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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
11.10.2012
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
OLG Frankfurt a. M.: Enforcementverfahren

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 31.5.2012 - WpÜG 2/12, WpÜG 3/12

Leitsätze

1. Die vollständig unterbliebene Angabe der Gesamtbezüge des Vorstandes einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach § 285 Nr. 9a) Satz 1 bis 4 HGB stellt auch dann einen wesentlichen und somit im Enforcementverfahren zu beanstandenden Rechnungslegungsfehler dar, wenn der Vorstand der Gesellschaft nur aus einer Person besteht.

2. An der Veröffentlichung eines solchen Fehlers besteht auch dann aus präventiven Gründen ein öffentliches Interesse, wenn die Börsennotierung des Unternehmens nach behördlicher Fehlerfeststellung und Fehlerbekanntmachungsanordnung während des gerichtlichen Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Beschwerde entfällt.

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktien an der Börse in O1 zum geregelten Markt zugelassen sind. Die Zulassung der Aktien der Antragstellerin zum Börsenhandel im regulierten Markt ist mit dem Ablauf des ... Mai 2012 durch die Börse O1 widerrufen worden.

Die Gesellschaft wird seit mehreren Jahren durch einen Alleinvorstand geleitet. Die Antragstellerin legte zum 31. März 2011 den Jahresabschluss und den Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2010 vor. Dabei wurden - wie bereits in den Vorjahren - im Jahresabschluss und im Konzernabschluss keine Angaben zur Vergütung des Vorstands gemacht. Hierzu wurde im Anhang des Jahresabschlusses und im Konzernanhang ausgeführt:

„Durch die Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 31. August 2010 wurde ausdrücklich auf die Angabe der individualisierten Vorstandsbezüge verzichtet. Da die individualisierten Bezüge bei einem Alleinvorstand mit den Gesamtbezügen identisch sind, erfolgte dementsprechend keine Angabe."

Der Jahresabschluss und Konzernabschluss wurden mit Datum vom 31. März 2011 durch die Abschlussprüferin mit einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk wegen der fehlenden Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands versehen. In den Vorjahren waren die in gleicher Weise aufgestellten Abschlüsse durch die Abschlussprüferin mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen worden, verbunden mit einem Hinweis auf die unterlassene Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands.

Nach Durchführung einer Anlassprüfung beanstandete die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (im Folgenden: DPR), dass der Jahresabschluss und Konzernabschluss wegen Verstoßes gegen § 285 Nr. 9 a) HGB bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 6 a) HGB durch Unterlassen der Angaben zu den Vorstandsbezügen fehlerhaft sei.

Nachdem die Antragstellerin sich mit diesem Prüfungsergebnis der DPR nicht einverstanden erklärt hatte, ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. November 2011 die Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses für das Geschäftsjahr 2010 an.

Die Antragsgegnerin stellte mit Bescheid vom 14. Februar 2012 fest, dass der Jahresabschluss und der Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2010 wegen der fehlenden Angaben zur Gesamtvergütung des Vorstands wegen Verstoßes gegen § 285 Nr. 9 a) Satz 1 - 4 HGB bzw. §§ 315, 314 Abs. 1 Nr. 6 a) Satz 1 - 4 HGB fehlerhaft seien, da diese Angaben auch dann aufzunehmen seien, wenn die Gesellschaft lediglich einen Alleinvorstand habe. Gegen den am 16. Februar 2012 zugestellten Fehlerfeststellungsbescheid legte die Antragstellerin unter dem 20. Februar 2012 Widerspruch ein.

Die Antragsgegnerin ordnete nach vorausgegangener Anhörung mit weiterem Bescheid vom 14. März 2012 die Bekanntmachung der mit Bescheid vom 14. Februar 2012 festgestellten Fehler im Jahresabschluss und Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2010 an und lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Absehen von der Bekanntmachung der festgestellten Fehler ab. Die Antragstellerin legte gegen die Fehlerveröffentlichungsanordnung unter dem 20. März 2012 ebenfalls Widerspruch ein.

Beide Widersprüche wurden zwischenzeitlich mit Widerspruchsbescheiden vom 24. Mai 2012 zurückgewiesen.

Mit am 23. Februar 2012 und 21. März 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen hat die Antragstellerin zunächst beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen den Fehlerfeststellungsbescheid vom 14. Februar 2012 und die Fehlerveröffentlichungsanordnung vom 14. März 2012 anzuordnen.

Nach Zustellung der Widerspruchsbescheide hat sie ihre Anträge dahin abgeändert,

die aufschiebende Wirkung der beabsichtigten Beschwerden gegen

den Fehlerfeststellungsbescheid und die Fehlerveröffentlichungsanordnung in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. Mai 2012 anzuordnen.

Sie erachtet den Fehlerfeststellungsbescheid für rechtswidrig. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, im Falle eines Alleinvorstands und eines gegebenen Beschlusses nach § 286 Abs. 5 HGB habe die Angabe der Vergütung des Vorstands sowohl im Lagebericht als auch im Konzernlagebericht zu unterbleiben, was sich aufgrund einer extensiven Auslegung des § 286 Abs. 4 HGB, jedenfalls aber einer analogen Anwendung dieser Vorschrift ergebe. Der Wortlaut des § 286 Abs. 4 und 5 HGB stehe dieser exzessiven Auslegung nur scheinbar entgegen, da maßgeblich auf deren Sinn und Zweck abgestellt werden müsse. Aus den Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 286 Abs. 4 und 5 HGB ergebe sich eindeutig, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers möglich sein solle, eine individuelle Angabe der Bezüge des Vorstands entfallen zu lassen, wobei der wohl extrem selten vorkommende Fall einer börsennotierten Aktiengesellschaft mit Alleinvorstand und gleichzeitiger Beschlussfassung nach § 286 Abs. 5 HGB nicht bedacht worden sei. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber offenkundig klargestellt, dass hier eine Angabe der Gesamtbezüge des Alleinvorstands entfallen könne. Die eindeutige Willensbekundung der Hauptversammlung, dass sie eine Veröffentlichung der individuellen Vorstandsbezüge gerade nicht wünsche, werde im Falle eines Alleinvorstands durch eine Angabepflicht der Gesamtbezüge des Vorstands negiert und widerspreche darüber hinaus dem durch den Gesetzgeber formulierten Gesetzeszweck. Deshalb müsse im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 286 Abs. 5 HGB dahingehend ausgedehnt werden, dass eine Angabe der Bezüge des Vorstands dann insgesamt entfalle. Jedenfalls aber sei das Absehen von einer individuellen Offenlegung der Vergütung des Alleinvorstands durch eine entsprechende Anwendung des § 286 Abs. 5 HGB möglich. Der Gesetzgeber habe die nach der bisherigen Regelung erlaubte Unterlassung der Angabe der Gesamtbezüge, wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines einzelnen Mitglieds dieser Organe feststellen lassen, beibehalten wollen. Auch stehe es im Ermessen der Hauptversammlung zu entscheiden, wie weitreichend die Angabe der Vorstandsvergütung erfolgen solle. Schließlich sei Intention des Gesetzgebers nicht nur die Information des Kapitalmarkts, sondern ausdrücklich auch deren Einschränkung durch die Zubilligung von Individualschutz gewesen. Auch aus einem von ihr vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums der Justiz an das IDW vom 22. November 2006 ergebe sich, dass eine analoge Anwendung des

