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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
21.07.2011
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Hamburg: Einbeziehung des Gewinns aus der Auflösung eines passiven RAP in eine § 6b EStG-Rücklage

FG Hamburg, Urteil vom 4.4.2011 - 2 K 91/10, Rev. eingelegt,

Az. BFH: IV R 17/11

Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2011-1838-1

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Leitsätze

1. Der Veräußerungspreis im Sinne des § 6b EStG wird bestimmt durch das vertraglich vereinbarte Entgelt und etwaige Leistungen, die der Erwerber als Gegenleistung für den Erwerb des Wirtschaftsgutes zu erbringen hat. Kein Teil der Gegenleistung ist eine Entschädigung, die der Steuerpflichtige nicht für dashingegebene Grundstück bzw. Gebäude, sondern anlässlich der Veräußerung zumAusgleich eines anderweitigen Nachteils erzielt.

2. Nicht jeder wirtschaftliche Zusammenhang ist ausreichend, um einen Veräußerungsgewinn zu begründen. Ein Gewinn aus der Auflösung eines Rechnungsabgrenzungspostens ist dann nicht einzubeziehen, wenn Grundlage für die Bildung des Rechnungsabgrenzungspostens nicht eine Gegenleistung desErwerbers gewesen ist.

HGB § 250; EStG § 6b

Sachverhalt:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) im Jahr 1997 gebildet werden musste und im Streitjahr 2006 zwingend aufzulösen war. Ferner ist streitig, ob der hierdurch entstehende Gewinn in eine § 6b EStG-Rücklage überführt werden kann.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, einer Personengesellschaft, war die Anmietung von Grundstücken im ..., die Errichtung von Gebäuden und die Weitervermietung der Grundstücke. Gesellschafter der Klägerin sind A und B zu gleichen Teilen.

In einer mietvertraglichen Vorvereinbarung vom 23.6.1994 zwischen der Klägerin und der H (H) wurde vereinbart, dass die Klägerin ein Grundstück im ... , C, anmieten konnte. Die Mietzeit sollte 30 Jahre betragen. Die geplante Vermietung scheiterte aus bauplanungsrechtlichen Gründen.

Es kam daraufhin zu der Vereinbarung vom 1.3.1996. Durch diesen Vertrag verpflichtete sich die H, der Klägerin ein Ersatzgrundstück zur Verfügung zu stellen und die aus dem Standortnachteil entstehenden Nachteile auszugleichen:

Nr. 1

Die H verpflichtet sich, der Firma nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung in einem gesondert abzuschließenden Mietvertrag mit der H/... Verwaltung mit vorheriger mietvertraglicher Vorvereinbarung das Grundstück im Bereich des D unverzüglich zur Verfügung zu stellen.

Nr. 2

Aus den in der Präambel zu der am 2.1.1996 paraphierten Vereinbarung dargelegten Gründen und in dem unter Ziffer 5 dieser Vereinbarung aufgeführten Umfang sind der Firma erhebliche Ausfälle und Nachteile erwachsen und werden künftig entstehen.

Zu deren Ausgleich zahlt die E

a) als Ersatz für die bereits angefallenen und noch anfallenden Planungs- sowie Finanzierungs- und Rechtsberatungskosten DM ... innerhalb von vier Wochen nach Wirksamwerden des Vertrages, spätestens jedoch bis zum 15.4.1996;

b) als Ersatz für den Verzögerungsschaden DM ... innerhalb von sechs Wochen nach Wirksamwerden des Vertrages, spätestens jedoch bis zum 30.4.1996;

c) zum Ausgleich der in der Präambel zu der am 2.1.1996 paraphierten Vereinbarung (auf Seite 2 und 3) im einzelnen aufgeführten und für die Dauer von 30 Jahren entstehenden Standortnachteile DM ... zu 1/3 bei Baubeginn, zu 1/3 bei Fertigstellung des Rohbaus, zu 1/3 bei Baufertigstellung.

Als Gegenleistung verpflichtete sich die Klägerin, keine weiteren Ansprüche aus dem Vertrag vom 23.6.1994 geltend zu machen.

Durch den Mietvertrag vom 5.2.1997 mietete die Klägerin das Ersatzgrundstück in der X-Straße von der H für die Dauer vom 1.1.1997 bis zum 31.12.2027 zu dem im ... geltenden standardisierten Mietpreis an. Die Klägerin erhielt insbesondere das Recht, auf dem Grundstück Gebäude zu errichten und diese zu vermieten. Anschließend erstellte die Klägerin auf diesem Grundstück Gebäude. Später wurde dieser Mietvertrag bis zum 31.12.2036 verlängert. Die Klägerin vermietete das Grundstück weiter an die F GmbH und G GmbH.

