R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
28.06.2018
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
OLG Düsseldorf: Beschluss vom 6.4.2017– I-26 W 10/15 [AktE]

ECLI:DE:OLGD:2017:0406.I26W10.15AKTE.00

Sachverhalt

I.

Die Antragsteller waren Aktionäre der I. AG („I“) mit Sitz in Dortmund.

Die I. AG wurde 1856 als I. Bergbau AG, Dortmund, gegründet und nach einem bei Bochum gelegenen Dorf benannt, in dem sich seinerzeit die größten Kohlefelder der Gesellschaft befanden. Ab 1870 wurden I.-Aktien an der Berliner Börse, kurze Zeit später auch an der Pariser Börse gehandelt. Anfang der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts gehörte das Unternehmen zu den größten Bergbaugesellschaften im Ruhrgebiet. 1969 überführte die Gesellschaft ihr gesamtes aktives Bergbauvermögen in die Ruhrkohle AG; sie behielt unter anderem die Energiewirtschaft, einen umfangreichen Wohnungs- und Flächenbestand, die Binnenschifffahrt sowie Beteiligungen an anderen Gesellschaften und großen Kohlekraftwerken. Mitte der siebziger Jahre begann sie mit der Errichtung und Vermietung von Gewerbeimmobilien. 1992 erwarb die ehemalige W. AG, Dortmund, die Mehrheit der Aktien der I, die Ende 1994/Anfang 1995 in das Geschäft mit regenerativen Energien und dezentraler Energieversorgung einstieg. Im Jahr 2000 wurde die W. AG auf die Antragsgegnerin verschmolzen. Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung wurden die Geschäftsfelder „Service und Verkehr“ der I. AG veräußert; auch die in den siebziger Jahren gegründete Sparte „Kommunal und Umwelt“ wurde nicht weiter verfolgt. Das Unternehmen konzentrierte sich im Kerngeschäftsfeld Energie auf die Wachstumssegmente „Regenerative Energien“ und „Dezentrale Energieversorgung“; im Immobiliengeschäft reichte die Wertschöpfungskette vom Immobilienmanagement als Haupteinnahmequelle über die gewerbliche Projektentwicklung bis zum Bauträgergeschäft. Im Geschäftsjahr 2002 erreichte die I. AG - im Wesentlichen aufgrund der Umsätze im Energiegeschäft - trotz Aufgabe der übrigen Geschäftsfelder mit rund 257 Mio. € das Umsatzniveau des Vorjahres.

Am 15.10.2004 beschloss die Hauptversammlung der I. AG die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin gegen Gewährung einer Barabfindung (sog. Squeeze-out). Der Übertragungsbeschluss wurde am 24.08.2005 in das Handelsregister eingetragen und zuletzt am 14.09.2005 bekannt gemacht.

Zum Bewertungsstichtag betrug das Grundkapital 82.940.000 Euro und war eingeteilt in 31.900.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien, die an den Börsenplätzen Frankfurt am Main, Düsseldorf, Berlin/Bremen, Hamburg und München im amtlichen Handel sowie in Hannover und Stuttgart im Freiverkehr gehandelt wurden. Hauptaktionärin war die Antragsgegnerin, die mittelbar und unmittelbar rund 95,06 % der I.-Aktien hielt. Die restlichen Aktien (1.575.860 Stück) befanden sich im Streubesitz.

Der Übertragungsbeschluss sieht eine Barabfindung mit 19,50 € je Stückaktie vor; auf diesen Wert hat die Unternehmensleitung der Antragsgegnerin die Barabfindung unter Berücksichtigung des Bewertungsgutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft L. AG vom 14.08.2004 festgesetzt. Diese hatten den Unternehmenswert der I. AG zum Bewertungsstichtag 15.10.2004 – unter Berücksichtigung des zum Stichtag gültigen Bewertungsstandards IDW S1 2000 – mit insgesamt 562,2 Mio. € ermittelt und daraus einen Wert je Stückaktie in Höhe von 17,62 € abgeleitet. Den durchschnittlichen Börsenkurs bezifferten sie – im Einklang mit der später ergangenen Stollwerck-Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19.07.2010 – bezogen auf den Referenzzeitraum drei Monate vor Bekanntgabe des Übertragungsverlangens am 08.06.2004 mit 18,73 €. Für die Geschäftsfelder Energie und Immobilien haben sie jeweils separate Ertragswerte - basierend auf der unternehmenseigenen Planung für die Geschäftsjahre 2004 bis 2008 - ermittelt. Die zum Erhalt der Ertragskraft erforderliche Investitionstätigkeit in der Sparte Energie haben sie – basierend auf den Wiederbeschaffungswerten und der wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Anlagen am Ende der Detailplanungsphase – mit einer nachhaltigen Reinvestitionsrate von 48,0 Mio. € geschätzt. Die nachhaltige Reinvestitionsrate im Geschäftsfeld Immobilien haben sie mit 10,1 Mio. € angesetzt. Den Basiszins haben sie einheitlich mit 5,5 % zugrunde gelegt. Die Risikozuschläge haben sie jeweils nach den Grundsätzen des Capital Asset Pricing Model (CAPM) als Produkt aus Marktrisikoprämie (5 % vor Steuern) und Betafaktor (1,0 für das Geschäftsfeld Energie bzw. 0,3 für das Geschäftsfeld Immobilien) mit 5 % (Energie) bzw. 1,5 % (Immobilien) ermittelt, so dass sich für die erste Phase Kapitalisierungszinssätze von 6,825 % (Energie) bzw. 4,550 % (Immobilien) ergaben. Für die Phase der ewigen Rente hielten sie einen Wachstumsabschlag von jeweils 0,5 % und daraus resultierend Kapitalisierungszinssätze von 6,325 % (Energie) bzw. 4,050  % (Immobilien) für angemessen.