§ 286 Abs. 5 HGB von dort für möglich erachtet werde. Selbst wenn die unterlassenen Angaben über die Vorstandsvergütung als Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften eingeordnet würden, sei dieser nicht wesentlich und dementsprechend nicht als Rechnungslegungsfehler zu qualifizieren. Hierbei müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass es sich bei der Antragstellerin um ein kleineres Unternehmen handele, dessen Aktien zu ca. 90% der Stimmrechte sich in den Händen zweier Großaktionäre befänden, so dass der Streubesitzanteil bei lediglich 10% liege und die weiteren Aktien überwiegend von (ehemaligen) Beschäftigten des Unternehmens gehalten würden. Damit unterscheide sich die Aktionärstruktur deutlich von anderen börsennotierten und insbesondere DAX-Unternehmen, weshalb überhaupt nur der Hauptversammlungsbeschluss nach § 286 Abs. 5 HGB habe zustande kommen können. Schließlich lägen die Bezüge des Vorstands weit unter denen eines Vorstandsmitglieds eines DAX-Unternehmens. Auch könnten unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten in § 285 HGB genannte Anhangsangaben entfallen.

Jedenfalls sei die Veröffentlichungsanordnung rechtswidrig. An einer Publizierung des angeblichen Rechnungslegungsfehlers durch die unterbliebenen Angaben zur Vorstandsvergütung bestehe bereits deshalb kein öffentliches Interesse, weil sich diese langjährige Rechnungslegungspraxis der Antragstellerin ohnehin bereits aus den Vermerken zu den bisherigen Bestätigungsvermerken und der aktuellen Einschränkung des Bestätigungsvermerkes des Abschlussprüfers entnehmen lasse, die im Unternehmensregister veröffentlicht seien. Für eine Veröffentlichung fehle es auch an einer Wesentlichkeit des behaupteten Fehlers, da diese Angaben für den Börsenpreis der Antragstellerin irrelevant seien. Demgegenüber bestünden berechtigte Interessen von einer Veröffentlichung abzusehen, da es vorliegend im Hinblick auf die bereits über die Bestätigungsvermerke erfolgte Veröffentlichung nur noch um eine sinnlose Prangerwirkung für das Unternehmen gehe, was zu einer unbilligen Härte führe.

Ein öffentliches Interesse an einer Fehlerveröffentlichung habe im Hinblick auf die Publizierung der Rechnungslegungspraxis aufgrund der erfolgten Information des Kapitalmarktes durch die Testate des Abschlussprüfers von vorneherein nicht bestanden. Ein Hinweis auf die Fehlerfeststellung sei zum Schutze des Kapitalmarkts nicht erforderlich. Für einen Ausschluss des öffentlichen Interesses sei auch nicht zwingend eine vorherige Veröffentlichung in den in § 37 q Abs. 2 Satz 2 WpHG genannten Medien erforderlich. Ein Anleger, der sich über das Unternehmen informieren wolle, werde sich zunächst im Unternehmensregister informieren und dort den Inhalt der Bestätigungsvermerke der Abschlussprüfer, ebenso wie auf der unternehmenseigenen Internetseite zur Kenntnis nehmen können. Deshalb sei eine noch ergänzende Information im Abschnitt „Fehlerbekanntmachungen" im Bundesanzeiger nicht erforderlich. Auch eine generalpräventive Wirkung gebiete vorliegend im Hinblick auf die kurz bevorstehende Beendigung der Börsennotierung am geregelten Markt keine Fehlerveröffentlichung. Die Antragsgegnerin gehe in ihrem Emittenten-Leitfaden selbst davon aus, dass das Enforcement einzustellen sei, wenn während des Verfahrens ein Delisting des Unternehmens erfolge. Im Übrigen trügen die Tätigkeitsberichte der DPR und der Antragsgegnerin, in welchen anonymisiert über Fehlerfeststellung berichtet werde, hinreichend zu einer generalpräventiven Wirkung des Enforcementverfahrens bei. Es müsse in Zweifel gezogen werden, dass - wie die Antragsgegnerin behaupte - der DPR bereits weitere Fälle zur Prüfung vorlägen, in welchen es um die Beurteilung der auch hier entscheidenden Frage gehe. Eine trotz des anstehenden Delistings noch stattfindende Veröffentlichung sei völlig unverhältnismäßig und würde massiv in die Rechte der Antragstellerin eingreifen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, die Fehlerfeststellung sei nicht rechtswidrig, weil die Antragstellerin es entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung unterlassen habe, Angaben zu den Gesamtbezügen des Alleinvorstandes im Anhang zum Jahresabschluss und im Konzernanhang für das Geschäftsjahr 2010 zu machen, da die Hauptversammlung hierauf nicht mit dem gefassten Beschluss habe verzichten können. Nach der gesetzlichen Regelung treffe die Pflicht zur Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands alle Kapitalgesellschaften, während § 285 Nr. 9 a Satz 5 - 8 HGB nur für börsennotierte Gesellschaften die Individualisierung und Aufgliederung der Bezüge des Vorstands fordere. Nach § 286 Abs. 5 HGB könne die Hauptversammlung zwar darauf verzichten, die Vorstandsbezüge zu individualisieren und weiter aufzugliedern, die Vorschrift sehe jedoch auch für den Fall des Alleinvorstands keine Möglichkeit des Verzichts auf die Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands vor. Damit habe durch den Hauptversammlungsbeschluss vom 31. August 2010 vorliegend nicht zugleich auch auf die Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands verzichtet werden können, da nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 286 Abs. 4 HGB diese Ausnahmeregelung von der Pflicht zur Angabe der Gesamtbezüge nur für solche Gesellschaften gelte, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften seien. Somit sei § 286 Abs. 4 HGB auf die Antragstellerin als börsennotierte Aktiengesellschaft schon nach dem Wortlaut nicht anwendbar. Auch eine analoge Anwendung des § 286 Abs. 4 HGB auf die hier vorliegende Fallkonstellation komme nicht in Betracht. Aus dem Umstand, dass § 286 Abs. 4 HGB keine Rückausnahme für den Fall des Alleinvorstands einer börsennotierten Aktiengesellschaft enthalte, könne entgegen der Auffassung der Antragstellerin weder auf eine Regelungslücke noch auf eine Planwidrigkeit geschlossen werden. Die mit dem Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (im Folgenden: VorstOG) eingefügte Einschränkung habe zur Folge, dass der Hauptanwendungsfall des § 286 Abs. 4 HGB gerade darin liege, dass ein Organ einer Kapitalgesellschaft nur aus einer Person bestehe. Vor dem Hintergrund der alten Gesetzeslage und der Diskussion um die Anwendbarkeit der Vorschrift auf den Alleinvorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft sei es fernliegend, dass der Gesetzgeber diesen Fall nicht bedacht habe. Der Gesetzgeber habe mit der Ausschließung börsennotierter Aktiengesellschaften aus dem Anwendungsbereich des § 286 Abs. 4 HGB im Lichte gestiegener Transparenzanforderungen gerade dem Informationsinteresse des Kapitalmarktes Rechnung tragen wollen. Eine analoge Anwendbarkeit des § 286 Abs. 4 HGB auf die vorliegende Fallkonstellation liefe der Intention des Gesetzgebers zuwider. Auch der Hinweis auf Ausschnitte des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz aus dem Jahre 2006 führe zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Auch bezüglich der gesetzlichen Vorgaben des § 315 a HGB i. V. m. § 314 Abs. 1 Nr. 6 a) Satz 1 - 4 HGB komme eine analoge Anwendung des § 286 Abs. 4 HGB nicht in Betracht. Die Angabe der dem Vorstand gewährten Gesamtbezüge könne des Weiteren nicht durch die nach IAS 24 erfolgte Angabe der Vergütungen für Mitglieder des Managements in Schlüsselpositionen ersetzt werden, da diese es dem Kapitalmarkt wegen des weit gefassten Personenkreises nicht ermöglichten, die Angemessenheit der Vorstandsbezüge i. S. d. § 87 AktG zu beurteilen. Es handele sich auch um einen wesentlichen Rechnungslegungsverstoß, da die Angaben aus der Sicht des Kapitalmarktes relevant seien. Auf die Aktionärsstruktur und die Größe des börsennotierten Unternehmens komme es hierbei nicht an, da das Informationsinteresse aller potentiellen Anleger geschützt werden solle. Der Gesetzgeber habe dem Informationsanspruch der Aktionäre stärkere Bedeutung beigemessen als dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Vorstands. Im Übrigen ermögliche die Regelung des § 286 Abs. 5 HGB eine verhältnisgerechte Anwendung, da bei entsprechender Beschlussfassung die Angaben nach § 285 Nr. 9 a Satz 5 - 8 HGB unterbleiben könnten und somit auch der Alleinvorstand nicht schutzlos gestellt sei.

