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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
12.05.2022
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
OLG München: Berücksichtigung eines Unternehmenskaufvertrags nach dem Stichtag bei der Unternehmensbewertung

OLG München, Beschluss vom 7.1.2022 – 31 Wx 399/18, rkr.

Volltext des Beschlusses: BB-ONLINE BBL2022-1136-1

Amtliche Leitsätze

1. Bei der Frage, ob ein Unternehmenskaufvertrag zum Bewertungsstichtag bereits in der Wurzel angelegt ist, kommt es nicht darauf an, wann der Kaufvertrag von den Beteiligten unterzeichnet wurde. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Vertragsgrundlagen bereits vor dem Stichtag geschaffen wurden und der Vertragsabschluss zum Stichtag hinreichend wahrscheinlich war.

2. Eine sog. „Entwurzelung“ kann anzunehmen sein, wenn die Wirksamkeit der Strukturmaßnahme unabdingbare Voraussetzung für den Vollzug des (grundsätzlich bereits zum Stichtag angelegten) Unternehmenskaufvertrags ist. Dies ist insbesondere im Fall einer vereinbarten aufschiebenden Bedingung zu bejahen. Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts genügt diesen Anforderungen hingegen nicht.

AktG §§ 327a, b, c

Sachverhalt

A.

Gegenstand des Verfahrens ist die Angemessenheit der Barabfindung nach Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Rahmen eines Squeeze-Outs.

Die Antragsteller waren Aktionäre der Mxxx Bxxx AG (im Folgenden auch: Mxxx AG oder die Gesellschaft). Das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von € 13.308.486 war in ebenso viele auf den Namen lautende Stückaktien mit einem auf die einzelne Aktie entfallenden rechnerischen Anteil am Grundkapital in Höhe von € 1,00 eingeteilt. Die Aktien waren seit einem im August 2009 vollzogenen Delistings nicht mehr börsennotiert.

Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand der Mxxx AG war die Leitung einer Gruppe von Unternehmen, die in der Herstellung, Analyse und dem Vertrieb von Biomolekülen sowie der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Geräten für die Molekularbiologie tätig sind, wobei der Geschäftsbetrieb im Wesentlichen über zwei 100%ige Tochtergesellschaften (die Exxx Mxxx Sxxx GmbH und die Exxx Gxxx GmbH) mit denen ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestand, wahrgenommen wurde.

Die Mxxx AG hatte darüber hinaus ihrerseits mit der Antragsgegnerin bereits am 26.11.2010 einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag abgeschlossen, dessen jährliche Ausgleichszahlung in Höhe von brutto € 0,09 je Aktie bzw. alternativ dessen Barabfindung in Höhe von € 2,20 je Aktie Gegenstand eines gesonderten Spruchverfahrens vor dem Landgericht München I und sodann vor dem erkennenden Senat war. Die Anträge auf Erhöhung dieser Kompensationsleistungen wurden durch das Landgericht mit Beschluss vom 28.04.2017, Az. 5 HK O 4736/11 zurückgewiesen. Der Senat hat die Entscheidung mit Beschluss vom 11.03.2020, Az. 31 Wx 341/17 bestätigt und die hiergegen gerichteten Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen. Der diesem Spruchverfahren zugrunde liegende Unternehmensvertrag wurde sodann am 13.10.2016 mit Wirkung zum 31.12.2017 gekündigt.

Am 13.12.2016 fasste die Hauptversammlung der Mxxx AG den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von € 3,20 je Aktie auf die Antragsgegnerin zu übertragen.

Die von der Antragsgegnerin mit der Bewertung beauftrage Rxxx Sxxx Mxxx GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: Mxxx oder die Bewerterin) ermittelte im Vorfeld dieser Hauptversammlung in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 24.10.2016 (Anl. AG 2) unter Anwendung der Ertragswertmethode einen Unternehmenswert in Höhe von T€ 35.139 und damit einen Wert je Aktie in Höhe von € 2,64.

Dabei ging die Bewerterin entsprechend der gesellschaftseigenen Planung von einer Detailplanungsphase bis zum Geschäftsjahr 2025 und einer sich unmittelbar hieran anschließenden ewigen Rente aus. Im Rahmen des Kapitalisierungszinssatzes wurden (zunächst) ein Basiszinssatz in Höhe von 0,6 % (vor Steuern), eine Marktrisikoprämie in Höhe von 5,5 % (nach Steuern) und ein mittels einer Peer Group ermittelter Betafaktor von 0,9 angesetzt. Der Wachstumsabschlag in der ewigen Rente wurde mit 1 % beziffert. Sonderwerte wurden in Höhe von T€ 15.068 angesetzt und beinhalteten neben Pensionsrückstellungen und dem steuerlichen Einlagenkonto insbesondere eine nicht betriebsnotwendige Liquidität in Höhe von T€ 13.661. Im Rahmen ihrer Stichtagserklärung vom 13.12.2016 (Anl. AG 3) korrigierte die Bewerterin den Beteiligungswert in Folge eines auf 0,8 % (vor Steuern) gestiegenen Basiszinssatzes auf € 2,60 je Aktie.

Der gerichtlich bestellte Abfindungsprüfer, Herr Mxxx Jxxx, ehemals Pxxx Dxxx GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, nunmehr Rxxx GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: Pxxx, Rxxx oder der Prüfer) billigte in seinem Prüfbericht vom 25.10.2016 (Anl. AG 4) und seiner Stichtagserklärung vom 13.12.2016 (Anl. AG 5) die Ertragswertermittlung und die deutlich höher festgelegte Barabfindung in Höhe von € 3,20 je Aktie als angemessen.

Auf die einzelnen Ausführungen im Bewertungsgutachten, Prüfbericht und den jeweiligen Stichtagserklärungen wird Bezug genommen.

Der Beschluss über den Squeeze-Out wurde am 03.02.2017 in das Handelsregister eingetragen und am 04.02.2017 bekannt gemacht.

54 Antragsteller haben die festgesetzte Barabfindung als zu niedrig angegriffen und die gerichtliche Festsetzung einer über € 3,20 je Aktie hinausgehenden angemessenen Barabfindung vor dem Landgericht München I beantragt. Dabei wurden zahlreiche Bewertungsrügen betreffend die Ableitung der finanziellen Überschüsse und deren Diskontierung geltend gemacht.

Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2018 den sachverständigen Prüfer mündlich angehört und weitere ergänzende schriftliche Ausführungen und Alternativberechnungen in Auftrag gegeben. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 118/147 d.A.) und die ergänzende Stellungnahme vom 07.03.2018 (Bl. 157/158 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 29.06.2018 (Bl. 169/257 d.A.) hat das Landgericht sämtliche Anträge auf Festsetzung einer höheren Abfindung als unbegründet zurückgewiesen. Dabei folgte es grundsätzlich der Bewertung auf Basis des Ertragswertverfahrens durch die Bewerterin und den Prüfer. Die zugrunde gelegten Planannahmen und die daraus abgeleiteten finanziellen Überschüsse hat das Landgericht ohne Korrektur übernommen. Im Rahmen des Kapitalisierungszinssatzes hat es die Marktrisikoprämie von 5,5 % auf 5,0 % (nach Steuern) herabgesetzt. Die übrigen Kapitalisierungsparameter wurden wiederum unverändert übernommen. Auch bei den Sonderwerten erfolgten keine Änderungen. Hieraus errechnete das Landgericht zum Stichtag des 13.12.2016 einen Unternehmenswert in Höhe von T€ 37.614 und damit einen Wert je Aktie in Höhe von € 2,83. Nachdem dieser Wert immer noch deutlich unterhalb der festgesetzten Abfindung in Höhe von € 3,20 je Aktie lag, hat es die Anträge auf Erhöhung der Abfindung zurückgewiesen. Aufgrund des gesteigerten Erkenntnisgewinns und der Tatsache, dass die Anträge jedenfalls nicht von vornherein aussichtslos gewesen seien, hat es dennoch eine Kostentragungspflicht betreffend die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller durch die Antragsgegnerin angeordnet. Auf die weiteren Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