Die vom Landgericht zum sachverständigen Prüfer gemäß § 327c Abs. 2 Satz 2 AktG bestellte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F. AG bestätigte die Angemessenheit der mit 19,50 € festgelegten Barabfindung mit Testat vom 17.08.2004.

Die Antragsteller haben die im Übertragungsbeschluss festgelegte Kompensation für zu gering gehalten. Die zugrunde gelegte Planung sei zu pessimistisch, die angenommenen Kapitalisierungszinssätze unangemessen. Basiszins, Marktrisikoprämie und Risikozuschläge seien zu hoch, der Wachstumsabschlag sei zu niedrig angesetzt worden. Der Durchschnittsbörsenkurs sei unzutreffend berechnet worden.

Die Antragsteller und der gemeinsame Vertreter der Minderheitsaktionäre haben beantragt,

eine angemessene Barabfindung festzusetzen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat gemeint, die Bewertungsrügen gegen die Ertragswertermittlung seien unerheblich; ohnehin ergebe sich nach dem - aktuelleren - Bewertungsstandard IDW S1 2005 ein noch geringerer Unternehmenswert, so dass die im Übertragungsbeschluss festgelegte Barabfindung jedenfalls angemessen sei.

Das Landgericht hat den Sachverständigen E. mit einer Neubewertung beauftragt. Dieser hat unter Zugrundelegung des IDW S1 2000 einen – deutlich höheren – Unternehmenswert von insgesamt 752,2 Mio. € und daraus resultierend einen Wert je Stückaktie von 23,58 € ermittelt. Unternehmenswerterhöhend hat er die Investitionen des Jahres 2008 im Bereich Energie kapitalwertneutral erfasst und die Reinvestitionsrate kraftwerksindividuell ermittelt. Dabei hat er eine Kostensteigerung von 1,5% jährlich bis zu den jeweiligen Wiederbeschaffungszeitpunkten und eine Diskontierung zum Kapitalisierungszins nach Steuern zugrunde gelegt. Anhand dessen hat er für den Bereich „Regenerative Energie“ eine geringere und für den Bereich „Dezentrale Energieversorgung“ eine höhere Reinvestitionsrate als die Bewertungsgutachter L. ermittelt und ist so – im Ergebnis – zu einer nachhaltigen Reinvestitionsrate im Geschäftsfeld Energie von 45,5 Mio. € gelangt. Den Basiszins hat er nach der Svensson-Methode für die Jahre 2004 bis 2008 mit 2,2873 % bis 3,4429 % bzw. barwertäquivalent für die ewige Rente mit 5,428 % ermittelt, die Risikozuschläge – unter Beibehaltung der Methodik der Bewertungsgutachter – als Produkt aus Marktrisikoprämie (4 % statt 5 % vor Steuern) und Betafaktoren (1,11 bis 1,15 für das Geschäftsfeld Energie bzw. 0,26 bis 0,36 für das Geschäftsfeld Immobilien) mit 3,44 % bis 3,6 % (Energie) bzw. 1,32 % bis 1,03 % (Immobilien), so dass sich für die erste Phase Kapitalisierungszinssätze von 3,72 % bis 4,58 % (Energie) bzw. 2,35 % bis 2,91 % (Immobilien) ergaben. Für die Phase der ewigen Rente hielt er wie die Bewertungsgutachter einen Wachstumsabschlag von jeweils 0,5 % für angemessen; daraus resultierend ermittelte er unter Anpassung an die von ihm für angemessen erachteten niedrigeren Kapitalisierungsparameter für die Phase der ewigen Rente Kapitalisierungszinssätze von 5,25 % statt 6,325 % (Energie) bzw. 3,68 % statt 4,050  % (Immobilien).

Sein Gutachten hat der Sachverständige in Stellungnahmen vom 27.08.2013, 20.10.2014, 17.11.2014 und 08.01.2015 schriftlich ergänzt und im Anhörungstermin vom 19.11.2014 mündlich erläutert. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.10.2014 hat er den Unternehmenswert alternativ unter Zugrundelegung des Bewertungsstandards IDW S1 2005 ermittelt. Dabei ist er zu einem Unternehmenswert von insgesamt 651  Mio. € und einem Wert je Stückaktie von 20,41 € gelangt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.11.2014 hat er zusätzlich eine Thesaurierung für das nachhaltige Wachstum in Ansatz gebracht und den Gesamtunternehmenswert mit 619,5 Mio. € und daraus resultierend den Wert je Stückaktie mit 19,42 € beziffert, der unter dem Wert der im Übertragungsbeschluss festgelegten Barabfindung liegt. Diese Anpassung hat er in seiner Stellungnahme vom 08.01.2015 wieder rückgängig gemacht.

