 HGB rechtfertigen können. Das ändert aber nichts daran, dass die Unterlassung im Verstoß gegen § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB liegt. Deshalb muss es bei der Bewertung des Verhaltens der Gesellschaft in erster Linie auf die Umstände ankommen, die zur Versäumung dieser Frist geführt haben.

Nach den angeführten Grundsätzen war die Nichteinhaltung der Einreichungsfrist verschuldet. Kapitalgesellschaften haben sich auf die Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen einzustellen. Die Folgen der Nichterfüllung sind ihnen bekannt; sie ergeben sich aus dem Gesetz.

Der Einwand mangelnden Verschuldens kann nicht darauf gestützt werden, dass die Gesellschaft sich in angespannter Liquiditätslage befindet und/oder ihre Buchführungsabteilung personell unterbesetzt ist. Dies liefe darauf hinaus, Gesellschaften die Erfüllung gesetzlicher Pflichten aus finanziellen Gründen zu erlassen. Die mit den Offenlegungsvorschriften bezweckte Transparenz fordert umgekehrt, dass der Rechtsverkehr, der mit Gesellschaften in der wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin in Kontakt kommen kann, fristgerecht die Informationen aus den Jahresabschlussunterlagen erlangen kann. Deshalb darf auch die Absicht des Vorstands, die negativen Auswirkungen des Ausweises eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages unter allen Umständen zu vermeiden, nicht dazu führen, die gesetzliche Frist des § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB zu versäumen. Der Streit um den Inhalt früherer Jahresabschlüsse muss so rechtzeitig beigelegt werden, dass die Fristen für die Folgeabschlüsse eingehalten werden. Buchführungssysteme müssen so ausgelegt sein, dass sie zweck- und fristtauglich sind. Dabei geht es jeweils nicht darum, jeden Einwand aus dem innergesellschaftlichen Organisationsbereich von vornherein als ungeeignete Entschuldigung zu werten. Wie der Zeitablauf des vorliegenden Falles zeigt, hätte die Beschwerdeführerin Zeit bis Ende Juli 2007 gehabt, um die Verhängung des Ordnungsgelds zu vermeiden. Geringfügige Überschreitungen der Frist des § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB wirken sich schon wegen der Fristsetzung nach § 335 Abs. 3 S. 1 HGB insoweit im Ergebnis nicht aus. Bei dieser Sachlage kann aus den von der Beschwerdeführerin angeführten Umständen nicht hergeleitet werden, die Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen sei unverschuldet.

Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Sie hält sich im unteren Bereich des Rahmens des § 335 Abs. 1 S. 4 HGB (2 500 - 25 000 Euro). Sie berücksichtigt das Verschulden der Beschwerdeführerin bezogen auf die Versäumung der Frist des § 325 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 HGB zutreffend. Auch die von der Beschwerdeführerin angesprochene Liquiditätsproblematik führt nicht dazu, das Ordnungsgeld herabzusetzen. Das Ordnungsgeld soll auch zukünftigem pflichtwidrigen Verhalten vorbeugen. Darum muss es für die Betroffenen spürbar sein. Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften wie der Beschwerdeführerin muss angenommen werden, dass sie in der Lage sind, den hier festgesetzten Betrag aufzubringen.

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