Gegen die ablehnende Entscheidung in der Hauptsache richtet sich die Beschwerde der Antragsteller zu 40) und 43) vom 06.08.2018 (Bl. 270 d.A.), eingegangen bei Gericht am selben Tag (Tag der Zustellung des Beschlusses an den anwaltlichen Vertreter der Antragsteller zu 40) und 43): 05.07.2018). Die Beschwerdeführer tragen ausschließlich vor, dass zwei Tage nach dem Hauptversammlungsbeschluss über den Squeeze-Out, also am 15.12.2016, zwei notarielle Kaufverträge über den Anteilserwerb der beiden verbundenen Unternehmen Exxx Mxxx Fxxx GmbH und Exxx BxxxPxxx Sxxx Hxxx Gxxx GmbH zu einem Kaufpreis von insgesamt T€ 28.200 geschlossen worden seien. Diese Verträge seien zum Stichtag bereits in der Wurzel angelegt gewesen und hätten dementsprechend bei der Bewertung Berücksichtigung finden müssen. Die Transaktionen würden zu einem anderen Ertrags- und Unternehmenswert unter Berücksichtung anderer finanzieller Überschüsse und einer geänderten Finanzstruktur der Gesellschaft führen. Im Ergebnis ergäbe sich ein Wert von jedenfalls € 3,92 je Aktie. Dieser sei der Bemessung der Abfindung zugrunde zu legen. Im Übrigen werden keine konkreten Einwendungen gegen den erstinstanzlichen Beschluss erhoben.

Das Landgericht hat den Beschwerden mit Beschluss vom 15.11.2018 (Bl. 284/285 d.A.) nicht abgeholfen und darauf hingewiesen, dass erst durch den Vertragsabschluss, der nach dem Bewertungsstichtag erfolgte, etwaige schuldrechtlich durchsetzbare Ansprüche entstanden seien. Die Verträge seien daher bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen gewesen.

Die Antragsgegnerin teilt die Auffassung des Landgerichts und ist dementsprechend den Beschwerden der Antragsteller zu 40) und 43) entgegengetreten. Sie führt ergänzend aus, dass auch der stand-alone Grundsatz gegen eine Berücksichtigung der beiden inmitten stehenden Kaufverträge spreche. Im Übrigen ergäbe sich auch bei Berücksichtigung kein höherer Ertragswert.

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 30.04.2019 (Bl. 203/297 d.A.) in Bezug auf Kostenentscheidung betreffend die außergerichtlichen Kosten der beschwerdeführenden Antragsteller zu 40) und 43) Anschlussbeschwerde eingelegt und ausgeführt, dass eine Kostenübernahme angesichts des eindeutigen Verfahrensausgangs unter Berücksichtung der Regelung des § 15 Abs. 2 SpruchG nicht sachgerecht sei.

Der Senat hat die beschwerdeführenden Antragsteller zu 40) und 43) mit Hinweisbeschluss vom 11.03.2020 (Bl. 303/306 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Beschwerden nur Erfolg haben könnten, wenn 1. die Unternehmenskaufverträge bei der Ertragswertermittlung zu berücksichtigen seien und sich 2. hieraus derart hohe Werteffekte ergeben, dass die bereits festgesetzte Abfindung von € 3,20 überschritten werde. Im Übrigen hat der Senat auf seine Rechtsprechung zur Kostenerstattung bei erfolglosen Anträgen hingewiesen (vgl. Beschl. v. 11.03.2020 - 31 Wx 341/17, GWR 2020, 221). Im Anschluss daran wurde die Antragsgegnerin durch Verfügung des Vorsitzenden vom 04.06.2020 (Bl. 322/325 d.A.) zur Vorlage der notariellen Kaufverträge und Benennung der in die Vorgänge involvierten Personen, sowie zur Abgabe entsprechender Schweigepflichtentbindungen aufgefordert. Dem ist die Antragsgegnerin fristgerecht nachgekommen. Es folgte sodann aufgrund Beschlusses vom 17.09.2020 (Bl. 349/354 d.A.) eine Beweisaufnahme über die zeitlichen Zusammenhänge und weitere Vertragsdetails durch schriftliche Vernehmung des beurkundenden Notars, Dr. Cxxx C. Pxxx. Auf dessen schriftliche Aussage wird Bezug genommen (Bl. 355/358 d.A.). Sodann wurde der sachverständige Prüfer mit weiterem Beweisbeschluss vom 15.12.2020 (Bl. 379/383 d.A.) mit einer ergänzenden Ertragswertberechnung unter Berücksichtigung der beiden Unternehmenskaufverträge beauftragt. Auf die schriftliche Stellungnahme vom 14.09.2021 (Bl. 400/420 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Beteiligten hatten Gelegenheit zu den jeweiligen Ergebnissen der Beweisaufnahme schriftlich Stellung zu nehmen. Eine mündliche Verhandlung hat in der Beschwerdeinstanz nicht stattgefunden.

Aus den Gründen

B.

Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller zu 40) und 43) haben in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine über € 3,20 hinausgehende Abfindung nicht festzusetzen ist. Etwas anderes ergibt sich auch unter Berücksichtigung der beiden Unternehmenskaufverträge nicht. Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls dennoch nicht zu korrigieren, weswegen auch die zulässige Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin erfolglos bleibt.

I. Die Beschwerden der Antragsteller zu 40) und 43) sowie die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin sind zunächst zulässig.

Die antragstellerseitigen Beschwerden sind fristgerecht eingelegt, §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 63 Abs. 1 FamFG. Weiterhin ist entgegen der Rüge der Antragsgegnerin der gemäß §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdewert von € 600,00 erreicht, wobei die Beschwer beider Beschwerdeführer zusammenzurechnen ist, da sich die Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung richten und dasselbe Rechtsschutzziel verfolgen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.09.2018 - II ZB 15/17, BeckRS 2018, 28290 Rn. 9, 19, 24; OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.09.2016 - 21 W 36/15, NZG 2017, 622 ff.; BeckOGK/Drescher <01.09.2021> SpruchG, § 12 Rn. 9). Die Antragsteller zu 40) und 43) hielten zusammen 1.501 Aktien. Bei der begehrten Erhöhung von € 3,20 auf mindestens € 3,92, also um mindestens € 0,72 je Aktie, ist der Mindestbetrag von € 600,00 überschritten.

Für die Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde bedarf es nach §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 66 S. 1 FamFG hingegen weder der Einhaltung einer Beschwerdefrist noch des Erreichens der Beschwerdesumme, obwohl grundsätzlich ein anderes Rechtsschutzziel verfolgt wird (vgl. Keidel/Sternal, 20. Aufl. <2020> FamFG, § 66 Rn. 8a). Auch der Umstand, dass in Bezug auf die Kostenentscheidung das Verbot der reformatio in peius grundsätzlich nicht gilt, da das Gericht von Amts wegen über die Kosten entscheiden muss (vgl. Keidel/Sternal, a.a.O. § 69 Rn. 18, § 81 Rn. 61), führt nicht zur Unzulässigkeit der Anschlussbeschwerde, da aufgrund des anderen Ziels, das mit der Anschlussbeschwerde verfolgt wird, jedenfalls ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis der Antragsgegnerin vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.02.2014 - XII ZB 706/12, NZFam 2014, 460 ff., Keidel/Sternal, a.a.O. § 69 Rn. 8b; a.A. MüKoFamFG/Fischer, 3. Aufl. <2018> § 66 Rn. 17), so dass die Kostenentscheidung des Ausgangsgerichts sowohl von Amts wegen (vgl. Senat, Beschl. v. 14.12.2021 - 31 Wx 190/20, Veröffentlichung anstehend), als auch auf die (Anschluss-)Beschwerde der Antragsgegnerin hin überprüft und ggf. abgeändert werden kann.