Auch die Veröffentlichungsanordnung sei rechtlich nicht zu beanstanden, da es sich im Hinblick auf das gesetzlich hervorgehobene Informationsbedürfnis nicht um einen Bagatellfall handele und die Information des Kapitalmarkts auch nicht durch die Einschränkung des mit den Rechnungslegungsunterlagen zu veröffentlichenden eingeschränkten Testates ersetzt werde. Im vorliegenden Fall bestehe ein öffentliches Interesse an der Fehlerveröffentlichung gerade aus Gründen der Generalprävention. Auch das bevorstehende Delisting stehe der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichungsanordnung nicht entgegen, da das Enforcementverfahren hier mit dem Erlass der Veröffentlichungsanordnung am 14. März 2012 abgeschlossen gewesen sei. Im Übrigen sei die Interpretation des Emittenten-Leitfadens zum Delisting nicht eindeutig, da dort eine Einstellung des Verfahrens nicht zwingend vorgesehen sei.

Aus den Gründen

II.

Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind zulässig.

Nach § 37 t Abs. 2 WpHG haben die von der Antragstellerin zunächst eingelegten Widersprüche und die wegen des zwischenzeitlichen Erlasses der Widerspruchsbescheide angekündigten Beschwerden gegen den nach § 37 q Abs. 1WpHG ergangenen Fehlerfeststellungsbescheid und die nach § 37 q Abs. 2 Satz 1 WpHG ergangene Veröffentlichungsordnung keine aufschiebende Wirkung. Wie bereits in früheren Verfahren lässt der Senat auch hier dahinstehen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis isoliert für die zunächst nur begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Fehlerfeststellung gegeben sein könnte, obwohl insoweit wegen der nur feststellenden Wirkung eine Vollziehung im engeren Sinne und eine für die Antragstellerin schädliche Außenwirkung nicht in Betracht kommt (so bereits Senatsbeschluss vom 24. November 2009 - WpÜG 11 und 12/09 = ZIP 2009, 2440 = NZG 2010, 63 = AG 2010, 79). Denn ein Rechtsschutzinteresse ist jedenfalls anzunehmen, nachdem auch die Veröffentlichungsanordnung ergangen ist, so dass gegen die ursprünglich gestellten Anträge nach §§ 37 u Abs. 2 WpHG i. V. m. § 50 Abs. 3 WpÜG keine Zulässigkeitsbedenken bestehen.

Auch die Änderung der Anträge nach der zwischenzeitlich erfolgten Zurückweisung der Widersprüche durch die Widerspruchsbescheide vom 24. Mai 2012 ist zulässig. Im Anschluss an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. VGH Kassel NVwZ-RR 2007, 822; BVerwG DVBl 1988, 289) ist der Senat der Auffassung, dass auch die gesetzliche Regelung des § 50 Abs. 3 bis 5 WpÜG von einer einheitlichen aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Beschwerde ausgeht, die auf Antrag durch das Beschwerdegericht ganz oder teilweise angeordnet oder wiederhergestellt und jederzeit geändert und aufgehoben werden kann. Deshalb führt der Erlass der Widerspruchsbescheide nicht dazu, dass die zunächst auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gerichteten gerichtlichen Eilverfahren enden und gegebenenfalls nur in gesonderten neu einzuleitenden Eilverfahren neue Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der sodann eröffneten gerichtlichen Beschwerden gestellt werden müssten (so wohl zu §§ 83, 85 SGG LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Mai 2003 - L 4 ER 26/03 RA - dok. bei Juris). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Erlass eines zurückweisenden Widerspruchsbescheides nicht zwingend zur Erledigung des zuvor eingeleiteten Eilrechtsschutzverfahrens führt und der geänderten prozessualen Situation durch eine Änderung bzw. Umstellung des Antrages Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2011 - 8 B 558/11 - dok. bei Juris; Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl., Rn. 653 und 662 auch zur Rechtslage vor Einführung des § 80 b Abs. 1 VwGO m.w.N.). Hierfür spricht auch, dass § 50 Absatz 4 Satz 1 WpÜG die Beantragung der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung schon vor Einreichung der Beschwerde bei Gericht zulässt.

