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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
03.11.2023
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Köln: Beteiligung eines Wohnungseigentümers an Instandhaltungsrückstellung als zu bilanzierendes Wirtschaftsgut

FG Köln, Urteil vom 21.6.2023 – 2 K 158/20, Rev. eingelegt (Az. BFH IV R 19/23)

ECLI:DE:FGK:2023:0621.2K158.20.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2023-2608-1

Nicht Amtliche LEITSÄTZE

1. Bei Bildung einer Instandhaltungsrückstellung i.S.v. § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG 2007 vermittelt die Beteiligung an einer Wohnungseigentümergemeinschaft dem jeweiligen Eigentümer bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen geldwerten Anspruch auf Bezahlung von Aufwendungen aus der Instandhaltungsrückstellung, weshalb Zahlungen in diese Rücklage ein vom gewerblichen Wohnungseigentümer bis zum Zeitpunkt der Verausgabung durch den Verwalter zu aktivierendes Wirtschaftsgut darstellen.

2. Die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung der Instandhaltungsrückstellung i.S.v. § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG 2007 hat für die ertragsteuerliche Frage des Betriebsausgabenabzugs in diese Rücklage erbrachter Zahlungen keine Bedeutung.

EStG § 5 Abs. 1; WEG § 10 Abs. 6, Abs. 7; GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1

Sachverhalt

Die Klägerin ist im Bereich der Verwaltung von Liegenschaften und des An- und Verkaufs von Immobilien im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig.

Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom ...05.2016 mehrere Teileigentumsrechte an einer Immobilie in Z. Nach dem Kaufvertrag sollte der Anteil des Verkäufers an den gemeinschaftlichen Geldern (u. a. Instandhaltungsrückstellung) bei Besitzübergang auf die Klägerin übergehen. Der Gesamtkaufpreis betrug 40.000 € und wurde von der Klägerin auf die einzelnen Teileigentumsrechte verteilt. Das Finanzamt Y setzte daraufhin Grunderwerbsteuer in Höhe von 2.600€ auf Basis einer Bemessungsgrundlage von 40.000 € fest. Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch wurde geltend gemacht, die Bemessungsgrundlage müsse um die miterworbenen Guthaben aus der Instandhaltungsrückstellung von insgesamt 14.815,19 € vermindert und die Grunderwerbsteuerfestsetzung gem. § 3 Nr. 1 GrEStG aufgehoben werden, da der auf die erworbenen Teileigentumsrechte entfallende Kaufpreis abzüglich der Instandhaltungsrückstellung je Teileigentum 2.500 € nicht übersteige. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch die nachfolgende Klage beim Finanzgericht Köln, Aktenzeichen 5 K 2297/16, hatte keinen Erfolg und wurde mit Urteil vom 17.10.2017 (Bl. 22 GA) abgewiesen. Das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II R 49/17 blieb ebenso ohne Erfolg, Urteil vom 16.09.2020, BFHE 271, 455, BStBl. II 2021, 339 [BB 2021, 798 m. BB-Komm. Dachauer].

Im März 2018 gab die Klägerin die hier streitige Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2016 ab. Mit Bescheid vom 05.06.2018 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie erklärt in Höhe von ... € festgestellt. In den Forderungen It. Bilanz auf den 31.12.2016 waren die nunmehr streitigen Instandhaltungsrückstellungen aktiviert mit ... € enthalten. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 03.07.2018 Einspruch ein, den sie damit begründete, dass das Finanzamt Y eine Instandhaltungsrückstellung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht in Abzug gebracht habe. Gestützt worden sei dies auf die seit Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) vom 26.03.2007 geltende neue Rechtslage. Da der Instandhaltungsrückstellung die eigene Verkehrsfähigkeit abgesprochen worden sei, seien entsprechende Forderungen erfolgswirksam aufzulösen und der erklärte Gewinn um diesen Betrag zu mindern.