II. Die Beschwerden der Antragsteller zu 40) und 43) haben in der Sache keinen Erfolg. Eine Erhöhung der Barabfindung ist - auch unter Berücksichtigung der beiden Unternehmenskaufverträge - nicht angezeigt, weil bereits der ursprünglich festgesetzte Wert von € 3,20 je Aktie den „wirklichen“, „wahren“ Wert der Beteiligung widerspiegelt bzw. darüber liegt.

Gemäß §§ 327a, b AktG muss den ausgeschlossenen Minderheitsaktionären eine angemessene Barabfindung gewährt werden. Unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) ist die Angemessenheit der Abfindung nur dann zu bejahen, wenn ein vollständiger wirtschaftlicher Ausgleich für die Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Stellung der Aktionäre gewährt wird. Hierzu muss der „wirkliche" oder „wahre" Wert des Anteilseigentums widergespiegelt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.05.2012 - 1 BvR 3221/10, NZG 2012, 1035 ff.; BGH, Beschl. v. 12.01.2016 - II ZB 25/14, DStR 2016, 974 ff., Rn. 23, BGH, Beschl. v. 15.09.2020 - II ZB 6/20, ZIP 2020, 2230 Rn. 19). Diesem Anspruch wird die auf € 3,20 festgesetzte Abfindung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten gerecht.

1. Als Untergrenze für die Bestimmung dieses „wirklichen“, „wahren“ Wertes ist bei börsennotierten Gesellschaften regelmäßig auf den Börsenkurs zurückzugreifen. Eine geringere Abfindung würde der Dispositionsfreiheit über das Eigentum und damit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung tragen; die Aktionäre dürfen nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der Maßnahme erhalten hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.04.1999 - 1 BvR 1613/94, NJW 1999, 3769 ff.; BVerfG, Beschl v. 26.04.2011 - 1 BvR 2658/10, NZG 2011, 869 ff.). Nach dem Delisting im Jahr 2009 waren die Aktien der Mxxx AG aber nicht mehr börsennotiert. Es gibt keinen Börsenkurs, der als Untergrenze herangezogen werden könnte. Insofern erübrigen sich auch weitere Ausführungen dazu, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen der Börsenkurs zur Bestimmung des „wirklichen“, „wahren“ Wertes allein maßgeblich sein könnte (vgl. aktuell OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2021, 21 W 139/19, NZG 2021, 979 u. Senat, Beschl. v. 14.12.2021, 31 Wx 190/20 m.w.N.).

2. Darüber hinaus hat der BGH jüngst entschieden, dass unter Umständen auch der Barwert der Ausgleichszahlung aufgrund eines dem Squeeze-Out vorangegangenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als Untergrenze heranzuziehen sei (vgl. BGH, Beschl. v. 15.09.2020 - II ZB 6/20, DStR 2020, 2742). Dies gelte allerdings nur, wenn der Unternehmensvertrag zum hier zu beurteilenden Stichtag noch bestehe und von seinem weiteren Fortbestand auszugehen sei, was vorliegend aufgrund der Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags noch vor der Beschlussfassung über den Squeeze-Out zu verneinen ist. Im Übrigen hat der Prüfer in diesem Zusammenhang bereits in seinem Prüfbericht ausgeführt, dass sich die Barabfindung unter anteiliger Einbeziehung der Ausgleichszahlung bis zur Beendigung des Unternehmensvertrages in die Ertragswertberechnung nochmals, wenn auch geringfügig, reduzieren würde (vgl. Prüfbericht S. 15 f.).

3. Nach welcher Methode der „wirkliche“, „wahre“ Wert der Beteiligung sodann ermittelt werden muss, schreibt Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor. Auch das einfache Recht kennt entsprechende Vorgaben nicht. Das Gericht ist vielmehr gehalten, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode keine Rechtsfrage, sondern Teil der Tatsachenfeststellung ist. Diese richtet sich wiederum nach der wirtschaftswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie und -praxis. Kommen im konkreten Fall mehrere Berechnungsweisen in Betracht, obliegt die Auswahl damit dem Tatrichter im Rahmen seines Schätzermessens. Lediglich bei der sich daran anschließenden Frage, ob die vom Tatrichter gewählte Bewertungsmethode den o.g. gesetzlichen Bewertungszielen widerspricht, handelt es sich um eine Rechtsfrage (vgl. BGH, Beschl. v. 29.09.2015 - II ZR 23/14, BGHZ 207, 114 ff., Rn. 12; BGH, Beschl. v. 12.01.2016 - II ZB 25/14, NJW-RR 2016, 610 ff., Rn. 14; BGH, Beschl. v. 15.09.2020 - II ZB 6/20, ZIP 2020, 2230 ff. Rn. 13, 20). Entscheidend ist demnach allein, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft bzw. Betriebswirtschaftslehre grundsätzlich anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist und im konkreten Fall auch fachgerecht und methodensauber umgesetzt wird (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 05.06.2013 - 20 W 6/10, NZG 2013, 897; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.10.2019 - 26 W 3/17, AG 2020, 254, Rn. 54; MüKoAktG/van Rossum, 5. Aufl. <2020> § 305 Rn. 82; Steinle/Liebert/Katzenstein, MüHdBGesR, 5. Aufl. <2020> § 34 Rn. 132).

a) Der Senat erachtet unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vorliegend in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts die angewandte Ertragswertmethode, bei welcher im Rahmen einer Prognoseentscheidung die zukünftigen Erträge der Gesellschaft ermittelt und sodann mit einem Kapitalisierungszinssatz abgezinst werden, als eine für seine eigene Schätzung des Unternehmens- bzw. Beteiligungswertes grundsätzlich geeignete Methode. Sie ist in Literatur und Praxis allgemein anerkannt und verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenngleich ihre Anwendung nach dem oben Gesagten nicht zwingend geboten ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.04.2011 - 1 BvR 2658/10, BB 2011, 1518 ff.; BGH, Beschl. v. 12.01.2016 - II ZB 25/14, NZG 2016, 461 ff., Rn. 21; BGH, Beschl. v. 29.09.2015 - II ZR 23/14, a.a.O. Rn. 33 ff.; Senat, Beschl. v. 26.06.2018 - 31 Wx 382/15, AG 2018, 753 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.07.2018 - 26 W 4/17 (AktE), ZIP 2019, 370 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass sie im konkreten Fall nicht geeignet ist, den „wirklichen, „wahren“ Wert der Beteiligung abzubilden, bestehen vorliegend nicht und werden seitens der Beschwerdeführer auch nicht konkret vorgetragen.

b) Auch wenn im Spruchverfahren mit der Beschwerdeinstanz grundsätzlich eine zweite Tatsacheninstanz eröffnet ist (vgl. § 17 Abs. 1 SpruchG i.V.m. § 65 Abs. 2 FamFG), ist der Senat nicht gehalten, jedes Detail der vorliegenden Ertragswertermittlung von Amts wegen erneut zu überprüfen. Im Spruchverfahren ist der Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG durch die Einführung zahlreicher beibringungsrechtlicher Grundsätze der ZPO durchbrochen, wie sich insbesondere aus den Regelungen der §§ 8 Abs. 3, 9, 10 SpruchG ergibt (vgl. MüKoAktG/Kubis, a.a.O., § 8 Rn. 4; Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. <2019> SpruchG, § 8 Rn. 1 f.). Bereits in erster Instanz muss sich das Gericht dementsprechend grundsätzlich nur mit konkret erhobenen Bewertungsrügen auseinandersetzen und nicht ohne Vortrag bei unstreitigem Sachverhalt von Amts wegen weitergehende Ermittlungen durchführen. Auch in der Beschwerdeinstanz kann sich das Beschwerdegericht dementsprechend auf die konkret im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen beschränken (vgl. Senat, Beschl. v. 20.03.2019 - 31 Wx 185/17, AG 2019, 659 ff.; BeckOGK/Drescher, a.a.O., § 12 Rn. 16; Emmerich/Habersack/Emmerich, a.a.O. § 12 Rn. 8). Dies gilt jedenfalls, wenn sich das erstinstanzliche Gericht umfassend mit den Details des Bewertungsverfahren und den in erster Instanz erhobenen Rügen auseinandergesetzt und seine Entscheidung ausführlich und nachvollziehbar begründet hat.