Der Senat hat die beiden Verfahren wegen des engen Sachzusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Über die Anträge kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Zwar verweist § 37 u Abs. 2 WpHG auch auf § 54 WpÜG. Dort ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nur für die Entscheidung über eine Beschwerde vorgeschrieben. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 50 Abs. 3 WpÜG handelt es sich nicht um eine derartige Beschwerdeentscheidung. Deshalb verbleibt es auch hier bei dem ebenfalls in den übrigen Verfahrensordnungen der VwGO, ZPO und FamFG anwendbaren allgemeinen Grundsatz, wonach Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung getroffen werden können (so bereits Senatsbeschlüsse vom 14. Juni 2007 - WpÜG 1/07 = AG 2007 675 = NZG 2007, 795 und vom 24. November 2009 - WpÜG 11 und 12/09 - a.a.O.).

In der Sache führen die Anträge nicht zum Erfolg, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht vorliegen.

Für das in §§ 37 n - u WpÜG geregelte Enforcementverfahren hat der Gesetzgeber sich in Abkehr von dem allgemeinen Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte mit der dortigen Regelung der §§ 37 t Abs. 2 und 37 u Abs. 1 Satz 2 WpHG für eine sofortige Vollziehbarkeit sämtlicher behördlicher Maßnahmen der Antragsgegnerin entschieden, weil nur so der Gesetzeszweck einer zeitnahen, effektiven und beschleunigten Überprüfung der Rechnungslegung börsennotierter Unternehmen umgesetzt werden kann (vgl. Begründung RegE BilKoG BT-Drucks 15/3421, S. 20/21 sowie Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 2007 - WpÜG 1/06 = AG 2007, 207 = ZIP 2007, 768 sowie vom 14. Juni 2007 und 24. November 2009 jeweils a.a.O.). Nach § 37 u Abs. 2 WpHG kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Beschwerde im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes entsprechend der dortigen Verweisung als Ausnahme nur dann in Betracht, wenn eine der Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 WpÜG erfüllt ist. Dabei scheidet eine Anwendung des § 50 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG wegen der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der behördlichen Maßnahmen im Enforcementverfahren generell aus. Somit kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur erfolgen, wenn gemäß § 50 Abs. 3 Ziffer 2 WpÜG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte bestehen oder nach § 50 Abs. 3 Nr. 3 WpÜG deren Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weswegen es bei der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Fehlerfeststellungsbescheides und der Fehlerveröffentlichungsanordnung zu verbleiben hat.

Es gibt zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Fehlerfeststellungsbescheides vom 14. Februar 2012.

Nachdem die Antragstellerin die auf der ersten Stufe des Enforcementverfahrens erfolgte Fehlerfeststellung der DPR nicht akzeptiert hat, hat die Antragsgegnerin nach § 37 n WpHG auf der zweiten Stufe die Aufgabe zu prüfen, ob der Jahresabschluss und der zugehörige Lagebericht oder der Konzernabschluss oder zugehörige Konzernlagebericht sowie der verkürzte Abschluss und der zugehörige Zwischenlagebericht von Unternehmen, deren Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards entsprechen.

Die Antragstellerin unterfällt als bisher noch börsennotiertes Unternehmen der Prüfung ihrer Rechnungslegung für das Geschäftsjahr 2010 im Enforcement-verfahren. Die hierfür nach §§ 342 b Abs. 2 HGB und § 37 o Abs. 1 WpHG geforderte Börsennotierung im Sinne des § 1 Absatz 1 WpHG war bei der Antragstellerin bisher gegeben, da ihre Aktien an der ... Börse zu O1 zum Börsenhandel im regulierten Markt zugelassen waren. Dem steht nicht entgegen, dass diese Börsenzulassung durch die Börse O1 mit Ablauf des ... Mai 2012 widerrufen wurde.

Allerdings enthalten die gesetzlichen Vorschriften weder in § 342 b Abs. 2 Satz 1 HGB noch in § 37 n WpHG eine Konkretisierung dahingehend, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzung der Börsenzulassung gegeben sein muss. Deshalb ist hierzu auf den Zweck des Enforcementverfahrens abzustellen. Das Enforcementverfahren dient dem Ziel, das durch vorausgegangene nationale und internationale Bilanzmanipulationen und Unternehmensskandale erschütterte Vertrauen der Anleger am Kapitalmarkt in die Richtigkeit von Unternehmensabschlüssen zu stärken und die Integrität und Stabilität des Kapitalmarktes zu fördern. Deshalb sollen Unternehmensabschlüsse und -berichte kapitalmarktorientierter Unternehmen zusätzlich zu der Überwachung durch den Abschlussprüfer und den Aufsichtsrat einer weiteren Überprüfung unterzogen werden, da die Überwachung der Rechtmäßigkeit der Rechnungslegungsvorschriften für die Integrität des deutschen Kapitalmarktes von großer Bedeutung ist. Dabei hat das Enforcementverfahren zum Ziel, Unregelmäßigkeiten bei der Erstellung von Unternehmensabschlüssen und -berichten präventiv entgegenzuwirken und außerdem - sofern Unregelmäßigkeiten dennoch auftreten - diese aufzudecken und den Kapitalmarkt darüber zu informieren (vgl. Begründung RegE BilKoG BT-Drucks. 15/3421 S. 11).

Ausgehend von diesem Gesetzeszweck kann nach Auffassung des Senates nicht davon ausgegangen werden, dass der Wegfall der Börsennotierung erst nach der bereits erfolgten Fehlerfeststellung und Anordnung der Fehlerveröffentlichung nach § 37 q Abs. 1 und 2 WpHG während des danach eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche oder Beschwerden zwingend die Beendigung des Verfahrens zur Folge haben muss und zur Rechtswidrigkeit dieser bereits zuvor ergangenen beiden Verwaltungsakte führt. Allerdings wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, ein laufendes Prüfungsverfahren ende im Zeitpunkt des Wegfalles der Börsenzulassung, weil dann der Gesetzeszweck der Information des Kapitalmarktes entfallen sei (so Fuchs/ Zimmermann, WpHG, § 37 n Rn. 13; MünchKomm HGB /Ebke/Paul, 2. Aufl., § 342 b Rn. 18; Schwark/ Zimmer/Hennrichs, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., § 37 n WpHG Rn. 2). Dabei wird allerdings nicht deutlich, ob sich diese Aussage nur auf das eigentliche Prüfverfahren im engeren Sinne bis zur Feststellung eines Rechnungslegungsfehlers durch die DPR nach