Den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid wies der Beklagte mit Entscheidung vom 18.12.2019 als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Beteiligung der Klägerin an den von der Wohnungseigentümergemeinschaft gebildeten Instandhaltungsrückstellungen sei ein Wirtschaftsgut, das in der Bilanz des Streitjahres mit den von der Klägerin eingezahlten und noch nicht verbrauchten Beträgen aktiviert werden müsse, wie sich aus dem BFH-Urteil vom 05.10.2011, I R 94/10 [BB 2012, 377 m. BB-Komm. Kleinmanns], eindeutig ergebe. Danach sei die Frage, zu welchem Zeitpunkt die zur Instandhaltungsrückstellung geleisteten Beiträge als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb abgezogen werden könnten, unabhängig davon zu beantworten, wie die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer zur Eigentümergemeinschaft zivilrechtlich einzustufen seien. Dies folge schon daraus, dass erst im Zeitpunkt der Verausgabung von Rücklagebeträgen beurteilt werden könne, ob diese für Erhaltungsaufwendungen verwendet wurden und mithin zu sofort abziehbaren Betriebsausgaben führten oder ob sie als Herstellungskosten zu beurteilen seien, welche nur in Höhe der entsprechenden Absetzungen für Abnutzung als Betriebsausgaben berücksichtigt werden könnten. An dieser grundlegenden Bewertung habe sich auch nach Einführung der maßgeblichen Neuregelungen des Wohnungseigentumsgesetzes nichts geändert. Die Zuweisungsentscheidung in § 10 Abs. 7 WEG, wonach das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gehöre, beantworte nicht die nach § 4 Abs. 4 EStG allein maßgebliche Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe der Steuerpflichtige durch den Betrieb veranlasste Aufwendungen tätige (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 571, Rn. 3 für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung). Dieser Rechtsgedanke sei nach dem BFH-Beschluss vom 05.10.2011, I R 94/10 [BB 2012, 377 m. BB-Komm. Kleinmanns], auch zwingend auf bilanzierende Steuerpflichtige zu übertragen. Entscheidungen zur Grunderwerbsteuer seien vorliegend nicht von Bedeutung.

Ihre am 20.01.2020 hiergegen gerichtete Klage begründet die Klägerin wie folgt:

Mit Urteil vom 17.10.2017 habe das FG Köln im Verfahren 5 K 2297/16 die Klage abgewiesen. Das FG habe die Gegenleistung für den Grundstückserwerb und damit die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer gem. § 8 Abs. 11 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht gemäß Urteil des BFH vom 09.10.1991, II R 20/89 [BB 1992, 696], um das Guthaben aus der Instandhaltungsrückstellung vermindert und seine Rechtsauffassung damit begründet, dass es der Rechtsauffassung des Finanzamtes Y folge. Mit der in der Neuregelung des WEG gesetzlich eingeführten Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sei das Verwaltungsvermögen, zu dem auch die Instandhaltungsrückstellung gehöre, der Wohnungseigentümergemeinschaft als Trägerin zuzurechnen, während die Wohnungseigentümer keinen Anteil am Verwaltungsvermögen hätten (Urteil FG Köln, Seite 9, 3. Absatz). Diese Trägerschaft solle unabhängig von einem Eigentumswechsel bestehen bleiben, so dass die Eigentümer und damit auch die Klägerin keinen Anteil am Verwaltungsvermögen hätten und die (anteilige) Instandhaltungsrückstellung daher nicht erwerben könnten. Das FG Köln habe seine Rechtsauffassung maßgeblich auf ein Urteil des BFH vom 02.03.2016 (Il R 27/14) gestützt, wonach beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung das Meistgebot als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern sei. Dabei sei seitens des BFH jedoch ausdrücklich offengelassen worden, ob an der Vorgängerentscheidung des BFH vom 09.10.1991 II R 20/89 [BB 1992, 696] festzuhalten sei. Nach Auffassung des FG Köln solle die mit Urteil des BFH vom 02.03.2016 getroffene Rechtsauffassung auch für einen „normalen" Erwerbsvorgang gelten (Urteil FG Köln, Seite 9, 2. Absatz) und die Grundsätze des Urteils des BFH vom 09.10.1991, II R 20/89 [BB 1992, 696] seien nicht mehr anzuwenden, was jedoch in dem zitierten Urteil des BFH vom 02.03.2016 gerade offengelassen worden sei, da es sich um einen anderen Sachverhalt gehandelt habe.

