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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
10.03.2011
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Rheinland-Pfalz: Dauernde Wertminderung von Fondsbeteiligungen

 

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.12.2010 - 1 K 2237/07, Rev. eingelegt

(Az. BFH: I R 7/11)

Leitsätze (des Kommentators)

1. Eine Orientierung an der im Steuerrecht an verschiedenen Stellen zur Anwendung gelangenden Geringfügigkeitsgrenze von 10% ist erforderlich, aber auch ausreichend, um bloße (kurzfristige) Kursschwankungen von einer dauernden Wertminderung abzugrenzen.

2. Bei Anschaffung zu unterschiedlichen Zeitpunkten ist hinsichtlich der Kurswertminderung auf das Verhältnis zwischen den Kurswerten bei den einzelnen Anschaffungen und der Teilwertabschreibung und nicht auf das Verhältnis zwischen den gesamten Anschaffungskosten und der Teilwertabschreibung abzustellen.

Sachverhalt

Streitig ist die steuerrechtliche Bewertung von Fondsbeteiligungen.

Die Klägerin ist eine durch Umwandlung entstandene AG, deren Unternehmensgegenstand die Vermittlung von Finanzdienstleistungen jeder Art ist. Sie vermittelt Verträge zwischen ihren Produktpartnern, z. B. Versicherungen, und deren Kunden. Die Versicherungsunternehmen zahlten der Klägerin den vollen Provisionsanspruch aus, der aber nur verdient war, wenn der vermittelte Kunde den Vertrag während der sog. Haftungszeit aufrechterhielt. Bei Stornierung oder Kündigung des Vertrags hatte die Klägerin die vorausbezahlte, aber noch nicht verdiente Provision an das Unternehmen zurückzuzahlen. Angesichts der Dauer des Haftungszeitraumes, der in der Regel 12 bis 48 Monate, ausnahmsweise auch bis zu 120 Monaten betrug, verlangten die Versicherungsunternehmen zur Sicherung dieses Provisionsrückzahlungsanspruchs im Allgemeinen Sicherheiten, die die Klägerin dadurch leistete, dass sie zum Marktpreis Anteile an Wertpapierfonds erwarb und verpfändete (sog. Stornoreserve).

So hatte sie Anteile am Fonds „V..." (V) erstmalig in 1999 zu Anschaffungskosten i. H. v. 375 301,04 DM erworben, in 2000 weitere Anteile für 577 649,78 DM (Kurswert am 16.3.2000: 290,87 DM/Anteil). Den Gesamt-Anschaffungskosten i. H. v. 952.950,82 DM stand zum 31.12.2000 ein Depotwert i. H. v. 860 732,13 DM (Kurswert: 203,11 DM/Anteil) gegenüber. Am 12.4.2001 erwarb die Klägerin weitere Fondsanteile zum Preis von 172,29 DM/Anteil (Bl. 77 PA).

Außerdem hatte die Klägerin Anteile am Fonds „S..." erstmals in 2000 zum Kurswert von 107,59 DM/Anteil (Anschaffungskosten: 80 000.- DM) erworben, zum 31.12.2000 betrug der Kurswert 84,49 DM/Anteil (Depotwert: 62.824,93 DM). Am 5.4.2001 erwarb die Klägerin weitere Fondsanteile zum Preis von 75,12 DM/Anteil (Bl. 77 PA).

Der Kurswert von erstmals in 2000 erworbenen Anteilen am Fonds „T..." hatte 15,49 DM/Anteil (Anschaffungskosten: 93 403,49 DM) betragen. Zum 31.12.2000 betrug der Kurswert 12,98 DM/Anteil (Depotwert: 78.249,47 DM).

Angesichts der gesunkenen Werte dieser als Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ausgewiesenen Fondsbeteiligungen zum Bilanzstichtag 31.12.2000 bzw. dem Zeitpunkt der Bilanzerstellung (26.6.2001) nahm die Klägerin in ihrer für das Streitjahr 2000 abgegebenen Steuererklärung Teilwertabschreibungen i. H. v. 92 218,69 DM (V), 17 175,07 DM (S) und 15 154,02 DM (T), insgesamt also 124 547,78 DM vor.