342 b Abs. 5 Satz 2 HGB bzw. durch die Antragsgegnerin nach § 37 q Abs. 1 WpHG beziehen oder das gesamte Enforcementverfahren einschließlich der Widerspruchs- und etwaiger gerichtlicher Verfahren gemeint sein soll. Jedenfalls berücksichtigt die Forderung nach zwingender Einstellung im Falle des Delisting aber nicht, dass der Zweck des Enforcementverfahrens sich gerade nicht in der Information des Kapitalmarktes erschöpft, sondern - wie bereits ausgeführt - zusätzlich auch Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungslegung präventiv entgegenwirken soll. Deshalb wird zwar bei Wegfall der Börsenzulassung noch vor dem Abschluss des Prüfverfahrens durch die DPR oder die Antragsgegnerin in der Regel eine Einstellung des Verfahrens wegen des dann zumeist entfallenden Interesses des Kapitalmarktes an der Information über etwaige Rechnungs-legungsfehler eines nicht mehr börsennotierten Unternehmens angezeigt sein. Eine Fortführung des Verfahrens kann jedoch in Ausnahmefällen gleichwohl in Betracht kommen, wenn das Verfahren bereits weiter fortgeschritten ist und sich aus dem zusätzlichen Gesetzeszweck der Prävention weiterhin ein Informationsinteresse des Kapitalmarktes ergibt. Dies wird insbesondere etwa dann anzunehmen sein, wenn die Publizierung des Fehlers zwar wegen des Wegfalls der Börsennotierung für die Aktionäre und etwaige Anleger des betroffenen Unternehmens nicht mehr von Bedeutung ist, trotzdem aber aus Präventionsgründen zur Vermeidung eines gleichartigen Rechnungslegungsfehlers für andere weiterhin börsennotierte Unternehmen und die Abschlussprüfer und sonstige mit der Rechnungslegung befasste Personen ein über den Einzelfall hinausgehendes Informationsinteresse besteht (differenzierend wohl auch Gelhausen/Hönsch, AG 2005, 511; Assmann/Schneider/Hönsch, WpHG, a.a.O., § 37 n Rn. 7; KölnKomm WpHG/Hirte/Mock, § 37 n Rn. 92 sowie der Emittentenleitfaden der Antrags-gegnerin, S. 204). Ist - wie im vorliegenden Fall - die behördliche Fehlerfeststellung bereits erfolgt, so ist die diesbezügliche Überprüfung nach Auffassung des Senates im Rahmen der Entscheidung über das Absehen von der Fehler-bekanntmachungsanordnung nach § 37 q Abs. 2 Satz 2 WpHG unter dem Aspekt des Fehlens des öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung vorzunehmen.

Nach § 342 b Abs. 2 Satz 1 HGB und § 37 n WpHG bezieht sich die Prüfung der Unternehmensabschlüsse und -berichte kapitalmarktorientierter Unternehmen darauf, ob sie den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards entsprechen. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 22. Januar 2009 ( WpÜG 1 und 3/08 = DB 2009, 333, ZIP 2009, 368, AG 2009, 328) entschieden hat, ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem vorstehend erläuterten Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften über das Enforcementverfahren, dass nicht jeder Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder sonstige Rechnungslegungsgrundsätze zu einer Fehlerfeststellung im Sinne des § 37 q Abs. 1 WpHG führt, sondern die Rechnungslegung erst dann fehlerhaft ist, wenn ein oder mehrere Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften allein oder in ihrer Gesamtheit wesentlich sind.

Eine derartige Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung wegen der fehlenden Angaben zur Gesamtvergütung des Vorstands im Jahresabschluss und im Konzernabschluss der Antragstellerin für das Geschäftsjahr 2010 ist hier gegeben.

Nach § 285 Nr. 9 a) Satz 1 - 4 HGB haben alle Aktiengesellschaften mit Ausnahme der kleinen Kapitalgesellschaften (§§ 267 Abs. 1, 288 HGB) im Anhang als Pflichtangabe für die Mitglieder des Vorstandes die für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge in dem dort näher umschriebenen Umfang anzugeben. Nur für börsennotierte Aktiengesellschaften sieht § 285 Nr. 9 a) Satz 4 - 8 HGB zusätzlich die individualisierte Angabe der Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds entsprechend der dort vorgegebenen Aufteilung vor. § 286 Abs. 4 HGB bestimmt ausdrücklich nur noch für Gesellschaften, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, dass die in § 285 Nr. 9 a) und b) HGB verlangten Angaben über die Gesamtbezüge der dort bezeichneten Personen unterbleiben können, wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines Mitglieds dieser Organe feststellen lassen. Außerdem sieht § 286 Abs. 5 HGB vor, dass die nur für börsennotierte Aktiengesellschaften in § 285 Nr. 9 a) Satz 5 - 8 HGB verlangten Angaben unterbleiben, wenn die Hauptversammlung dies durch Beschluss, der höchstens für fünf Jahre gefasst werden kann und einer Dreiviertel-Mehrheit bedarf, beschlossen hat.

Bereits nach dem aus der Sicht des Senats eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 286 Abs. 5 HGB ergibt sich, dass der Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft nur die Befugnis zugewiesen ist, in Abweichung von der gesetzlichen Regelung durch Hauptversammlungsbeschluss mit der geforderten Dreiviertel-Mehrheit zu beschließen, dass von der Angabe der individualisierten Bezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder nach § 285 Nr. 9 a) Satz 5 - 8 HGB Abstand genommen werden kann. Eine darüber hinaus gehende Ermächtigung, auch über den Verzicht auf die nach § 285 Nr. 9 a) Satz 1 - 4 HGB für börsennotierte Aktiengesellschaften gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Angaben zu den Gesamtbezügen des Vorstands zu entscheiden, ist der Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft jedoch gerade nicht eingeräumt.

Bei dieser Gesetzeslage verbleibt es auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall -der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft nur aus einer Person besteht (so auch Ellrott / Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl.,§ 286 HGB Rn.25; von Kann DStR 2005, 1496/ 1500).

Der Senat vermag sich insoweit der von der Antragstellerin im Anschluss an Oser/Holzwarth (in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Einzelabschluss, Bd. 3 §§ 284 - 288 HGB Rn. 696) vertretenen Rechtsauffassung, im Falle eines Alleinvorstands bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft sei im Rahmen einer teleologischen Auslegung und Ausdehnung des § 286 Abs. 4 HGB oder aber durch dessen entsprechende Anwendung der Weg eröffnet, durch einen Hauptversammlungsbeschluss mit der qualifizierten Mehrheit des § 286 Abs. 5 HGB die gesetzliche Verpflichtung zur Angabe der Gesamtvergütung des Alleinvorstands durch Hauptversammlungsbeschluss aufzuheben, nicht anzuschließen.