Die Klägerin bildete für die Position 2c) des Vertrags vom 1.3.1996 in Höhe von ... DM einen passiven RAP und löste diesen über die geplante Laufzeit von 31 Jahren ratierlich auf. Zum 30.6.2006 betrug der passive RAP noch ... €.

Durch Vertrag vom 22.6.2006 verkaufte die Klägerin die von ihr errichteten Gebäude an die J Grundstücksverwaltungs GmbH & Co KG, ihre Schwestergesellschaft, an der die Gesellschafter der Klägerin als Kommanditisten beteiligt waren. Als Kaufpreis wurden ... € vereinbart. Gem. § 8 des Vertrages stand dieser Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung der H zu dem Verkauf und der Übertragung des Mietvertrages vom 5.2.1997:

§ 8 Aufschiebende Bedingung

Die Wirksamkeit dieses Vertrages steht unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung der H zu dem Verkauf und der Übertragung des Vertragsgegenstandes und zu einer Änderung des Mietvertrages vom 5.2.1997 dahingehend, dass die Verkäuferin bezüglich der durch diesen Vertrag veräußerten Gebäudeteile aus der Haftung entlassen wird und die Käuferin insoweit sämtliche Rechte und Pflichten der Verkäuferin aus dem diesen Gebäudeteil betreffenden Mietvertrag vom 5.2.1997 (die hierzu erfolgte Nachschrift Nr. 4 ist dem Vertrag als Anlage beigefügt) übernimmt. Die H beabsichtigt eine entsprechende Änderung des Mietvertrages vorzunehmen, die dann für die Parteien maßgeblich ist.

Grundlage für den vereinbarten Kaufpreis war ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Verkehrswertgutachten über die Gebäude. Danach betrug der Verkehrswert ca. ....

In Folge der Übereignung der Gebäude und Übertragung des Mietvertrages buchte die Klägerin den passiven RAP in der Weise aus, dass sie ihn erfolgsneutral auf die Kapitalkonten der Gesellschafter umbuchte.

Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2006 ging der Beklagte davon aus, dass die Bildung des passiven RAP in 1997 nicht zulässig gewesen sei. Wegen der bestandskräftigen Veranlagungen für die Jahre bis 2005 erließ er am 26.1.2010 für 2006 geänderte Bescheide, in denen der Gewinn in Höhe des aufgelösten RAP erhöht wurde.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch vom 10.2.2010, der durch Einspruchsentscheidung vom 11. 5.2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Am 11.6.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, der von dem Beklagten den Bescheiden zu Grunde gelegte Gewinn sei um ... € überhöht. Sie habe 1997 zu Recht einen passiven RAP gebildet. Die ursprünglich in Aussicht stehende Mietfläche sei wegen der Lage in der ... bedeutend mehr wert gewesen als die später angemietete Fläche. Dies habe auch die H anerkannt und deshalb den Ausgleich gewährt, da der vereinbarte Mietpreis wegen des standardisierten Mietentgelts im ... für beide Flächen gleich gewesen sei. Die Rechtsnachfolgerin der H bezüglich des Mietvertrages für das Grundstück X-Straße, die L (L), habe auch durch Schreiben vom 25.2.2009 bestätigt, dass die streitige Zahlung zur Kompensation für die wirtschaftlichen Nachteile erfolgt sei, also eine Kompensation im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses dargestellt habe. Der streitige Betrag sei gerade nicht für die Auflösung des ursprünglichen Vertrages gezahlt worden, sondern im Hinblick auf den neuen Mietvertrag über das Grundstück X-Straße. Auch sei diese Gegenleistung für eine bestimmte Zeit gezahlt worden, da der Mietvertrag für mindestens 30 Jahre abgeschlossen worden sei.

Ein passiver RAP sei zu bilden, wenn ein Handeln, Dulden oder Unterlassen von einer endlichen Laufzeit geprägt sei und daher einen periodischen Charakter aufweise. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit einer gezahlten Stilllegungsprämie, welche ebenfalls periodisch abgegrenzt werden müsse. Auch ergebe sich aus der Differenzierung der drei Zahlungen in Ziffer 2 des Vertrages, dass die hier relevante Zahlung gerade nicht wegen der in der Vergangenheit entstanden Schäden zu leisten gewesen sei.

