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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
10.06.2021
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
LG Berlin: Begriff „Bilanzverlust“ in Genussrechtsbedingungen

LG Berlin, Schlussurteil vom 30.6.2020 – 11 O 66/16, Berufung eingelegt (Az. KG Berlin 26 U 1063/20)

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2021-1458-1

Sachverhalt

Die Klägerin macht mit den noch zur Entscheidung anstehenden Klageanträgen Zahlungsansprüche aus Genussscheinen geltend, die die x Kommunalbank Deutschland AG ausgegeben hat, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (im Folgenden zur Vereinfachung stets kurz ‚die Beklagte‘ .

Die Beklagte gab im Jahr 2006 Inhaber-Genussscheine der Serie 9 mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2016 im Nennwert von je 10.000,- EUR und im Gesamtwert von 22 Mio. EUR aus (ISIN: x). Die Genussscheine verbrieften das Recht, am 1. Juni 2017 das Kapital zurückzuerhalten und während der Laufzeit jeweils zum 1. Juni des Folgejahres eine Gewinnausschüttung von 4,875 % bezogen auf den Nennbetrag geltend machen zu können. Beide Ansprüche (Kapitalrückzahlung und jährliche Ausschüttung) waren allerdings nach Maßgabe der Genussscheinbedingungen (im Folgenden: „GSB“) an die Bedingung geknüpft, dass das Unternehmen der Beklagten keinen Bilanzverlust erwirtschafte. Vielmehr sollten die Genussscheininhaber an einem etwaigen Bilanzverlust der Beklagten bis zur vollen Höhe der Genussscheine teilnehmen. Dies regelten §§ 2 und 7 GSB wie folgt:

Die jährliche Ausschüttung von 4,875 % stand gemäß § 2 GSB unter dem Vorbehalt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen durfte:

„Die Ausschüttung auf die Genussscheine ist dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. […] Kann aufgrund dieser Begrenzung die zugesagte Ausschüttung ganz oder teilweise nicht erfüllt werden, so ist der fehlende Betrag in den folgenden Geschäftsjahren nachzuzahlen, soweit dadurch kein neuer Bilanzverlust entsteht.“.

Der finale Rückzahlungsanspruch der Genussscheininhaber sah die Teilnahme an einem etwaigen Verlust der Gesellschaft gemäß § 7 GSB wie folgt vor:

„Die Genussscheininhaber nehmen am Bilanzverlust der Bank in voller Höhe durch Verminderung ihrer Rückzahlungsansprüche und zwar im Verhältnis der Rückzahlungsansprüche zu dem jeweils ausgewiesenen sonstigen Eigenkapital gemäß § 10 KWG teil. Im Falle eines Verlustes ist die (Beklagte) berechtigt, Zinszahlungen aufzuschieben.”

Gemäß § 5 GSB war die Kapitalrückzahlung - vorbehaltlich von Verlustzuweisungen - am 1. Juni 2017 fällig und der zurückzuzahlende Betrag vom Ende der Laufzeit bis zur Fälligkeit, d.h. für rund 6 Monate, mit ebenfalls noch 4,875 % p.a. zu verzinsen.

Die Beklagte gab im Jahr 2007 sodann Genussscheine der Serie 10, diese mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2017 im Nennwert von je 1.000,- EUR und im Gesamtwert von 21.784.000 Mio. EUR aus (ISIN: x). Die Genussscheine verbrieften das Recht, am 1. Juni 2018 das Kapital zurückzuerhalten und während der Laufzeit jeweils zum 1. Juni des Folgejahres eine Gewinnausschüttung von 5,625 % bezogen auf den Nennbetrag geltend machen zu können.

§§ 2, 5 und 7 der GSB der Serie 10 hatten  - bis auf die entsprechend abweichende Fälligkeit und Zinshöhe - den gleichen Wortlaut wie die oben zur Serie 9 zitierten GSB.

Wegen der Einzelheiten der GSB der Serie 9 und 10 wird auf die Anlage K 8 verwiesen.

Für das Jahr 2011 wies die Beklagte erstmals in ihrer Geschichte einen Bilanzverlust aus. Dieser Bilanzverlust wurde auch in den Folgejahren bis zum Laufzeitende der Genussscheine nicht durch einen Jahresüberschuss ausgeglichen. Er wurde vielmehr alljährlich vorgetragen und durch weitere Jahresfehlbeträge erhöht. Die Beklagte gewährte den Genussscheininhabern für die Jahre 2011 bis 2017 entsprechend keine Ausschüttungen, unter Berufung auf § 2 GSB. Bei Fälligkeit am 1. Juni 2017 zahlte sie aufgrund der stetigen Verlustteilnahme gemäß § 7 GSB nur 39,3457 % des Nennwerts der Genussscheine der Serie 9, d.h. 3.934,57 EUR je Genussschein aus, sowie die vertraglich vereinbarten Zinsen für die letzten sechs Monate nach Laufzeitende, im Ergebnis 79,88 EUR je Genussschein. Für die Genussscheine der Serie 10, die am 31. Dezember 2017 ausliefen und am 01. Juni 2018 fällig wurden, zahlte die Beklagte den Gläubigern ausgehend von einer Rückzahlungsquote von 29,8384 %, nur rd. 298,38 EUR je Genussschein aus.

Die Rückzahlungsquote für die Serie 9 von 39,3457 % (EUR 8,656 Mio ./. EUR 22,0 Mio.) errechnete die Beklagte - entsprechend ihrer jeweiligen Bekanntmachungen über die Verlustteilnahme und unter Einbeziehung des Verlustvortrages aus dem jeweiligen Vorjahr in den Bilanzverlust (vgl. Anlage K 2 - K 5) - im Einzelnen wie folgt:

GJ

Bilanzverlust

Jahresfehlbetrag

 Verlustvortrag

Kapital

%

Gs. Serie 9

Verlustzuweis.

Rückzahlung

2011

     80.591.537,05  

     92.128.741,06  

                       -    

    1.055.171.182,05   

    0,087  

  22.000.000,00  

   1.920.856,39  

         20.079.143,61  

2012

     91.650.721,50  

     19.620.144,75  

    80.591.537,05  

     933.878.617,26  

     0,107  

   20.079.143,61  

   2.154.632,00  

          17.924.511,62  

2013

    86.935.255,46  

       1.583.152,47  

     91.650.721,50  

    899.299.548,62  

     0,104  

    17.924.511,62  

   1.858.303,68  

        16.066.207,94  

2014

     84.112.823,20  

         412.926,42  

   86.935.255,46  

     866.971.262,00  

      0,101  

   16.066.207,94  

    1.618.685,78  

         14.447.522,16  

2015

     174.141.801,86  

   99.474.562,68  

     84.112.823,20  

    866.558.335,58  

     0,212  

   14.447.522,16  

  3.060.824,32  

         11.386.697,84  

2016

   168.920.622,98  

         219.952,99  

    174.141.801,86  

     727.083.772,91  

    0,240  

   11.386.697,84  

  2.730.640,80  

   8.656.057,04  

 

 

 

 

 

 

 

 

         0,393457  

Die Rückzahlungsquote für die Serie 10 von 29,8384  % (EUR 6,500 Mio ./. EUR 21,784 Mio.) errechnete die Beklagte - entsprechend ihrer jeweiligen Bekanntmachungen über die Verlustteilnahme und unter Einbeziehung des Verlustvortrages aus dem jeweiligen Vorjahr in den Bilanzverlust (vgl. Anlage K 2 - K 5 sowie K 22 ) - im Einzelnen wie folgt:

GJ

Bilanzverlust

Jahresfehlbetrag

 Verlustvortrag

Kapital

%

Gs. Serie 10

Verlustzuweis.

Rückzahlung

2011

     80.591.537,05  

     92.128.741,06  

                       -    

    1.055.171.182,05  

    0,087  

   21.784.000,00  

    1.901.997,07  

        19.882.002,93  

2012

     91.650.721,50  

     19.620.144,75  

    80.591.537,05  

     933.878.617,26  

     0,107  

   19.882.002,93  

   2.133.477,43  

        17.748.525,50  

2013

    86.935.255,46   

       1.583.152,47  

     91.650.721,50  

    899.299.548,62  

     0,104  

   17.748.525,50  

    1.840.058,51  

        15.908.466,99  

2014

     84.112.823,20  

         412.926,42  

   86.935.255,46  

     866.971.262,00  

      0,101  

   15.908.466,99  

   1.602.793,23  

        14.305.673,76  

2015

     174.141.801,86  

   99.474.562,68  

     84.112.823,20  

    866.558.335,58  

     0,212  

   14.305.673,76  

  3.030.772,59  

          11.274.901,17  

2016

   168.920.622,98  

         219.952,99  

    174.141.801,86  

     727.083.772,91  

    0,240  

     11.274.901,17  

  2.703.830,88  

          8.571.070,30  

2017

   168.994.320,00  

          73.697,02  

  168.920.622,98  

     699.381.787,37  

    0,242  

     8.571.070,30  

   2.071.060,79  

          6.500.009,51  

 

 

 

 

 

 

 

 

       0,2983846  

 

Die Klägerin behauptet, dass sie Inhaberin von 251 Genussscheine der Serie 9 im Gesamtnennwert von 2.510.000 EUR geworden sei sowie weiterer 1.000 Genussscheine der Serie 10 im Nennwert von 1.000.000 EUR. Sie verweist hierzu auf die entsprechenden Abrechnungen der Commerzbank zum jeweiligen Fälligkeitstag (Anlage K 13, K 14 und K 21).

Diesen Abrechnungen zufolge wurden am 1. Juni 2017 dem Konto der Klägerin bei der Commerzbank für 250 Genussscheine der Serie 9 im Nennwert von EUR 2,5 Mio. insgesamt - und insoweit unstreitig - 983.643,15 EUR gutgeschrieben (Anlage K 13), sowie für den einen weiteren Genussschein der Serie  9  im Nennwert von 10.000 EUR weitere 3.934,57 EUR (Anlage K 14). Ausweislich der Abrechnung vom 1. Juni 2018 wurden der Klägerin sodann für Genussscheine der Serie 10 im Nennwert von EUR 1,0 Mio. zum Fälligkeitstag 298.384,67 EUR gutgeschrieben (Anlage K 21).

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise Gestaltungsspielräume bei der Bilanzierung ausgenutzt habe, um seit dem Jahr 2011 bis zum Laufzeitende der Genussscheine alljährlich einen Jahresfehlbetrag ausweisen zu können. Dies erhelle sich nicht zuletzt daran, dass die Beklagte im Jahr 2018, dem ersten Jahr nach Auslaufen der Genussscheine, einen namhaften Gewinn ausgewiesen habe. Insbesondere sei es ihr verwehrt gewesen, den im Vorjahr ausgewiesenen Jahresfehlbetrag im Folgejahr fortzuschreiben und die Genussscheininhaber ein weiteres Mal daran teilhaben zu lassen.

Soweit es die Ausschüttungsansprüche angeht, behauptet die Klägerin, die entsprechenden Ausschüttungs- bzw. Zinsansprüche seien ihr mit abgetreten worden. Die jeweiligen Jahresfehlbeträge seien von der Beklagten bewusst zum Nachteil der Genussscheininhaber erwirtschaftet bzw. konstruiert worden, mit dem Zweck, die Ausschüttung zu verhindern.

Die Klägerin benennt einige Rückstellungen, Zahlungen und Wertberichtigungen, von denen sie meint, diese seien nicht nur nicht erforderlich gewesen, sondern schlechterdings nicht anders zu erklären, als den Genussscheininhabern zu schaden. Die vermeintlich bewusst nachteilige Gestaltung zu Lasten der Genussscheininhaber macht die Klägerin daran fest, dass die Beklagte teilweise gebildete Rückstellungen schon im Folgejahr wieder aufgelöst habe und, nachdem sie während der Geltungsdauer der Genussrechte stets Verluste verbuchte, bereits im Jahr 2018 - also im ersten Jahr nachdem die Genussrechte beendet waren - einen hohen Jahresüberschuss von EUR 191,4 Mio. erzielte (Schriftsatz vom 11.11.2019, S. 55, Bd. III Bl. 58 d.A.). Die tatsächliche Entwicklung belege mithin, dass sich die getätigten Geschäfte bzw. Rückstellungen jedenfalls als nicht zwingend erforderlich erwiesen.

Im Einzelnen macht die Klägerin geltend:

- Eine gebildete Drohverlustrückstellung des Geschäftsjahres 2011 über EUR 77,0 Mio. sei schon im Folgegeschäftsjahr wieder aufgelöst worden und habe sich mithin als nicht erforderlich erwiesen (vgl. Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 6 ff. Bd. III Bl. 91 ff. d.A.).

- Im Jahr 2011 sei zudem eine Rückstellung in Zusammenhang mit Griechenland-Anlagen in Höhe von EUR 11,3 Mio. unzulässig gebildet worden, da es insofern eine Garantie der Muttergesellschaft gegeben habe (vgl. Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 8 ff. Bd. III Bl. 93 ff. d.A.).

- In den Geschäftsjahren 2012, 2013 und 2014 habe die Beklagte Verluste durch den nicht veranlassten Rückkauf von Schuldverschreibungen von insgesamt EUR 137,5 Mio. verbucht (2012: 117,3 Mio., 2013: 17,2 Mio. und 2014: 3,0 Mio.) (vgl. Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 10 ff. Bd. III Bl. 95 ff. d.A.).

-  In den Jahren 2012 bis 2017 - mit Ausnahme von 2015 - habe die Beklagte zudem Verluste durch die vorzeitige Beendigung derivater Geschäfte verbucht, insgesamt EUR 235,2 Mio (2012: 17,4 Mio., 2013: 33,8 Mio., 2014: 41,4 Mio., 2016: 106,4 Mio. und 2017: 36,2 Mio.). Bei dieser vorzeitigen Beendigung habe es sich um einen unüblichen Vorgang gehandelt, der zudem allenfalls bilanzneutral zu verbuchen gewesen sei. Dass die Beklagte hier gezielt zu Lasten der Klägerin Verluste verbucht hätte, indem sie derartige Geschäfte auflöste, ergebe sich daraus, dass sie im Jahr 2018 auf einmal aus derivativen Geschäften einen Gewinn von EUR 150,2 Mio. erzielte (Schriftsatz vom 24.01.2020, S. 10 u. 57 ff.; Bd. V Bl. 10 u. 57 ff. d.A.).