Mit dem am 11. August 2005 in Kraft getretenen Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen (VorstOG) vom 03. August 2005 (BGBl. I S. 2267) hat der Gesetzgeber - nachdem die bisherige freiwillige Selbstverpflichtung im Rahmen des Deutschen Corporate Gouvernance Kodex von einer Vielzahl von Unternehmen nicht umgesetzt worden war - für börsennotierte Aktiengesellschaften die gesetzliche Pflicht zur Offenlegung individualisierter Vorstandsvergütungen im Anhang zum Jahres- bzw. Konzernabschluss oder alternativ in einem besonderen Vergütungsbericht als Teil des Lageberichts eingeführt, da hierdurch den Aktionären die Entscheidung darüber erleichtert wird, ob die Bezüge entsprechend den Anforderungen des § 87 Abs. 1 AktG in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitgliedes und zur Lage der Gesellschaft stehen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber diese Information ausdrücklich als für den Anleger wichtig und zur Verbesserung des Anlegerschutzes geboten angesehen (vgl. Begründung zum Entwurf des VorstOG - BT-Drucks. 15/5577 S. 1). Als Grund für die Offenlegung der individuellen Bezüge wurde auf die Vergütungs- und Kontrollhierarchie der Aktionäre in der Aktiengesellschaft hingewiesen und zusätzlich hervorgehoben, dass diese Angaben auch für potentielle Anteilseigner bedeutsam sind (vgl. BT-Drucks. 15/5577 S. 5 und 6).

Nach der zuvor geltenden Gesetzeslage bestand bereits die Pflicht zur Offenlegung der Gesamtvergütung des Vorstands, wobei in § 286 Abs. 4 HGB a.F. die Möglichkeit eingeräumt wurde, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben über die Gesamtbezüge des Vorstands unterbleiben konnten, wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines einzelnen Mitgliedes feststellen ließen. Diese Schutzklausel wurde durch das VorstOG ausdrücklich auf solche Gesellschaften beschränkt, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, wobei zur Begründung darauf verwiesen wurde, dass sich das Verständnis über die erforder-liche Transparenz und Information am Kapitalmarkt insoweit gründlich gewandelt habe und die Anforderungen gestiegen seien, so dass insbesondere die Anteilseigner umfassend informiert werden sollten. Dem sei auch bei der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen dem Aktionärsinteresse (Art. 14 GG) und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG) Rechnung zu tragen, wobei letzteres im Falle börsennotierter Gesellschaften hinter dem Informationsanspruch der Aktionäre, dem nunmehr sehr viel stärkere Bedeutung beigemessen werde, zurückzutreten habe. Zugleich wurde darauf verwiesen, dass durch die Regelung des § 286 Abs. 5 HGB den Anteilseignern die Möglichkeit geboten werde, auf die individualisierten Angaben zu verzichten.

Zwar wird in der Gesetzesbegründung auf den sicher nicht häufig anzutreffenden Fall, dass der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft nur aus einer Person besteht, so dass die Gesamtvergütung des Vorstandes der Vergütung des Alleinvorstandes entspricht, nicht ausdrücklich eingegangen. Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung und die ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgten Ziele kann für diese Verfahrenskonstellation jedoch weder von der Notwendigkeit einer erweiternden Auslegung, noch von einer planwidrigen Lücke ausgegangen werden, die eine erweiternde oder analoge Anwendung des § 286 Abs. 4 HGB auf börsennotierte Gesellschaften mit Alleinvorstand gestatten würde. Eine derartige Gesetzesinterpretation würde in Bezug auf die vom Gesetzgeber beabsichtigte Information der Aktionäre und Anleger sowie die im Hinblick auf gestiegene Anforderungen für erforderlich gehaltene Transparenz einen Rückschritt bedeuten, während die Konzeption und der Inhalt des Gesetzes gerade auf eine umfassendere Information der Aktionäre und des Kapitalmarktes abzielen. Gerade die neu eingeführte Beschränkung des § 286 Abs. 4 HGB auf Gesellschaften, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, lässt im Zusammenhang mit der bereits wiedergegebenen Begründung des Gesetzesentwurfes erkennen, dass für diese Unternehmen der Information der Aktionäre und des Kapitalmarktes der Vorrang vor dem nachvoll-ziehbaren Interesse der Organmitglieder an einer Geheimhaltung ihrer Bezüge eingeräumt wurde. Nach der Gesamtkonzeption der durch das VorstOG geschaffenen Regelung kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber für börsennotierte Aktiengesellschaften eine Ausnahme von der als Mindeststandard angesehenen Angabe der Gesamtbezüge des Vorstandes zulassen wollte.

Letztlich wird damit der Ausnahmefall des Alleinvorstandes einer börsennotierten Aktiengesellschaft im Ergebnis nicht schlechter gestellt als die ganz überwiegende Mehrzahl der Mitglieder von mehrköpfigen Vorständen anderer börsennotierter Aktiengesellschaften, bei welchen - was auf Grund der Aktionärsstruktur häufig der Fall sein dürfte - die Dreiviertel-Mehrheit für einen befreienden Hauptversammlungsbeschluss nach § 285 Abs. 5 HGB nicht erreicht wird.

Des Weiteren liegt auch für die Konzernrechnungslegung des Geschäftsjahres 2010 durch die unterlassenen Angaben zu den Gesamtbezügen des Vorstandes im Konzernanhang ein Rechnungslegungsverstoß in Bezug auf die entsprechenden Regelungen des § 315 a Abs. 1 HGB i. V. m. § 314 Abs. 1 Nr. 6 a) Satz 1 - 4 HGB vor.

Die unterlassenen Angaben über die Gesamtbezüge des Vorstands im Jahresabschluss und im Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2010 sind auch als wesentlicher Fehler der Rechnungslegung einzustufen. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit eines Rechnungslegungsverstoßes ist auf die Zielsetzung des Enforcementverfahrens abzustellen, wonach die Verlässlichkeit von Konzern- bzw. Unternehmensabschlüssen und -berichten kapitalmarktorientierter Unternehmen durch Aufdeckung und präventive Verhinderung von Unregelmäßigkeiten verbessert und so das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt wieder hergestellt und nachhaltig gestärkt werden soll (so bereits Senatsbeschluss vom 11. Januar 2009 - WpÜG 1 und 3/08 = ZIP 2009, 368 = AG 2009, 328; vgl. auch Begründung zum RegE BilkoG BT-Drucks 15/3421 S. 11/12). Deshalb kommt es für die Beurteilung der Wesentlichkeit maßgeblich darauf an, ob der Rechnungslegungsverstoß aus der Sicht der Anleger und der sonstigen am Kapitalmarkt tätigen Institutionen relevant ist. Hierbei ist sowohl auf qualitative als auch auf quantitative Aspekte abzustellen, wobei es in qualitativer Hinsicht auf die Art der betroffenen Information ankommt und in quantitativer Hinsicht die betragsmäßigen Auswirkungen von Unregelmäßigkeiten in Relation zu den jeweils betroffenen Abschlussposten und zu betriebswirtschaftlich geeigneten Bezugsgrößen zu sehen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2009 a.a.O. m.w.N.). Ausgehend von der Zielrichtung des Enforcementverfahrens sind zwar insbesondere solche Rechnungslegungsverstöße wesentlich, die sich auf die Darstellung der Geschäftsentwicklung in Bezug auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens auswirken und somit die hieraus ableitbaren Einschätzungen der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens beeinflussen können. Allein aus dem Umstand, dass die vorliegenden Rechnungslegungs-verstöße sich nicht auf das zahlenmäßig ausgewiesene Ergebnis auswirken, kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass es sich um unwesentliche Fehler handelt (so bereits Senatsbeschluss vom 24. November 2009 a.a.O. zum unterlassenen Prognosebericht). Im vorliegenden Fall ist aus der maßgeblichen Sicht des Kapitalmarkts bei dem Unterlassen der Angaben zu den Gesamtbezügen des Vorstands von einem wesentlichen Rechnungslegungsverstoß auszugehen, da insbesondere durch das VorstOG bereits durch den Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass es sich hierbei um Angaben handelt, die für den Kapitalmarkt von wesentlicher Bedeutung sind. Dabei kann es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht auf die konkrete Aktionärsstruktur des betroffenen Unternehmens ankommen, da die Angaben nicht nur für die Aktionäre der Gesellschaft, sondern für den Kapitalmarkt insgesamt, insbesondere auch für die Anleger bei einer eventuellen Investitionsentscheidung von Bedeutung sind.