Die Risikozuschläge bei der Wertermittlung nach IDW S1 2005 hat der Sachverständige jeweils als Produkt aus der Marktrisikoprämie (5 % nach Steuern) und Betafaktor (0,96 bis 0,80 für das Geschäftsfeld Energie bzw. 0,34 bis 0,24 für das Geschäftsfeld Immobilien) mit 4,81 % bis 4,02 % (Energie) bzw. 1,70 % bis 1,22 % (Immobilien) gebildet, so dass sich für die erste Phase Kapitalisierungszinssätze von 6,3 % bis 7,04 % (statt 3,72 % bis 4,58 %; Energie) bzw. 3,19 % bis 3,5 % (statt 2,35 % bis 2,91 %; Immobilien) ergaben. Für die Phase der ewigen Rente hielt er wie bei der Wertermittlung nach IDW S1 2000 einen Wachstumsabschlag von jeweils 0,5 % für angemessen; daraus resultierend ermittelte er Kapitalisierungszinssätze von 7,04 % statt 5,25 % (Energie) bzw. 4,25 % statt 3,68 % (Immobilien). Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten, die ergänzenden Stellungnahmen (Bl. 1689, 2007 ff., 2013 ff., 2080 ff. GA) und das Sitzungsprotokoll (Bl. 2035 ff. GA) verwiesen.

Mit Beschluss vom 22.07.2015 hat das Landgericht den Antrag des Antragstellers zu 8) als unzulässig verworfen; die Höhe der Barabfindung hat es – der Wertermittlung des Sachverständigen auf der Grundlage des IDW S1 2000 folgend – auf 23,58 € je Stückaktie festgesetzt.

Zur Begründung hat die Kammer – unter Hinweis auf die seinerzeitige Rechtsprechung des Senats – unter anderem ausgeführt, die Anwendung des am Bewertungsstichtag geltenden Standards IDW S1 2000 sei aus Gründen der Prozessökonomie, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit geboten. Die unternehmenseigene Planung sei plausibel und daher der Bewertung zugrunde zu legen, die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge seien im Spruchverfahren nur eingeschränkt überprüfbar. Die von dem Sachverständigen vorgenommenen Korrekturen seien berechtigt. Die von ihm ermittelten Kapitalisierungszinssätze und -parameter, insbesondere eine Marktrisikoprämie von 4 % vor Steuern, seien angemessen. Eine einheitliche Festsetzung der Marktrisikoprämie sei nach dem aktuellen Stand der Wirtschaftswissenschaften empirisch nicht möglich, so dass es keine mit Eindeutigkeit festzustellende Marktrisikoprämie gebe. Der von allen Bewertern übereinstimmend mit 0,5 % angenommene Wachstumsabschlag sei nicht zu beanstanden. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Hiergegen richten sich die Antragsgegnerin sowie die Antragstellerinnen zu 20), 21) und 43) mit ihren Beschwerden.

Die Antragsgegnerin vertieft ihr bisheriges Vorbringen, die im Übertragungsbeschluss festgesetzte Abfindung sei angemessen. Nach dem – zwischenzeitlich ergangenen – Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.09.2015 (II ZB 23/14) sei geklärt, dass die Wertermittlung auf der Grundlage des IDW S1 2005 zu erfolgen habe. Durch dessen Heranziehung werde das Verfahren auch nicht verzögert, da bereits eine entsprechende Wertermittlung des Sachverständigen vorliege. Danach betrage die Abfindung 19,42 € je Aktie. Die von dem Sachverständigen in seiner Unternehmenswertermittlung nach IDW S1 2005 mit 5 % nach Steuern zugrunde gelegte Marktrisikoprämie sei zu gering, die Begründung des Sachverständigen rechtfertige den Ansatz am unteren Rand der vom IDW empfohlenen Bandbreite nicht. Es sei der Mittelwert (5,5 % nach Steuern) anzusetzen. Durch die Neuberechnung der Reinvestitionsrate habe der Sachverständige zu Unrecht in die Unternehmensplanung eingegriffen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss aufzuheben und die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen,

die beschwerdeführenden Antragstellerinnen zu 20), 21) und 43) darüber hinaus,

den landgerichtlichen Beschluss aufzuheben und eine angemessene Barabfindung festzusetzen, die über dem Betrag von 23,58 € je Stückaktie liegt.

Der gemeinsame Vertreter der Minderheitsaktionäre stellt keinen Antrag.

Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der sofortigen Beschwerden der Antragstellerinnen zu 20), 21) und 43).

Die Antragstellerinnen und der gemeinsame Vertreter der Minderheitsaktionäre meinen, entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei nicht der IDW S1 2005 zugrunde zu legen. Dieser beinhalte gegenüber dem älteren Bewertungsstandard keine Erkenntnisverbesserung; die Anwendung des neueren Bewertungsstandards würde auch das Verfahren verzögern. Der vom Landgericht zugrunde gelegte Basiszins sei zu hoch. Dieser betrage 4,86 % bzw. gerundet 4,75 %. Der angenommene Wachstumsabschlag sei zu gering.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die jeweiligen Beschwerdebegründungen, die gewechselten Schriftsätze und in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.

Aus den Gründen

II.

Die sofortigen Beschwerden sind jeweils zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Da die Rechtsmittel nach Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes eingelegt wurden, sind auf das Beschwerdeverfahren nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes anzuwenden. Nach der Übergangsvorschrift Art. 111 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (FGG-RG, BGBl. I S. 2586) finden hier das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Verfahrensvorschriften des Spruchverfahrensgesetzes in der bis zum 01.09.2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, weil das Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) eingeleitet worden ist (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 01.03.2010 - II ZB 1/10 - Rn. 7 f., ZIP 2010, 446 ff.; 12.01.2016 - II ZB 25/14 - Rn. 8 f., juris).