Aufgrund dieses UrteiIs des FG Köln habe die Klägerin Einspruch gegen den hier streitigen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2016 vom 05.06.2018 eingelegt und beantragt, die aktivierten Beiträge zu den Instandhaltungsrückstellungen nebst Zuführungen des aktuellen Wirtschaftsjahres im Rahmen einer Bilanzberichtigung (für die Vorjahre) gewinnmindernd aufzulösen.

Nach der vom FG Köln im Urteil vom 17.10.2017 vertretenen Auffassung sei der Beurteilung des BFH in seinem Urteil vom 02.03.2015, II R 27/14, zu folgen und die Grundsätze des BFH-Urteils vom 09.10.1991, II R 20/89 [BB 1992, 696], seien nach der Änderung des WEG nicht mehr anwendbar. Diese Auffassung werde darauf gestützt, dass die Instandhaltungsrückstellung Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft sei, die selbst ein vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängiger teilrechtsfähiger und parteifähiger Verband sui generis sei, der das Verwaltungsvermögen gehöre. Die Instandhaltungsrückstellung gehe bei einer Veräußerung nicht auf den Erwerber über, sondern verbleibe im Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Daher finde kein Rechtsträgerwechsel hinsichtlich der Instandhaltungsrückstellung statt und die Veräußerin könne nicht über die Instandhaltungsrückstellung verfügen bzw. diese der Klägerin gegen Erlangung einer Gegenleistung übertragen.

Der BFH habe die Instandhaltungsrückstellung bislang als ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut „Beteiligung an der Instandhaltungsrückstellung", das den geldwerten Anspruch des Wohnungseigentümers auf Bezahlung von Aufwendungen aus der Instandhaltungsrückstellung ausweise, behandelt (BFH vom 05.10.2011, I R 94/10 [BB 2012, 377 m. BB-Komm. Kleinmanns]). Die Aussagen des FG Köln im Urteil vom 17.10.2017 und die Aussagen des BFH, u.a, in dem Urteil vom 09.10.1991 und der Entscheidung vom 05.10.2011, widersprächen sich jedoch. Wenn der Anteil an der Wohnungseigentümergemeinschaft und damit auch der Anteil an der Instandhaltungsrückstellung nicht übertragen werden könne, könne dieser Anteil auch kein Wirtschaftsgut darstellen. Ein Wirtschaftsgut sei definiert als ein wirtschaftlicher Vorteil, für den abgrenzbare Aufwendungen entstanden sein müssten und der einzeln bewertbar sein müsse. Wenn über den Anteil an der Wohnungseigentümergemeinschaft jedoch nicht frei verfügt werden könne, könne es für diesen Anteil keine abgrenzbaren Aufwendungen geben. Darüber hinaus sei fraglich, ob überhaupt ein wirtschaftlicher Vorteil des an der Instandhaltungsrückstellung Beteiligten vorliege, wenn er nicht über die lnstandhaltungsrücklage bzw. seinen Anteil daran verfügen könne. Konsequenz des Urteils des FG Köln sei somit, dass kein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut mehr vorliege. Daher sei die gebildete lnstandhaltungsrücklage in Höhe von ... € gewinnmindernd im Rahmen einer Bilanzberichtigung zum 31.12.2016 aufzulösen.

Diese Überlegungen würden bestätigt unter Berücksichtigung des nunmehr ergangenen Urteils des BFH vom 16.09.2020 im Verfahren II R 49/17 [BB 2021, 798 m. BB-Komm. Dachauer].

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung 2016 vom 05.06.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.12.2019 unter Berücksichtigung einer Gewinnminderung in Höhe von ... € zu ändern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Auffassung der Klägerin, dass das sonstige Wirtschaftsgut „Beteiligung an der lnstandhaltungsrücklage" auf Grund des Urteils des FG Köln vom 17.10.2017, 5 K 2297/16, nicht mehr zu aktivieren sei, werde nicht geteilt.

Das FG Köln habe in dem angeführten Urteil für Zwecke der Grunderwerbsteuer nämlich nur entschieden, dass ein vertraglicher (Gesamt-)Kaufpreis nicht auf die Teileigentumsanteile und die lnstandhaltungsrücklage aufgeteilt werden könne, da der Wohnungsverkäufer nicht über die lnstandhaltungsrücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft verfügen könnte. Mangels Veräußerbarkeit der lnstandhaltungsrücklage könne der Kaufpreis sodann aber nur auf die veräußerbaren Teileigentumsanteile entfallen.