c) Im Übrigen ist es weder Sinn und Zweck des Spruchverfahrens sämtliche in der Wirtschaftswissenschaft bestehenden Problemfelder abschließend aufzuklären (vgl. Senat, Beschl. v. 11.03.2020 - 31 Wx 341/17, 06.08.2019 - 31 Wx 340/17, AG 2019, 887 ff. und Beschl. v, 16.10.2018 - 31 Wx 415/16, AG 2019, 357 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.10.2013 - 20 W 3/13, AG 2014, 208 Rn. 133; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 26.01.2017 - 21 W 75/15, AG 2017, 790 ff., Rn. 71; Katzenstein, AG 2018, 739, 741), noch geht es darum, die Ertragswertberechnung im vorliegenden Verfahren losgelöst vom eigentlichen Bewertungsziel so exakt wie möglich aufzuschlüsseln. Ziel des Spruchverfahrens ist die Festsetzung einer angemessenen Kompensationsleistung. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht die Grundlagen für seine Schätzung methodensauber herauszuarbeiten, aber nicht unbedingt sämtliche Bewertungsdetails abschließend aufzuklären, wenn und soweit sich daraus keine ergebnisrelevanten Effekte ableiten lassen können, wenn die weiteren Ermittlungsmaßnahmen also keine bessere Annäherung an den „wirklichen“, „wahren“ Wert der Beteiligung versprechen (vgl. dazu auch Senat, Beschl. v. 09.04.2021 - 31 Wx 2/19, AG 2021, 715). Sachverständige Stellungnahmen sollen in diesem Kontext keinen Selbstzweck erfüllen, sondern dem Gericht eine fundierte Schätzgrundlage vermitteln, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich auch die Ermittlung der Schätzgrundlagen stets in einem verfahrensökonomisch vertretbaren Rahmen bewegen muss und der Gewinn an Genauigkeit gegen den weiteren verfahrens- und kostenrechtlichen Aufwand abzuwägen ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 29.09.2015 - II ZB 23/14, NJW-RR 2016, 231, Rn. 42).

d) Unter Anwendung dieser Grundsätze beschränkt sich der Prüfungsmaßstab des Senats vorliegend allein auf die Rüge der Nichtberücksichtigung der beiden Unternehmenskaufverträge bei der Ertragswertberechnung, aus welcher sich im Ergebnis jedoch - auch ohne jedes Detail der sich hieraus ergebenen Modifikationen der Ertragswertberechnung abschließend aufzuklären - in Bezug auf die Höhe der festzusetzenden Abfindung keinerlei wertrelevanten Effekte herleiten lassen.

Das Landgericht hat sich unter intensiver Einbindung des sachverständigen Prüfers mit sämtlichen Bewertungsrügen der Beteiligten auseinandergesetzt und seinen Beschluss vom 29.06.2018 ausführlich und nachvollziehbar auf knapp 90 Seiten begründet. Nur zwei Antragsteller haben hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der jedoch nicht der erstinstanzliche Beschluss an sich angegriffen, sondern einzig gerügt wird, dass bei der Ertragswertberechnung zwei zum Stichtag in der Wurzel angelegte Unternehmenskaufverträge nicht berücksichtigt worden seien. Auch im Rahmen der nachgelassenen Beschwerdebegründungsfrist wurden weitergehende Rügen gegen die ursprüngliche Ertragswertermittlung nicht erhoben. Der Senat hat seine weiteren Ermittlungshandlungen dementsprechend auf die Frage, ob die Unternehmenskaufverträge zu berücksichtigen sind und wie sich dies auf die Wertfindung auswirkt, beschränkt. Hierauf wurden die Beteiligten bereits frühzeitig u.a. mit Beschluss vom 11.03.2020 noch vor Beginn der Beweiserhebungen hingewiesen.

Soweit nunmehr erstmals im Rahmen der Stellungnahmen betreffend die Modifizierungen der Ertragswertberechnung aufgrund der beiden Unternehmenskäufe bestimmte Grundannahmen dieser Berechnung oder ihrer Plausibilisierung, die unverändert und bislang unbeanstandet übernommen wurden, in Frage gestellt werden, ist dies als erhebliche Verletzung der Verfahrensförderungspflicht der Beteiligten zu werten, die ausweislich der Regelung des § 10 Abs. 2 SpruchG die Zurückweisungen dieses Vortrages zur Folge haben kann. Eine Entscheidung darüber steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und ist bereits aus diesem Grund einzelfallbezogen im Rahmen der jeweiligen Rüge zu treffen. Insofern wird auf die folgenden Ausführungen verwiesen. Grundsätzlich sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich eine Entscheidung über die Zurückweisung erübrigt, wenn sich auch unter Berücksichtigung des jeweiligen Vortrages keine Anhaltspunkte für eine Erhöhung der Abfindung bzw. für die Durchführung weiterer Ermittlungsmaßnahmen ergeben.

e) Dies vorangestellt lässt sich auch unter Berücksichtigung der beiden Unternehmenskaufverträge ein Ertrags- bzw. Unternehmenswert, der eine höhere als die bereits festgesetzte Abfindung von € 3,20 je Aktie rechtfertigen würde, nicht feststellen. Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats aus der durchgeführten Beweiserhebung, insbesondere der ergänzenden Stellungnahme des sachverständigen Prüfers, ohne dass es einer weiteren Erläuterung/Ausdifferenzierung der einzelnen Parameter der modifizierten Ertragswertberechnung bedürfte.

aa) Zunächst geht der Senat entsprechend seinem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 17.09.2020 (Bl. 349/354 d.A.) davon aus, dass der Erwerb der Geschäftsanteile der Exxx Mxxx Fxxx GmbH und der Exxx BxxxPxxx Sxxx Hxxx Gxxx GmbH unter Berücksichtigung des Stichtagsprinzips und der Wurzeltheorie tatsächlich in die Ertragswertermittlung der Mxxx AG hätte einfließen müssen.

Nach dem Stichtagsprinzip sind grundsätzlich nur die am Bewertungsstichtag bestehenden Verhältnisse für die Anteilsbewertung maßgeblich. Das Unternehmen ist in dem Zustand zu betrachten, „wie es am Stichtag steht und liegt“. Spätere Entwicklungen dürfen nur berücksichtigt werden, wenn sie am Stichtag bereits in der Wurzel angelegt waren, wenn deren Verursachung also in die Zeit vor dem Bewertungsstichtag fällt und zu diesem Zeitpunkt bereits mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war (vgl. BGH, Urt. v. 17.01.1973 - IV ZR 142/70, NJW 1973, 509; MüKoAktG/van Rossum, a.a.O, § 305 Rn. 98 ff.; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 29.01.2016 - 21 W 70/15, AG 2016, 551 ff., Rn. 31; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.08.2016 - I-26 W 17/13, BB 2017, 1073 ff.).

Insofern kommt es entgegen der vom Landgericht vertretenen Rechtsauffassung gerade nicht darauf an, ob die Verträge vor oder nach dem Stichtag unterzeichnet wurden, sondern darauf, ob die erst nach dem Stichtag unterzeichneten Verträge bereits zum Bewertungsstichtag mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit angelegt waren. Dies ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme zu bejahen.

Der beurkundende Notar hat bestätigt, dass er bereits Anfang November 2016, also über einen Monat vor dem hier zu beurteilenden Stichtag, den Auftrag erhalten habe, einen konzerninternen Abtretungsvertrag zu entwerfen. Die Vertragsentwürfe standen bereits zum Stichtag fest und die Beteiligten waren sich darin einig, die Verträge nach der Beschlussfassung über den Squeeze-Out zu unterzeichnen. Folglich ist zunächst durchaus davon auszugehen, dass die Verträge zum Stichtag bereits in der Wurzel angelegt waren.