In der Sache hat das Rechtsmittel der Antragsgegnerin teilweise Erfolg; die Beschwerden der Antragstellerinnen zu 20), 21) und 43), die eine höhere als die vom Landgericht festgesetzte Abfindung fordern, sind unbegründet.

Die Höhe der angemessenen Barabfindung beträgt 20,41 € je Stückaktie. Dieser Betrag ergibt sich anhand des nach der Ertragswertmethode ermittelten Unternehmenswertes auf der Grundlage des IDW S1 2005.

1. In seiner noch vor dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.09.2015 – II ZB 23/14 (ZIP 2016, 110 ff.) - ergangenen Entscheidung hatte das Landgericht – nach Maßgabe der seinerzeitigen Rechtsprechung des Senats – den Unternehmenswert zugrunde gelegt, den es mit dem gerichtlichen Sachverständigen nach der Ertragswertmethode auf der Grundlage des zum Bewertungsstichtag aktuellen Standards IDW S1 2000 mit rd. 752,2 Mio. € ermittelt hatte. Daraus ergab sich für jede Aktie ein anteiliger Abfindungswert von 23,58 €.

Mit dem o.e. Beschluss vom 29.09.2015 hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs festgestellt, dass der Schätzung des Unternehmenswerts im Spruchverfahren auch solche fachlichen Berechnungsweisen zugrunde gelegt werden können, die erst nach der Strukturmaßnahme, die den Anlass für die Bewertung gibt, und dem dafür bestimmten Bewertungsstichtag entwickelt wurden. Dem stehen – so der Bundesgerichtshof – weder der Gedanke der Rechtssicherheit noch der Vertrauensschutz entgegen. Das Stichtagsprinzip wird – wie der Bundesgerichtshof festgehalten hat – von der Schätzung aufgrund einer neuen Berechnungsweise nicht verletzt, solange letztere nicht eine Reaktion auf nach dem Stichtag eingetretene und zuvor nicht angelegte wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen, insbesondere in steuerlicher Hinsicht ist. Der Einwand einzelner Antragsteller, mit dem Bewertungsstandard IDW S1 2005 sei kein Erkenntnisfortschritt verbunden, bleibt ohne Erfolg. Wie der Bundesgerichtshof in den Gründen der genannten Entscheidung ausgeführt hat, ist die Berechnung nach dem IDW S1 2005 vorzugswürdig, da er methodisch eine Verbesserung gegenüber dem IDW S1 2000 darstellt (BGH, aaO Rn. 13, 34). Er ist keine Reaktion auf wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen seit dem IDW S1 2000, sondern behebt Unzulänglichkeiten bei der Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens und der unterschiedlichen Besteuerung der Alternativanlage im IDW S1 2000. Die Abkehr von der Vollausschüttungshypothese stellt ebenfalls eine methodische Verbesserung dar, weil eine Vollausschüttung in der Wirklichkeit nicht vorkam und mit der Umstellung der der Berechnung zugrundeliegenden Alternativanlage in Aktien statt in festverzinslichen Wertpapieren die Abkehr folgerichtig war.

Die Berechnung des Ertragswerts nach den Vorgaben des IDW S1 2005 scheidet auch nicht etwa deshalb aus, weil sie zu einer Verfahrensverzögerung führen würde. Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, ist bei der Entscheidung über die Anwendung der neuen Berechnungsweise der Gewinn an Genauigkeit gegen den weiteren verfahrensrechtlichen und zeitlichen Aufwand abzuwägen (BGH, aaO Rn. 42). Angesichts dessen hat der Senat in dem von den beschwerdeführenden Antragstellern angeführten Beschluss vom 15.08.2016 (I-26 W 17/13 (AktE), AG 2016, 864 ff.) entschieden, dass das Landgericht Düsseldorf seiner auf den dort maßgeblichen Stichtag im August 2002 bezogenen Bewertung zu Recht den Bewertungsstandard IDW S1 2000 zugrunde gelegt hatte, denn dort war – anders als hier – im Verlauf des nahezu elf Jahre andauernden erstinstanzlichen Verfahrens die Anwendung des IDW S1 2000 weder gerügt, noch eine sachverständige Alternativbewertung auf der Basis des neueren Bewertungsstandards vorgenommen worden, auf die ohne weiteren verfahrensrechtlichen und zeitlichen Aufwand zurückgegriffen werden konnte. Vorliegend hat die Antragsgegnerin indes eine Wertermittlung auf der Grundlage des IDW S1 2005 mehrfach, u.a. noch mit Schriftsatz vom 12.06.2014 gefordert, das Landgericht hat diese mit Beschluss vom 13.10.2014 – unter Hinweis auf die seinerzeit noch streitige Frage, ob und nach welchen Grundsätzen Bewertungsvorgaben rückwirkend angewendet werden können – angeordnet. In Umsetzung dessen hat der gerichtliche Sachverständige den Unternehmenswert nicht nur in mehreren ergänzenden Stellungnahmen vom 20.10.2014, 17.11.2014 und 08.01.2015 unter Zugrundelegung des IDW S1 2005 berechnet, sondern ist überdies in der mündlichen Verhandlung am 19.11.2014 hierzu angehört worden. Die entsprechenden Änderungen und Folgeanpassungen hat er, wie auch die vorgenommenen Berechnungen, jeweils im Einzelnen offen gelegt und die dabei zugrunde gelegten Annahmen erläutert. Im Ergebnis ist er dabei zu einem Unternehmenswert von insgesamt 651 Mio. € und einem Wert je Stückaktie von 20,41 € gelangt. Eine Verfahrensverzögerung durch die Anwendung des neuen Standards ist nach alledem nicht zu befürchten, da der Senat für seine Angemessenheitsprüfung auf die alternative Wertermittlung des Sachverständigen zurückgreifen kann.

2. Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin ein, der Sachverständige habe durch die Neuberechnung der Reinvestitionsrate im Bereich Energie in nicht gerechtfertigter Weise in die Unternehmensplanung eingegriffen.

Der Sachverständige hat seiner Wertermittlung – wie die Bewertungsgutachter L. – die – vom Aufsichtsrat als ambitioniert eingeschätzten – Unternehmensplanungen der Jahre 2004 bis 2008 zugrunde gelegt, die auf der „Hochrechnung 2/2004 und der aktualisierten Planung 2005-2008“ der I. AG basieren, die in der Aufsichtsratssitzung vom 20.07.2004 vorgelegt wurde. Der Sachverständige hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Umsatzplanung vor dem Hintergrund der Marktverhältnisse einerseits und den Finanzierungsvorgaben andererseits unplausibel war (Gutachten S. 20). Bezogen auf den Detailplanungszeitraum ist er bei seinen Wertermittlungen nach IDW S1 2000 und IDW S1 2005 von den im Übertragungsbericht wiedergegebenen Investitionen und Abschreibungen ausgegangen (vgl. Übertragungsbericht S. 54, Gutachten S. 18, 88, ergänzende Stellungnahme v. 20.10.2014 Anlagen 1 und 2). Er hat auch den im Übertragungsbericht zugrunde gelegten nachhaltigen Ansatz des operativen Ergebnisses (Geschäftsjahre 2009 ff.) nicht in Zweifel gezogen, der eine dauernde Ertragskraft des Geschäftsfelds Energie auf dem Niveau des Jahres 2008 unterstellt (vgl. Übertragungsbericht S. 55, Gutachten S. 24).

Hinsichtlich der nachhaltigen Reinvestitionsrate in der Phase der ewigen Rente (Geschäftsjahre 2009 ff.) lag eine detaillierte Planung nicht vor. Vor diesem Hintergrund hatten die Bewertungsgutachter L. diese - von der sachverständigen Prüferin gebilligt (vgl. Prüfbericht S. 12) - auf Basis des bestehenden Kraftwerksparks und der geplanten Investitionen zu Wiederbeschaffungskosten im Jahr 2009 „überschlägig“ mit 48,0 Mio. € geschätzt (vgl. Übertragungsbericht S. 50, 56, Gutachten S. 25). Der Sachverständige E. ist demgegenüber zu einer nachhaltigen Reinvestitionsrate von 45,5 Mio. € (IDW S1 2000, Gutachten S. 88) bzw. 39,7 Mio. € (IDW S1 2005, Bl. 2010 GA) gelangt. Der Einwand der Antragsgegnerin, er habe sich hierbei „im Wesentlichen von einem Baugefühl leiten lassen“, ist unberechtigt. Anders als die Bewertungsgutachter L. hat der Sachverständige E. eine kraftwerksindividuelle Berechnung unter Berücksichtigung einer Kostensteigerung von 1,5 % p.a. bis zu den jeweiligen Wiederbeschaffungszeitpunkten und einer Diskontierung zum Kapitalisierungszins nach Steuern für das Portfolio im Jahr 2007 (=2008) vorgenommen (Gutachten S. 25 f.). Für seine Bewertung hat der Sachverständige auf entsprechende kraftwerksbezogene Unterlagen und Arbeitspapiere zurückgegriffen (vgl. Sitzungsprotokoll S. 12). Wie er im Gutachten (dort S. 26) und im Anhörungstermin überzeugend erläutert hat, ist er auf dieser Grundlage bezogen auf die einzelnen Kraftwerke für das Segment „Regenerative Energie“ zu einer geringeren und für den Bereich „Dezentrale Energie“ zu einer höheren Reinvestitionsrate gelangt, wobei - in Summe - der positive Effekt überwog. Diese Einschätzung wird durch die Ausführungen im Übertragungsbericht (dort S. 15 ff.) gestützt, wonach sich die Tätigkeit der I. AG im Geschäftsfeld Energie durch die erst 2001 – rund drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag – beschlossene strategische Neuausrichtung der I. AG  auf die Wachstumssegmente der regenerativen Energien und der dezentralen Energieversorgung und den daraufhin forcierten Ausbau des nationalen und internationalen Engagements des Unternehmens in diesen Segmenten auszeichnete. Mit den Investitionen der Geschäftsjahre 2001 bis 2003 hatte das Unternehmen im Rahmen der Umstrukturierung das Fundament für das Geschäftsfeld Energie gelegt, die Erweiterungsinvestitionen in den Folgejahren sollten in ihrer Höhe damit nicht mehr vergleichbar sein (Übertragungsbericht S. 54). So sollte der Schwerpunkt der Investitionstätigkeit im Geschäftsjahr 2004 plangemäß noch auf der Fertigstellung bzw. Errichtung von Biomasse-Heizkraftwerken in Groupiusstadt und Bergkamen liegen, im Planjahr 2005 sollte - neben der Fertigstellung des Heizkraftwerks in Bergkamen - ein weiterer Windpark in Italien als wesentliches Investitionsprojekt errichtet werden. Für die Geschäftsjahre 2006 und 2007 waren in der Planung (im Übertragungsbericht nicht näher bezeichnete) Windkraftprojekte in Spanien und Frankreich, Wasserkraftprojekte in Portugal sowie Neuinvestitionen in Wärmeanlagen in Deutschland abgebildet (vgl. Übertragungsbericht S. 51, 55). Der Sachverständige ist daher mit überzeugender Begründung aufgrund der geringeren Abschreibungen im nachhaltigen Ergebnis bei der Bewertung nach IDW S1 2000 zu einem um 1,76 € je Aktie höheren Ertragswert gelangt (vgl. Gutachten S. 26); bei der Bewertung nach IDW S1 2005 vermindert sich der Barwert der nachhaltigen Abschreibungen durch die höheren Kapitalkosten auf 39,7 Mio. € (vgl. Anlage 2 der ergänzenden Wertermittlung vom 20.10.2014, Bl. 2007 GA).