Zudem ergäben sich aus dieser Beurteilung bei der Grunderwerbsteuer keine Auswirkungen auf die Bilanzierungsfähigkeit des sonstigen aktiven Wirtschaftsguts „Beteiligung an der lnstandhaltungsrücklage". Denn der Anspruch möge zwar nicht einzeln veräußerbar sein, könne aber jedenfalls zusammen mit einem Teileigentumsanteil (bzw. mit dem Betrieb) übertragen werden und hätte aus der Sicht eines potenziellen Erwerbers auch einen eigenständigen Wert, nämlich regelmäßig in Höhe des Nominalbetrags des auf die Einheit entfallenden Anteils an der Rücklage. Diese Voraussetzungen genügten im Grundsatz für seine Aktivierung.

Auch nach Prüfung des BFH-Urteils vom 16.09.2020 im Verfahren Il R 49/17 werde an der bisherigen Rechtsauffassung festgehalten, dass es sich bei den von der Wohnungseigentümergemeinschaft gebildeten Instandhaltungsrückstellungen um Wirtschaftsgüter handele, die in der Bilanz mit den von der Klägerin eingezahlten und noch nicht verbrauchten Beträgen aktiviert werden müssten. Auch wenn der BFH die Rechtsauffassung des FG Köln bestätigt habe, dass die Grunderwerbsteuer ohne Abzug von Instandhaltungsrückstellungen zu bemessen sei, habe dies für die Feststellung des Gewinns im Streitfall keine Auswirkung.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

 

1. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Beklagte hat zu Recht die aktivierten Beiträge zu Instandhaltungsrückstellungen im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen berücksichtigt.

 

a. In der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung regelt das Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht – Wohnungseigentumsgesetz vom 26. März 2007, BGBl I 2007, 370 (WEG 2007) – in § 10 Abs. 6 S. 1, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Gemäß § 10 Abs. 7 WEG 2007 gehört das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es besteht aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten. Zu dem Verwaltungsvermögen gehören insbesondere die Ansprüche und Befugnisse aus Rechtsverhältnissen mit Dritten und mit Wohnungseigentümern sowie die eingenommenen Gelder. Gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG 2007 gehört zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrückstellung.

 

b. Zur (ertragsteuerlichen) bilanziellen Behandlung einer Beteiligung eines Wohnungseigentümers an einer solchen Instandhaltungsrückstellung hat der BFH am 05.10.2011 (I R 94/10, BStBl. II 2012, 244 [BB 2012, 377 m. BB-Komm. Kleinmanns]) entschieden, dass ein bilanzierender Gewerbetreibender, dem eine Eigentumswohnung gehört und der Zahlungen in eine von der Wohnungseigentümergemeinschaft gebildete Instandhaltungsrückstellung geleistet hat, seine Beteiligung an der Instandhaltungsrückstellung mit dem Betrag der geleisteten und noch nicht verbrauchten Einzahlungen aktivieren muss.