Es kann bei der vorliegenden Vertragsgestaltung auch nicht von einer „Entwurzelung“ durch eine untrennbare Verknüpfung zwischen dem Squeeze-Out und dem Erwerb der Geschäftsanteile ausgegangen werden. Dies wäre lediglich bei einer vertraglich vereinbarten aufschiebenden Bedingung anzunehmen (so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 26.08.2009 - 5 W 35/09, BeckRS 2010, 29010; Senat, Beschl. v. 05.05.2015 - 31 Wx 366/13, BeckRS 2015, 8628; Peemöller/Popp, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 7. Aufl. <2020> S. 189), nicht aber wenn - wie im vorliegenden Verfahren - lediglich ein Rücktrittsrecht für den Fall des Scheiterns des Squeeze-Outs vereinbart wurde.

Der Notar hat unter Ziff. 2 seiner schriftlichen Aussage ausgeführt, dass die abzutretenden Gesellschaften nach Vollzug des Squeeze-Outs einen Ergebnisabführungsvertrag mit der Mxxx AG abschließen sollten, die dafür aus steuerlichen Gründen während des gesamten Geschäftsjahres 2017 Inhaber der Geschäftsanteile habe sein müssen. Diese Aussage hat die Antragsgegnerin bestätigt und dahingehend konkretisiert, dass es um die Begründung der rechtlichen Voraussetzungen für die Ergebnisabführungsverträge noch im Jahr 2016 gegangen sei, so dass ein im Laufe des Jahres 2017 zu schließender Ergebnisabführungsvertrag auch rückwirkend für das gesamte Geschäftsjahr 2017 seine Wirkung hätte entfalten können.

Es wurde demnach bewusst keine aufschiebende Bedingung, sondern ein Rücktrittsrecht vereinbart. Die Verträge sollten unmittelbar noch im Jahr 2016 vollzogen werden können, um rückwirkend etwaige steuerliche Vorteile auch für den Zeitraum, in dem noch keine vollständige Gewissheit über das Schicksal des Squeeze Outs bestand, nutzbar machen zu können. Ein Zuwarten bis zur Rechtssicherheit über das Wirksamwerden des Squeeze-Outs sollte gerade nicht stattfinden. Dies deckt sich auch mit der schriftlichen Korrespondenz zum ersten Vertragsentwurf, in der bereits von einem „right to withdraw“, also einem Rücktrittsrecht die Rede war.

Wie der Notar weiter ausgeführt hat, kam auch eine auflösende Bedingung nicht in Betracht, da bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen den Squeeze-Out Beschluss zeitlich nicht genau vorhersehbar gewesen wäre, wann Rechtsklarheit bestanden hätte. Das Rücktrittsrecht sei daher flexibler und interessengerechter gewesen.

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich die Vertragsparteien bewusst gegen die Vereinbarung einer Bedingung und für die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts entschieden haben. Vor diesem Hintergrund kommt es auf das weitere Beweisangebot der Antragsgegnerin nicht entscheidend an. Es kann als wahr unterstellt werden, dass sämtliche Beteiligte nach dem Verlauf der Hauptversammlung am 13.12.2016 das Wirksamwerden des Squeeze-Outs als relativ sicher eingestuft haben. Gleiches gilt für die Behauptung, dass das Rücktrittsrecht sicher ausgeübt worden wäre, wenn der Squeeze-Out letztlich doch gescheitert wäre.

Entscheidend ist allein, dass eine rechtlich untrennbare Einheit zwischen dem Squeeze-Out und dem Anteilserwerb nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Vertrages und dem klaren Willen der Parteien gerade nicht bestand. Der Rücktritt hätte im Fall des Scheiterns des Squeeze-Outs erklärt werden können, es hätte aber ebenso am Vertrag festgehalten werden können. Dass dies nach (bestrittener) Schilderung der Antragsgegnerin nicht beabsichtigt war, ist insoweit nicht relevant. Unabdingbare Voraussetzung für den Vollzug des Vertrages war der Ausschluss der Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht. Vielmehr wurden durch die vorliegende Gestaltung bewusst rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, noch bevor über das Schicksal des Squeeze-Outs endgültig entschieden war. Dementsprechend hätten die Transaktionen - da grundsätzlich in der Wurzel angelegt - als wertbildende Faktoren bei der Ertragswertermittlung auch Berücksichtigung finden müssen.

bb) Der sachverständige Prüfer hat hieran anknüpfend eine modifizierte Ertragswertberechnung unter Berücksichtigung der beiden Unternehmenskäufe durchgeführt, aus der sich zwar ein höherer als der ursprüngliche Ertrags- und Unternehmenswert ergibt, der aber unzweifelhaft keine höhere Abfindung als den bereits festgesetzten Wert von € 3,20 rechtfertigt, was sich auch anhand weiterer plausibilisierender Überlegungen zeigt. Die dagegen vorgebrachten Rügen greifen allesamt nicht durch.

Der sachverständige Prüfer hat für seine Ertragswertberechnung die - beschwerdeseits nach wie vor unbeanstandete - Planungsrechnung für die Mxxx AG unverändert übernommen und sodann um die Ergebnisplanungen der beiden erworbenen Unternehmen erweitert. Dabei ist er entsprechend der unternehmerischen Entscheidung der Gesellschaft davon ausgegangen, dass der Kaufpreis von insgesamt T€ 28.200 zum einen aus dem Bestand an liquiden Mitteln der Mxxx AG in Höhe von T€ 13.500 und zum anderen durch ein Konzerndarlehen beglichen werden sollte. Entgegen beschwerdeseitiger Rüge hat sich der sachverständige Prüfer den Darlehensvertrag auch vorlegen lassen (vgl. ergänzende Stellungnahme S. 4).

Auch wenn objektiv betrachtet ggf. auch andere Finanzierungsmöglichkeiten bestanden hätten, ist dies als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen (zum eingeschränkten Überprüfungsmaßstab unternehmerischer Entscheidungen siehe unten). Jedenfalls kann angesichts der erheblichen Steuereffekte, die durch die Transaktion realisiert werden konnten, nicht angenommen werden, dass es sich um eine unvertretbare oder unplausible Finanzierungsentscheidung gehandelt habe. Ob es ggf. bei einem der hinzugekauften Unternehmen ein ausgereichtes Darlehen in Höhe von T€ 400 gegeben hat, welches dieses hätte zurückfordern können, ist insofern irrelevant.

Sodann hat der Prüfer nachvollziehbar dargelegt, welche Auswirkungen die geänderte Ertragslage und deren konkrete Finanzierung auf welche Parameter des Bewertungsmodells hat. Dabei lassen sich - entsprechend der unternehmerischen Intention für diese Transaktionen und entgegen beschwerdeseitiger Darstellung - insbesondere ganz erhebliche steuerliche Effekte von insgesamt T€ 6.962 ausmachen. Im Ergebnis gelangt der sachverständige Prüfer unter Berücksichtigung weiterer (gegenläufiger) Effekte auf die Ertragswertberechnung zu einem Wert je Aktie in Höhe von € 2,80, der immer noch weit unterhalb der festgesetzten Abfindung in Höhe von € 3,20 je Aktie liegt. Die gegen diese Berechnung vorgebrachten Rügen der beschwerdeführenden Antragsteller und des gemeinsamen Vertreters greifen allesamt nicht durch.

(1) Dies gilt zunächst für die Rügen betreffend die Plausibilität der einzelnen Planannahmen und die daraus folgende Ableitung der finanziellen Überschüsse. Den Beschwerdeführern ist zwar darin zuzustimmen, dass die ergänzende Stellungnahme nicht dieselbe inhaltliche Tiefe aufweist wie der ursprüngliche Prüfbericht. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sie als Schätzgrundlage nicht herangezogen werden könnte, zumal der Senat den sachverständigen Prüfer in seinem Beweisbeschluss vom 15.12.2020 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sich eine detaillierte Darstellung erübrigt, wenn die Wertauswirkung offensichtlich hinter der festgesetzten Abfindung zurückbleibt, was vorliegend zu bejahen ist.