Zwar habe der passive RAP wegen der Übertragung des Mietvertrages und der Veräußerung des Gebäudes in 2006 aufgelöst werden müssen, allerdings sei diese Auflösung gewinnneutral möglich gewesen, da in Höhe des RAP eine den Gewinn mindernde Rücklage nach § 6b EStG hätte gebildet werden dürfen. Denn der Ertrag aus der Auflösung des RAP stehe im Zusammenhang mit der steuerlichen Übertragung des Gebäudes und sei ein Vorteil im Sinne einer Gegenleistung in Geld oder Geldeswert, von dem, sie, die Klägerin, profitiere. Der Veräußerungspreis sei der gesamte Wert der Gegenleistung. Er umfasse nicht nur das vertraglich vereinbarte Entgelt, sondern sämtliche Leistungen, die der Erwerber als Gegenleistung für den Erwerb des Wirtschaftsgutes zu erbringen habe und umfasse somit die Gesamtheit aller Vorteile, die der Veräußerer in Geld oder Geldeswert für das Wirtschaftsgut erhalte. Für die Beurteilung sei hierbei nicht auf eine streng zivilrechtliche Betrachtungsweise abzustellen, sondern es sei auf das von den Parteien gewollte wirtschaftliche Ergebnis abzustellen. So könnten auch Entschädigungszahlungen als Teil des Veräußerungspreises angesehen werden. Im Streitfall seien die Veräußerung des Gebäudes und die Überleitung des Mietvertrages als Einheit zu qualifizieren, denn die Übertragung des Gebäudes habe unter der aufschiebenden Bedingung der Vertragsübernahme des Mietvertrages gestanden. Beide Verträge seien auf denselben Zeitpunkt geschlossen worden. Der Gewinn aus der Auflösung des RAP sei Teil des begünstigten Veräußerungsgewinns im Sinne des § 6b EStG, weil die Gewinnauswirkung aus einer Leistung stamme, die die Erwerberin des Gebäudes erbracht habe, um das Gebäude zu erwerben. Die Erwerberin habe durch die Vertragsübernahme als notwendigem Annex zum Gebäudeerwerb sie, die Klägerin, von den Pflichten aus dem nachteiligen Mietvertrages befreit. Der von der Erwerberin übernommene Mietvertrag stelle eine wirtschaftliche Belastung dar, denn der Mietvertrag habe sie, die Klägerin, nicht in die Lage versetzt, die Mieterträge zu erzielen, die bei dem anderen zunächst in Aussicht genommenen Grundstück möglich gewesen wären. Aus ihrer Sicht stelle der vereinbarte Veräußerungspreis auch keinen marktgerechten Veräußerungspreis dar, da die Übernahme des nachteiligen Mietvertrages ebenfalls einen preisbestimmenden Faktor für die Erwerberin darstelle. Der durch den Gutachter ermittelte Gebäudewert, der die Grundlage für den Kaufpreis gebildet habe, sei nach dem Ertragswertverfahren ermittelt worden. Auf diese Weise habe sich die vereinbarte ungünstigere Jahresrohmiete ausgewirkt. Wäre das Grundstück C angemietet worden, wäre der Kaufpreis für das Gebäude deutlich höher gewesen, obwohl es keine höheren Kosten beim Bau verursacht hätte. In diesem Fall wäre es unstreitig, dass der gesamte Veräußerungsgewinn in eine § 6b EStG-Rücklage hätte überführt werden können. Eine solche Auslegung entspreche auch dem Regelungszweck des § 6b EStG, denn durch diese Norm solle eine sinnvolle Anpassung der Unternehmen an strukturelle Veränderungen ermöglicht werden.