Nach dieser Entscheidung des BFH sind Wirtschaftsgüter alle Sachen, Rechte, tatsächlichen Zustände und konkreten Möglichkeiten, die entweder einzeln oder zusammen mit dem Betrieb übertragen werden können und aus der Sicht eines potentiellen Betriebserwerbers einen eigenständigen Wert haben (vgl. BFH vom 30.09.2010 IV R 28/08, BFHE 231, 144, 148, BStBl. II 2011, 406). Die Beteiligung an einer Instandhaltungsrückstellung i.S. des § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG 2007 erfüllt diese Voraussetzungen. Denn zum einen vermittelt sie einen geldwerten Anspruch des Wohnungseigentümers auf Bezahlung von Aufwendungen aus der Instandhaltungsrückstellung (vgl. BFH vom 09.10.1991 II R 20/89, BFHE 165, 548, 550, BStBl. II 1992, 152, 153 [BB 1992, 696]). Selbst wenn dieser Anspruch zivilrechtlich erst in der Folgezeit entstehen sollte, ist seine Entstehung zumindest hinreichend sicher und – durch die vorausgegangenen Einzahlungen – in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht, was für seine Aktivierung im Grundsatz genügt (vgl. BFH vom 18.12.2002 I R 11/02, BFHE 201, 228, 231, BStBl. II 2003, 400, 401 [BB 2003, 841 m. BB-Komm. Watrin]). Zum anderen kann der genannte Anspruch jedenfalls zusammen mit dem Betrieb des Wohnungseigentümers übertragen werden. Ein Erwerber des entsprechenden Betriebs wird der Beteiligung an der Rückstellung einen eigenständigen Wert zumessen, da er in derselben Weise wie zuvor der Veräußerer von ihr profitiert (vgl. BFH vom 09.10.1991 II R 20/89, BFHE 165, 548, 550, BStBl. II 1992, 152, 153 [BB 1992, 696]) und würde diesen Vorteil bei marktgerechtem Verhalten im Rahmen des Kaufpreises für den Betrieb abgelten. Daher ist die Beteiligung an der Instandhaltungsrückstellung als Wirtschaftsgut anzusehen. Daraus folgt, dass die Beteiligung an der Rückstellung in der Steuerbilanz eines betrieblich beteiligten Wohnungseigentümers aktiviert werden muss. Dabei ist sie mit den Anschaffungskosten anzusetzen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG).

 

c. Nach der Rechtsprechung des BFH sind, wenn der Eigentümer einer Eigentumswohnung diese zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt, die von ihm in eine Instandhaltungsrückstellung eingezahlten Beträge erst mit deren Verbrauch durch die Eigentümergemeinschaft als Werbungskosten abziehbar (vgl. BFH vom 21.10.2005 IX B 144/05, BFH/NV 2006, 291). Sie sind zwar mit ihrer Einzahlung bei dem Eigentümer abgeflossen (§ 11 Abs. 2 EStG), gehören aber aus steuerrechtlicher Sicht nach wie vor zu seinem Vermögensbereich. Diese Beurteilung hat der BFH auch für die Rechtslage nach der Einführung des § 10 Abs. 6 und 7 WEG 2007 bestätigt. Danach ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt die zur Instandhaltungsrückstellung geleisteten Beiträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können, unabhängig davon zu beurteilen, wie die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer zur Eigentümergemeinschaft zivilrechtlich einzustufen sind. Dies folge schon daraus, dass erst im Zeitpunkt der Verausgabung von Rücklagebeträgen beurteilt werden könne, ob diese für Erhaltungsaufwendungen verwendet worden seien und mithin zu sofort abziehbaren Werbungskosten führen oder ob diese als Herstellungskosten zu beurteilen seien, welche nur in Höhe der entsprechenden Absetzungen für Abnutzung als Werbungskosten berücksichtigt werden können. An dieser grundlegenden Bewertung hat sich laut BFH auch nach Einführung der maßgeblichen Neuregelungen des Wohnungseigentumsgesetzes nichts geändert. Die Zuweisungsentscheidung in § 10 Abs. 7 WEG 2007, wonach „das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gehört“, beantwortet nicht die nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG allein maßgebliche Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe der Steuerpflichtige Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung tätigt (vgl. BFH vom 09.12.2008 IX B 124/08, BFH/NV 2009, 571 sowie zum Ganzen: BFH vom 05.10.2011, I R 94/10, BStBl. II 2012, 244 [BB 2012, 377 m. BB-Komm. Kleinmanns]).

 

d. Diesen Entscheidungsgrundsätzen schließt der Senat sich an.

Danach musste die Klägerin als bilanzierende Steuerpflichtige die von ihr geleisteten Beiträge zu Instandhaltungsrückstellungen aktivieren.

 

e. Dem steht auch nicht die jüngere Rechtsprechung des BFH zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung von geleisteten Beiträgen zu einer Instandhaltungsrückstellung in Veräußerungsfällen entgegen.

Der BFH hat insoweit entschieden, dass beim Erwerb von Teileigentum der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern ist.

Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist grundsätzlich der Kaufpreis als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Eine Aufteilung des Kaufpreises entsprechend den Grundsätzen zur Aufteilung einer Gesamtgegenleistung ist nur dann geboten, wenn der Kaufvertrag Gegenstände umfasst, deren Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (vgl. BFH vom 16.09.2020, II R 49/17, BFHE 271, 455, BStBl. II 2021, 339 [BB 2021, 798 m. BB-Komm. Dachauer]). Die anteilige Instandhaltungsrückstellung ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG 2007) und damit nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen Rechtssubjekts. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist ein vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängiger teilrechtsfähiger und parteifähiger Verband sui generis. Ihr gehört nach § 10 Abs. 7 Satz 1 WEG 2007 das Verwaltungsvermögen. Die Wohnungseigentümer haben aus grunderwerbsteuerlicher Sicht keinen Anteil am Verwaltungsvermögen, über den sie verfügen können. Auch wenn die Vertragsparteien vereinbart haben, dass ein Teil des Kaufpreises „für die Übernahme des in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Guthabens“ geleistet wird, und der Instandhaltungsrückstellung im Kaufvertrag folglich ein eigenständiger Wert zugemessen wurde, handelt es sich dabei nicht um Aufwand für die Übertragung einer geldwerten nicht unter den Grundstücksbegriff des Grunderwerbsteuergesetzes fallenden Vermögensposition. Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb dieser Position ist zivilrechtlich nicht möglich. Der BFH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass dabei unbeachtlich ist, wie die Instandhaltungsrückstellung ertragsteuerrechtlich zu behandeln ist (vgl. BFH vom 16.09.2020, II R 49/17, a. a. O., Rn. 20).

 

f. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung wird in der Literatur für die Frage der Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Instandhaltungsrückstellung als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften (nach Neufassung des WEG 2020 „Erhaltungsrücklage“, vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG 2020) – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Klägerin – die Auffassung vertreten, dass die Beiträge bereits bei Abfluss abzugsfähig sein müssten, da die Beiträge in den Verfügungsbereich der jeweiligen Eigentümergemeinschaft übergingen und damit der Verfügungsmacht der Immobilieneigentümer entzogen seien (dazu etwa Ctibor, Die ertragsteuerliche Behandlung von Zahlungen in die Instandhaltungsrückstellung nach EStH 21.2 – Anpassungen erforderlich, Der Betrieb 2023, 990).

 

g. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass die skizzierten Ausführungen des BFH zur grunderwerbsteuerlichen Rechtslage geeignet sind, Zweifel daran zu begründen, dass Beiträge in eine Instandhaltungsrückstellung zu aktivieren sind, weil die entsprechenden Beiträge der Eigentümergemeinschaft zustehen und der Verfügungsmacht des Eigentümers des einzelnen Objektes entzogen sind. Dass der BFH – nach ausdrücklicher Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 21.06.2023 vor dem erkennenden Senat – in der mündlichen Verhandlung der Sache II R 49/17 g[BB 2021, 798 m. BB-Komm. Dachauer] erklärt haben soll, die Instandhaltungsrückstellung habe für die Klägerin keinen Wert, nimmt das Gericht zur Kenntnis. Unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten teilt das Gericht eine solche Auffassung jedenfalls nicht. Tatsächlich und bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise vermittelt die Beteiligung an einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei Bildung einer Instandhaltungsrückstellung dem jeweiligen Eigentümer einen geldwerten Anspruch auf Bezahlung von Aufwendungen aus der Instandhaltungsrückstellung. Auch wenn der Anspruch erst später bei Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen entsteht, ist die Entstehung bereits zum Zahlungszeitpunkt wirtschaftlich verursacht. Der Anspruch wird – unabhängig von der grunderwerbsteuerlichen Betrachtung des BFH – unter wirtschaftlichen Aspekten im Veräußerungsfall von einem Wohnungsveräußerer auf den Erwerber übertragen und abgegolten. Daher ist nicht pauschal davon auszugehen, dass geleistete Beiträge in eine Instandhaltungsrückstellung keinen Wert hätten. Vielmehr ist der entsprechende Wert bei der Klägerin in der Bilanz wirtschaftlich durch Aktivierung zu erfassen und zur Vervollständigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu dokumentieren.

 

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

 

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

 

 

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