3. Ohne Erfolg wendet sich die Antragsgegnerin auch gegen die Begründung des Sachverständigen, mit der dieser in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.01.2015 die in seinem Schreiben vom 17.11.2014 nachträglich vorgenommene Anpassung um eine zusätzliche Thesaurierung für das nachhaltige Wachstum wieder rückgängig gemacht hat.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.11.2014 hatte der Sachverständige eine – im Rahmen der ergänzenden Stellungnahme vom 20.10.2014 vermeintlich vergessene – weitere Anpassung bei der Überleitung der Bewertung von IDW S1 2000 auf IDW S1 2005 vorgenommen, indem er zusätzliche Thesaurierungen für nachhaltiges Wachstum als Produkt aus Wachstumsrate und bilanziellem Eigenkapital zum Ende des Detailplanungszeitraums gebildet und mit -1,9 Mio. € (Segment Energie) bzw. -0,2 Mio. € (Segment Immobilien) in Abzug gebracht hat. Im Anhörungstermin hat der Antragsteller Prof. M. eingewendet, der Ansatz dieser weiteren Thesaurierung sei - angesichts der von dem Sachverständigen schon berücksichtigten künftigen Investitionszahlungen - unzulässig (Sitzungsprotokoll S. 12); dem hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.01.2015 nach Überprüfung – zu Recht – zugestimmt.

Durch Thesaurierungen für nachhaltiges Wachstum lässt sich der von den Eigenkapitalgebern zu tragende Anteil an Investitionen berücksichtigen, die für das geplante nachhaltige Wachstum notwendig sind und so dem nachhaltigen Erhalt der bilanziellen Kapitalstruktur dienen. Diese können rechnerisch – wie der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.01.2015 nachvollziehbar erläutert und anhand eines Rechenmodells veranschaulicht hat – nicht nur basierend auf dem zu Beginn der ewigen Rente zu erwartenden Eigenkapitalbestand durch Multiplikation mit der Wachstumsrate ermittelt werden (kritisch dazu bei heterogener Asset-Struktur Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 6. A., S. 677), sondern ebenso anhand der konkret geschätzten künftigen Investitionszahlungen. Wie die Antragsgegnerin nicht in Frage stellt, hat der Sachverständige die zum Erhalt der Ertragskraft notwendige Investitionstätigkeit vorliegend – wie bereits die Bewertungsgutachter L. und mit ihnen die sachverständige Prüferin – durch die nachhaltige Reinvestitionsrate abgebildet (Gutachten S. 25 f., 31). Weitere Anpassungen durch zusätzliche Thesaurierungen für nachhaltiges Wachstum sind deshalb nicht geboten.

4. Die gegen die Parameter der Kapitalisierungszinssätze gerichteten Einwendungen bleiben ohne Erfolg.

4.1 Der Sachverständige hat den Basiszins für die Jahre 2004 bis 2008 zutreffend mit 2,2873 % bis 3,4429 % bzw. barwertäquivalent für die ewige Rente mit 5,428 % ermittelt. Ansätze dafür, warum diese Werte fehlerhaft sein sollten, zeigt die Antragstellerin zu 43) mit ihrer Rüge nicht auf.

Der Sachverständige hat den Zinssatz vielmehr – wie von der Antragstellerin zu 43) gefordert – „methodensauber“ anhand von Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank (Svensson-Methode) berechnet und damit den Vorgaben des IDW S1 2005 (Tz. 127) Rechnung getragen (vgl. Gutachten S. 61 f.). Die Rechtsprechung legt die Zinsstrukturkurve in Spruchsachen inzwischen regelmäßig für die Berechnung des Basiszinses zugrunde (vgl. zuletzt Senat, Beschluss v. 17.12.2015 – I-26 W 22/14 (AktE) – Rn. 46, AG 2016, 504 ff.; Paulsen in: MünchKomm AktG, 4. A., § 305 Rn. 113 m.w.N.). Soweit die Antragstellerin zu 43) die Heranziehung eines Basiszinses von 4,86 % bzw. - abgerundet auf ¼-Prozentpunkte - 4,75 % fordert, hat sie – trotz Rüge der Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung – nicht dargelegt, wie sie auf diesen Wertansatz kommt. Die (Ab-)Rundung ist auch – wie der Sachverständige im Anhörungstermin vom 19.11.2014 zutreffend erläutert hat – keineswegs zwingend, weil sie nicht vereinfacht und nicht zu einem höheren Erkenntnisgewinn führt (vgl. hierzu Senat, Beschlüsse v. 15.12.2016 – I-26 W 25/12 (AktE) – und 12.12.2016 – I-26 W 4/14 (AktE), bislang n.v.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.01.2016 – 21 W 70/15 – Rn. 59, ZIP 2016, 716; Großfeld/Egger/Tönnes, Recht der Unternehmensbewertung, 8. A., Rn. 710 f.; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 6, Rn. 24 f.). Im Übrigen geht es nicht darum, einen mathematisch exakten „punktgenauen“ Unternehmenswert zu ermitteln (vgl. BGH, Beschluss v. 29.09.2015, aaO Rn. 36). Vielmehr sind die Annahmen auf ihre Plausibilität zu überprüfen, um im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO zu einem angemessenen Barabfindungsbetrag zu gelangen.