Die ergänzende Stellungnahme ist nicht isoliert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit dem Prüfbericht zu lesen, der - insofern beschwerdeseits unbestritten - den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. § 293e AktG) und sämtliche nach IDW S1 geforderten Ausführungen beinhaltet. Zahlreiche vermeintlich unplausible, unbelegte oder ins Blaue hinein dargestellte Planannahmen und Bewertungsüberlegungen wurden dort bereits hinreichend erläutert. Beispielhaft seien an dieser Stelle die nach Auffassung der Beschwerdeführer nicht verständlichen ISS- und EGFM-Gebühren, deren Bedeutung bereits im Prüfbericht dargestellt wurde (vgl. Prüfbericht S. 38), genannt. Auch der Themenkomplex National Support Services wurde bereits im Prüfbericht (vgl. Prüfbericht S. 36) und sodann nochmals in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2018 erörtert, da er die gesamte Konzerntätigkeit betrifft und dementsprechend auch ohne die Frage, ob die Unternehmenskaufverträge berücksichtigungsfähig sind oder nicht, für die Bewertung relevant war. Das Landgericht hat diese Annahmen unverändert seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dies ist beschwerdeseits unbeanstandet geblieben. Gleiches gilt für die grundsätzliche Berechnungslogik des Bewertungskalküls, das derjenigen der ursprünglichen Darstellung im Prüfbericht entspricht, so dass auf wiederholende Ausführungen durchaus verzichtet werden konnte, ohne dass sich hieraus ableiten lassen könnte, dass die neuerliche Stellungnahme daher nicht nachvollziehbar sei.

Dem sachverständigen Prüfer lagen zahlreiche unternehmensinterne Bewertungsüberlegungen vor. Auf dieser Grundlage hat er die ursprüngliche und beschwerdeseits unbeanstandete Ergebnisplanung der Mxxx AG um die Ergebnisplanungen (Budget 2016, Forecast und Fortschreibung 2018 - 2020) und weitere Annahmen bzgl. künftiger Investitionen und Working Capital erweitert. Dies stellt angesichts der Tatsache, dass bereits aufgrund der unterschiedlichen Geschäftstätigkeitsausrichtungen ansonsten keine operativen Leistungsbeziehungen zwischen der Mxxx AG und den beiden hinzugekauften Unternehmen und damit keine sonstigen unechten Synergien bestehen, ein sachgerechtes Vorgehen dar.

Nicht zu beanstanden ist dabei auch, dass die vorhandenen Bewertungsüberlegungen der Gesellschaft zum Stichtag des 13.12.2016 nochmals aktualisiert und an die bereits vorliegenden tatsächlichen - im Vergleich zur Planung schlechteren - Ergebnisse angepasst wurden. Wenn und soweit sich zum Stichtag abzeichnet, dass die bisherige Planung zu optimistisch war (was im Übrigen auch die beschwerdeseits vorgelegten Ist-Zahlen für das Jahr 2017 selbst nach der Adjustierung bestätigen), ist eine Anpassung geboten, um sicherzustellen, dass die Verhältnisse der Gesellschaft zum Stichtag sachgerecht widergespiegelt werden.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Planung in erster Linie Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen und damit nur eingeschränkt darauf hin überprüfbar ist, ob sie auf zutreffenden Informationen und realistischen Annahmen beruht, mithin plausibel und auch nicht widersprüchlich ist. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere (für die Antragsteller günstigere) – letztlich aber ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.05.2012 - 1 BvR 3221/10, NZG 2012, 1035 ff., Rn. 30; Senat, Beschl. v. 14.07.2009 - 31 Wx 121/06, WM 2009, 1848 Rn. 12 und Beschl. v. 06.08.2019 - 31 Wx 340/17, AG 2019, 887 ff.; BeckOGK/Drescher, a.a.O., § 8 Rn. 8; MüKoAktG/van Rossum, a.a.O., § 305 Rn. 121). Vor diesem Hintergrund ist es hinzunehmen, wenn die Einstellung eines (!) weiteren Vertriebsmitarbeiters geplant ist.

Soweit vorliegend gerügt wird, das Bewertungskalkül sei in Bezug auf die sehr hohe Eigenkapital-Thesaurierung nicht schlüssig, ist zu berücksichtigen, dass der sachverständige Prüfer hier Annahmen zu Gunsten der Minderheitsaktionäre getroffen hat. Er hat ausgeführt, dass der Bewertung die - werterhöhende - Annahme zugrunde liege, dass das Darlehen sukzessive über die Laufzeit getilgt werde (vgl. ergänzende Stellungnahme S. 10). Sollte stattdessen tatsächlich keine sukzessive Tilgung vorgesehen gewesen sein (wobei sich dies allein aus dem Geschäftsbericht für das Jahr 2016 nicht ableiten lässt), hätte dies in Anbetracht der vorhandenen Wechselwirkungen in Bezug auf die Finanzstruktur des Unternehmens einen geringeren Unternehmenswert zur Folge. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass im Terminal Value, das den Ertragswert ganz maßgeblich bestimmt, gerade keine entsprechend hohe Eigenkapitalthesaurierung angenommen wurde und die Rüge ungeachtet ihrer inhaltlichen Einordnung vor diesem Hintergrund auch ergebnisorientiert ihre Bedeutung verliert.

Der sachverständige Prüfer gibt in seiner ergänzenden Stellungnahme einen Ertragswert in Höhe von T€ 31.086 zum 31.12.2015 an. Unter Berücksichtigung der Sonderwerte, deren Höhe nicht zu beanstanden ist (siehe dazu sogleich) und einer Aufzinsung zum Bewertungsstichtag müsste aber ein Ertragswert von mindestens rund T€ 36.000 angenommen werden, um zu einer höheren als der bereits festgesetzten Abfindung zu gelangen. Woraus sich eine weitere derart erhebliche Erhöhung des Ertragswerts von rund T€ 5.000 ergeben soll, ist nach dem oben Gesagten aber auch unter Berücksichtigung sämtlicher Rügen der beschwerdeführenden Antragsteller nicht ersichtlich. Dabei gilt auch zu berücksichtigen, dass nicht nach dem Meistbegünstigungsprinzip die Bewertungsmethode oder innerhalb einer Bewertungsmethode die Berechnungsweisen anzusetzen ist bzw. sind, die für die Antragsteller die größtmögliche Kompensation ergeben, etwa um auf diese Weise auszugleichen, dass die Antragsgegnerin im Zweifel eher eine niedrigere als eine höhere Abfindungszahlung anbietet - was im Übrigen jedenfalls in diesem Verfahren auch nicht zutreffend ist. Die Antragsteller haben Anspruch auf eine angemessene, der Beteiligung am wirklichen Unternehmenswert entsprechende Kompensationsleistung, nicht aber auf eine möglichst hohe Abfindung (vgl. BGH, Beschl. v. 29.09.2015 - II ZR 23/14, BGHZ 207, 114 ff., Rn. 38). Wenn jede rechnerische Zwischengröße in diesem Sinne zu Gunsten der Aktionäre bestimmt werden würde, käme es im Ergebnis zu einer derartigen Kumulation von Günstigkeitsentscheidungen, dass der „wirkliche“ Wert sicherlich nicht mehr abgebildet werden würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.04.2011 - 1 BvR 2658/10, NZG 2011, 869 ff., Rn. 23; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.08.2016 – I-26 W 17/13 (AktE), DStR 2016, 2809 ff.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 - 21 W 7/11, ZIP 2012, 124 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2011 - 20 W 7/11, BeckRS 2011, 24586).

