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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
09.06.2022
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Baden-Württemberg: Entnahmen im Rückwirkungszeitraum bei Einbringung nach § 20 UmwStG

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.12.2020 – 3 K 1566/19, rkr.

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2022-1393-1

Sachverhalt

Streitig ist, ob bei der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft in Höhe der im Rückwirkungszeitraum getätigten Entnahmen stille Reserven aufzudecken und in der Folge im Einzelunternehmen ein Veräußerungsgewinn zu versteuern ist.

Der Kläger betrieb bis 2010 (Streitjahr) in B ein Einzelunternehmen. Er ist außerdem alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der R GmbH. Die R GmbH mit Sitz in B und eingetragen im Handelsregister X des Amtsgerichts B unter HRX XXXXXX wurde durch Gesellschaftsvertrag vom XX.XX.XXXX gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die [...]. Das Geschäftsjahr der R GmbH dauert vom 1. November bis 31. Oktober des Folgejahres (vgl. § 3 des Gesellschaftsvertrages). Das Stammkapital beträgt XX.XXX EUR und wurde durch Sacheinlage erbracht (vgl. § 4 des Gesellschaftsvertrages). Mit Einbringungsvertrag vom 28. Juni 2011 brachte der Kläger das Einzelunternehmen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die R GmbH ein. Die Einbringung erfolgte zu Buchwerten mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. November 2010 (vgl. § 1 Ziff. 2, § 5 und § 2 des Einbringungsvertrages). Ausweislich der für das Rumpfwirtschaftsjahr erstellten Bilanz verfügte das Einzelunternehmen zum 31. Oktober 2010 über ein (positives) Eigenkapital von XX.XXX EUR.

In der Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 erklärte der Kläger einen Gewinn in Höhe von XXX.XXX EUR. Hinsichtlich der Ermittlung des steuerlichen Gewinns wird auf die Bilanz zum 31. Oktober 2010 sowie die steuerliche Ergebnisrechnung verwiesen.

Mit Bescheid für 2010 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 1. August 2012 stellte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) den Gewinn zunächst wie erklärt fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung --AO--).

Im Rahmen einer bei dem Kläger und der R GmbH durchgeführten Außenprüfung stellte die Betriebsprüferin fest, dass im Rückwirkungszeitraum Entnahmen in Höhe von XXX.XXX EUR getätigt worden waren Sie vertrat die Auffassung, dass hierdurch das Eigenkapital des eingebrachten Betriebs negativ geworden und eine Einbringung zu Buchwerten daher nicht zulässig sei. Vielmehr sei gemäß § 20 Abs. 5 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG) i.V. mit Tz. 20.19 letzter Absatz des Umwandlungssteuererlasses ein Zwischenwert anzusetzen sei. Diesen ermittelte sie wie folgt:

Eigenkapital zum 31. Oktober 2010 (vor BP)                                                         XX.XXXEUR

Erhöhung des Eigenkapitals durch unstreitige Prüfungsfeststellungen                 + XX.XXXEUR

Eigenkapital zum 31. Oktober 2010 (lt. BP)                                                           XX.XXXEUR

Entnahmen im Rückwirkungszeitraum                                                                   - XXX.XXXEUR

Negatives Eigenkapital                                                                                           XXX.XXXEUR

In dieser Höhe seien stille Reserven aufzudecken und bei der R GmbH ein Zwischenwert anzusetzen (Aufteilung der stillen Reserven auf die einzelnen Wirtschaftsgüter,). Die Einkünfte des Klägers seien in der Folge um XXX.XXX EUR zu erhöhen (vgl. Mehr- und Wenigerrechnung,). Aufgrund des Ansatzes eines über dem Buchwert liegenden Zwischenwerts könne weder § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) noch § 16 Abs. 4 EStG angewendet werden.

Das FA folgte dieser Beurteilung und stellte mit Änderungsbescheid für 2010 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 2. September 2014 die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit mit XXX.XXX EUR fest Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 2 AO unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung.

Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2016 als unbegründet zurück.

Mit seiner hiergegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung ließ er vortragen, dass die von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsaufassung keine Stütze im Gesetz finde. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG werde ausdrücklich nur eine Korrektur der Anteilsanschaffungskosten gemäß § 20 Abs. 3 UmwStG angeordnet. Weder § 20 Abs. 5 UmwStG noch § 20 Abs. 2 UmwStG regle einen Mindestansatz des eingebrachten Betriebsvermögens. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG setze einen negativen Buchwert des Einbringungsgegenstandes am steuerlichen Übertragungsstichtag voraus. § 20 Abs. 5 UmwStG stelle eine Sonderregelung zur Einkommensermittlung dar, ohne dass sich hieraus ein geänderter Entnahmezeitpunkt ergäbe. Durch Überentnahmen im Rückwirkungszeitraum könne daher kein negatives Betriebsvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG entstehen, vielmehr lägen negatives Betriebsvermögen der übernehmenden Kapitalgesellschaft und negative Anschaffungskosten des Einbringenden vor.