- In den Jahren 2013 bis 2017 habe die Beklagte ferner Verluste erwirtschaftet durch Zahlungen von Bereitstellungsprovisionen für eine Liquiditäsfazilität an ihre Muttergersellschaft in Höhe von insgesamt EUR 18,1 Mio. (2013: 9,9 Mio, 2014: 3,7 Mio., 2015: 3,1 Mio., 2016: 1,1 Mio. und 2017: 0,3 Mio. Diese seien nicht veranlasst gewesen seien, weil angeblich hinreichend freie Liquidität vorhanden gewesen sei (vgl. Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 45 ff.  ff. Bd. III Bl. 130 ff.).

- Eine im Geschäftsjahr 2015 erfolgte Wertberichtigung von rd. 44 % auf Schuldtiteln gegenüber der H Asset Resolution AG (“H-Anleihen“) sei zu hoch ausgefallen. Tatsächlich wurden - insoweit unstreitig - die H-Anleihen schon im Folgejahr für rd. 90 % ihres Wertes zurückverkauft und im Geschäftsjahr 2016 ein außerordentlicher Ertrag verbucht. Gleichwohl sei trotz dieses Ertrages durch außergewöhnlich hohe Verluste in Zusammenhang mit derivativen Geschäften wiederum ein „künstlicher“ Jahresfehlbetrag für das Jahr 2016 produziert worden (Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 22 f. Bd. III Bl. 107 f. d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Schriftsätze der Klägerin vom 14.08.2019, 11.11.2019 und 24.01.2020 verwiesen.

Mit Teilurteil vom 06.03.2017 hat die Kammer die mit der Klage vom 28.12.2015 erhobenen Feststellungsanträge zu 1 bis 3 sowie den auf zukünftige (Rück-)Zahlung gerichteten Zahlungsantrag zu 4 (betreffend einen Genussschein der Serie 9) gemäß Klageerweiterung vom 23.02.2017 abgewiesen. Auf das - noch nicht rechtskräftige - Teilurteil vom 06.03.2017 wird vollumfänglich verwiesen (Bd. II Bl. 4 - 12 der Akte). Gegen das Teilurteil hat die Klägerin Berufung eingelegt (beim Kammergericht zum Az. 26 U 82/17 geführt und in Hinblick auf das hiesige Verfahren dort noch nicht verhandelt).

Im Termin am 06.03.2017 hat die Klägerin ihre Klage um den im folgenden als Antrag zu 5 bezeichneten Antrag auf Zahlung hinsichtlich der Ausschüttungen für einen Genussschein der Serie 9 erweitert (der Rückzahlungsanspruch insoweit war Gegenstand des beschiedenen Antrages zu 4). Sodann hat sie mit Schriftsatz vom 09.11.2017 ihre Klage um die weiteren Zahlungsanträge zu 6 und 7 erweitert. Mit diesen macht die Klägerin die Rückzahlung der Differenz zum vollen Nennbetrag von 250 Genussscheinen der Serie 9 und eine diesbezügliche jährliche Ausschüttung in Höhe von 4,875 % p.a. für die Jahre 2011 bis 2016 geltend.

Auf den Hinweisbeschluss der Kammer vom 20.05.2019 und eine weitere Verhandlung am 16.09.2019 mit entsprechendem Schriftsatznachlass haben die Parteien weiter Stellung genommen, was die Kammer zum Anlass genommen hat, die Verhandlung wieder zu eröffnen. Mit Schriftsatz vom 10.03.2020 hat die Klägerin die Klage sodann ein weiteres Mal um die Zahlungsanträge zu 8 und 9 erweitert. Mit den Anträgen zu 8 und 9 macht die Klägerin die Rückzahlung zum Nennbetrag von 1.000 Genussscheinen der Serie 10 sowie eine jährliche Ausschüttung in Höhe von 5,625 % p.a. für die Jahre 2011 bis 2017 geltend.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

5. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 2.925,- zu zahlen;

[Ausschüttungen bzgl. 1 Genussschein der Serie 9 für die Jahre 2011 - 2016, d.h. 4,875 % p.a. über 6 Jahre]

6. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 1.516.357,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (12. Dezember 2017) sowie weitere EUR 30.785,23 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (12. Dezember 2017) zu zahlen;

[Rückzahlungs-Differenz zum Nennbetrag bezüglich 250 Genussscheinen der Serie 9 zzgl. Zinsdifferenz für die 6 Monate zwischen Laufzeitende und Fälligkeit]

7. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 731.250,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (12. Dezember 2017) zu zahlen;

[Ausschüttungen bzgl. 250 Genussscheine der Serie 9 für die Jahre 2011 - 2016, d.h. 4,875 % p.a. über 6 Jahre]

8. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 701.615,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (17. März 2020) zu zahlen;

[Rückzahlungs-Differenz zum Nennbetrag bezüglich 1.000 Genussscheinen der Serie 10]

9. Die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 393.750,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (17. März 2020) zu zahlen.

[Ausschüttungen bzgl. 1.000 Genussscheine der Serie 10 für die Jahre 2011 - 2017, d.h. 5,625 % p.a. über 7 Jahre]

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die Unzulässigkeit der neuerlichen Klageerweiterung vom 10.03.2020 und die anderweitige Rechtshängigkeit der Anträge zu 8 bis 9. Die Genusscheine der Serie 10 seien bereits Gegenstand der Feststellungsanträge, über die mit Teilurteil vom 06.03.2017 entschieden worden ist und die derzeit beim Kammergericht in der Berufung anhängig sind.

Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin, insbesondere dass die Klägerin Inhaber der streitigen Genussscheine geworden sei. Jedenfalls und erst recht hinsichtlich der Genusscheine der Serie 10 und hinsichtlich der Zinsforderungen der Serien 9 und 10 sei dies nicht erkennbar (vgl. zuletzt Schriftsatz vom 30.03.2020, S. 3; Bd. V Bl. 173).

Die Beklagte meint weiter, § 2 und § 7 GSB unterlägen schon keiner Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Es handele sich um keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne des Gesetzes. Jedenfalls entspreche es den gesetzlichen Bestimmungen, dass Genussscheingläubiger an entstandenen Bilanzverlusten zu beteiligen seien, wie dies in den GSB klar und eindeutig geregelt sei. Der Begriff des „Bilanzverlustes“ in § 7 GSB sei fachgerecht im Sinne der Definition in HGB und AktG auszulegen; es sei damit eindeutig, dass auch Verlustvorträge aus dem Vorjahr bei der Berechnung der Verlustquote zu berücksichtigen sind.

Ausschüttungen gemäß § 2 GSB kämen unabhängig davon nicht in Betracht, da zu keinem Zeitpunkt ein Gewinn erwirtschaftet worden sei. Es sei in jedem der streitigen Geschäftsjahre ein Fehlbetrag auch unabhängig von dem Verlustvortrag des Vorjahres entstanden. Dabei habe die Beklagte nicht gegen ihre kaufmännischen Pflichten verstoßen und die Jahresbilanzen nicht willkürlich zu Lasten der Genussrechtsinhaber geschmälert. Die Geschäftsberichte und Bilanzen seien testiert und nicht zu beanstanden. Auch wirtschaftlich ergäbe eine angebliche Schädigung der Inhaber der Genussscheine gar keinen Sinn. Denn die Entnahmen aus dem Genussscheine-Kapital in Hinblick auf die Gesamtbilanz und die ausgewiesenen Fehlbeträge seien von gänzlich untergeordneter Bedeutung, als dass man nur deswegen Kapitalgeber und Aktionäre durch künstliche Verluste vertreiben würde.

Die einzelnen Rückstellungen und Verlustgeschäfte rechtfertigt die Beklagte im Einzelnen insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 06.09.2019, 11.02.2002 und 30.03.2020.

Überdies erhebt die Beklagte bezüglich sämtlicher Ansprüche die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

 

I.

Die noch zu entscheidenden Klageanträge sind zulässig, insbesondere auch die im Wege der Klageerweiterung gestellten Klaganträge zu 8 und 9.

1.

Dass die Klägerin mit ihren Klageanträgen zu 1 bis 3 Feststellungen hinsichtlich der Genussscheine der Serie 10 begehrte, über welche mit Teilurteil vom 06.03.2017 entschieden wurde, und welche nunmehr in der Berufung beim Kammergericht anhängig sind, führt nicht zur Unzulässigkeit der Leistungsanträge 8 und 9. Dabei spielt es rechtlich keine Rolle, ob die damals eingeführten 4.000 Genussscheine (vgl. Anlage K 23) mit den späteren 1.000 Genussscheinen der Klageerweiterung vom 10.03.2020 (vgl. Anlage K 21) identisch sind oder nicht. Der Klageerweiterung hinsichtlich der Anträge zu 8 und 9 steht nicht der Einwand anderweitige Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in einem insoweit gleichgelagerten Fall entschieden:

 

„Erhebt der Kläger, der eine positive (behauptende) Feststellungsklage erhoben hat, nachfolgend eine aus demselben Rechtsverhältnis abgeleitete deckungsgleiche Leistungsklage, steht dem die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen. Verfolgt der Kläger die im selben Verfahren rechtshängige Feststellungsklage nicht weiter, stellt sich die Leistungsklage als eine ohne Weiteres zulässige Klageerweiterung gem. § 264 Nr. 2 ZPO dar (BGH, NJW 1992, 2296 m. w. Nachw.). Erhebt der Kläger eine solche Leistungsklage in einem anderen Rechtsstreit parallel zur Feststellungsklage, hat dies zur Folge, dass das gem. § 256 I ZPO für die Feststellungsklage erforderliche rechtliche Interesse grundsätzlich entfällt, sobald die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (BGH, NJW-RR 1990, 1532 [1533]). Dementsprechend ist nicht die später erhobene Leistungsklage wegen der bereits rechtshängigen Feststellungsklage unzulässig, sondern es wird die Feststellungsklage im Hinblick auf die später erhobene Leistungsklage unzulässig.“ (BGH, Urteil vom 04.07.2013 - VII ZR 52/12 - Rn. 11 = NJW-RR 2013, 1105, beck-online; vgl. ebenso Zöller/Greger, 32. Aufl., ZPO § 32 Rn. 16)

 

Diese Ansicht überzeugt - auch gegen vereinzelte Stimmen in der Literatur (vgl. hierzu Zöller, a.a.O.) - und muss vorliegend erst recht gelten. Denn mit Teilurteil vom 06.03.2017 hat die Kammer gerade auf die Unzulässigkeit der Feststellungsanträge zu 1 bis 3 wegen des Grundsatzes des Vorrangs der Leistungsklage erkannt. Es wäre daher widersprüchlich, die dort gerade geforderte Erhebung der Leistungsklage nun ihrerseits als unzulässig zu werten.

 

Auch drohen keine abweichenden Entscheidungen. Wie der BGH oben ausgeführt hat und allgemein anerkannt ist, wird das Teilurteil vom 06.03.2017 und die Unzulässigkeit der Anträge zu 1 bis 3 vom Kammergericht im Ergebnis zu bestätigen sein, da mit der Erhebung der Leistungsklage die Feststellungsanträge erst recht unzulässig geworden sein dürften.

 

2.

Gemäß § 263 ZPO ist eine Klageänderung grundsätzlich nur zulässig, wenn die Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. An letzterem kann es insbesondere fehlen, wenn die Klageänderung auf vorwerfbarer Verspätung beruht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. § 263 Rn. 13 m.w.N.). Ausgenommen von diesem Erfordernis ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO jedoch die - qualitative oder quantitative - Erweiterung der Hauptsache. Bei einem Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage, wie hier, handelt es sich stets um eine qualitative und damit zulässige Erweiterung der Hauptsache (BGH, a.a.O.; Zöller/Greger, 32. Aufl., ZPO § 264 Rn. 3b m.w.N.). Mithin kommt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht darauf an, dass die Beklagte ihre Einwilligung mit Schriftsatz vom 10.03.2020 ausdrücklich versagt hat und die Klageerweiterung bei ordentlicher Prozessführung schon lange schon vor dem Termin am 16.09.2019 hätte erfolgen können.

 

II.

Die Klage ist teilweise begründet. Die Anträge zu 6 und 8 sind teilweise begründet, der Höhe nach überhöht. Die Anträge zu 5, 7 und 9 sind unbegründet.

 

1. Rückzahlungsanspruch Serie 9 (Antrag zu 6)

Der mit dem Klageantrag zu 6 geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kapitals für 250 Genussscheine der Serie 9 steht der Klägerin gegenüber der Beklagten gemäß §§ 5 und 7 der Genussscheinbedingungen (im Folgenden: „GSB“) in Höhe von 988.700,34 EUR zu.

 

Dieser Betrag errechnet sich aus dem Nennbetrag der Genussscheine von jeweils 10.000,- EUR abzüglich des bereits gezahlten Betrages von jeweils 3.934,57 EUR und abzüglich eines weiteren Betrages von jeweils 2.110,63 EUR, mit dem die Klägerin - ohne Berücksichtigung der Verlustvorträge - am Bilanzverlust der Bank während der Laufzeit der Genussscheine teilnimmt (zur exakten Berechnung sogleich unten c) ).

 

a)

Die Klägerin ist zur Überzeugung der Kammer hinsichtlich der Genusscheine der Serie 9 aktivlegitimiert, soweit es den Rückzahlungsanspruch angeht. Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf die als Anlage K 13 zu den Akten gereichte Abrechnung der Commerzbank vom 1. Juni 2017 dargelegt, an diesem Tag Inhaber von 250 Genussscheinen der Serie 9 gewesen zu sein. Aus diesen Abrechnungen der Commerzbank - an deren Echtheit keine Zweifel bestehen - ergibt sich, dass zum 31.05.2017 Genusscheine der Serie 9 im Wert 2,5 Mio. EUR im Depot der Klägerin für diese verwahrt wurden und der Klägerin auch zum 01.06.2017 entsprechend 983.643,15 EUR  (ausgehend von einem Kurs von 39,3457261 %) gutgeschrieben wurden  (Anlage K 13).