Somit kann die Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung für das Geschäftsjahr 2010 wegen der unterlassenen Angaben zur Gesamtvergütung des Vorstands im Jahresabschluss und im Konzernabschluss nicht in Zweifel gezogen werden.

Darüber hinaus bestehen auch an der Rechtmäßigkeit der Fehlerveröffentlichungsanordnung keine ernstlichen Zweifel. Es entspricht der bisherigen

Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Juni 2007, 22. Januar 2009 und 24. November 2009, jeweils a.a.O.), dass das Enforcementverfahren die ihm vom Gesetzgeber beigemessenen Ziele der präventiven Verhinderung unzutreffender Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen und der Information des Kapitalmarkts über festgestellte diesbezügliche Unregelmäßigkeiten nur dann erreichen kann, wenn die Feststellung einer fehler-haften Rechnungslegung auf der ersten oder zweiten Stufe des Enforcementverfahrens - wie in § 37 q Abs. 2 Satz 1 WpHG ausdrücklich vorgesehen - im Regelfall auch die Pflicht zur Fehlerveröffentlichung nach sich zieht. Die Fehlerbekanntmachung ist nach der Systematik des Gesetzes das zentrale Durchsetzungselement des Enforcementverfahrens, weil der deutsche Gesetzgeber sonstige unmittelbare Rechtsfolgen oder Sanktionen im Unterschied zur Ausgestaltung des Enforcement in anderen europäischen Ländern bewusst nicht eingeführt, sondern vielmehr darauf vertraut hat, dass allein die Fehlerbekannt-machung wegen ihrer von den betroffenen Unternehmen besonders befürchteten negativen Wirkung in der Öffentlichkeit zur Erreichung des Gesetzeszwecks ausreicht (vgl. Begründung RegE BilKoG, a.a.O., S.18; Assmann/Schneider/ Hönsch, WpHG, 6. Aufl., vor § 37 n Nr. 5; Fuchs, WpHG, § 37 q Rn. 2). Dabei entspricht es der Grundkonzeption des Gesetzes, die Interessen des Kapitalmarktes an einer Information im Regelfall höher einzuschätzen als das wohl stets gegebene und auch nachvollziehbare Interesse des jeweiligen betroffenen geprüften Unternehmens an dem Verzicht der Publizierung einer festgestellten Fehlerhaftigkeit seiner Rechnungslegung. Der Gesetzgeber hat zusätzlich zur Erreichung des Gesetzeszweckes der zeitnahen, effektiven und beschleunigten Überprüfung und Verbesserung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen in Abkehr vom allgemeinen Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte mit der Regelung der §§ 37 t Abs. 2 und 37 u Abs. 1 Satz 2 WpHG als Regelfall die sofortige Vollziehbarkeit sämtlicher behördlicher Maßnahmen im Enforcementverfahren vorgesehen (vgl. Begründung RegE BilKoG, a.a.O., S. 20/21 sowie näher die Senatsbeschlüsse vom 14. Juni 2007, 29. November 2007 und 24. November 2009 jeweils a.a.O.).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen kann von einer Fehlerbekanntmachung nach § 37 q Abs. 2 Satz 2 WpHG deshalb nur dann abgesehen werden, wenn ausnahmsweise kein öffentliches Interesse an der Fehlerveröffentlichung besteht. Wie der Senat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung hervorgehoben hat, kommt es für diese Einschätzung auf die Sicht der Kapitalmarktteilnehmer und deren Interesse an einer korrekten Information an.

Bei der unterlassenen Publizierung der Gesamtbezüge des Vorstandes handelt es sich angesichts der Bedeutung, die der Gesetzgeber diesen Angaben im Kontext des VorstOG zugemessen hat, nicht um einen offensichtlich unwesentlichen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften im Sinne eines Bagatellfalles.

Allerdings war im vorliegenden Fall - wie bereits eingangs ausgeführt - in Erwägung zu ziehen, ob hier das öffentliche Interesse an der Fehlerveröffentlichung durch den nach der Fehlerfeststellung und Bekanntmachungsanordnung erfolgten Widerruf der Börsenzulassung entfallen ist. Hiervon ist auszugehen, wenn der festgestellte Rechnungslegungsfehler nur in Bezug auf das konkret betroffene Unternehmen von Bedeutung ist, weil dann aus der Sicht des Kapitalmarktes ein Interesse an der Publizierung dieses Fehlers mit dem Delisting entfällt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. An der Fehlerveröffentlichung besteht im vorliegenden Fall unabhängig von dem Wegfall der Börsennotierung aus der Sicht des Kapitalmarktes aus Gründen der Prävention ein öffentliches Interesse. Denn die Problematik der Angabe der Gesamtvorstandsbezüge bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft mit Alleinvorstand ist über den konkreten Fall hinaus für den Kapitalmarkt von Bedeutung. Die von der Antragstellerin über mehrere Jahre vorgenommene Bilanzierungspraxis durch Unterlassung der Angaben der Gesamtvorstandsvergütung könnte im Falle einer unterbliebenen Fehlerbekannt-machung jetzt und in Zukunft von anderen börsennotierten Unternehmen mit einem Alleinvorstand aufgegriffen werden und deshalb eine negative Vorbildfunktion entfalten. Deshalb gebietet hier das Gesetzesziel der präventiven Verhinderung unzutreffender Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen die auch zu diesem Zweck vorgesehene Fehlerbekanntmachung.