Der Beklagte vertrat nach einer bei der Klägerin für die Jahre 2000 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung die Auffassung, dass Teilwertabschreibungen mangels dauernder Wertminderungen im Streitjahr und auch in 2001 nicht vorzunehmen seien (vgl. Tz. 1.5 des geänderten Bp-Berichts vom 6.6.2006) und legte dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2000 vom 24.7.2006 einen dementsprechend erhöhten Gewinn zugrunde.

Den hiergegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14.8.2007 als unbegründet zurück.

Die Fondsanteile seien als Anlagevermögen der Klägerin mit den Anschaffungskosten zu bilanzieren. Für den Ansatz eines niedrigeren Teilwerts fehle es an einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Der Teilwert börsennotierter Wertpapiere richte sich grundsätzlich nach dem Börsenkurswert. Von einer dauernden Wertminderung sei nur auszugehen, wenn sich für einen überschaubaren Zeitraum eine Werterholung nicht abzeichne. Weil börsennotierte Wertpapiere beinahe täglichen Kursschwankungen unterlägen, sei ein zum Abschlussstichtag ermittelter Kurswert mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von Dauer. Ein niedrigerer Teilwert sei beispielsweise nicht anzusetzen, weil der Kurswert an drei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen unter den Anschaffungskosten liege. Auch zyklische Schwankungen innerhalb eines Fünfjahres-Zeitraumes sprächen gegen die Annahme einer dauerhaften Wertminderung, denn die Konjunktur unterliege mehrjährigen Zyklen. So seien nach vorangegangener Hochkonjunktur die Aktienkurse ab 2000 auf breiter Front gefallen und hätten sich seit 2003 wieder kontinuierlich erholt. Der Kurswert des Templeton-Fonds 971656 habe sich gegenüber 2001 bis 2007 mehr als verdoppelt. Im Streitfall hätten die Wertminderungen aus Sicht des Tages der Bilanzerstellung noch nicht mehr als fünf Jahre bestanden, besondere Anlässe für eine Wertminderung der Papiere seien nicht vorgetragen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hält die Klägerin an der Zulässigkeit der Teilwertabschreibungen fest.

Eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung von Aktien im Anlagevermögen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG iVm § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB, § 5 Abs. 1 EStG sei anzunehmen, weil der Kurswert zum Bilanzstichtag unter den Anschaffungskosten gelegen habe und bis zur Bilanzaufstellung keine Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Ansteigen des Kurswertes vorgelegen hätten. Dies habe der BFH in seiner Entscheidung vom 26.9.2007 - I R 58/06, BB 2008, 550, bestätigt. Eine Teilwertabschreibung sei nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil die Möglichkeit einer zukünftigen Wertsteigerung von Aktien bestehe. Da eine solche nie ausgeschlossen werden könne, würde § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG leerlaufen. Der Börsenwert einer Aktie spiegele die Auffassungen der Marktteilnehmer über deren Wert wieder. Weil eine Prognose über die künftigen Kurse bereits in den Börsenkurswert eingeflossen sei, bedürfe es zur Beurteilung einer Teilwertabschreibung insoweit keines Prognosezeitraumes. Der BFH habe eine voraussichtlich dauernde Wertminderung selbst für den Fall bejaht, dass sich der Kurswert zwischen Bilanzstichtag und Aufstellung der Bilanz leicht erholt habe, aber noch unter den Anschaffungskosten liege. Im Streitfall sei der Wert der Fondsanteile Veritas 8701 zwischen Anschaffung und Bilanzstichtag um 30,17% und zwischen Anschaffung und Aufstellung der Bilanz um 40,77%, der der Fondsanteile S zwischen Anschaffung und Bilanzstichtag um 21,47% und zwischen Anschaffung und Aufstellung der Bilanz um 30,18% und der der Fondsanteile Templeton zwischen Anschaffung und Bilanzstichtag um 16,22% und zwischen Anschaffung und Aufstellung der Bilanz noch weiter gesunken.