 

Es handelt sich bei den Genussscheinen der Serie 9 um Inhaberpapiere (vgl. Anlage K 8), d.h. die Klägerin war als Inhaberin der Genusscheine zum 1. Juni 2017 hinsichtlich des Rückzahlunganspruchs berechtigt. An diesem Tag war auch der Ziansanspruch gemäß § 5 GSB für den 6-Monats-Zeitraum zwischen Ende der Laufzeit und Fälligkeit fällig.

 

b)

Nach Maßgabe der §§ 5, 7 GSB steht der Klägerin seit Eintritt der Fälligkeit am 1. Juni 2017 ein Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrages der Genussscheine zu, der nach § 7 S. 1 GSB prozentual in dem Umfang herabzusetzen ist, in dem die Beklagte während der Laufzeit der Genussscheine einen Bilanzverlust erlitten hat. Dabei ist § 7 S. 1 GSB nach Maßgabe des § 305c Abs. 2 BGB dahin gehend auszulegen, dass Verlustfortschreibungen in den Folgejahren bei der Berechnung eines Bilanzverlustes unberücksichtigt bleiben.

 

(1.)

Die in § 7 S. 1 GSB getroffene Regelung, zufolge derer die Genussscheininhaber am Bilanzverlust der Bank durch Verminderung ihrer Rückzahlungsansprüche teilnehmen, ist auslegungsbedürftig. Der Wortlaut der Klausel verhält sich nicht ausdrücklich zu der Frage, ob bei der Ermittlung des Bilanzverlustes ein Verlustvortrag zur berücksichtigen ist oder nicht.

 

(2.)

Maßstab für die Auslegung der in § 7 S. 1 GSB getroffenen Regelung sind die von der Rechtsprechung für Allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätze der objektiven Auslegung sowie § 305c Abs. 2 BGB, zufolge dessen Auslegungszweifel bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Es handelt sich bei den vorliegenden Genussscheinbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Genussscheinbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen (BGH, Urteil vom 05.10.1992 - II ZR 192/91- juris Rn. 13 und vom 28.05.2013 - II ZR 67/12 - juris Rn. 32). Von der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB werden Verträge über die Gewährung von Genussrechten nicht umfasst, da sie keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte sind, sondern sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen und darin ihr Charakter als schuldrechtliches Gläubigerrecht zum Ausdruck kommt. Mithin sind die §§ 305 ff. BGB anwendbar. Auf die Frage, ob überdies die §§ 307 ff. BGB anzuwenden sind oder nicht, kommt es im Folgenden nicht an (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29.04.2014 - II ZR 395/12 -, juris Rn. 29).

 

(3.)

Die bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebotene objektive Auslegung führt hinsichtlich der Frage, ob nach § 7 S. 1 GSB Verlustvorträge zu berücksichtigen sind oder nicht zu einem mehrdeutigen Ergebnis, das verschiedene Auslegungsvarianten zur Wahl stellt.

 

(a.)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht die Regeln der §§ 133, 157 BGB, sondern der Grundsatz der objektiven Auslegung. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn inhaltlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BGHZ 102, 384 ff, 389 f). Bei der Auslegung von Genussscheinbedingungen können individuelle Besonderheiten der Person des einzelnen Inhabers im Hinblick auf das Interesse der Verkehrsfähigkeit der Kapitalmarktpapiere und der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels erst recht keine Berücksichtigung finden (Habersack, in Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 221 Rn. 258).

 

(b.)

Stichhaltige Indizien, die nach diesen Maßgaben die Auslegung der Klausel zwingend in die eine oder andere Richtung vorgäben, sind nicht ersichtlich: Es gibt weder gesetzliche Vorgaben, noch eine gefestigte Praxis, wie mit Verlustvorträgen in diesem Zusammenhang zu verfahren ist.

 

(aa.)

Genussscheine stellen gesetzlich nicht geregelte Wertpapiere dar. Sie gewähren typischerweise einen Anspruch auf die Rückzahlung des Anlagekapitals zum Laufzeitende und einen jährlichen Zinsanspruch und werden wirtschaftlich dem Eigenkapital zugerechnet, da regelmäßig eine Beteiligung der Genussscheininhaber an einem etwaigen Verlust des Unternehmens vorgesehen ist.

 

Kreditinstitute können das durch die Emission von Genussscheinen erhaltene Kapital nach Maßgabe des § 10 Abs. 5 KWG (in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung) dem haftenden Eigenkapital zurechnen. Über den Grundsatz der Teilhabe an einem Verlust des Unternehmens hinaus lassen sich daraus aber keine konkreten Vorgaben herleiten. § 10 Abs. 5 Nr. 1 KWG  sah vor, dass „Ergänzungskapital [dem] Kapital nur dann zugerechnet werden [kann], wenn es bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt und das Institut berechtigt ist, im Falle eines Verlustes Zinszahlungen aufzuschieben“. Der rechtliche Rahmen gibt nicht vor, wie das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens zu ermitteln ist. Um das Genussrechtskapital dem Eigenkapital zurechnen zu dürfen, reicht eine einmalige Verlustbeteiligung an einem Fehlbetrag des jeweiligen Geschäftsjahres aus (so auch Kommission für Bilanzierungsfragen des Bundesverbandes deutscher Banken, in: Die Bank, 5/86, 252, 256; Anlage K 12). Eine bestimmte Verfahrensweise hat sich auch in der Praxis nicht durchgesetzt. Wie der vom BGH mit Urteil vom 29. April 2014 entschiedene Fall zeigt, schließen manche Genussscheinbedingungen die Berücksichtigung eines Verlustvortrags ausdrücklich aus, andere Genussscheinbedingungen, wie die streitgegenständlichen, verhalten sich dazu nicht explizit (in den dortigen Bedingungen war ausdrücklich bestimmt, dass bei der Verlustteilnahme Verlustvorträge aus den Vorjahren außer Betracht bleiben, siehe BGH, Urteil vom 29.04.2014 - II ZR 395/12 - juris Rn. 4).

 

(bb.)

Der Umstand, dass die hier formulierten Genussscheinbedingungen an den „Bilanzverlust“ der Bank anknüpfen, legt vordergründig nahe, unter Bezugnahme auf § 158 Abs. 1 Nr. 1 AktG die Verlustteilnahme der Genussscheininhaber auch unter Berücksichtigung eines etwaigen Verlustvortrags zu berechnen. Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwandte Rechtsbegriffe in aller Regel in ihrem juristischen Sinne auszulegen sind.

 

§ 158 Abs. 1 Nr. 1 AktG bestimmt, dass in der Gewinn- und Verlustrechnung einer Aktiengesellschaft gegebenenfalls auch der Posten Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr auszuweisen ist, ehe an letzter Stelle ein Bilanzgewinn oder -verlust als Saldo des Jahresüberschusses oder -fehlbetrages und der nachfolgenden Posten ermittelt wird. Ein etwaiger Verlustvortrag fließt danach notwendig in einen Bilanzverlust ein. Sofern es nicht zu Entnahmen oder Gewinnen kommt, umfasst der Verlustvortrag des neuen Geschäftsjahres stets den vollen Bilanzverlust des Vorjahres erneut - es ändern sich nur Position und Bezeichnung in der Bilanz. Ein einmal eingetretener Vorjahresverlust wird so fortgeschrieben, mit Folge, dass hier eine wiederholte und überproportionale Verlustteilnahme der Genussscheininhaber eintreten würde, selbst wenn in eigentlichen Geschäftsjahr gar kein Fehlbetrag erwirtschaftet worden wäre.

 

Dass der in den Genussscheinbedingungen verwendete Begriff des „Bilanzverlusts“ aber nicht identisch mit dem gesetzlichen Begriff sein kann, ergibt sich schon daraus - insoweit unstreitig -  dass bei der Ermittlung des Bilanzverlustes im Zusammenhang mit dem Genusskapital stets eine „Zwischenrechnung“ nötig ist, da in die Berechnung des „Bilanzverlusts“ die Entnahmen auf das Genusskapital einfließen (ausführlich: Sethe, WM 2012, 577, 582). Daher erweist sich die Ansicht, aus der Verwendung des Begriffs „Bilanzverlust“ folge automatisch, dass auch Verlustvorträge zu berücksichtigen seien, als nicht überzeugend. Wenn ein Emittent dieses Ergebnis erreichen will, muss er die Berücksichtigung der Verlustvorträge ausdrücklich in den Genussscheinbedingungen vorsehen. Die Auslegung der Genussscheinbedingungen ergibt folglich, dass allein die Anknüpfung an den Begriff des „Bilanzverlusts“ nicht bedeutet, dass Verlustvorträge bei der Berechnung der Verlustteilnahme zwingend einzubeziehen sind (so auch Sethe, WM 2012, 577, 582).

 

(cc.)

Die weitere Erläuterung, die in § 7 S. 1 GSB den Kontext der dort geregelten Teilnahme am Bilanzverlust bildet, steht dem aber entgegen und deutet ein anderes Verständnis an. Danach sollen die Rückzahlungsansprüche der Genussscheininhaber im Verlustfall zu dem Prozentsatz gemindert werden, zu dem ihr Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrages im Verhältnis zum sonstigen Eigenkapital der Gesellschaft steht. Ein etwaiger Verlust ist danach nicht vollständig von den Genussscheininhabern zu tragen, sondern nur anteilig.

 

Die Regelung in § 7 S. 1 GSB insinuiert zugleich die gleichmäßige verhältnismäßige Teilhabe der Genussscheingläubiger und der Aktionäre an einem etwaigen Verlust. Dies zum einen deshalb, weil an dieser Stelle von nur einem einzigen Bilanzverlust die Rede ist, den es verhältnismäßig auszugleichen gilt („am Bilanzverlust“) . Die Möglichkeit der wiederholten Berücksichtigung eines einmal eingetretenen Verlustes, die zur Folge hat, dass der Rückzahlungsanspruch der Genussscheininhaber kontinuierlich sinkt, während der Wert der Aktien davon profitiert, dass die Genussscheine nicht zum Nennbetrag zurückgezahlt werden müssen, bleibt an dieser Stelle unerwähnt. Das deutet darauf hin, dass die Möglichkeit eines Verlustvortrages, die in der Praxis der Beklagten bis dato auch keine Rolle gespielt hatte, bei der Formulierung der Genussscheinbedingungen nicht in Betracht gezogen wurde und für die Genussscheine folglich keine Bedeutung haben sollte. Zum anderen legt schon die bloße Tatsache, dass nach den GSB Genussscheininhaber und sonstige Eigenkapitalgeber gleichermaßen für Bilanzverluste gerade stehen sollen, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben das Verständnis nahe, dass das Verlustrisiko über die Jahre hinweg nicht nur einem der beiden auferlegt werden soll.

 

Dafür wäre auch kein Grund ersichtlich: „Insbesondere dann, wenn die Genussrechte bereits an dem Vorjahresverlust teilgenommen und eine Kürzung des Rückzahlungsanspruchs hinzunehmen hatten, liefe die erneute Teilnahme an einem auf das Vorjahr zurückzuführenden Verlustvortrag auf eine kontinuierliche Abschreibung der Genussrechte hinaus, die den Vorrang gegenüber den Aktionärsrechten vereiteln und damit das vertraglich übernommene Risiko deutlich erhöhen würde.“ (Habersack, AG 2009, 801, 806, zustimmend: Casper, ZIP 2015, 201, 206 f.).

 

Auch die historische Entwicklung spricht - so sie den beteiligten Verkehrskreisen geläufig sein sollte - für das letztgenannte Verständnis, denn die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass es sich durchgesetzt habe, bei der Verlustbeteiligung von Genussscheininhabern nicht auf den Jahresfehlbetrag, sondern auf den Bilanzverlust abzustellen, damit ein etwaiger Fehlbetrag zugunsten der Genussscheingläubiger durch den Rückgriff auf Rücklagen ausgeglichen werden könne. Die Formulierung intendierte mithin eine Besserstellung der Genussscheininhaber und nicht etwa deren Schlechterstellung gegenüber den Aktionären.

 

(4.)

Vor dem Hintergrund der verbleibenden Auslegungszweifel ist § 7 Abs. 1 S. 1 GSB gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders in dem Sinne auszulegen, dass die Genussscheininhaber am Bilanzverlust teilnehmen, ein Verlustvortrag bei der Emittlung des Bilanzverlustes aber unberücksichtigt bleibt (so auch Sethe, WM 2012, 577, 582).

 

Gemäß § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Das bedeutet, dass eine dem Kunden nachteilige Klausel in Gänze unwirksam ist, wenn eine der möglichen Auslegungsweisen als überraschend im Sinne des § 305c BGB zu werten ist oder der Inhaltskontrolle des § 307 BGB nicht Stand hält. Erweist sich die Klausel nach allen Auslegungsvarianten als wirksam, kommt die dem Kunden günstigste zum Tragen.

 

(a.)

Die vorbeschriebenen beiden Auslegungsvarianten des § 7 Abs. 1 S. 1 GSB halten einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle beide stand und wären danach beide wirksam.

 

Die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag scheitert nicht gemäß § 305c Abs. 1 BGB daran, dass sie so ungewöhnlich wäre, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihr zu rechnen bräuchte. Die Klausel regelt vielmehr mit dem Rückzahlungsanspruch des Genussscheininhabers eine Hauptleistungspflicht der Bank und lenkt schon deshalb die besondere Aufmerksamkeit auf sich.