Denn der Publikation des hier festgestellten Rechnungslegungsfehlers kommt eine über den Einzelfall hinausgehende präventive Bedeutung zu. Zwar stellt die Fallkonstellation, dass eine börsennotierte Gesellschaft über einen nur aus einer Person bestehenden Vorstand verfügt, nicht den Regelfall, sondern wie die Antragstellerin zu Recht geltend macht, einen Ausnahmefall dar, wenngleich der Senat diesen als nicht so unbedeutend einschätzt, dass er von besonderer Seltenheit wäre. Unabhängig von der aktuellen konkreten Anzahl dieser Unternehmen ist die Frage der Zulässigkeit des Verzichts auf die Angabe der Gesamtvergütung des Alleinvorstandes aber von besonderer Bedeutung, da an der hier beanstandeten Rechnungslegungspraxis sowohl bei den derzeit vorhandenen als auch bei zukünftig betroffenen Unternehmen naturgemäß ein großes Interesse bestehen dürfte und deshalb eine Relevanz auch für etwaige Entscheidungen über den zukünftigen Zuschnitt des Vorstandes gegeben sein kann. Die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dokumentiert sich auch darin, dass ausweislich des von der Antragstellerin vorgelegten Antwortschreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 22. November 2006 an das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. die Abschlussprüfer einen allgemeinen Klärungsbedarf zu dieser Thematik gesehen haben, der zu der diesbezüglichen Anfrage des IDW an das Ministerium führte. Auch in der von der Antragstellerin zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung angegebenen Zitatstelle (Oser/ Holzwarth in Küting/ Pfitzer/Weber, a.a.O., HGB §§ 284 - 288 Rn. 696) wird abschließend ausdrücklich eine alsbaldige Klarstellung des Gesetzgebers gefordert und so ebenfalls die allgemeine Bedeutung für den Kapitalmarkt und die mit der Rechnungslegung befassten Personen und Unternehmen bestätigt.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wird das grundsätzlich als vorrangig einzustufende öffentliche Interesse an der Fehlerveröffentlichung auch nicht dadurch beseitigt, dass der hier nach der durchgeführten Anlassprüfung beanstandete Jahresabschluss und Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2010 jeweils gerade wegen der unterlassenen Angaben zur Gesamtvergütung des Vorstands nur mit einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen wurden und die Testate für die Vorjahre zwar ohne Einschränkung, aber mit einem entsprechenden Vermerk erteilt worden waren. Hierzu wird in der Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten, es bestehe regelmäßig schon kein öffentliches Interesse an einer Anlassprüfung in Bezug auf die in einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk angegebenen Beanstandungen und damit auch kein Interesse an einer Bekanntmachung (vgl. Assmann/Schneider/ Hönsch, WpHG, a.a.O., § 37 o Rn. 12 und § 37q Rn. 21). Dem kann nicht gefolgt werden. Denn aus dem eingeschränkten Bestätigungsvermerk ist aus der Sicht des Kapitalmarktes lediglich zu entnehmen, dass der für die Aufstellung des Jahresabschlusses verantwortliche Vorstand und der zu dessen Überprüfung berufene Aufsichtsrat des Unternehmens einerseits und der Abschlussprüfer andererseits über die Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Rechnungslegung unterschiedlicher Auffassung waren, während erst durch die Veröffentlichung des festgestellten Fehlers in der von § 37 q Abs. 2 Satz 4 WpHG vorgeschriebenen Weise für den Kapitalmarkt klargestellt wird, dass die diesbezügliche Einschätzung des Abschlussprüfers zutreffend ist und tatsächlich ein Rechnungslegungsfehler im Sinne eines wesentlichen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Rechnungslegung gegeben ist.

Das öffentliche Interesse an der Fehlerbekanntmachung wird entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht dadurch beseitigt, dass die DPR und die Antragsgegnerin in ihren Tätigkeitsberichten anonymisiert über festgestellte Rechnungslegungsfehler berichten können. Nach der gesetzlichen Konzeption des Enforcementverfahrens handelt es sich bei diesen Tätigkeitsberichten nur um flankierende Maßnahmen die jedoch die Fehlerveröffentlichung nach § 37 q Absatz 2 Satz 1 WpHG nicht ersetzen können und sollen.

Des Weiteren sind auch die Voraussetzungen für ein Absehen von der Fehlerveröffentlichung nach § 37 q Abs. 2 Satz 3 WpHG hier nicht gegeben. Diese Vorschrift ermöglicht den Verzicht auf die Anordnung, wenn die Veröffentlichung des Fehlers der Rechnungslegung geeignet ist, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden. Dabei entspricht es der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 14. Juni 2007und 24. November 2009 jeweils a.a.O. und vom 22. Januar 2009 - WpÜG 1 und 8/08 = ZIP 2009, 368 = AG 2009, 328 = DB 2009, 333), dass es sich um eine eng begrenzte Ausnahmevorschrift handelt und hierzu die mit der Bekanntmachung der Fehlerfeststellung regelmäßig verbundenen negativen Wirkungen für die Reputation des Unternehmens, die vom deutschen Gesetzgeber erkannt und bewusst zur Umsetzung der Ziele des Enforcements eingesetzt wurden, gerade nicht ausreichen. Darüber hinausgehende atypische Nachteile, denen im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen den berechtigten Unternehmensinteressen und dem grundsätzlich vorrangigen Informationsinteresse des Kapitalmarkts ausnahmsweise der Vorrang einzuräumen wäre, sind hier nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann auch angesichts des bereits mit der Rechnungslegung veröffentlichten eingeschränkten Bestätigungsvermerkes des Abschlussprüfers nicht von einer letztlich sinnlosen öffentlichen Prangerwirkung ausgegangen werden, da aus den dargelegten präventiven Gründen eine Information des Kapitalmarktes darüber geboten ist, dass die von dem Abschlussprüfer zum Anlass für die Einschränkung des Testates genommene Beanstandung tatsächlich einen Rechnungslegungsfehler darstellt.

Die Vollziehung der Fehlerbekanntmachungsanordnung führt für die Antragstellerin aus diesen Erwägungen auch nicht zu einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 50 Abs. 3 Nr. 3 WpHG. Denn der Gesetzgeber hat zuletzt durch die Regelungen des VorstOG zu erkennen gegeben, dass er in Bezug auf die Offenlegung der Gesamtvergütung des Vorstandes kapitalmarktorientierter Unternehmen und eines diesbezüglichen Rechnungslegungsverstoßes dem Informationsinteresse des Kapitalmarkts gegenüber dem Individualinteresse der Organmitglieder der Gesellschaft den Vorrang eingeräumt und deshalb die Befugnis der Hauptversammlung zur Begrenzung der gesetzlichen Offenlegungspflicht für kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften durch die Regelung der §§ 286 Abs. 4 und 5 HGB dahin-gehend begrenzt hat, dass hiervon nicht das vollständige Unterbleiben der Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands umfasst wird.

Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung waren deshalb zurückzuweisen.

Den Beschwerdewert hat der Senat im Wege der Schätzung und der Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit für das Unternehmen festgesetzt.

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