Ausgehend von diesen Annahmen sieht der Senat keinen Anlass dafür, die Grundlagen für seine tatrichterliche Schätzung durch eine weitere ergänzende Stellungnahme des sachverständigen Prüfers oder gar ein Sachverständigengutachten weiter aufzuarbeiten und sodann entsprechend der Anregung des gemeinsamen Vertreters den Prüfer bzw. den Sachverständigen zu dessen Ergänzungen mündlich anzuhören. Weder durch eine weitere schriftliche Ergänzung noch durch eine anschließende mündliche Anhörung sind weitere entscheidungserhebliche Erkenntnisse zu erwarten. Hiervon ist daher Abstand zu nehmen (vgl. Emmerich/Habersack/Emmerich, a.a.O., § 12 Rn. 10; Heidel/Krenek, 5. Aufl. <2020> SpruchG, § 12 Rn. 14; Hölters/Weber/Simons, 4. Aufl. <2022> SpruchG, § 12 Rn. 20).

(2) Dies gilt umso mehr, als die Rügen der Beschwerdeführer betreffend den Kapitalisierungszinssatz ebenfalls nicht nur unbegründet sind, sondern an dieser Stelle tendenziell eher weitere Korrekturen zu Lasten der Minderheitsaktionäre hätten vorgenommen werden müssen. Zu Recht weist die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Risiko des Rücktritts von den Kaufverträgen an keiner Stelle Einfluss in die Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes gefunden hat. Unter den gegebenen Umständen kommt es auf eine konkrete Bezifferung dieses Risikos aber nicht an.

Der angesetzte Basiszinssatz von 0,8 % (vor Steuern) und 0,59 % (nach Steuern) entspricht dem Basiszinssatz, der bereits unter Berücksichtigung der Stichtagserklärung von Bewerterin, Prüfer und diesen folgend auch vom Landgericht angesetzt und beschwerdeseits bislang nicht in Frage gestellt wurde. Die Rüge, der sachverständige Prüfer habe diesen entgegen der Vorgaben des Gerichts und unter Verletzung des Grundsatzes der reformatio in peius eigenmächtig erhöht, kann daher bereits vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden.

Die Festsetzung der Marktrisikoprämie auf 5,5 % (nach Steuern) entspricht der gefestigten und allgemein bekannten Rechtsprechung des Senats für vergleichbare Stichtage (vgl. Senat, Beschl. v. 12.05.2020 - 31 Wx 361/18, DB 2020, 1280 für einen Stichtag im März 2016 u. Beschl. v. 09.04.2021 - 31 Wx 2/19, AG 2021, 715 für einen Stichtag im Juli 2015) Sie ist angesichts des sehr niedrigen Basiszinsniveaus sachgerecht. Dabei steht einer Anhebung der Marktrisikoprämie auf das ursprüngliche Niveau von 5,5 % (nach Steuern), welches bereits Bewerterin und Prüfer angenommen haben, insbesondere nicht das Verbot der reformatio in peius entgegen. Das Verschlechterungsverbot orientiert sich allein am Entscheidungssatz, nicht aber an den Gründen und besagt lediglich, dass es im Ergebnis zu keiner Verschlechterung der angebotenen Kompensationsleistung kommen darf, nicht aber, dass einzelne Bewertungsparameter im Rahmen der Ausübung des tatrichterlichen Schätzermessens nicht zu Lasten der Antragsteller durch das Gericht anders beurteilt werden dürfen (vgl. BeckOGK/Drescher, a.a.O. § 11 Rn. 4; Böttcher/Habighorst/Schulte/Jaspers, 2. Aufl. <2019> SpruchG, § 11 Rn. 3; Keidel/Sternal, a.a.O., § 69 Rn. 18).

In Bezug auf den Betafaktor hat der Prüfer sachgerecht berücksichtigt, dass nunmehr ein anderes Kapitalstrukturrisiko besteht, da anders als bei der ursprünglichen Ertragswertberechnung aufgrund des bestehenden Kreditvertrages erhebliche Finanzverbindlichkeiten vorhanden sind. Dabei hat er, wie bereits dargestellt, zu Gunsten der Minderheitsaktionäre angenommen, dass die Darlehen sukzessive aus der vorhandenen Liquidität über die Laufzeit getilgt werden. Hiermit korrespondierend hat er zunächst einen verschuldeten Betafaktor von 1,3 angesetzt, der sich im Zeitverlauf mit zunehmender Tilgung wieder auf das unverschuldete und beschwerdeseits bislang nicht in Frage gestellte Niveau herabsenkt. Andernfalls wäre durchgängig von einem höheren verschuldeten Betafaktor auszugehen.

Darüber hinaus wäre unter Umständen die Zusammensetzung der Peer Group in Frage zu stellen, da bei Berücksichtigung der beiden erworbenen Unternehmen die Vergleichbarkeit nicht mehr in ausreichender Weise gewährleistet sein könnte. Auch dies hat der sachverständige Prüfer ergänzend analysiert und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Einbeziehung weiterer Vergleichsunternehmen zu einem höheren Betafaktor und damit zu einem höheren Kapitalisierungszinssatz führen würde. Auch der Senat sieht an dieser Stelle unter den gegebenen Umständen keinen Anlass dafür, die Zusammensetzung der Peer Group näher zu analysieren, weswegen erneut zu Gunsten der Minderheitsaktionäre von einer unveränderten Vergleichsgruppe ausgegangen wird. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass der sachverständige Prüfer lediglich eine Erweiterung der Peer Group, nicht aber einen Austausch der Vergleichsunternehmen erwogen hat. Die Argumentation zur vermeintlichen Ungeeignetheit einer derart kleinen Peer Group geht daher bereits aus diesem Grund ins Leere.

(3) In Bezug auf die zum Ertragswert hinzuzurechnenden Sonderwerte hat der sachverständige Prüfer nachvollziehbar ausgeführt, dass sich einerseits die nicht betriebsnotwendige Liquidität um den Betrag verringert, der zur Finanzierung der Unternehmenskäufe verwendet wurde und dass sich andererseits das steuerliche Einlagekonto erhöht, während der Posten Pensionsrückstellungen unverändert übernommen werden kann. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Berechnungslogik für das steuerliche Einlagekonto einschließlich des Kapitalisierungszinssatzes bereits im Prüfbericht eingehend dargestellt (vgl. Prüfbericht S. 55 f.), vom Landgericht übernommen (vgl. Beschluss S. 74 ff.) und beschwerdeseits nicht gerügt wurde. Die ergänzende Stellungnahme knüpft hieran an, ist in sich schlüssig und (unter Außerachtlassung etwaiger Rundungsungenauigkeiten) rechnerisch nachvollziehbar (vgl. ergänzende Stellungnahme S. 13, 15). Vor diesem Hintergrund können auch die Rügen zur vermeintlich unplausiblen, unvollständigen und nicht nachprüfbaren Erhöhung dieser Position keinen Bestand haben.

4. Auch aus weiteren, ergänzenden Überlegungen lässt sich eine höhere Abfindung nicht rechtfertigen.

a) Der sachverständige Prüfer hat zu Plausibilisierungszwecken eine vereinfachende dergestalt Kontrollrechnung dergestalt durchgeführt, dass die sich aus den beiden Transaktionen ergebenden steuerlichen Werteffekte von insgesamt T€ 6.962, also € 0,52 je Aktie, zum ursprünglichen Unternehmens- bzw. Beteiligungswert hinzuaddiert wurden (vgl. ergänzende Stellungnahme S. 15). Angesichts der Tatsache, dass keinerlei operative Synergien ersichtlich sind und die Unternehmenskaufverträge gerade zur Nutzung dieses Steuervorteils erfolgt sind, hält auch der Senat dies für eine sachgerechte Kontrollüberlegung. Ausgehend von einem ursprünglichen Wert je Aktie von € 2,60 (der sachverständige Prüfer hat an dieser Stelle irrtümlich die Reduzierung des Ertragswertes zum Stichtag in Folge gestiegener Basiszinsen nicht berücksichtigt), errechnet sich auf diese Weise ein Wert von € 3,12, der nach wie vor nicht an die festgesetzte Abfindung in Höhe von € 3,20 je Aktie heranreicht. Hinzukommt, dass diese vereinfachende Plausibilisierungsüberlegung nur die werterhöhenden Effekte berücksichtigt und etwaige gegenläufige Effekte (insb. das geänderte Finanzstrukturrisiko) ausblendet.