 

Ebenso wenig geht mit der Klausel in einer der vorgenannten Auslegungsvarianten ein Verstoß gegen das Transparenzgebot einher, der ihre Unwirksamkeit nach § 307 BGB zur Folge hätte. Auch Klauseln, die eine Hauptleistung festlegen, sind bei Verletzung des Transparenzgebotes unwirksam (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 307, Rn. 20 und 42). Das Transparenzgebot verlangt, dass der Verwender Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und verständlich darstellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Palandt, a. a. O., § 307, Rn. 21). Dem wird die streitgegenständliche Klausel in beiden Auslegungsvarianten gerecht. Geht man davon aus, dass § 7 GSB die Teilnahme der Genussscheininhaber am Bilanzverlust der Beklagten auch auf einen vorgetragenen Verlust erstreckt, so liegt es auf der Hand, dass jeder fortgeschriebene Verlust den Rückzahlungsanspruch der Genussscheininhaber weiter mindert. Einen kommentierenden Risikohinweis schuldet der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht. Legt man das Verständnis zugrunde, dass sich die Verlustteilnahme auf den im jeweiligen Jahr entstandenen Bilanzverlust beschränkt, so birgt dies von vornherein kein intransparentes Risiko, das einer Erläuterung bedurft hätte.

 

Die Kammer sieht sich in ihrer Auslegung von § 7 GSB durch die Entscheidung des OLG München vom 11. Juni 2015 bestätigt. Im dortigen, ähnlich gelagertem Fall, ging es um die Frage der Auslegungsfähigkeit des Begriffs „Gewinn“ in den Genussscheinbedingungen. Dabei setzt sich das OLG München auch mit der Auslegung des Begriffs „Bilanzverlust“ auseinander. Es folgt insofern der hiesigen Auffassung: Es sei „auch denkbar, das 'Entstehen' des Bilanzverlusts als 'erstmalige Entstehen' auszulegen“. Ein solches liege nicht vor, wenn in einem Geschäftsjahr ein Jahresüberschuss erzielt wurde und es nur in Folge eines Verlustvortrages aus dem Vorjahr zu einem Bilanzverlust kommt (OLG München, Urteil vom 11.06.2015 - 23 U 3466/14 - juris Rn. 86 ff.). Die anlegerfreundlichere Auslegung nach § 305 c Abs. 2 BGB führe dazu, dass - so das OLG München weiter - das Ausschüttungen nur dann entfallen, wenn der Bilanzverlust infolge der Ausschüttung und nicht in Folge eines Verlustvortrages entstehe; diese Auslegung führe nicht zur Unwirksamkeit der Regelung insgesamt (OLG München, a.a.O. Rn. 93). Entsprechendes gilt aus Sicht der Kammer ebenso für die vorliegende Frage der Auslegung hinsichtlich der Rückzahlungsklausel. Es ist zwanglos möglich und interessengerecht, die Teilnahme am Bilanzverlust dahingehend zu verstehen - und man möchte meinen, eigentlich selbstverständlich -, dass nur der jeweilige Bilanzverlust eines Jahres ohne den Verlust des Vorjahres für die Verlustteilnahme des Genussrechtekapitals herangezogen wird (ebenso, wie gezeigt, Habersack, AG 2009, 801, 806, Casper, ZIP 2015, 201, 206 f.; Sethe, WM 2012, 577, 582).

 

(b.)

Die gegenläufige Auffassung des OLG Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 15.07.2015 - 19 U 201/13, der sich das Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 21.12.2018 - 10 O 159/17 - angeschlossen hat, greift hingegen aus Sicht der Kammer zu kurz. Das OLG Frankfurt beschränkt sich darauf, den Begriff „Bilanzverlust“ in Genussscheinbedingungen gemäß § 268 HGB und § 158 AktG auszulegen, wonach ein Verlustvortrag in den Bilanzverlust einzubeziehen sei. Insofern bestünde schon keine Unklarheit im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015 - 19 U 201/13 -, juris). Zwar anerkennt das OLG Frankfurt, dass es sich bei Genussscheinbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt (a.a.O. Rn. 78), es nimmt aber im Folgenden keine Auslegung vor, denn jede andere Auslegung sei „fernliegend“, ohne dass dies näher begründet wird (a.a.O. Rn. 88). Dies kann aus Sicht der hiesigen Kammer nach dem oben ausgeführten aber nicht festgestellt werden. Entsprechend befasst sich das OLG Frankfurt gar nicht mit der Frage, wie der Text der Genussscheinbedingungen zu verstehen und umzusetzen ist, namentlich wie die Teilnahme am Bilanzverlust erfolgt, sondern es erschöpft sich darin, den Begriff „Bilanzverlust“ auszulegen, ohne diesen mit den Regelungen der Genussscheinbedingung in den Kontext zu setzen (a.a.O. Rn. 82 ff.).

 

Auch soweit das Landgericht Düsseldorf ohne nähere Begründung dem OLG Frankfurt folgt (und ohne sich mit der Gegenansicht des OLG München und den wohl überwiegenden Stimmen in der Literatur auseinanderzusetzen, vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2018 - 10 O 159/17 - juris Rn. 78), vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Denn immerhin erkennt das LG Düsseldorf - insoweit mit dem OLG München und ausdrücklich gegen das OLG Frankfurt - , dass „der Begriff des "Bilanzverlusts" bei der Berechnung der Verlustteilnahme der Genussscheininhaber nicht streng in dem Sinne verstanden werden [kann], den er nach den handelsrechtlichen und aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften bei der Bilanzierung von Kreditinstituten hat“ (LG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2018 – 10 O 159/17 – juris Rn. 76). Weshalb dann gleichwohl keine darüber hinausgehende Auslegung der Klausel geboten sein soll, erschließt sich nicht.

 

Dabei verkennen das OLG Frankfurt und das LG Düsseldorf schließlich auch, dass nach bilanziellen Regelungen der Bilanzverlust einen Verlustvortrag enthalten kann, aber eben gerade nicht muss. Es steht ja gerade im Ermessen der Gesellschaft, ob sie einen Verlustvortrag fortschreibt.

 

Dass das Genussrechtskapital mehrfach an einem Fehlbetrag teilnimmt, ergibt sich, wie gezeigt, weder aus § 268 HGB noch § 158 AktG. Soweit der Verlustvortrag des Vorjahres in § 158 AktG als Teil des Bilanzverlustes ausgewiesen ist, ist dies für die Verlustteilnahme des Genussrechtekapitals weder zwingend, noch hat die Frage, an welcher Stelle der Verlustvortrag in der Bilanz ausgewiesen wird, eine materielle Funktion. Dem Ausweis des Verlustvortrages in § 158 AktG kommt kein Gläubigerschutz zu, sondern lediglich Informationscharakter (Casper, ZIP 2015, 201, 203). Hinzu kommt, dass Abweichungen von dem formalen Begriff „Bilanzverlust“  anerkannt sind, insbesondere, wenn es um die Ermittlung der Verlustteilnahme geht. Eine rein formelle Auslegung des Begriffs „Bilanzverlust“ ist von daher nicht geboten und erscheint vielmehr eher unbillig (so auch Becker, Keine Berücksichtigung von Verlustvorträgen bei der Verlusttragung von Genussrechtskapital, in: NZG 2016, 1021, 1022).

 

Und auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2014 steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof bestätigt zunächst, dass der Begriff des Bilanzverlustes als Rechtsbegriff „in der Regel“ entsprechend seiner juristischen Fachbedeutung zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 29.04.2014 - II ZR 395/12 - juris Rn. 24 ff.). An der Auslegung dieses Begriffs an sich bestehen indes, wie gezeigt, keine Zweifel. Ebenso stellt der Bundesgerichtshof fest, dass eine entsprechende Klausel nicht gegen das Transparenzgebot verstößt: „Für den Durchschnittskunden ist hinreichend klar, dass es auf den im Jahresabschluss der Beklagten ausgewiesenen Bilanzverlust ankommt und dass sich der Rückzahlunganspruch im Verhältnis seines Rückzahlungsanspruchs zum Eigenkapital [...] mindert“ (BGH, a.a.O., Rn. 28). Die Frage, wie sich der Rückzahlunganspruch konkret mindert, also um Bilanzverlust jeweils mit oder ohne Jahresfehlbetrag, musste der Bundesgerichtshof sodann gar nicht entscheiden. Denn Ausgangslage des dortigen Falles war gerade war, dass Verlustvorträge nicht zu berücksichtigen sind. In den dortgigen Genussscheinsbedingungen hieß es zur Verlustteilnahme ergänzend - anders als bei den hiesigen GSB - ausdrücklich: „Verlustvorträge aus den Vorjahren bleiben hierbei außer Betracht.“ (BGH, a.a.O., Rn. 4). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die hier streitige Frage dort nicht beantworten müssen und konnte sie offenlassen.

 

(c.)

Die für die Klägerin danach günstigste Auslegungsvariante des § 7 S. 1 GSB ist die, die einen Verlustvortrag bei der Teilnahme am Bilanzverlust unberücksichtigt lässt.

 

Die in § 7 S. 1 GSB getroffene Regelung, dass die Genussscheininhaber am Bilanzverlust der Bank durch Verminderung ihres Rückzahlungsanspruchs teilnehmen, ist wirksam, weil die Klausel wirksam in den Vertrag einbezogen worden ist und in allen Auslegungsvarianten der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhält. Ein Verlustvortrag ist bei der Teilnahme der Genussscheininhaber am Bilanzverlust aber unberücksichtigt zu lassen, weil die diesbezüglichen Auslegungszweifel zu Lasten des Verwenders gehen.

 

c)

Der Höhe nach beläuft sich der Rückzahlungsanspruch der Klägerin für 250 Genussscheine auf EUR 988.700,34.

 

Ausweislich der mit Anlage K 2 - K 5 zu den Akten gereichten Bekanntmachungen der Beklagten für die Jahre 2011 bis 2014 und den im Internet veröffentlichten Bekanntmachungen der Beklagten für die Jahre 2015 und 2016 stellen sich der von der Klägerin während der Laufzeit der Genussscheine der Serie 9 unter Außerachtlassung der Verlustvorträge erwirtschaftete Bilanzverlust, bzw. der jeweilige Jahresfehlbetrag und die daraus abzuleitende Entwicklung des Rückzahlungsanspruchs der Genussscheingläubiger wie folgt dar (vgl. hierzu bereits den Hinweisbeschluss vom 20.05.2019, von den Parteien insoweit nicht in Frage gestellt):

 

GJ

Bilanzverlust

Jahresfehlbetrag

 Verlustvortrag

Kapital

%

Gs. Serie 9

Verlustzuweis.

Rückzahlung

2011

     80.591.537,05  

     92.128.741,06  

                    -    

    1.055.171.182,05  

    0,087  

  22.000.000,00  

   1.920.856,39  

         20.079.143,61  

2012

     91.650.721,50  

     19.620.144,75  

                    -    

     933.878.617,26  

     0,021  

   20.079.143,61  

      421.848,94  

        19.657.294,67  

2013

    86.935.255,46  

       1.583.152,47  

                    -    

    899.299.548,62  

    0,002  

   19.657.294,67  

       34.605,26  

         19.622.689,41  

2014

     84.112.823,20  

         412.926,42  

                    -    

     866.971.262,00  

    0,000  

   19.622.689,41  

         9.346,02  

         19.613.343,40  

2015

     174.141.801,86  

   99.474.562,68  

                    -    

    866.558.335,58  

      0,115  

   19.613.343,40  

   2.251.468,46  

         17.361.874,94  

2016

   168.920.622,98  

         219.952,99  

                    -    

     727.083.772,91  

    0,000  

   17.361.874,94  

          5.252,21  

  17.356.622,73  

 

 

 

 

 

 

 

 

         0,78893740  

 

Es ergibt sich demnach eine Rückzahlungsquote von 17.356.672,73 EUR ./. 22.000.000,00 EUR = 78,893740 % Das entspricht rd. 7.889,37 EUR je Genussschein.

 

Nachdem die Beklagte bereits rd. 3.934,57 EUR je Genussschein (39,345714 %) zurückgezahlt hat, verbleibt eine Differenz von weiteren rd. 3.954,80 EUR je Genussschein, die die Klägerin noch verlangen kann. Bezogen auf 250 Genussscheine der Serie 9 im Nennwert von 2,5 Mio. sind dies exakt wie folgt:  2,5 Mio. x 78,893740 = 1.972.343,49 EUR abzgl. erhaltener 983.643,15 EUR, verbleiben 988.700,34 EUR.

 

d)

Die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin, die die volle Differenz zwischen erhaltener Rückzahlung und dem vollen Nennbetrag der Anleihen der Serie 9 verlangt (namentlich 1.516.357,50 EUR), ist unbegründet.

 

Es besteht, wie oben gezeigt, kein Anlass, die Klausel in § 7 GSB, die eine Verlustteilnahme des Genussscheinkapitals bestimmt, insgesamt für unwirksam anzusehen. Diese grundsätzliche Verlustteilnahme des Genussscheinkapitals ist weder überraschend noch unüblich, sondern diente vielmehr dem Zweck, das Eigenkapital einer Bank durch zusätzliche Haftungsmasse zu stärken (siehe oben).  § 10 Abs. 5 Nr. 1 KWG a.F. sah die grundsätzliche Verlustzuweisung ausdrücklich vor. Diese Gestaltung war mithin allgemein anerkannt.

 

Dass in den fraglichen Geschäftsjahren ausweislich der testierten Jahresabschlüsse und Bilanzen der Beklagten jeweils Verluste erwirtschaftet wurden, und zwar auch ohne Verlustvortrag des Vorjahres, ist unstreitig. Soweit die Klägerin reklamiert, die einzelnen Fehlbeträge über die Geschäftsjahre seine konstruiert und nur zum Schaden der Genussscheininhaber gemacht worden, hat dies auf den vertraglichen Rückzahlungsanspruch keinen Einfluss. Selbst wenn hier Pflichtverstöße begangen worden wären, vermag dies allenfalls einen Schadensersatzanspruch der Genussscheininhaber begründen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2014 - II ZR 395/12 -). Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch liegen indes nicht vor (dazu unten).

 

e)

Der geltend gemachte Anspruch auf eine Verzinsung des zurückzuzahlenden Betrages vom Ende der Laufzeit der Genussscheine am 31. Dezember 2016 bis zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs am 1. Juni 2017 mit dem vertraglich vereinbarten Zinssatz von 4,875 % ergibt sich hinsichtlich des restlichen Rückzahlungsanspruchs von 988.700,34 EUR unmittelbar aus § 5 S. 4 GSB. Gemäß § 2 letzter Absatz der GSB war taggenau zu berechne (“actual/actual“). Rechnerisch ergibt sich somit - auf der Basis von 151/ 365 Tagen - ein Betrag von 19.939,92 EUR.