4.2 Die von dem Sachverständigen mit 5,0 % nach Steuern angesetzte Marktrisikoprämie ist nicht zu beanstanden.

Der Sachverständige hat sich im Rahmen seiner Wertermittlung nach IDW S1 2000 und – folgerichtig – auch nach IDW S 1 2005 für Marktrisikoprämien von 4 % vor bzw. 5 % nach persönlichen Steuern - d.h. jeweils am unteren Rand der vom IDW empfohlenen Bandbreiten - entschieden. Der Arbeitskreis Unternehmensbewertung (AKU) des IDW hat – insbesondere basierend auf der Studie von Stehle (WPg 2004, 906 ff.) – für die Marktrisikoprämie nach persönlichen Ertragssteuern eine Bandbreite von 5 % bis 6 % vorgeschlagen, sofern dem nicht Besonderheiten in dem zu beurteilenden Einzelfall entgegenstehen (FN-IDW Nr. 1-2/2005, 71; zur Bewertung von Versorgungsunternehmen Gampenrieder, VW 2004, 77 ff.; ders. VW 2005, 125 ff. und VW 2006, 197 ff.).

Derartige Besonderheiten sind – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Beschwerdeinstanz – nicht ersichtlich; der Sachverständige hat seinen Ansatz am unteren Rand der empfohlenen Bandbreite auch überzeugend begründet. U.a. hat er sich ausführlich mit der Mittelwertbildung der Marktrisikoprämie auseinandergesetzt und hierzu auf eine eigene Sensitivitätsanalyse verwiesen, in der er unter Verwendung der von Stehle veröffentlichten Renditereihen untersucht hat, welche geometrischen und arithmetischen Marktrisikoprämien sich vor persönlichen Steuern im Zeitablauf (alternativ 25, 30, 35, 40, 45 bzw. 50 Jahre) ergeben (Gutachten S. 70). Er hat sich eingehend mit der Frage der Mittelwertbildung befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass - jedenfalls bislang - beide Varianten als gleichwertig anzusehen sind. Wie der Sachverständige weiter plausibel erläutert hat, handelt es sich bei den von Stehle ermittelten Werten um historische Marktrisikoprämien; zukünftig lässt sich für viele Anleger eine höhere Diversifikation als in den 1950er bis 1980er Jahren, auch über eine verbesserte internationale Ausrichtung der Kapitalmärkte, nicht ausschließen. Dies hat er im Anhörungstermin – bezogen auf die Wertermittlung nach IDW S1 2000 – nochmals erläutert und ist bei seiner Einschätzung geblieben, dass eine historische Marktrisikoprämie vor Steuern in einer Bandbreite von 4,0 % bis 4,5 % zum Stichtag angemessen ist. Dass Aktionäre im Hinblick auf die Globalisierung der (Kapital-)Märkte und einem vereinfachten Zugang zu diesen Märkten eine etwas geringere Marktrisikoprämie als in der Vergangenheit erwarten, ist nicht fernliegend (Senat, Beschluss v. 15.12.2016 – I-26 W 25/12 (AktE), bislang n.v.). Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist sowohl die Frage, welche Mittelwertbildung bei der Ableitung der Marktrisikoprämie verwendet werden sollte, als auch die konkrete Höhe der Marktrisikoprämie innerhalb der Wirtschaftswissenschaften sehr umstritten. Eine allgemein anerkannte Höhe hat sich bislang nicht herausgebildet; eine empirisch genaue Festlegung ist nach dem aktuellen Stand der Wirtschaftswissenschaften nicht möglich (vgl. ausführlich Senat, Beschluss v. 04.07.2012 - I-26 W 8/10 (AktE) - Rn. 52, juris m.w.N.; ebenso BGH, Kartellsenat, Beschluss v. 27.01.2015 – EnVR 37/13 - Rn. 29 ff., ZNER 2015, 133 ff. – „ONTRAS Gastransport GmbH“). Solange die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion andauert, kann die Marktrisikoprämie – wie auch die Bestimmung der Risikoprämie unter Zuhilfenahme des CAPM – stets nur eine mit Zweifeln behaftete Schätzung sein (vgl. BGH, Beschluss v. 29.09.2015, aaO Rn. 49; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 18.05.2016 – 12a W 2/15 – Rn. 68, juris). Die vorliegend mit 5 % nach Steuern angesetzte Marktrisikoprämie ist danach im Rahmen einer Schätzung, die sich zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Werte zu bewegen hat, – auch bezogen auf den vorliegenden Bewertungsstichtag im Oktober 2004 – nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Beschlüsse v. 15.12.2016 – I-26 W 25/12 (AktE), bislang n.v.: 5 %, Stichtag Mai 2003; 12.11.2015 - I-26 W 9/14 (AktE) - Rn. 55, AG 2016, 329 ff.: 5%, Stichtag August 2006). Diesen Wert hatte der Sachverständige nach den Vorgaben des IDW S1 2005 auch seiner auf einen Bewertungsstichtag im Februar 2003 bezogenen Bewertung zugrunde gelegt, die der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem o.e. Beschluss vom 29.09.2015 für maßgeblich erachtet hat (vgl. BGH, aaO Rn. 46 ff.; Senat, Vorlagebeschluss v. 28.08.2014 – I-26 W 9/12 (AktE) – Rn. 21, AG 2014, 817 ff.).