Die vom Beklagten insoweit ermittelten Kurswertminderungen zwischen 9,6% und 21,7% beruhten, soweit dies den Fonds V betreffe, auf dem Verhältnis zwischen den gesamten Anschaffungskosten und der Teilwertabschreibung. Die Gesamt-Anschaffungskosten umfassten jedoch Anschaffungskosten zu verschiedenen Kurswerten. Die Wertminderung des Depots im Verhältnis zu den einzelnen Anschaffungen habe aber tatsächlich, wie ausgeführt, zwischen 30,17% und 40,77% betragen. Aber selbst bei Zugrundelegung der vom Beklagten angenommenen Wertminderungen sei eine Teilwertabschreibung zulässig, denn ein solcher Wertverlust sei nicht mehr wirtschaftlich vernachlässigbar. Insoweit habe auch der BFH in der genannten Entscheidung Teilwertabschreibungen bei Wertverlusten unter 50% nicht für unzulässig erachtet.

Der BFH habe die Frage, ob jedes Absinken des Kurswertes in der Bilanz nachvollzogen werden müsse oder ob Wertveränderungen innerhalb einer Bandbreite aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Bilanzstetigkeit als nur vorübergehende Schwankungen zu beurteilen seien, ausdrücklich offen gelassen. Weil aber das EStG eine solche Bandbreite nicht vorsehe und es an allgemein anerkannten typisierenden Kriterien für die Teilwertabschreibung auf Aktien fehle, sei eine solche nicht zulässig. So entbehre auch eine Grenze, nach der eine Teilwertabschreibung im Jahr der Anschaffung nur zulässig sein solle, wenn der Kurswert um mehr als 20% unter die Anschaffungskosten gesunken sei, einer Rechtsgrundlage. Außerdem normiere § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG für den Fall der Erholung der Kurswerte eine zwingende, die Besteuerung etwaiger Kurssteigerungen sichernde Wertaufholung. Unabhängig davon stellten die Wertminderungen der von der Klägerin gehaltenen Aktien derart erhebliche Wertverluste dar, dass eine solche etwaige Bandbreite überschritten wäre.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14.8.2007 den Bescheid über Körperschaftsteuer 2000 vom 24.7.2006 dahingehend zu ändern, dass bei der Bewertung der Fondsbeteiligungen eine Teilwertabschreibung in Höhe von 124 547,78 DM gemäß § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er hält an seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung fest und weist ergänzend darauf hin, dass fraglich sei, ob jedes Absinken des Kurswertes eine Teilwertabschreibung rechtfertige oder Schwankungen innerhalb einer gewissen Bandbreite unbeachtlich seien. Nach der von der Klägerin zitierten BFH-Entscheidung sei lediglich ein Absinken des Kurswertes um 50% bzw. 40% als nicht nur vorübergehend beurteilt worden. Ähnliches ergebe sich auch aus dem BMF-Schreiben vom 23.3.2009 [richtig: 26.3.2009, die Red.] - IV C 6 - S 2171 - b/0, BStBl I 2009, 514, BB 2009, 892,.

Im Streitfall entspreche die auf die Anschaffungskosten des Fonds V (952.951,17 DM) vorgenommene Teilwertabschreibung (92 156,17 DM) ca. 9,6%, die auf die Anschaffungskosten des Fonds S (80 000 DM) vorgenommene Teilwertabschreibung (17 175,07 DM) ca. 21,7% und die auf die Anschaffungskosten des Fonds T (93 403,49 DM) vorgenommene Teilwertabschreibung (15 154,02 DM) ca. 16,2% der Anschaffungskosten. Soweit die Teilwertabschreibungen den Kurswertminderungen entsprächen, liege diese unter den von der Klägerin berechneten bis zu 30%. Selbst diese von der Klägerin errechnete Kursminderung bis zu 30,17% (Veritas) liege noch deutlich unter dem Wert von 50% aus dem genannten BFH-Urteil.

Aus den Gründen

            Begründetheit der Klage

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat die von der Klägerin begehrten Teilwertabschreibungen auf die Beteiligungen an den Wertpapierfonds zu Unrecht nicht zugelassen.

            Voraussetzung für den Teilwertansatz ist eine voraussichtlich dauernde Wertminderung

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens im Grundsatz mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Jedoch kann für solche Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist. Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises bei angenommener Betriebsfortführung für das einzelne Wirtschaftsgüter ansetzen würde.

            Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei börsennotierten Aktien

Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt vor, wenn der Teilwert nachhaltig unter den maßgeblichen Buchwert gesunken ist. Von einem „nachhaltigen" Sinken des Teilwerts unter die Anschaffungskosten ist auszugehen, wenn aus der Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Wertminderung gerechnet werden muss. Hierfür bedarf es einer an der Eigenart des Wirtschaftsgutes ausgerichteten Prognose. Allein die Möglichkeit einer Wertsteigerung in der Zukunft, die bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens regelmäßig nie ausgeschlossen werden kann, steht einer Teilwertabschreibung nicht entgegen; andernfalls liefe § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG leer. Ob eine Wertminderung voraussichtlich andauern wird, richtet sich vielmehr danach, ob aus Sicht des Bilanzstichtages mehr Gründe für ein Andauern der Wertminderung sprechen als dagegen. Welcher Prognosezeitraum hierbei zugrunde zu legen ist, kann nicht generell beantwortet werden, sondern richtet sich nach den prognostischen Möglichkeiten zum Bilanzstichtag, die je nach Art des Wirtschaftsgutes und des auslösenden Moments für die Wertminderung unterschiedlich sein können. Bei börsennotierten Aktien, die als Finanzanlage im Anlagevermögen gehalten werden, ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung jedenfalls dann auszugehen, wenn der Kurswert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist und zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung keine konkreten Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Ansteigen des Kurses vorliegen (BFH-Urteil vom 26.9. 2007 - I R 58/06, BStBl II 2009, 294, BB 2008, 550, m.w.N.).

            Im BFH-Urteil I R 58/06 bleibt die Frage der Existenz einer Geringfügigkeitsgrenze offen

Ob jedes Absinken des Kurswertes unter die Anschaffungskosten in der Bilanz nachvollzogen werden muss oder ob Wertveränderungen innerhalb einer gewissen Bandbreite aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Bilanzstetigkeit als nur vorübergehende, nicht zu einer Teilwertabschreibung berechtigende Wertschwankungen zu beurteilen sind, konnte der BFH in der genannten Entscheidung angesichts dessen, dass im dortigen Fall der Teilwert zum Bewertungsstichtag um fast 50 % und zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung um mehr als 40 % unter die Anschaffungskosten gesunken war, offenlassen.

            Im Streitfall handelt es sich jedoch um wirtschaftlich bedeutende Wertminderungen

Obwohl im Streitfall Wertminderungen in einem solchen Umfang nicht, jedenfalls nicht für alle streitigen Positionen vollständig erreicht wurden, diese sich vielmehr nach der zutreffenden, die einzelnen Fonds betrachtenden Berechnungsmethode der Klägerin zwischen 16,22% und 30,17% bezogen auf die Werte zum Bilanzstichtag und bezogen auf die Werte zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung zwischen 30,18% und 40,77% bewegten, kommt der Senat, ohne damit eine Festlegung im Sinne einer konkreten Bandbreite von Wertveränderungen vorzunehmen, gleichwohl zu dem Ergebnis, dass es sich vorliegend nicht nur um steuerlich unbeachtliche vorübergehende und den Finanzanlagen quasi immanente Wertschwankungen, sondern um wirtschaftlich bedeutende Wertminderungen handelt, die bei der Bewertung der Vermögenspositionen nicht unbeachtet bleiben können. Hinzu kommt der Umstand, dass im Streitfall im „Nachbetrachtungszeitraum" zwischen Bilanzstichtag und dem Zeitpunkt der Bilanzaufstellung konkrete Anhaltspunkte für eine baldige Wertaufholung nicht vorgelegen haben (vgl. dazu etwa Urteil des FG Münster vom 9.7.2010 - 9 K 75/09 K, Juris, Revision beim BFH unter I R 83/10 anhängig).