 

f)

Der auf den Rückzahlungsanspruch für die Genussscheine der Serie 9 bezogene Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz steht der Klägerin auf den Betrag von 988.700,34 EUR seit Zustellung der Klageerweiterung am 12. Dezember 2017 zu, §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB.

 

Ein Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen in Bezug auf die für den Zeitraum vom 31. Dezember 2016 bis zum 1. Juni 2017 geltend gemachten vertraglichen Zinsen steht der Klägerin nicht zu. Dem steht das Zinseszinsverbot des § 289 S. 1 BGB entgegen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um gesetztlich oder, wie hier, vertragliche Zinsen handelt (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. § 289 Rn. 1). Dass ihr ein konkreter Zinsschaden entstanden sei, der nach § 289 S. 2 BGB zu erstatten wäre, hat die Klägerin nicht dargelegt.

 

2. Rückzahlungsanspruch Serie 10 (Antrag zu 8)

Der mit dem Klageantrag zu 8 geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kapitals für 1.000 Genussscheine der Serie 10 steht der Klägerin gegenüber der Beklagten gemäß §§ 5 und 7 der Genussscheinbedingungen in Höhe von  490.469,59  EUR zu.

 

a)

Die Klägerin ist zur Überzeugung der Kammer auch hinsichtlich der Genussscheine der Serie 10 aktivlegitimiert, soweit es den Rückzahlungsanspruch angeht. Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf die als Anlage K 21 zu den Akten gereichte Abrechnung der Commerzbank vom 1. Juni 2018 dargelegt, an diesem Tag Inhaber von 1.000 Genussscheinen der Serie 10 gewesen zu sein. Aus dieser Abrechnungen der Commerzbank - an deren Echtheit keine Zweifel bestehen - ergibt sich, dass zum 31.05.2018 Genussscheine der Serie 10 im Nennwert von EUR 1,0 Mio. im Depot der Klägerin für diese verwahrt wurden und der Klägerin auch zum 01.06.2018 entsprechend 298.384,67 EUR (ausgehend von einem Kurs von 29,8384665 %) gutgeschrieben wurden (Anlage K 21).

 

Es handelt sich auch bei den Genussscheinen der Serie 10 um Inhaberpapiere (vgl. Anlage K 8), d.h. die Klägerin war als Inhaberin der Genussscheine zum 1. Juni 2018 hinsichtlich des Rückzahlunganspruchs berechtigt. Dafür, dass diese Ansprüche vorher oder nachher, ganz oder teilweise abgetreten sein wurden, ist nichts ersichtlich. Die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 30.03.2020 überzeugen insofern nicht. Gemäß § 154 Abs. 1 AO gilt der Grundsatz der Kontenwahrheit. Demnach ist es verboten, für jemand Dritten ein Konto auf falschen Namen zu führen, Buchungen vornehmen zu lassen oder Wertpapiere zu verfahren. Die Klägerin war unstreitig Inhaberin des Depotkontos und ist als solche auch im Adressfeld der Commerzbank-Abrechnungen geführt. Damit war die Klägerin Inhaberin und materiell berechtigt, von der Beklagten die Rückzahlung zu verlangen, vgl. § 793 Abs. 1 BGB. Es gilt insofern entsprechend § 1006 BGB die Eigentumsvermutung für den Inhaber (vgl. Paland/Sprau, 79. Aufl., BGB § 793 Rn. 9 f.). Für das von der Beklagten zu beweisende Gegenteil ist nichts greifbar, insbesondere nicht, wie am Abrechnungstag noch jemand anderes zeitgleich Inhaber der für die Klägerin verwahrten Genussscheine hätte sein sollen.

 

b)

Was die Auslegung der GSB auch der Serie 10 angeht, ist vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zur Serie 9 zu verweisen. Wie gezeigt, ist der Text der GSB im Kern gleich. Mithin sind auch beim Verlustvortrag der Serie 10 die Verlustfortschreibungen aus den Vorjahren jeweils nicht zu berücksichtigen (siehe oben).

 

c)

Hinsichtlich der Serie 10 ergibt sich - unter Hinzuziehung der Bekanntmachung für das Jahr 2017 (Anlage K 22) - ohne die Fortschreibung des Verlustvortrages folgendes Bild:

 

GJ

Bilanzverlust

Jahresfehlbetrag

 Verlustvortrag

Kapital

%

Gs. Serie 10

Verlustzuweis.

Rückzahlung

2011

     80.591.537,05  

     92.128.741,06  

                    -    

    1.055.171.182,05  

    0,087  

   21.784.000,00  

    1.901.997,07  

        19.882.002,93  

2012

     91.650.721,50  

     19.620.144,75  

                    -     

     933.878.617,26  

     0,021  

   19.882.002,93  

       417.707,15  

        19.464.295,78  

2013

    86.935.255,46  

       1.583.152,47  

                    -    

    899.299.548,62  

    0,002  

   19.464.295,78  

       34.265,50   

        19.430.030,28  

2014

     84.112.823,20  

         412.926,42  

                    -    

     866.971.262,00  

    0,000  

   19.430.030,28  

         9.254,25  

        19.420.776,03  

2015

     174.141.801,86  

   99.474.562,68  

                    -    

    866.558.335,58  

      0,115  

   19.420.776,03  

   2.229.363,13  

          17.191.412,90  

2016

   168.920.622,98  

         219.952,99  

                    -    

     727.083.772,91  

    0,000  

     17.191.412,90  

         5.200,64  

          17.186.212,26  

2017

   168.994.320,00  

          73.697,02  

                    -    

     699.381.787,37  

    0,000  

    17.186.212,26  

           1.810,99  

          17.184.401,27  

 

 

 

 

 

 

 

 

         0,78885426  

 

Es ergibt sich danach eine Rückzahlungsquote von 78,88854 % (17,18 Mio. ./. 21,78 Mio.).

Das entspricht EUR 788,85 je Genussschein. Nachdem die Beklagte bereits  298,38 EUR je Genussschein (29,8384 %) zurückgezahlt hat, verbleibt eine Differenz von weiteren 490,12 EUR je Genussschein, die die Klägerin noch verlangen kann. Bezogen auf 1.000 Genussscheine der Serie 10 beläuft sich ihr restlicher Rückzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten mithin auf 788.854,26 EUR abzgl. 298.384,67 EUR =  490.469,59 EUR.

 

Die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin, die die Differenz zwischen erhaltener Rückzahlung und dem vollen Nennbetrag der Anleihen der Serie 10 verlangt - namentlich 701.615,33 EUR, ist unbegründet. Auf die obigen Ausführungen zur Serie 9 wird verwiesen.

 

Der Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen besteht seit Zustellung der weiteren Klageerweiterung am 17.03.2020 gemäß §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB.

 

3. Keine Verjährung der Ansprüche zu 6 und 8

Die obigen Ansprüche der Klägerin auf weitere Rückzahlung des Kapitals hinsichtlich der Serie 9 und 10 sind nicht verjährt.

 

Der Lauf der regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren des § 195 BGB knüpft gemäß § 199 Abs. 1 BGB an die Fälligkeit des Anspruchs an, die hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs bezüglich der Serie 9 erst am 1. Juni 2017 und hinsichtlich der Serie 10 erst am 1. Juni 2018 eingetreten ist. Verjährung wäre mithin frühestens am 31. Dezember 2020 bzw. 31. Dezember 2021 eingetreten. Den Ablauf dieser Verjährungsfrist hat die Klägerin durch die am 12. Dezember 2017 zugestellte Klageerweiterung bzgl. der Serie 9 sowie durch die am 17. März 2020 zugestellte Klageerweiterung bzgl. der Serie 10 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtzeitig gehemmt. 

 

4. Ansprüche auf Ausschüttung (Anträge zu 5, 7 und 9)

 

Die darüber hinausgehende Klage ist unbegründet. Die Ansprüche auf weitere Ausschüttungen gemäß den Anträgen zu 5, 7 und 9 stehen der Klägerin nicht zu.

 

a)

Die Kammer kann schon nicht feststellen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Entstehens des jeweiligen Ausschüttungsanspruchs - so ein solcher jeweils bestanden hätte -, Inhaberin der streitigen Genussscheine war oder entsprechende Ansprüche an sie abgetreten worden wären.

 

Die Ausschüttung berechnete sich jeweils zum Ende eines Geschäftsjahres am 31. Dezember (vgl. § 2 GSB). Die Klägerin selbst hat nicht dargelegt, dass sie zu diesen Ausschüttungs-Zeitpunkten, d.h. am 31.12.2011, 31.12.2012, 31.12.2013, 31.12.2014, 31.12.2015 31.12.2016 (für Serie 9 und 10) und 31.12.2017 (für Serie 10) Inhaberin der streitigen Genussscheine war. Die Klägerin hat lediglich dargelegt, am Ende, also nach Ablauf der Ausschüttungsphase Inhaberin geworden zu sein, weshalb ihr auch der Rückzahlungsanspruch zustand, nicht aber - mitunter Jahre zuvor entstandene - Ausschüttungsansprüche. Die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen gemäß Anlagen K 13, 14 und 21 belegen, wie gezeigt, allenfalls die Inhaberschaft zum 31.05./01.06.2017 bzw. 31.05./01.06.2018. Aus ihnen ergibt sich gerade nicht, dass die Klägerin schon früher Inhaberin gewesen ist. Auch substantiierter Vortrag und Beweisantritt dazu, dass ihr insoweit entstandene und fällige (Rest-)Zinsansprüche abgetreten worden wären, fehlt.

 

Die Beklagte hat insofern die Aktivlegitimation der Klägerin - mehrfach - und im Ergebnis mit Erfolg bestritten. Sie kann sich auf ein einfaches Bestreiten bzw. Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO berufen, da Inhaberpapiere, wie hier, ohne Kenntnis des Ausstellers veräußert und weitergegeben dürfen und eine angebliche Abtretung der Ausschüttungsansprüche der Beklagten auch nie angezeigt worden ist.

 

Aus der von der Klägerin vorgelegten Bestätigung der Commerzbank vom 24.06.2016, vorgelegt als Anlage K 7, ergibt sich zudem eher das Gegenteil, nämlich, dass die Klägerin erst zum bzw. nach dem 1. Januar 2016 überhaupt Genussscheine der Beklagten mit der Kennzeichnung „x“ erworben habe, und zwar im Nennwert von 4,0 und 3,6 Mio. EUR (Anlage K 7). Ein zwingender Rückschluss auf die hiesigen Genussscheine der Serie 9 im Nennwert von EUR 2,5 Mio. mit der Kennzeichnung „x“ (Anlage K 13) bzw. der Serie 10 im Nennwert von EUR 1,0 Mio. mit der Kennzeichnung „x“ (Anlage K 21) lässt sich aus dieser Bestätigung nicht ziehen. Das hat auch die Beklagte von Beginn an bemängelt, wonach sich eine Aktivlegitimation jedenfalls für die Zeitpunkte der (Zins-)Ausschüttungen für die Jahre vor 2016 bzw. 2017 nicht ergibt (vgl. u. a. schon Replik vom 28.10.2016, S. 7 f.; Bd. I Bl. 146 f. der Akte sowie zuletzt Schriftsatz vom 30.03.2020, S. 3; Bd. V Bl. 173 der Akte).

 

b) Verjährung

Darüber hinaus wären jedenfalls etwaige Ansprüche auf Ausschüttungen hinsichtlich der Genussscheine der Serie 9 betreffend die Geschäftsjahre 2011 und 2012 wohl verjährt sowie hinsichtlich der Serie 10 betreffend die Geschäftsjahre 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015, mit der Folge, dass die Klägerin diese nicht mehr geltend machen kann, § 214 BGB.

(1.)

Die Ausschüttungsansprüche verjähren jeweils innerhalb der Regelverjährung von drei Jahren ab Entstehen und Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 2 Abs. 4 GSB waren die Ausschüttungsansprüche jeweils zum 1. Juni des Folgejahres der ordentlichen Hauptverhandlung fällig, auf welcher über die Ausschüttung an die Aktionäre beschlossen wird. Die entsprechenden Bekanntmachungen an die Genussscheininhaber erfolgten jeweils im April/Mai des Folgejahres (vgl. Anlagen K 2 - K 5).

Der Anspruch auf Ausschüttung für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 wäre mithin jeweils im Folgejahr entstanden, also 2012, 2013. Die Inhaber der Genussscheine hatten zudem jeweils durch die entsprechenden Bekanntmachungen Kenntnis davon, dass und weshalb eine Ausschüttung nicht erfolgen würde, insbesondere dass hier Fehlbeträge erwirtschaftet wurden, die, wie sie heute behauptet, vermeintlich schon aus den damaligen Geschäftsberichten heraus unstimmig erscheinen. Die Jahresabschlüsse, Bilanzen und Geschäftsberichte, und mithin die Gründe, die zu einem Verlust im jeweiligen Vorjahr führten, lagen entsprechend schon jeweils damals vor. Mithin begann die dreijährige Verjährungsfrist jeweils im Folgejahr und endete somit für die Ausschüttungen des Geschäftsjahrs 2011 am 31. Dezember 2015, für die Ausschüttungen des Geschäftsjahres 2012 am 31. Dezember 2016, für die Ausschüttungen des Geschäftsjahres 2013 am 31. Dezember 2017, für die Ausschüttungen des Geschäftsjahres 2014 am 31. Dezember 2018 und für die Ausschüttungen des Geschäftsjahres 2015 am 31. Dezember 2019.

(2.)