Die zunächst im Rahmen der Klagebegründung vorgetragenen Ansichten bezüglich der Verletzung von § 6 Abs. 5 EStG und der Auslegung des Übertragungsvertrages dahingehend, dass auch der Anspruch auf Übertragung des RAP auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen sein soll, verfolgt die Klägerin nicht weiter.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2006, jeweils vom 26.1.2010, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.5.2010 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von - ... € festgestellt bzw. festgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich auf seine Einspruchsentscheidung vom 11.5.2010. Die Voraussetzungen für die Bildung eines RAP hätten nicht vorgelegen. Denn die Klägerin habe die streitige Zahlung erhalten, weil sie auf ihr Recht aus dem Vorvertrag verzichtet habe. Dies sei ein einmaliger Vorgang, denn die Klägerin habe nur einmal verzichten können, so dass keine dauernde Unterlassungshandlung vorgelegen habe. Der einmalige Schadensersatzcharakter der Zahlung zeige sich auch darin, dass in Ziffer 6 der Vereinbarung vom 2.1.1996 geregelt sei, unter welchen Umständen Zahlungen zurückzugewähren seien. Ergänzend trägt er vor, die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des aus der Auflösung des RAP resultierenden Gewinnes in die § 6b EStG-Rücklage lägen nicht vor, denn die Entschädigungszahlung sei als Ausgleich für die Standortnachteile gezahlt worden und habe nicht im Zusammenhang mit den in der X-Straße errichteten Gebäuden gestanden. Entscheidend sei, dass nicht die Erwerberin die Entschädigungszahlung an die Klägerin geleistet habe. Es stelle auch keine Gegenleistung der Erwerberin dar, dass sie den Mietvertrag übernommen habe, denn diese Weiternutzung des Grundstücks stelle gerade eine wesentliche Eigenschaft des Gebäudes dar, weshalb das Gebäude überhaupt gekauft worden sei. Gerade der langfristige Mietvertrag sei die Grundlage für die Beurteilung des Verkehrswertes gewesen. Deshalb sei der Kauf des Gebäudes auch von der Übertragung des Mietvertrages abhängig gemacht worden.

Auf die Sitzungsprotokolle des Erörterungstermins vom 1.11.2010 und der mündlichen Verhandlung vom 4.4.2011 wird verwiesen. Dem Gericht haben die Bilanz- und Bilanzberichtsakten, die Gewinnfestellungsakten und die Gewerbesteuerakten, die Betriebsprüfungsakten, 2 Bände BP-Arbeitsakten und die Rechtbehelfsakten zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen.

Aus den Gründen

            Unbegründetheit der Klage

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

In den angefochtenen Bescheiden ist der Beklagte nicht von einem zu hohen Gewinn ausgegangen. Zwar hat die Klägerin zu Recht in 1997 einen passiven RAP gebildet (1.). Dieser musste jedoch wegen des Übergangs des Mietvertrages auf die Erwerberin des Gebäudes in 2006 aufgelöst werden (2.). Eine gewinnneutrale Übertragung des hieraus resultierenden Gewinns in eine § 6b-EStG-Rücklage ist nicht möglich (3.).

            Bescheide sind formell wirksam bekannt gegeben worden

Die angefochtenen Bescheide sind formell wirksam bekannt gegeben worden. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die keine Firma im Sinne der §§ 17 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) hat. Zwar lautete der Name der Gesellschaft laut des schriftlichen Gesellschaftsvertrags bei Gründung K Grundstücksgesellschaft C bR, allerdings wurde dieser Name nur gewählt, weil zunächst die Anmietung des Grundstücks C geplant war. Zu der Anmietung des C kam es nicht, sondern es wurde ein Mietvertrag über die X-Straße abgeschlossen. Der Gesellschaftsvertrag wurde zwar nicht ausdrücklich geändert, allerdings wurden die Steuererklärungen von der Klägerin als K Grundstücksges. b. R. unter der Anschrift X-Straße abgegeben, so dass der Beklagte zu Recht auch diesen Namen in seinen hier angefochtenen Bescheiden angab. Für die Klägerin und ihre Vertreter bestand nach eigenem Bekunden kein Zweifel, dass sich diese Bescheide an sie richteten, da es keine andere Gesellschaft mit diesem Namen gab.

            Bildung eines passiven RAP erfolgte zu Recht

1. Die Klägerin hat zu Recht 1997 einen passiven RAP gebildet.

Gemäß § 250 Abs. 2 HGB sind als RAP auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellen; dem entspricht wörtlich § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 und Nr. 5 HGB) erst dann - durch Auflösung des RAP - erfolgswirksam wird, wenn der Kaufmann seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat (BFH vom 23.2 2005 I R 9/04, BStBl II 2005, 481 m. w. N.). Gewinne dürfen erst berücksichtigt werden, wenn sie am Abschlussstichtag durch Umsatzakte realisiert sind (BFH vom 24.7.1996 I R 94/95, BStBl II 1997, 122, BB 1996, 2190). Insoweit ist die Zielrichtung der passiven Rechnungsabgrenzung mit der der Passivierung von Anzahlungen (§ 266 Abs. 3 C. Nr. 3 HGB) vergleichbar. Im Hinblick auf die für eine Rechnungsabgrenzung erforderliche zeitliche Zuordenbarkeit des Entgelts („bestimmte Zeit") muss die noch ausstehende Gegenleistung des Kaufmanns zeitbezogen oder periodisch aufteilbar sein. Dies setzt eine zumindest qualitativ gleich bleibende Dauerverpflichtung voraus (BFH vom 20.5.1992 X R 49/89, BStBl II 1992, 904, BB 1992, 1602; BFH vom 10.9.1998 IV R 80/96, BStBl II 1999, 21, BB 1998, 2468), die einem „Wertverzehr" unterliegt (BFH vom 18.12.2002 I R 17/02, BStBl II 2004, 126, m. w. N.). Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit "nach diesem Zeitpunkt" darstellt, muss darüber hinaus seitens des Kaufmanns eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Im Hinblick auf eine bereits vollzogene Leistung kann eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen.