            Senat hält die Auffassung der Finanzverwaltung für zu restriktiv

Der Senat vermag der im BMF-Schreiben vom 26.3.2009 - IV C 6 - S 2171 - b/0, BStBl I 2009, 514, BB 2009, 892, vertretenen Auffassung, auf die sich der Beklagte im Wesentlichen bezieht, nicht zu folgen. Mit dieser Verwaltungsanweisung hat sich der BMF - insoweit seine im Schreiben vom 25.2.2000 - IV C 2 - S 2171 b - 14/00, BStBl I 2000, 372, BB 2000, 1029, vertretene Auffassung weiterentwickelnd - zwar grundsätzlich den Ausführungen des BFH im o.g. Urteil angeschlossen, aber darüber hinausgehend die Behandlung von Wertveränderungen innerhalb einer gewissen Bandbreite durch eine zeitliche und rechnerische Komponente dergestalt ausgefüllt, dass von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung nur dann auszugehen sei, wenn der Börsenkurs zum jeweiligen Bilanzstichtag um mehr als 40% unter die Anschaffungskosten oder zum jeweiligen Bilanzstichtag und dem vorangegangene Bilanzstichtag um mehr als 25% unter die Anschaffungskosten gesunken ist. Auch wenn damit die vom BFH in der o.g. Entscheidung offen gelassene „Bandbreite" auf den ersten Blick nicht verlassen zu sein scheint (vgl. aber Kulosa, DStR 2010, 2344, der das BMF-Schreiben als „faktischen Nichtanwendungserlass" ansieht), hält der Senat die vom BMF geforderten Voraussetzungen für zu restriktiv. Diese führten im Ergebnis dazu, dass die Bandbreite der Wertminderung des vom BFH entschiedenen Streitfalls als Mindestwert für eine voraussichtlich dauernde Wertminderung zu fordern wäre. Dies kann der Urteilsbegründung des BFH indes so nicht entnommen werden (kritisch hierzu auch Korth, AktStR 2009, 319 ff). Die Beschränkung auf derart erhebliche Wertminderungen und damit die Festlegung hoher Schwellenwerte geht über das grundsätzlich zu befürwortende Ziel, bedeutungslose Wertschwankungen von der steuerlichen Berücksichtigung auszuschließen, hinaus (vgl. Urteil des FG Münster vom 31.8.2010- 9 K 3466/09 K,G, BB 2010, 2882, DStR 2010, 2340, Revision beim BFH unter Az. I R 89/10 anhängig; so auch schon Hahne DStR 2008, 540 ff).

            FG Münster 9 K 3466/09 K,G hat einen zwischen der Verwaltungsmeinung und in der Literatur vertretenen Auffassungen liegenden Lösungsansatz

Ausgehend von den grundsätzlichen Erwägungen des BFH in seiner o.g. Entscheidung hat das FG Münster mit Urteil vom 31.8.2010, 9 K 3466/09 K,G, a.a.O. einen zwischen der beschriebenen strengen Verwaltungsmeinung und in der Literatur vertretenen Auffassungen liegenden Lösungsansatz formuliert, nach dem eine Teilwertabschreibung dann möglich sein soll, wenn entweder der Kurs am Bilanzstichtag um mehr als 20% unter den Anschaffungskosten liegt oder der Kurs an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen jeweils um mehr als 10% unter den Anschaffungskosten liegt.