Die Einreichung der Klageschrift im Jahr 2015 entfaltete hinsichtlich der vermeintlich zu geringen Ausschüttungen keine Verjährungshemmung. Die Feststellungsanträge der Klageschrift betreffen diese Frage nicht (vgl. Klage, S. 2 f.). Auch der Streitwert der Klage wurde allein mit der möglichen Verlustzuweisung und damit dem geminderten Rückzahlungsanspruch - der Differenz zum Nennbetrag - begründet (vgl. Klageerwiderung, S. 10; Bd. I Bl. 58 der Akte und Klägerschriftsatz vom 04.07.2016, S. 1 f.; Bd. I Bl. 81 f. der Akte). Darüber hinaus waren Genussscheine der Serie 9 überhaupt nicht Gegenstand der ursprünglichen Klage, sondern lediglich Genussscheine der Serie 10.

Erstmals im Termin am 06.03.2017 hat die Klägerin die Frage der Differenz der Ausschüttungen der Genussscheine der Serie 9 zum Gegenstand ihrer Klage gemacht, beschränkt auf einen Genussschein. Die Ausschüttungen der weiteren 250 Genussscheine hat sie mit Schriftsatz vom 09.11.2017 anhängig gemacht. Damit hat sie den Lauf der Verjährung für die Ausschüttungen der Serie 9 ab dem Jahr 2013 zu hemmen vermocht, aber nicht für 2011 und 2012, da Verjährung insoweit schon eingetreten war. Die Ausschüttungen der Serie 10 hat die Klägerin überhaupt erst mit ihrer Klageerweiterung vom 10.03.2020 anhängig gemacht. Damit hat sie lediglich noch etwaige Ausschüttungsansprüche für die Serie 10 betreffend die Geschäftsjahre 2016 und 2017 zu hemmen vermocht.

c)

Selbst wenn die Klägerin ihre Inhaberschaft bzw. eine Abtretung bezüglich der Ausschüttungsansprüche dargelegt hätte und Ansprüche insoweit noch nicht verjährt wären, ergibt sich in der Sache weder aus § 2 GSB ein entsprechender Anspruch, noch steht der Klägerin gemäß §§ 280 Abs.1, 249 BGB ein Schadenersatzanspruch in entsprechender Höhe zu (zu letzterem unten, 5.).

 

Ein Anspruch auf die in § 2 Abs. 1 GSB versprochene jährliche Ausschüttung von 4,875 % des Nennbetrages der Genussscheine steht der Klägerin deshalb nicht zu, weil dieser Anspruch gemäß § 2 Abs. 2 GSB dadurch begrenzt ist, dass durch die Ausschüttungen kein Bilanzverlust entstehen darf. Die Beklagte hat in den Jahren 2011 bis 2016 jeweils einen Bilanzverlust erwirtschaftet. Dies gilt auch ohne Rücksicht auf den von ihr vorgenommenen Verlustvortrag, weil alljährlich ein neuer Jahresfehlbetrag erwirtschaftet wurde. Die an den Verlustvortrag anknüpfenden Einwände der Klägerin können deshalb nicht verfangen.

 

Entgegen der Argumentation der Klägerin ist § 2 GSB nicht in dem Sinne auszulegen, dass die Ausschüttung nur dann entfällt, wenn durch sie erstmals ein Bilanzverlust entsteht, nicht aber dann, wenn ein im Vorjahr entstandener Verlust weiter vertieft wird. Dieses Verständnis missachtet den offenkundigen Sinn und Zweck der Regelung, die die Genussscheininhaber an einem erwirtschafteten Gewinn beteiligen will. Die Ausschüttung ist deshalb nicht nur ausgeschlossen, wenn erstmals ein Verlust entsteht, sondern erst recht, wenn ein bereits entstandener Verlust vertieft würde (so auch LG Berlin, Urteil vom 01.09.2017 - 4 O 508/14 - , S. 11 f.).

 

Darüber hinaus trägt die Klägerin selbst vor, dass auch unter der Annahme, dass die von ihr reklamierten einzelnen „unvertretbaren“ Rückstellungen und Verluste nicht zu berücksichtigen seien, es jedenfalls in den Jahren 2011 und 2015 gleichwohl zu einem Fehlbetrag gekommen wäre. Mithin ist unstreitig, dass selbst wenn die vermeintlichen schädigenden Geschäfte und Rückstellungen betreffend das Geschäftsjahr 2011 und 2015 von den dortigen Fehlbeträgen abzuziehen wären, es immer noch zu einem Fehlbetrag von EUR 3,1 Mio. in 2011 und von EUR 16,8 Mio. in 2015 gekommen wäre (vgl. die Tabelle im Schriftsatz der Klägerin vom 14.08.2019, S. 26; Bd. III Bl. 111 d.A.). Die Ertrags- und Liquiditätslage der Beklagten war mithin offenbar nicht so rosig, wie die Klägerin behauptet. Soweit es die im Jahr 2011 und 2015 unterbliebenen Ausschüttungen der Genussscheine der Serie 9 und 10 angeht, ist die Klage daher schon nicht schlüssig. Dass die Ausschüttungen gemäß § 2 GSB  in den nachfolgenden Jahren hätten nachgeholt werden können, ohne dass hierdurch wiederum ein Bilanzverlust entstanden wäre, hat die Klägerin ebenfalls nicht konkret vorgetragen (dazu auch sogleich).

 

 

5. Schadensersatzansprüche / angeblich unvertretbare Rückstellungen und Verluste

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten auch kein Schadenersatzanspruch in Höhe der ausgebliebenen Ausschüttungen aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu. Die Kammer vermag eine Pflichtverletzung der Beklagten - auch nach dem weiteren klägerischen Vortrag - nicht festzustellen. Entsprechend besteht auch kein Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich der geforderten weiteren Rückzahlung bis zum vollen Nennwert.

a)

Den Klägern fehlt es zur Überzeugung der Kammer schon an der Aktivlegitimation hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche soweit es die Ausschüttungen angeht.

 

Sofern der BGH in seinem Urteil vom 29.04.2014 ausführt, dass die dortigen Klägerinnen auch Inhaberinnen etwaiger Schadensersatzansprüche geworden sind, wenn sie die Genussrechte zeitlich nach den von ihnen behaupteten Pflichtverletzungen der Vorstände der Beklagten erworben haben (BGH, Urteil vom 29.04.2014 - II ZR 395/12 -, juris Rn. 44), kann die Kammer dies vorliegend für die Ausschüttungen gerade nicht feststellen, sondern nur in Hinblick auf den Rückzahlungsanspruch bei Endfälligkeit (siehe oben). Mithin dürften die Klägerinnen nur insoweit Berechtigte auch eines mit dem vertraglichen Rückzahlungsanspruch korrespondierenden Schadensersatzanspruchs sein, nicht aber in Hinblick auf die weitaus früher fälligen und entsprechend sich früher realisiert habenden Schadensersatzansprüche bezüglich der einzelnen, unterbliebenen Ausschüttungen in den Vorjahren. Auch eine Abtretung entsprechender Schadensersatzansprüche ist insoweit nicht feststellbar, jedenfalls aber nicht beweisen.

 

Die entsprechenden Schadensersatzansprüche knüpft die Klägerin dabei an dieselben Umstände an, die sie im Rahmen der Ausschüttungen als vermeintlich konstruierte, zum Nachteil der Genussrechteinhaber vorgenommenen Verluste der einzelnen Geschäftsjahre aus den jeweiligen Geschäftsberichten und Bilanzen, mithin schon zu einem frühen Zeitpunkt hätte erkennen können; insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur - teilweisen - Verjährung verwiesen. Dies tangiert indes, wie gezeigt, nicht später fällige Ausschüttungen und auch nicht den Rückzahlungsanspruch, da die jeweiligen Schadensersatzansprüche als Sekundäransprüche nicht vor Fälligkeit des zugehörigen, vermeintlich verletzten Primäranspruchs entstanden sein können.

b)

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch darauf zu, sie so zu stellen, als ob die Emittentin während der Laufzeit der Genussscheine überhaupt keine Jahresfehlbeträge erwirtschaftet hätte.

Ein solcher Anspruch lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Klägerin einen vertraglichen Anspruch auf die volle Rückzahlung des Kapitals und der vereinbarten Zinsen habe, weil die Beklagte den Eintritt der diesbezüglichen Voraussetzungen in treuwidriger Weise vereitelt habe und die Klägerin gemäß § 162 BGB so zu stellen sei, als seien die Auszahlungsvoraussetzungen eingetreten. Ebenso wenig kann der geltend gemachte Anspruch darauf gestützt werden, dass sich die Vertragspartnerin schadenersatzpflichtig gemacht habe, in dem sie in rechtsmissbräuchlicher und die Interessen der Genussscheininhaber missachtender Weise ihre Bilanz so beeinflusst habe, dass in den Jahren 2011 bis 2017 jeweils ein Jahresfehlbetrag ausgewiesen worden sei. Ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten hat die Klägerin nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt. Wie gezeigt, wäre zudem - insoweit unstreitig - jedenfalls im Jahr 2011 und 2015  so oder so ein Fehlbetrag erwirtschaftet worden, wenn auch ggfs. geringer.

Die Klägerin rügt verschiedene Dispositionen der Beklagten, die sich auf die Bilanz ausgewirkt haben, ohne sich im Einzelnen mit den Geschäften auseinanderzusetzen. Die Kammer kann auch nachdem die Klägerin ihren Vortrag weiter substantiiert hat, nicht feststellen, dass unternehmerische Entscheidungen getroffen wurden, die ein seriöser Kaufmann schlechterdings nicht getroffen hätte und die allein den Zweck gehabt hätten, den Genusscheinsinhabern zu schaden. Eine unternehmerische Fehlentscheidung als solche reicht nicht aus, um eine Haftung zu begründen (BGH, Urteil vom 05.10.1992 - II ZR 172/91 - juris Rn. 49).

 

Maßstab für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin bzw. der Genussscheinsinhaber ist, dass das Genussrechtekapital nicht durch eine Geschäftstätigkeit gefährdet wird, die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchführen würde. Dass können nur Maßnahmen sein, die nicht gerechtfertigt werden können und zu deren Durchführung ein verantwortungsbewusst denkender und handelnder Kaufmann zu keiner Zeit bereit wäre. Ansonsten würde es die unternehmerische Entschlussfreudigkeit und Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen, wenn die Gesellschaft für jedes Versehen und jede Fehlentscheidung haftbar gemacht werden könnte (BGH, Urteil vom 05.10.1992 – II ZR 172/91 –, juris Rn. 46 - 59). Dass von Gestaltungsspielräumen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses wie auch bei Vornahme des Gewinnverwendungsbeschlusses im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, ist keine unzulässige Benachteiligung der Genussscheininhaber, weil sie sich damit einverstanden erklärt haben, dass Rückstellungen auf ihren Zinsanspruch Auswirkungen haben, wenn der Zinsanspruch vom Bilanzergebnis abhängt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn treuwidrig Rückstellungen gebildet worden sind, allein mit dem Ziel, den Zinsanspruch der Genussscheininhaber abzuschneiden (BGH, Urteil vom 14.06.2016 – II ZR 121/15 –, juris Rn. 19). Das kann die Kammer nicht feststellen.

Im Einzelnen:

(1.) Drohverlustrückstellung Bankbuch über € 77,0 Mio. im Geschäftsjahr 2011

Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Drohverlustrückstellung der Beklagten im Rahmen der verlustfreien Bewertung des Bankbuchs in Höhe von € 77,0 Mio. im Geschäftsjahr 2011 ein verantwortungsbewusst denkender und handelnder Bankier unter Berücksichtigung der Interessen von Gläubigern, Aktionären und Genussscheininhabern in der damaligen Situation nicht vorgenommen hätte.

Die Annahme der Klägerin, es sei schon bei Bildung der Drohverlustrückstellung erkennbar gewesen, dass diese eine negative Marge vorweg nimmt, die nicht eintreten wird, stellt eine unzulässige ex-post-Betrachtung dar. Die Annahme, das Bankbuch der Beklagten habe im Geschäftsjahr 2011 einen deutlich positiven Zinsbuchbarwert aufgewiesen, so dass sich ein Verpflichtungsüberschuss nur bei Annahme unrealistischer Werte für Verwaltungsaufwendungen oder Standardrisikokosten ergeben konnte (vgl. Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 6 ff. Bd. III Bl. 91 ff. d.A.), hat die Klägerin nicht näher untermauert.

Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass die Drohverlustrückstellung handelsbilanziell bei der gebotenen Vorsicht nicht veranlasst gewesen sei. Aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ergibt sich vielmehr zur Überzeugung der Kammer das Gegenteil, nämlich im Zweifel eher vorsichtig zu bewerten. Das kann der Beklagten mithin nicht vorzuwerfen sein.

Die Beklagte hat überzeugend und schlüssig vorgetragen, dass die Rückstellung dem Zweck diente, zum Bewertungsstichtag 31.12.2011 aufgrund der Fristen-Inkongruenzen im gesamten Bankbuch entstandene Belastungen vorwegzunehmen, die das zukünftige Ergebnis der Beklagten erheblich beeinträchtigen würden. Weshalb dies nicht so gewesen sein soll, vermag die Klägerin nicht zu belegen. Ebenso hat die Beklagte schlüssig dargelegt, dass per 31.12.2011 Einlagen der Beklagten bei der Muttergesellschaft in Höhe von gesamt EUR 4,229 Mrd. bestanden und daher mit projizierten Kosten in Höhe von EUR 322 Mio. zu rechnen war, welche wesentlich zum Entstehen der Drohverlustrückstellung in Höhe von EUR 77,0 Mio. geführt habe (vgl. Schriftsatz vom 11.11.2019, S. 23 ff. Bd. IV Bl. 25 ff. sowie Schriftsatz vom 24.01.2020, S. 28 ff. Bd. V Bl. 28 ff.). Auch das erscheint ohne weiteres glaubhaft und nachvollziehbar. Die Klägerin mag das bestreiten, sie trägt aber die Beweislast für ein unvertretbares Handeln der Beklagten. Die Beklagte hat aber gerade schlüssig und nachvollziehbar ihre vertretbaren Beweggründe für die Bildung der Rückstellung dargelegt.

Mithin stellt die Drohverlustrückstellung in Höhe von EUR 77 Mio. im Jahr 2011, an der die Klägerin ein treuwidriges Verhalten der Emittentin festmacht, für eine absichtliche, treuwidrige Rückstellung allein zu Lasten der Genussscheininhaber kein stichhaltiges Indiz.