b) Soweit seitens des gemeinsamen Vertreters gerügt wird, es fehlten plausibilisierende Multiplikatorberechnungen, ist darauf hinzuweisen, dass bereits die Bewerterin in ihrer gutachtlichen Stellungnahme dargelegt hat, dass und warum diese hier zu verzerrten Ergebnissen führen würden und daher zur Plausibilisierung des Ertragswerts nicht geeignet seien (vgl. Bewertungsgutachten S. 68 f.). Dementsprechend haben auch der sachverständige Prüfer und das Landgericht die Ertragswertberechnung nicht ergänzend hierüber plausibilisiert. Dies ist mit der Beschwerde und auch innerhalb der vom Senat nachgelassenen weiteren Beschwerdebegründungsfrist nicht gerügt worden. Erstmals im Rahmen der Stellungnahme zur ergänzenden Stellungnahme der sachverständigen Prüferin wird dies nun ergänzend gefordert. Unabhängig davon, dass diese Rüge nach dem oben Gesagten nach § 10 Abs. 2 SpruchG zurückzuweisen wäre, bestätigt der weitere Vortrag diesbezüglich eindrucksvoll, dass und warum eine Multiplikatorberechnung zur Plausibilisierung des Ertragswerts vorliegend nicht herangezogen werden kann. Demnach wäre für das operative Geschäft der Mxxx AG kein Ertragswert in Höhe von T€ 31.000, wie ihn der sachverständige Prüfer angenommen hat, sondern ein solcher in Höhe von rund T€ 120.000 plausibel. Eine derartige Erhöhung entbehrt jeglicher Grundlage.

5. Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass auch unter Berücksichtigung der Kauf- und Abtretungsverträge und der Rügen der Beteiligten die festgesetzte Abfindung in Höhe von € 3,20 je Aktie den „wirklichen“, „wahren“ Wert der Beteiligung widerspiegelt bzw. diesen bereits übersteigt. Eine Reduzierung der Abfindung kommt aufgrund des Verbotes der reformatio in peius, zumal im Beschwerdeverfahren ohne entsprechende (Anschluss-)Beschwerde der Antragsgegnerin nicht in Betracht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2008 - 12 W 16/02, AG 2009, 47; BeckOGK/Drescher, a.a.O., § 11 Rn. 4, § 12 Rn. 21; Hüffer/Koch/Koch, a.a.O., § 11 Rn. 2; MüKoAktG/Kubis, a.a.O., § 12 Rn. 17). Die Beschwerden der Antragsteller zu 40) und 43) sind daher zurückzuweisen.

III. Auch die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg und ist zurückzuweisen. Ausnahmsweise ist vorliegend unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls trotz des Verfahrensausgangs die durch das Landgericht angeordnete Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller durch die Antragsgegnerin sachgerecht und bedarf keiner Korrektur durch den Senat.

Nach § 15 Abs. 2 SpruchG können die Kosten der Antragsteller der Antragsgegnerin auferlegt werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht. Dieser Formulierung ist unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien, nach Sinn und Zweck und systematischen Erwägungen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dahingehend zu entnehmen, dass die Antragsteller grundsätzlich ihre Kosten selbst zu tragen haben, wenn ihre Anträge erfolglos geblieben sind (vgl. dazu eingehend Senat, Beschl. v. 11.03.2020 - 31 Wx 341/17, AG 2020, 440).

Für die Durchbrechung dieses Grundsatzes bedarf es einer besonderen Rechtfertigung in Form einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände, zu welchen insbesondere auch das Verfahrensverhalten der Beteiligten (so auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.04.2017 - I-26 W 11/16, NZG 2017, 1386 ff., Rn. 5) einschließlich des Informationsflusses und ggf. der Vergleichsbereitschaft der Beteiligten, sowie die durch den Prüfer/Sachverständigen tatsächlich ermittelte Höhe des Wertes der Unternehmensbeteiligung im Vergleich zur angebotenen Abfindung gehören. Allein der Umstand, dass den Anträgen nicht von vornherein jegliche Grundlage gefehlt habe und es zu einem durch das Spruchverfahren gesteigerten Erkenntnisgewinn gekommen ist, worauf das Landgericht seine Entscheidung maßgeblich gestützt hat, ist hingegen nicht ausreichend.

Vorliegend kommt jedoch hinzu, dass selbst dieser durch das Spruchverfahren gesteigerte Erkenntnisgewinn den Beteiligten noch kein vollständiges Bild von der angemessenen Höhe der Abfindung vermitteln konnte, weil es die Antragsgegnerin unterlassen hat, die Beteiligten, das Gericht oder auch den sachverständigen Prüfer über bereits zum Bewertungsstichtag in der Wurzel angelegte, bewertungsrelevante Umstände zu informieren. Dass die Antragsgegnerin davon ausgegangen ist, die Unternehmenskaufverträge müssten nach dem Stichtagsprinzip nicht in die Bewertung einfließen, ist insofern irrelevant. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage.

Wären die Transaktionen von vornherein offengelegt worden, hätten diese bereits im Prüfbericht bzw. spätestens im erstinstanzlichen Verfahren thematisiert werden können. Die Anträge wären im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der oben dargestellten Modifizierungen der Ertragswertberechnung unbegründet gewesen und unter Anwendung der oben genannten Grundsätze wäre es in dem Fall in der Tat nicht sachgerecht gewesen, der Antragsgegnerin dennoch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzuerlegen. Im Rahmen eines dennoch eingeleiteten Beschwerdeverfahrens wäre (auf die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin hin) die Kostenentscheidung des Landgerichts zu korrigieren gewesen.

Dies entspricht aber nicht der vorliegenden Konstellation. Wie bereits ausführlich dargelegt, ist Gegenstand des hiesigen Beschwerdeverfahrens allein die Nichtberücksichtigung der beiden Unternehmenskaufverträge. Wäre dies rechtzeitig in erster Instanz thematisiert worden, wäre das - konkrete - Beschwerdeverfahren nicht eingeleitet worden und eine Änderung der Kostenentscheidung zu Lasten der beschwerdeführenden Antragsteller wäre bereits aus prozessualen Gründen mangels Anhängigkeit eines Beschwerdeverfahrens nicht möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht sachgerecht, die Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsteller, die das - berechtigte - Ziel verfolgt haben, die bestehenden Informationslücken zu schließen, um die Höhe der festgesetzten Abfindung nachvollziehen zu können, abzuändern. Ausnahmsweise verbleibt es daher auch unter Berücksichtigung des Verfahrensausgangs bei der Kostenerstattung durch die Antragsgegnerin für die erste Instanz.

 

C.

I. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Es besteht kein Anlass, diese ausnahmsweise ganz oder teilweise den beschwerdeführenden Antragstellern aufzuerlegen (vgl. § 15 Abs. 1 SpruchG). Im Übrigen trägt die Antragsgegnerin ausnahmsweise nach § 15 Abs. 2 SpruchG aufgrund der vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalls auch die außergerichtlichen Kosten der beschwerdeführenden Antragsteller, die das hiesige Beschwerdeverfahren allein aufgrund der Nichtoffenlegung der Unternehmenskaufverträge eingeleitet haben. Es wird insofern auf die obigen Ausführungen zur Unbegründetheit der Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin verwiesen.

II. Die Festsetzung des Geschäftswerts für die Gerichtsgebühren beruht auf § 74 S. 1 GNotKG. Da es auch in der zweiten Instanz zu keiner Erhöhung der Abfindung gekommen ist, ist der dort genannte Mindestwert in Höhe von € 200.000,00 anzusetzen. Dieser Geschäftswert ist nach § 6 Abs. 2 S. 3 SpruchG auch als maßgeblicher Gegenstandswert für die Vergütung des gemeinsamen Vertreters heranzuziehen.

III. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 70 Abs. 2 FamFG.

 

 

 

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