4.3 Auch die Einwendungen einzelner Antragsteller gegen den Wachstumsabschlag, den das Landgericht mit dem Sachverständigen in Übereinstimmung mit den Bewertungsgutachtern und der sachverständigen Prüferin mit 0,5 % angesetzt hat, bleiben ohne Erfolg.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hängt dieser vom Einzelfall ab, wobei Werte zwischen 0,5 % und 2 % als üblich angesehen werden. Entscheidend ist, ob und in welcher Weise das konkrete Unternehmen aufgrund der Unternehmensplanung, der Erwartungen an die Marktentwicklung und die Inflation in der Lage sein wird, nachhaltige Wachstumserwartungen zu erfüllen; die Geldentwertungsrate kann dabei nur ein erster Anhalt sein (vgl. nur Senat, Beschluss v. 27.05.2009 – I-26 W 5/07 (AktE) – Rn. 126, WM 2009, 2220 ff. m.w.N.; Paulsen aaO, § 305 Rn. 134). Auf die Feststellungen des Wirtschaftsprüfers Prof. Dr. Jonas in einem anderen Bewertungsfall vor dem Landgericht Mannheim kann es deshalb ebenso wenig ankommen wie auf die von einzelnen Antragstellern zitierten allgemeinen Erhebungen des Statistischen Bundesamts zur Entwicklung der Gewinne deutscher Kapitalgesellschaften. Mit dem Landgericht ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im Anhörungstermin davon auszugehen, dass der ambitionierten Unternehmensplanung einschließlich des geplanten Wertbeitrags aus Thesaurierung mit dem Wachstumsabschlag von 0,5 % Rechnung getragen wird. Damit wird unterstellt, dass die der I entziehbaren Überschüsse unter Berücksichtigung der Entwicklung der Erträge und Kosten nachhaltig um 0,5 % wachsen werden. Den Einwand, ein Wachstum unter der jährlich zu erwartenden Inflationsrate sei widersprüchlich und führe zwangsläufig zu einer „Schrumpfung“ des Unternehmens, hat das Landgericht zu Recht für nicht durchgreifend erachtet (vgl. Senat, Beschluss v. 15.08.2016 – I-26 W 17/13 (AktE), AG 2016, 864 ff.; OLG Stuttgart, Beschlüsse v. 15.10.2013 – 20 W 3/13 – Rn. 149; 05.06.2013 – 20 W 6/10 – Rn. 231; 10.10.2011 – 20 W 7/11 – Rn. 445, jeweils juris).

Nach alledem ist mit dem Sachverständigen von einem Unternehmenswert von insgesamt 651 Mio. € und daraus resultierend einem Wert je Stückaktie von 20,41 € auszugehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 15 SpruchG n.F. (§ 136 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 GNotKG).

Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten auch der Beschwerdeinstanz zu tragen. Billigkeitsgründe, die es gemäß § 15 Abs. 1 SpruchG rechtfertigen, die Kosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, liegen nicht vor.

Ferner trägt die Antragsgegnerin 50 % der in der Beschwerdeinstanz jeweils entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller, weil ihre sofortige Beschwerde nur teilweise erfolgreich war. Dies entspricht unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit. Eine vollständige Übernahme der in der Beschwerdeinstanz den Antragstellern entstandenen Kosten kommt nicht in Betracht. Im Grundsatz hat jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen, wobei § 15 Abs. 2 SpruchG diesen Grundsatz aus Billigkeitserwägungen durchbricht und ermöglicht, die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auch teilweise der Antragsgegnerin aufzuerlegen (zu eng: Rosskopf in: Kölner Kommentar, 3. A., § 15 SpruchG, Rn. 53; zu weitgehend: Dreier/Fritzsche/Verfürth, SpruchG, 2. A., § 15, Rn. 28). Der Umstand, dass hier eine Reduzierung der zunächst vom Landgericht festgesetzten Barabfindung vor allem auf der rückwirkenden Anwendung des IDW S1 2005 beruht, rechtfertigt keine Kostentragung allein durch die Antragsgegnerin (vgl. Senat, Beschluss v. 15.12.2016 – I-26 W 25/12 (AktE) – bislang n.v.; BGH, Beschluss v. 29.09.2015, aaO Rn. 53).

Anlass zur Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung besteht nicht, da die – zulässigen – Anträge auf Erhöhung der Barabfindung im Ergebnis erfolgreich blieben (vgl. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. A., § 15 SpruchG, Rn. 20; Klöcker in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. A., § 15 SpruchG, Rn. 18).

Der Geschäftswert ist entsprechend des ermittelten Erhöhungsbetrages für die Minderheitsaktionäre für beide Instanzen auf jeweils 1.434.032 € festzusetzen.

Der Vertreter der Minderheitsaktionäre kann gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 SpruchG von der Antragsgegnerin in entsprechender Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes den Ersatz seiner Auslagen und eine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen. Der Geschäftswert gilt nach § 6 Abs. 2 S. 3 SpruchG auch für die Bemessung seiner Vergütung.

 

stats