Selbst wenn man darüber hinaus mit der Klägerin unterstellen wollte, dass Drohverlustrückstellungen nicht geboten gewesen seien, da das Bankbuch einen positiven Zinsbuchwert ausgewiesen habe und die Rückstellung daher schon im Jahr 2012 wieder aufgelöst worden sei, erlaubt dies keine andere Einschätzung. Diese isolierten Gesichtspunkte erlauben es nicht, die Maßnahme als wirtschaftlich nicht geboten zu bewerten. Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihren Geschäftsbericht 2011 dargelegt, dass die Emittentin zu jener Zeit in hohem Maße von der Liquiditätsbereitstellung ihrer Muttergesellschaft DCL abhängig gewesen sei und dass die gesamte Unternehmensgruppe aufgrund der Staatsschuldenkrise in eine existenzbedrohende Schieflage geraten sei. Die Muttergesellschaft habe Notfall-Liquiditätshilfen des Europäischen Sicherheitssystems der Zentralbanken in Anspruch nehmen müssen und die hohen Refinanzierungskosten an die Emittentin durchgereicht. Dieser erhöhte Zinsaufwand habe die Rückstellung notwendig gemacht. Die Auflösung der Drohverlustrückstellung im Jahr 2012 sei nicht willkürlich geschehen, sondern eine Folge dessen, dass es der Bank im Jahr 2012 gelungen sei, ihr Eigenkapital durch Einlagen kommunaler und sonstiger Einlagen zu steigern, so dass kein Verpflichtungsüberschuss mehr bestanden habe. Diese Darstellung hat die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Es genügt nicht, dass sie den Vortrag der Beklagten in Abrede stellt. Vielmehr trägt sie die Darlegungslast für die Umstände, die ihren Zahlungsanspruch begründen sollen und muss deshalb stichhaltige Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten der Beklagten aufzeigen.

(2.) Rückstellungen wegen griechischer Staatsanleihen im Geschäftsjahr 2011

Die Risikovorsorge von 11,3 Mio. EUR im Jahr 2011 wegen des geplanten Verkaufs griechischer Staatsanleihen über 1,2 Mrd. EUR bietet kein Indiz für ein treuwidriges Verhalten der Beklagten.

Die Beklagte hat überzeugend und insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass diese Rückstellung aufgrund der erwarteten Aufgelder (Agien) des im Geschäftsjahr 2011 beschlossenen Verkaufs des Griechenland-Portfolios gebildet wurde (Schriftsatz vom 11.11.2019, S. 31; Bd. III l. 34 der Akte).

Die Kammer vermag daher keinen Grund zu erkennen, weshalb es der Beklagten verboten gewesen sein sollte, sich von diesen aus damaliger Sicht riskanten Anleihen, die auch nach dem Vortrag der Klägerin allenfalls unter Marktwert valutierten, zu trennen. Dass bei einem Volumen von EUR 1,2 Mrd. ein Aufschlag von rechnerisch nicht einmal 1 Prozent anfallen kann, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Sofern die Klägerin im Kern zudem geltend gemacht hat, dass keine Notwendigkeit für eine solche Risikovorsorge und den nachfolgenden Verkauf der Anleihen unter Wert bestanden habe, weil die Muttergesellschaft der Beklagten eine vermeintlich vollumfängliche Garantie übernommen habe, geht das mithin an der Sache vorbei.

Darüber hinaus ist nicht feststellbar, dass ein verantwortungsbewusst denkender und handelnder Bankier entsprechende Rückstellungen nur wegen einer konzerninternen Garantie nicht hätte vornehmen dürfen. Im Gegenteil, entbindet eine Bürgschaft oder Garantie bei einem Dritten - und erst recht nicht innerhalb des Konzerns - grundsätzlich einen Kaufmann nicht von der Bildung von etwaigen Rückstellungen für Ausfälle. Gerade angesichts des Gesamtvolumens der hier zugrundeliegenden Risiken, hätte möglicherweise auch eine Garantie wenig geholfen.

Dass die Muttergesellschaft der Beklagten eine Garantie abgegeben hatte, welche sich auf die vollständige und termingerechte Zahlung von Zins- und Kapitalfälligkeiten aus den Griechenland-Anleihen ergab, spielt mithin für die hiesige Frage keine Rolle. Und auch die spekulativen Ausführungen der Klägerin dazu, dass es für die Beklagte vermeintlich unter Zinsaspekten günstiger gewesen wäre, das Griechenland-Portfolio nicht anzutasten, da die Zinszahlungen von zu erwartenden ca. 4,5 % höher als die Garantiegebühren von 1,5 % gelegen hätten, gehen daher an der Sache vorbei (vgl. Schriftsatz vom 24.01.2020, S. 34 ff.; Bd. V. Bl. 34 ff. d.A.). Aus Sicht eines verantwortungsvollen Kaufmanns waren die Zinszahlungen ja gerade in Frage gestellt. Dabei spricht der Umstand, dass es eines zusätzlichen Garantiegebers oder Bürgen bedarf, eher dafür, dass es sinnvoll sein kann, sich von dem Investment auf Dauer zu trennen. Und ebensowenig ist gewiss, ob der Garantiegeber seinerseits seine Verpflichtungen auch einhalten können wird. Hinzu kommt, dass - ungeachtet der tatsächlichen Höhe - die Garantie jedenfalls mit laufenden Kosten verbunden war, so dass von daher nicht erkennbar ist, weshalb es schlechterdings unvertretbar gewesen wäre, in Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf eine im Vergleich zur Bilanzsumme und zum Umfang des Portfolios  eher relativ überschaubare Rückstellung zu bilden.

(3.) Rückkauf eigener Schuldverschreibungen in den Jahren 2012, 2013 und 2014

Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe in den Geschäftsjahren 2012, 2013 und 2014 eigene Schuldverschreibungen von ihrer Muttergesellschaft zu Kursen über Buchwert zurückgekauft und diese zu Lasten des Genussrechtekapitals fehlerhaft bilanziert, kann die Kammer schon im tatsächlichen nicht feststellen. Die Beklagte hat dargelegt, dass sie bereits im April 2012 ein öffentliches Rückkaufangebot Pfandbriefe im Umfang von bis zu EUR 3,0 Milliarden gestartet und bekanntgemacht hatte (Anlage B 31). Sie hat dies ferner schlüssig mit dem Zweck begründet, die Fälligkeitsprofile der ausstehenden Pfandbriefe anzugleichen, und dadurch die Risikotragfähigkeit zu verbessern (Schriftsatz vom 11.11.2019, S. 32 f., Bd. IV Bl. 35 f.). An diesem Motiv hat die Kammer kein Zweifel, denn bereits am 4. Mai 2012 hat die Beklagte das Ergebnis des Rückkaufprogramms bekannt gegeben, und dies eben damit begründet, „ihre Aktiv-passiv Steuerung zu optimieren. Durch den Rückerwerb ihrer Pfandbriefe verringert sich für die DKD ihr Bedarf an Überdeckung sowie an unbesicherter Refinanzierung“ (Anlage B 31).

Im Geschäftsjahr 2012 und hierdurch bedingte Einlösungsverlust von EUR 117,3 Mio., im Jahr 2013 von EUR 17,2 Mio. und im Jahr 2014 von EUR 3,0 Mio. stellen sich nach den vorgenannten Maßstäben mithin als keineswegs unvertretbar dar. Diese Einlöseverluste in 2012 resultieren - insoweit unbestritten - aus diesem Rückkaufprogramm, wie auch die - aufgrund verspäteter Abwicklung - erst für die späteren Jahre gebuchten EUR 17,2 Mio. und EUR 3,0 Mio. (vgl. Schriftsatz vom 11.11.2019, S. 36 oben, Bd. IV Bl. 39 der Akte).

Die Beklagte hat zu den Hintergründen und ihren Beweggründen somit schlüssig und plausibel vorgetragen. Sie verweist zudem darauf, dass auch andere Kreditinstitute, wie die Berlin-Hannoversche Hypothekenbank AG oder die Deutsche Hypothekenbank AG zu diesem Zweck Rückkaufprogramme der von ihnen ausgegebenen Pfandbriefe eingesetzt haben (Schriftsatz vom 11.11.2019, S. 33 ff.; Bd. IV Bl. 35 ff. der Akte). Das Bestreiten der Klägerin geht insofern ins Leere: Nicht die Beklagte muss die Üblichkeit der getätigten Rückkäufe beweisen, sondern die Klägerin deren Unvertretbarkeit.

Auch aus Sicht der Kammer kommt der Rückkauf von eigenen Schuldverschreibungen in der Praxis immer wieder vor und erscheint daher keineswegs eine große Ausnahme. Der naheliegende Grund dafür liegt, - was auch die Klägerin einräumt -, gerade darin ggfs. laufende Zinszahlungen zu reduzieren. So hat - was sich aus allgemein zugänglichen Quellen ergibt - etwa die Deutsche Börse AG schon im Jahr 2012 das günstige Zinsumfeld genutzt, um umzuschulden und dabei eigene Schuldverschreibungen ebenfalls über Wert zurückgekauft (Handelsblatt vom 08.10.2012, abrufbar unter: www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/ zinskosten-gesenkt-boerse-kauft-ausstehende-anleihen-zurueck/7230028.html). Auch die Deutsche Bank hat im Jahr 2016 eigene Schuldverschreibungen zurückgekauft, unter anderem auch, um dadurch ihre Kapitalkraft unter Beweis stellen und Misstrauen unter Investoren bekämpfen (Handelsblatt vom 12.02.2016, unter: www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/aktien/deutsche-bank- john-cryan-kauft-anleihen- zurueck/12956188.html).

Die Beklagte hatte ferner wiederholt und substantiiert bestritten, dass die öffentlichen Pfandbriefe von ihrer Muttergesellschaft oder verbundenen Unternehmen gekauft worden wären (vgl. Schriffsatz vom 11.11.2019, S. 33 f.; Bd. IV Bl. 36 f. der Akte). Aber selbst wenn die Beklagte die Schuldanleihen von ihrer Muttergesellschaft  zurück gekauft hätte, war damit unstreitig eine Reduzierung laufender Zinsen in der Zukunft verbunden (so die Klägerin selbst in ihrem Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 12, Bd. III Bl. 97 der Akte). Ob Zinsen gegenüber einem Dritten oder im Konzern erspart werden, ist insofern irrelevant: die Gesellschaft erhöht in beiden Fällen ihren finanziellen Spielraum und zeigt nach außen, dass sie aus eigener Kraft in der Lage ist, Schulden vorzeitig zu reduzieren. Die Klägerin trägt dabei insbesondere nicht vor, dass die damit verbundene Zinsersparnis nicht über die gesamte Laufzeit etwa sogar den Kursverlust ausgeglichen hätte.

Mithin ist nicht erkennbar, dass der Rückkauf unvertretbar gewesen wäre. Zudem wussten die Erwerber bei Ausgabe der Genussscheine oder hätten es jedenfalls wissen können, dass die Beklagte auch bei ihrer Muttergesellschaft Schulden hat, weshalb sie damit rechnen konnten, dass die Beklagte im Falle freiwerdender Liquidität diese auch nutzt, um ihre Verbindlichkeiten im Konzern zu mindern. Es erscheint vielmehr sogar sinnvoll, frei werdende Überschüsse zunächst zur Reduzierung von Schulden zu nutzen und dann erst für Gewinnausschüttungen.

Schließlich verkennt die Klägeirn, dass es nicht um die Frage geht, ob das Rückkaufprogramm an sich „ergebnisneutral“ zu bilanzieren war, denn das ist unbestritten der Fall und wurde auch so gehandhabt. Die Beklagte hat entsprechend zutreffend darauf hingewiesen, dass das Rückkaufprogramm „liquiditätsneutral“ ist (Anlage B 31). Davon zu unterscheiden sind die unmittelbaren Einlöseverluste von insgesamt EUR 137,5 Mio., welche zweifelsohne negativ zu billanzieren waren. Eine Unverhältnismäßigkeit ist im Übrigen auch insofern nicht zu erkennen: Die Beklagte hat tatsächlich Pfandbriefe im Umfang von mehr als EUR 2,57 Milliarden zurückgekauf (Anlage B 31). Die darauf bezogenen einhergehenden Verluste von insgesamt EUR 137,5 Mio. machen nur gerade einmal 5,5 % aus.

(4.) Vorzeitige Beendigung von derivaten Geschäften in den Jahren 2012 - 2014 und 2016 - 2017

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, in den Geschäftsjahren 2012 bis 2017 (mit Ausnahme 2015) grundlos derivate Geschäfte mit einem Negativergebnis von EUR 235,2 Mio. aufgelöst zu haben, um so künstlich einen Verlust ausweisen zu können (vgl. zuletzt Schriftsatz vom 24.01.2020, S. 10 und 57 f. (Bd. V Bl. 10 u. 57 f. der Akte).