Der Kläger beantragt,

1. den Feststellungsbescheid für 2010 vom 2. September 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2016 zu ändern und den Gewinn aus selbständiger Arbeit um XXX.XXX EUR herabzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Buchwertansatz setze voraus, dass das eingebrachte Betriebsvermögen nicht negativ sei (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG). Das eingebrachte Betriebsvermögen könne auch im Rückwirkungszeitraum noch negativ werden. Negative Anschaffungskosten seien zwar mathematisch darstellbar, begrifflich, systematisch und denklogisch jedoch nicht möglich. Auch die Gesetzessystematik spreche für einen Zwang zur Aufstockung der Buchwerte, wenn im Rückwirkungszeitraum Entnahmen getätigt worden seien.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Das Verfahren ruhte auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens Az. X R XX/XX und der anschließenden Erörterung der Anwendung des Urteils durch die Finanzverwaltung auf Bundesebene.

Mit Schreiben vom 11. August 2020 wies die Berichterstatterin darauf hin, dass der Wertansatz bei der aufnehmenden Körperschaft materielle Bindungswirkung für die Besteuerung des Einbringenden habe und Einwendungen hiergegen ggf. im Wege der Drittanfechtung geltend gemacht werden müssten

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2020 übertrug der Senat den Rechtsstreit auf die Einzelrichterin, nachdem den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war.

Am 8. Dezember 2020 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Der Kläger legte zu Protokoll des Finanzgerichts Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid der R GmbH für 2011 vom 18. September 2014 ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Dem Senat lagen bei der Entscheidung je ein Band F-, Rb-, BP- und Allgemeine Akten sowie zwei Bände Prüferhandakten vor.

Aus den Gründen

Zulässigkeit, aber Unbegründetheit der Klage

I. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der angefochtene Feststellungsbescheid für 2010 vom 2. September 2014 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA hat den Veräußerungspreis im Rahmen der durch die Einbringung des Einzelunternehmens zu einem über dem Buchwert liegenden Zwischenwert fingierten Veräußerung des klägerischen Einzelunternehmens zu Recht mit dem bei der R GmbH angesetzten Wert berücksichtigt und den Veräußerungsgewinn um die aufgedeckten stillen Reserven erhöht.

Einbringung im Streitfall fällt unter § 20 UmwStG

1. Wird ein Betrieb oder Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft (übernehmende Gesellschaft) eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft (Sacheinlage), so gelten nach § 20 Abs. 1 UmwStG für die Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens und der neuen Gesellschaftsanteile die nachfolgenden Absätze. Nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft auf Antrag so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (Abs. 6) auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Dies gilt hinsichtlich des Einkommens und des Gewerbeertrags nicht für Entnahmen und Einlagen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen. Die Anschaffungskosten der Anteile (Abs. 3) sind um den Buchwert der Entnahmen zu vermindern und um den sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes ergebenden Wert der Einlagen zu erhöhen. In „anderen Fällen der Sacheinlage“ darf die Einbringung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG auf einen Tag zurückbezogen werden, der höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags liegt (hier am 28. Juni 2011) und höchstens acht Monate vor dem Zeitpunkt liegt, an dem das eingebrachte Betriebsvermögen auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten daher unstreitig, dass die Einbringung der als Einzelunternehmen geführten Anwaltskanzlei in die R GmbH gegen Gewährung neuer Anteile in den Anwendungsbereich des § 20 UmwStG fällt und auf den 1. November 2010 zurückbezogen werden konnte. Auf weitergehende Ausführungen hierzu wird verzichtet.

Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft…

2.a) Die übernehmende Gesellschaft hat das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 UmwStG).Abweichend hiervon kann das übernommene Betriebsvermögen unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 ff. UmwStG auf Antrag einheitlich mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Wert im Sinne des Satzes 1, angesetzt werden. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der mit § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG wortlautidentischen Vorgängernorm des § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995 dient diese Regelung dazu, die Besteuerung der aufnehmenden Gesellschaft und die Besteuerung des Einbringenden miteinander zu harmonisieren und bewirkt eine (materielle) Bindungswirkung des Wertansatzes im Körperschaftsteuerbescheid der aufnehmenden Gesellschaft für den Einbringenden (vgl. BFH-Urteile vom 20. April 2011 I R 97/10, BStBl II 2011, 815 [StB 2011, 297 Ls] und vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BStBl II 2012, 421 [BB 2012, 879 m. BB-Komm. Frotscher, StB 2011, 419 Ls]). Infolge dessen kann der Einbringende im Rahmen seines eigenen Besteuerungsverfahren wegen eines etwa entstandenen Veräußerungsgewinns nicht mit der Einwendung gehört werden, dass der bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft angesetzte Wert überhöht sei und sich daraus für ihn eine überhöhte Steuerfestsetzung ergebe (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2007 I R 111/05, BStBl II 2008, 536 [BB 2008, 662 m. BB-Komm. Behrens/Lowa, StB 2008, 111 Ls]; BFH-Urteile vom 25. April 2012 I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649 und in BStBl II 2012, 421). Da der Einbringende aufgrund der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) aber die Möglichkeit haben muss, einen aus seiner Sicht unzutreffend angesetzten Veräußerungsgewinn gerichtlich überprüfen zu lassen, kann er als Drittbetroffener die für die aufnehmende Kapitalgesellschaft maßgebliche Steuerfestsetzung anfechten (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2012, 421 und vom 15. Juni 2016 I R 69/15, BStBl II 2017, 75 [BB 2016, 2799 m. BB-Komm. Bünning, StB 2016, 284 Ls] sowie BFH-Beschluss vom 6. Februar 2014 I B 168/13, BFH/NV 2014, 921). Wird der von der Kapitalgesellschaft angesetzte Wert im Rahmen der Besteuerung der Kapitalgesellschaft --beispielsweise aufgrund einer erfolgreichen Drittanfechtung-- korrigiert, so ändert sich dadurch zugleich der beim Einbringenden zu berücksichtigende Veräußerungspreis. Die Folgeänderung im Besteuerungsverfahren des Einbringenden erfolgt in diesen Fällen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (--AO-- vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2011, 815, in BFH/NV 2012, 1649 und vom 12. Oktober 2011 VIII R 12/08, BFH/NV 2012, 290 [StB 2012, 63 Ls] zu § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995). An dieser Rechtsprechung hält der BFH auch für die insoweit auf der gleichen „Technik“ beruhenden Einbringungsvorgänge des UmwStG 2002 und des UmwStG 2006 fest (BFH-Urteile vom 13. September 2018 I R 19/16, BStBl II 2019, 385 [BB 2019, 496 m. BB-Komm. Bünning, StB 2019, 81 Ls]; in BStBl II 2017, 75 und vom 30. September 2015 I R 77/13, BFH/NV 2016, 959).

… entfaltet materielle Bindungswirkung für die Besteuerung des Einbringenden

b) Nach diesen Maßgaben führte im Streitfall die Einbringung des Einzelunternehmens in die R GmbH beim Kläger zu einem (fiktiven) Veräußerungsvorgang. Der Wert, der der der Besteuerung der R GmbH aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung tatsächlich zugrunde gelegt wurde, gilt für ihn als Veräußerungspreis. Einwendungen gegen die --im vorliegenden Fall allein streitige-- Höhe des Veräußerungspreises kann der Kläger aufgrund der materiellen Bindungswirkung des Wertansatzes des eingebrachten Betriebsvermögens bei der R GmbH im Verfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid nicht geltend machen. Sie können nur im Wege der Drittanfechtung des maßgeblichen Körperschaftsteuerbescheids geltend gemacht werden. Anlass für eine Aussetzung des Verfahrens besteht nicht, da das vom Kläger eingeleitete Drittanfechtungsverfahren für das streitgegenständliche Verfahren nicht vorgreiflich i.S. des § 74 FGO ist. Sollte der Kläger in dem Drittanfechtungsverfahren obsiegen, ist unabhängig von dem Ausgang des anhängigen Verfahrens der Gewinnfeststellungsbescheid auf der Grundlage des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Umgekehrt löst der Ausgang des Rechtsstreits gegen die Gewinnfeststellung keine Bindungswirkung für das Drittanfechtungsverfahren aus (BFH in BFH/NV 2012, 1649).

Kostenentscheidung

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Nichtzulassung der Revision

III. Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 115 Abs. 2 FGO), insbesondere weicht der Senat nicht von der ständigen Rechtsprechung des BFH ab. Anhaltspunkte dafür, dass im Streitfall eine (ungeklärte) Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, wurden weder vorgetragen, noch sind sie ersichtlich.

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