Übertragen auf den Streitfall folgt hieraus, dass die Voraussetzungen für die Bildung eines passiven RAP im Hinblick auf die von der H gezahlten ... DM gem. Nr. 2 c des Vertrages vom 1.3.1996 vorlagen. Denn anders als die Zahlungen gem. 2a und 2b des Vertrages, welche bereits entstandene Schäden ausgleichen sollten, wurde dieser Betrag gezahlt, um die in den folgenden 30 Jahren zu erwartenden Standortnachteile auszugleichen. Zwar besteht keine unmittelbare Verpflichtung der Klägerin gegenüber der H aus diesem Vertrag von 1996, die als Gegenleistung gewertet werden kann. Es ergibt sich aber aus der von der Klägerin vorgelegten Bestätigung der L vom 25.2.2009 (Anlage K 9), dass sich die Vertragsparteien bewusst gewesen sind, dass das im neuen Mietvertrag vereinbarte Mietentgelt im Vergleich zum ursprünglich geplanten Mietentgelt überhöht gewesen ist. Wegen der Preisbindung der Mieten im ... war jedoch die Vereinbarung einer anderen Miete nicht möglich, so dass die Vertragsparteien sich darauf verständigt haben, einen Betrag für diese „überhöhte" Miete als Ausgleich zu vereinbaren. Anders als bei den in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen der Vorfälligkeitsentschädigung (vgl. z. B. BFH vom 7.3.2007 I R 18/06, BStBl II 2007, 1839 m. w. N. ) wurde der hier streitige Betrag nicht als Ausgleich für einen vorzeitig beendeten Vertrag gezahlt, sondern als Ausgleich für einen später abgeschlossenen Vertrag, dessen Konditionen schlechter waren als die zunächst vereinbarten.

Letztlich kann diese Frage jedoch offen bleiben, da auch dann, wenn kein RAP in 1997 hätte gebildet werden dürfen, dieser im Streitjahr aufgelöst werden müsste und die Voraussetzungen für eine Einstellung dieses Gewinns in eine § 6b EStG-Rücklage nicht vorliegen (dazu 3.).

            Passiver RAP musste jedoch wegen des Übergangs des Mietvertrages auf die Erwerberin des Gebäudes in 2006 aufgelöst werden

2. Der gebildete passive RAP musste im Jahr 2006 aufgelöst werden, weil der Mietvertrag in 2006 auf die Erwerberin des von der Klägerin errichteten Gebäudes übertragen wurde. Dementsprechend gab es ab diesem Übertragungszeitpunkt keinen Nachteil mehr für die Klägerin, der durch periodengerechte Auflösung des passiven RAP kompensiert werden musste.

            Gewinnneutrale Übertragung des hieraus resultierenden Gewinns in eine § 6b-EStG-Rücklage ist nicht möglich

3. Der Gewinn aus der Auflösung des RAP ist erfolgswirksam, insbesondere kann er nicht in eine § 6b EStG-Rücklage eingestellt werden. Dieser Gewinn ist kein Veräußerungsgewinn, der aus der Veräußerung des Gebäudes resultiert.

Steuerpflichtige, die Gebäude veräußern, können nach § 6b Abs. 1 EStG bei Vorliegen der in § 6b Abs. 4 EStG genannten Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von den Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 S. 1 EStG).

Gewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt, mit dem das veräußerte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen gewesen wäre (§ 6b Abs. 2 S. 1 EStG). Der Veräußerungspreis wird bestimmt durch das vertraglich vereinbarte Entgelt und etwaige Leistungen, die der Erwerber als Gegenleistung für den Erwerb des Wirtschaftsgutes zu erbringen hat. Kein Teil der Gegenleistung ist eine Entschädigung, die der Steuerpflichtige nicht für das hingegebene Grundstück bzw. Gebäude, sondern anlässlich der Veräußerung zum Ausgleich eines anderweitigen Nachteils erzielt (BFH vom 22.1.2004 IV R 32/03, BFH/NV 2004, 1092 m. w. N.).

Übertragen auf den Streitfall folgt hieraus, dass der für die Rücklage gem. § 6b EStG maßgebliche Gewinn ausschließlich durch das durch die Erwerberin bezahlte Entgelt bestimmt wird. Nicht einzubeziehen ist der Gewinn aus der Auflösung des RAP, denn dieser beruht nicht auf einer Gegenleistung der Erwerberin. Nicht die Erwerberin hatte ursprünglich die Ausgleichszahlung geleistet, sondern die H. Diese hatte den Betrag auch nicht als Ausgleich für das Gebäude gezahlt, sondern als Ausgleich für einen nicht zustande gekommenen Mietvertrag C.

Zwar stellt der Gebäudekaufvertrag vom 22.6.2006 in § 8 eine gewisse Verknüpfung zwischen Kaufgeschäft und Mietvertrag her, und zwar in der Weise, dass die Wirksamkeit des Kaufvertrages unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass die H der Übernahme des Grundstücksmietvertrages durch die Erwerberin zustimmt. Diese Bedingung bezieht sich aber auf den tatsächlich durchgeführten Mietvertrag für die X-Straße, während der passive RAP im Zusammenhang mit dem nicht realisierten Mietvertrag C steht. In diesem Zusammenhang beruft sich die Klägerin zu Unrecht darauf, dass die Übernahme des „ungünstigen" Mietvertrages für die X-Straße eine Gegenleistung der Erwerberin sei. Denn die Übernahme des Mietvertrages kann nicht als Befreiung von einer "lästigen Verbindlichkeit" gewertet werden, sondern dieser Mietvertrag stellte einen beträchtlichen Wertfaktor dar, der entsprechend auch von dem Grundstücksgutachter bewertet worden ist. Der Umstand, dass der ursprünglich ins Auge gefasst Grundstücksmietvertrag am C noch werthaltiger gewesen wäre, ändert daran nichts.

Das Gericht kann auch der Auffassung der Klägerin nicht folgen, dass der Veräußerungsgewinn zutreffend nur unter Einbeziehung sowohl des Kaufpreises als auch des Restbetrages der Entschädigungszahlung, wie er noch in dem passiven RAP abgebildet war, bestimmt werden könne. Denn hierbei vermischt die Klägerin verschiedene Ebenen: Für die Bestimmung des Veräußerungsgewinns für die § 6b-Rücklage kommt es allein auf das Veräußerungsgeschäft zwischen der Klägerin und ihrer Schwestergesellschaft gem. Vertrag vom 22.6.2006 und die darin vereinbarten Leistungen an. Auf diesem Leistungsaustausch beruht die in Ansatz gebrachte § 6b-Rücklage. Die andere Ebene betrifft die Leistungsbeziehung der Klägerin zur H, betreffend einen Vorvertrag über die Anmietung des Grundstücks C vom 23.06.1994 und dessen Ablösung durch die Vereinbarung vom 1.3.1996 über das Angebot für ein Ersatzgrundstück minderen Wertes und eine Ausgleichszahlung in Höhe der geschätzten Wertdifferenz, die die Grundlage für den passiven RAP wurde. Dieser RAP ist lediglich aus Anlass der Veräußerung des Gebäudes aufgelöst worden, der darin realisierte Wert wird damit aber nicht zu einer Gegenleistung für den Kaufgegenstand.

Insoweit handelt es bei der Annahme der Klägerin, dass sie einen höheren Kaufpreis erzielt hätte, wenn sie seinerzeit das höherwertige Grundstück ... hätte anmieten können, und daher der Kaufpreis fiktiv um die Ausgleichszahlung in der noch nicht aufgezehrten Höhe zu erhöhen sei, um eine rein hypothetische Überlegung, die der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden kann. Maßgeblich ist vielmehr allein der realisierte Sachverhalt, und zwar einerseits der Kaufvertrag betreffend die X-Straße und andererseits die Vereinbarung über eine Ausgleichszahlung für ein nicht zustande gekommenes Geschäft und deren steuerliche Abwicklung über einen passiven RAP.

            Rechtsgrundlage der Nebenentscheidungen

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 115 Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung.

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