            Geringfügigkeitsgrenze von 10% ist sachgerecht

Trägt dieser nachvollziehbar begründete Ansatz einem Wertverlust von Wirtschaftsgütern der streitgegenständlichen Art in systematischer Hinsicht mehr Rechnung als die strenge Verwaltungsauffassung, hält der Senat dennoch auch diese Grenzen für letztlich nicht zwingend. Denn unter Zugrundelegung der maßgeblichen Überlegungen des BFH im o.g. Urteil, nach denen bei informationseffizienten Märkten wie dem Wertpapiermarkt die im steuerrechtlichen Sinne erforderliche Dauerhaftigkeit der Wertminderung im Kurswert selbst bereits verarbeitet ist, erscheint es zumindest problematisch, einem Prozentsatz in der zuletzt genannten Höhe eine derart starke indizielle Wirkung für das Merkmal der Dauerhaftigkeit einer Wertminderung zukommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund kann es bei einer solchen Schwellenwertbestimmung, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass börsennotierte Wertpapiere nahezu täglichen Kursschwankungen unterliegen, im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtung nur darauf ankommen, aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Bilanzstetigkeit eine Erheblichkeitsschwelle zu bestimmen (vgl. Schlotter, BB 2010, 2882). Es ist abzuwägen zwischen den vom Umfang des allen Beteiligten entstehenden Verwaltungsaufwands bestimmten Praktikabilitätsüberlegungen einerseits und der Bedeutung der steuerlichen Auswirkungen einer Teilwertabschreibung andererseits (vgl. Kulosa, a.a.O.). Ausgehend davon, dass es bei der danach vorzunehmenden Grenzwertfindung darauf ankommt, einerseits Bagatellwertminderungen auszuscheiden, andererseits die Vermögensverhältnisse des Unternehmens nahezu genau abzubilden, erscheint dabei eine Orientierung an der im Steuerrecht an verschiedenen Stellen zur Anwendung gelangenden Geringfügigkeitsgrenze von 10% (vgl. etwa bei der Aufteilung gemischter Aufwendungen gemäß dem BMF-Schreiben vom 6.7.2010 - IV C 3 S 2227/07/10003, BStBl I 2010, 614, nach dem von einer Unschädlichkeit einer privaten Mitveranlassung bis zu 10% für die Annahme einer überwiegend betrieblichen Veranlassung von gemischten Aufwendungen und auch umgekehrt ausgegangen werden kann; bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum notwendigen Privat- oder gewillkürten Betriebsvermögen nach EStR 4.2; bei der für die Tarifbegünstigung eines Veräußerungsgewinns maßgeblichen Bestimmung der wesentlichen Grundlagen einer freiberuflichen Praxis unterZurückbehaltung einzelner Mandate, auf die in den letzten drei Jahren weniger als 10% der gesamten Einnahmen entfielen, BFH-Urteil vom 18.5.1994 - I R 109/93, BStBl 1994 II, 925, BFH-Beschluss vom 6.8.2001 - XI B 5/00, BFH/NV 2001, 1561) erforderlich, aber auch ausreichend, um bloße (kurzfristige) Kursschwankungen abzugrenzen (vgl. auch Schmidt/Kulosa, EStG § 6 Rz 367 m.w.N.).

            Mt dem StEntlG 1999/2000/2002 wurde das bis dahin geltende Wertbeibehaltungswahlrecht durch ein striktes Wertaufholungsgebot ersetzt

Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit dem StEntlG 1999/2000/2002 das bis dahin geltende Wertbeibehaltungswahlrecht durch ein striktes Wertaufholungsgebot ersetzt hatte (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Dies bedeutet, dass zu vorangegangenen Bilanzstichtagen vorgenommene Teilwertabschreibungen nur beibehalten werden dürfen, wenn die Gründe für die Wertminderungen auch an späteren Stichtagen fortbestehen. Ist dies nicht der Fall und kann der Steuerpflichtige den ihm auch insoweit obliegenden Nachweis nicht erbringen, kommt es zu einer gewinnwirksamen Wertzuschreibung. Angesichts dessen stehen auch die vom Beklagten angesprochenen Werterhöhungen einzelner von der Klägerin gehaltener Fondsanteile zu nach dem Streitjahr liegenden Zeitpunkten, etwa die Verdoppelung des Wertes des Templeton-Fonds von 2001 bis 2007, der für das Streitjahr vorzunehmenden Bewertung nicht entgegen.

            Bewertung der streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens hat im Streitfall besondfere Bedeutung

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass der Bewertung der streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens angesichts der individuellen Verhältnisse des Streitfalls eine besondere Bedeutung zukommt. Die an die Vertragspartner der Klägerin verpfändeten Anteile an den Wertpapierfonds dienten diesen nach bereits erfolgter vollständiger Auszahlung der Provisionen an die Klägerin als Sicherheit für möglicherweise entstehende Rückforderungen von letztlich der Klägerin nicht zustehenden Provisionsanteilen (in den sog. Stornofällen). Die Werthaltigkeit dieser als Sicherheit vorzuhaltenden Vermögenswerte - und damit auch der Ausweis einer Minderung derselben - lag daher im unmittelbaren Interesse der Vertragspartner. Auch angesichts dieses Umstandes erscheint eine die Schwelle von 10% überschreitende Wertminderung als nicht mehr derart vernachlässigbar, dass es eines entsprechenden Bilanzausweises nicht bedurft hätte.

            Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die zur Neuberechnung der Steuerbeträge auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten und der Abwendungsbefugnis beruht auf §§ 151 Abs. 2 und 3, 155 FGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 

            Zulassung der Revision

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und auch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

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