Dieser Vorwurf ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil sich die Klägerin, die die Voraussetzungen ihres Zahlungsanspruchs darzulegen und zu beweisen hat, mit den einzelnen Derivaten nicht auseinandersetzt. Dies ist nicht Aufgabe der Beklagten: „Die für das Vorliegen einer Pflichtverletzung darlegungs- und beweispflichtigen Klägerinnen können nur Schadensersatz für Bilanzverluste erhalten, die Verlusten aus einzelnen konkreten Zinsderivategeschäften zuzuordnen sind, mit denen die Vorstände der Beklagten den Unternehmensgegenstand überschritten haben und die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchgeführt hätte. Dass Zinsderivategeschäfte vorgenommen wurden und daraus Verluste entstanden, begründet allein noch keinen Schadensersatzanspruch. Eine Tätigkeit der Beklagten außerhalb ihres Unternehmensgegenstands, die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchführen würde und die zu einem Schadensersatzanspruch der Genussrechteinhaber führen kann (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 331), liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Beklagte als Hypothekenbank Zinsderivategeschäfte eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 - II ZR 90/11, ZIP 2013, 455 Rn. 17). [....] Der Schadensersatzanspruch besteht nicht schon dann, wenn die Vorstände der Beklagten die Zinsderivategeschäfte als Absicherungsgeschäfte ausführen wollten und dabei fehlerhaft handelten. Die Gesellschaft haftet nicht für jedes Versehen und jede Fehlentscheidung ihrer Vorstände (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 331).“ (BGH, Urteil vom 29. April 2014 – II ZR 395/12 –, Rn. 47, juris)

Wie die Beklagte dargelegt hat, besteht der Sinn der derivaten Geschäfte darin, das mit dem Abschluss großvolumiger festverzinslicher Finanzgeschäfte, wie etwa Kommunalkrediten, Staatskrediten und Hypothekendarlehen auf der Aktivseite und Pfandbriefemissionen, unbesicherten Inhaberschuldverschreibungen und Schuldscheinen auf der Passivseite, einhergehende Zinsänderungsrisiko der Pfandbriefbank zu reduzieren. Zu diesem Zweck werden Zinsswaps abgeschlossen. Ohne die Betrachtung des jeweiligen Geschäfts lässt sich deshalb nicht sagen, ob es sinnvoll war, einen Zinsswap vorzeitig aufzulösen oder nicht. Die Beklagte hat insofern überdies erläutert, dass der im Jahr 2011 gefasste Restrukturierungsplan für die Bankengruppe vorgesehen habe, die Bestände an Finanzgeschäften abzubauen. Damit waren auch die in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Derivate überflüssig.

Ebenso wenig verfängt die Behauptung der Klägerin, die Tatsache, dass durch die vorzeitige Beendigung von Derivaten in einzelnen Jahren ein negatives, in anderen Jahren ein positives Ergebnis erzielt worden sei, indiziere, dass die Auflösung allein dazu gedient habe, das Jahresergebnis zu manipulieren. Naturgemäß kann sich ein zur Zinssicherung abgeschlossenes Geschäft auch positiv entwickeln. Dann nämlich, wenn das mit dem abgesicherte Gegengeschäft verbundene Risiko verwirklicht hat. Wird dieses Gegengeschäft vorzeitig aufgelöst, etwa weil der Restrukturierungsplan der Bank den Abbau des Derivategeschäfts vorgibt, so kann sich auch die vorzeitige Auflösung des glücklichen Zinssicherungsgeschäftes empfehlen, ehe die Zinsentwicklung eine andere Richtung einschlägt. Die pauschale Betrachtungsweise der Klägerin sagt nichts darüber aus, ob im Einzelfall eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung getroffen wurde oder nicht.

(5.) Bereitstellungsprovisionen für Liquiditätsfazilität an die Muttergesellschaft in den Geschäftsjahren 2013 - 2017

Der Vorwurf der Klägerin, die Emittentin habe in den Jahren 2013 bis 2017 Provisionen in Höhe von 18,1 Mio. EUR für die Bereitstellung einer Liquiditätsfazilität an ihre Muttergesellschaft gezahlt, obwohl sie einer solchen Fazilität nicht bedurft habe, verfängt nicht und bietet damit kein Indiz für eine Manipulation der Jahresabschlüsse.

Die Klägerin macht ihren Vorwurf daran fest, dass die Emittentin wiederholt unter Beweis gestellt habe, dass sie über hinreichende liquide Mittel verfüge. So habe sie im Geschäftsjahr 2012 eigene Schuldverschreibungen im Nennwert von über EUR 3,5 Mrd. zurückgekauft und Schuldverschreibungen der x Crédit Local in Höhe von EUR 3,425 Mrd. erworben. In Ansehung der Patronatserklärung, die ihre Konzernmutter für sie abgegeben habe, sei ihr sogar die unbesicherte Refinanzierung möglich gewesen. Dies zumal deshalb, weil sie in den Jahren 2011 bis 2013 ihre eingeworbenen Kundeneinlagen deutlich von EUR 1,4 Mrd. EUR auf EUR 5,6 Mrd. habe steigern können.

Die Beklagte hält dem entgegen, auf diese Weise die Anforderungen der Liquiditätsverordnung erfüllt zu haben und verweist darauf, dass die Höhe der Liquiditätsfazilität kontinuierlich zurückgeführt worden sei. Dies widerlegt die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht, weil sie sich nicht damit befasst, wie der Rück-, bzw. Ankauf der Schuldverschreibungen finanziert wurde. Sie legt nicht dar, dass die Emittentin dies aus liquiden Mitteln finanzieren konnte und inwiefern den Anforderungen an die Liquiditätsverordnung auch ohne die Fazilität Genüge getan worden wäre.

(6.) Überhöhte Wertberichtigungen für H-Schuldtitel im Geschäftsjahr 2015

Die Klägerin nennt keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür, dass die Wertberichtigungen, die die Emittentin mit Rücksicht auf die H-Anleihen im Geschäftsjahr 2015 vornahm, überhöht gewesen seien und damit den Jahresabschluss grundlos in den Negativbereich geführt hätten.

Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass der Restbuchwert der Forderungen gegen die österreichischen H Asset Resolution AG nicht nur mit 55,8 %, sondern jedenfalls mit dem Wert hätte in Ansatz gebracht werden müssen, den der K Ausgleichszahlungs-Fonds („KAF“) mit 59,9 % beziffert habe, und dass überdies werterhöhend davon habe ausgegangen werden müssen, dass das Bundesland Kärnten als Bürge einstehen werde. Bezeichnenderweise hätten auch andere Banken niedrigere Wertberichtigungen vorgenommen. Dies sei zumal deshalb geboten gewesen, weil der KAF am 21. Januar 2016 ein Kaufangebot unterbreitet habe. Dass die Emittentin den Jahresfehlbetrag gezielt herbeigeführt habe, lasse sich daran ablesen, dass sie in ihrem Halbjahresfinanzbericht 2016 an dem im Geschäftsbericht 2015 prognostizierten Jahresfehlbetrag selbst für den Fall festgehalten habe, dass die Heta-Umtauschaktion im Jahr 2016 vollzogen werde und dies damit begründet habe, dass sie dann andere schwebende Finanzgeschäfte auflösen werde, was das gleiche negative Ergebnis nach sich ziehen würde.  

Diese Indizien für eine bewusste Manipulation zu Lasten der Genussscheininhaber hat die Beklagte indes entkräftet. Sie rechtfertigt die Abwertung damit, dass die europäische Bankenaufsicht im April 2015 eine Risikovorsorge von mindestens 50 % des Nominalwerts für diejenigen Schuldverschreibungen empfohlen hatte, die von der Garantie des Landes Kärnten erfasst waren. Tatsächlich hat die Beklagte das entsprechende, Schreiben der Europäischen Zentralbank vom 8. April 2015 vorgelegt, wonach diese aus Vorsichtigkeitsgründen angeregt hatte, eine entsprechende Wertberichtigung in Höhe von mindestens 50 % des Nominalwertes der H-Anleihen vorzunehmen (Anlage B 38). Die Beklagte hat sich somit bei ihrer Bewertung an die Einschätzung der Bankenaufsicht gehalten. Den so eröffneten Spielraum hat die Beklagte nicht einmal ausgeschöpft, denn sie hat eine Berichtigung von „nur“ rd. 44,2 % vorgenommen.

Jedenfalls liegt in dieser Empfehlung der EZB aus Sicht der Kammer ein überzeugendes Motiv für die von der Beklagten vorgenommene Bewertung vor. Angesichts dessen erscheint der Vorwurf, die Beklagte habe aus sachfremden Erwägungen zu vorsichtig bewertet, fernliegend.

Ebenso geht auch die Annahme der Klägerin fehl, die Beklagte habe im Aufhellungszeitraum bis März 2016 noch das Angebot des KAF aus Januar 2016 berücksichtigen müssen. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, war dieses Angebot und dessen Umsetzung noch keineswegs sicher und bedurfte insbesondere noch der Zustimmung anderer Gläubiger. Dass das Kaufangebot des KAF in eine Einigung münden werde, war im ersten Quartal 2016, mit dessen Ende der Jahresabschluss für das Jahr 2015 habe erstellt werden müssen, mihtin noch ungewiss. Tatsächlich ist eine Absichtserklärung zur Beilegung der H-Auseinandersetzung auf der Grundlage eines nachgebesserten Angebotes schließlich erst im Mai 2016 unterzeichnet worden. Dies hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt.

 

(7.) Verhinderte Gewinne im Geschäftsjahr 2016 („H-Gewinn“) durch Derivateauflösung und verlustverursachende Dotierung des Fonds für allgemeine Bankrisiken gemäß § 340f HGB

Die Klägerin macht sodann geltend, im Jahr 2016 sei ein außerordentliche Ertrag in Folge des Rückkaufs der H-Schuldtitel (dazu zuvor) in Höhe von EUR 139,6 Mio. bei der Beklagten erzielt worden. Diesen habe die Klägerin allerdings wiederum nicht genutzt, um die Genussscheininhaber hieran partizipieren zu lassen, wie andere Insitute. Vielmehr habe sie diesen Gewinn durch nicht veranlasste Auflösung derivater Geschäfte in Höhe von 106,4 Mio. und Vorsorgereserven gemäß § 340f HGB in Höhe von EUR 27,6 Mio. künstlich aufgelöst (vgl. Bd. III Bl. 107 f. d.A.).

Hinsichtlich der Auflösung der Derivategeschäfte ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen (s.o. Ziff. (4.)). Es mag zutreffen, dass die Auflösung im Geschäftsjahr 2016 im Vergleich zu den übrigen Jahren deutlich höher war. Wie die Klägerin aber selbst erklärt, mag das aber gerade dem Umstand geschuldet sein, dass man unverhoffte Erträge hatte. Die Beklagte war aber - insoweit unstreitig - auf einem Konsolidierungskurs. Die Risiken und Anforderungen an Banken in Folge der Finanz- sowie Griechenland-Krise waren gestiegen. Und nach dem eigenen Vortrag der Klägerin wären in jedem Falle auch im Jahr 2011 und 2015 Verluste erzielt worden. Mithin ist es nachvollziehbar, dass Erträge zunächst für die Auflösung von möglicherweise riskanten und teuren Absicherungsgeschäften verwendet wurden, anstatt für Gewinnausschüttungen, wie nicht zuletzt die aktuelle Krise zeigt.

Auch sofern die Klägerin meint, es hätte im Geschäftsjahr 2016 keine Notwendigkeit für die Bildung von Vorsorgereserven für allgemeine Bankenrisiken nach § 340f HGB in Höhe von EUR 27,6 Mio. bestanden, erschließt sich nicht, dass dies zielgerichtet gegen die Genussscheininhaber erfolgt sein könnte. Ob das Risikodeckungspotential in Höhe von EUR 369,9 Mio. deutlich das Risikopotenzial der Beklagten, das bereits die allgemeinen Bankrisiken beinhaltete, überschritten haben soll, kann dahinstehen (Schriftsatz vom 14.08.2019, S. 42 f. Bl. 127 f. d.A.). Die Klägerin trägt schon nicht vor, weshalb diese vom Gesetz vorgesehenen Risikovorsorge bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtung unvertretbar gewesen sein soll. Dass sie nicht notwendig gewesen sein mag, kann dahinstehen. Denn es ist gerade nicht gewollt, dass die Reserve nach § 340f HGB allein das besondere Branchenrisiko abdeckt (MüKoHGB/Böcking/Gros/Torabian, 3. Aufl. 2013, HGB § 340f, Rn. 10). Es handelt sich mithin um eine zusätzliche Risikovorsorge, die mithin auch dann gebildet werden kann, wenn ein spezifisch gutes Risikodeckungspotential vorliegt. Der Gesetzgeber hat zudem in § 340f Abs. 1 Satz 2 HGB gerade eine qualitative Begrenzung vorgesehen, wonach der Betrag der auf diese Weise gebildeten Vorsorgereserven vier vom Hundert des Gesamtbetrags der in Satz 1 bezeichneten Vermögensgegenstände nicht übersteigen darf. Die Klägerin trägt nicht vor, dass diese Grenze überschritten worden wäre.

III.

Den Anträgen der Parteien im Termin am 30.06.2020 auf Schriftsatznachlass war nicht zu entsprechen. Die Voraussetzungen für eine weitere Stellungnahmefrist gemäß § 283 ZPO lagen nicht vor. Weder der Schriftsatz der Klägerin vom 22.06.2020 noch die rechtlichen Ausführungen der Kammer im Termin enthielten irgend etwas Neues, wozu die Parteien im Rahmen des mehrjährigen Rechtsstreits nicht schon umfassend vorgetragen hatten.

 

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Einzubeziehen war neben dem teilweisen Unterliegen der obigen Ansprüche auch das erstinstanzliche Unterliegen hinsichtlich der Ansprüche zu 1 bis 4 gemäß dem Teilurteil vom 06.03.2017. Es war damit eine Gesamtkostenquote zu bilden bezogen auf einen Gesamtstreitwert von EUR 4.759.860,03 (siehe Beschluss vom 11.03.2020, Bd. V Bl. 165 der Akte). Die einzelnen Anträge waren hierbei sämtlich gemäß § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.  Das gilt auch für den Zahlungsantrag zu 8 (bezogen auf die Rückzahlungsdifferenz zum Nennwert der Serie 10 in Höhe von EUR 1,0 Mio.). Zwar lag auch den Feststellungsanträgen zu 1 bis 3 der Rückzahlungsanspruch zu dem Nennwert der Serie 10 zugrunde, damals ausgehend von Genussscheinen im Nennwert von EUR 4,0 Mio. Insofern kann die Kammer aber keine (teilweise) wirtschaftliche Identität bezogen auf diese Anträge feststellen. Wie oben ausgeführt, ist unklar geblieben, ob die 1.000 Genussscheine der Serie 10, die Gegenstand des Antrages zu 8 sind, überhaupt (teilweise) identisch sind mit den angeblichen 4.000 Genussscheinen, die Grundlage für die Klageanträge zu 1 bis 3 waren (nach dem klarstellenden Klägerschriftsatz vom 22.06.2020 waren sie es nicht). Bezogen auf den Gesamtstreitwert von mithin rd. EUR 4,759 Mio. obsiegte die Klägerin erstinstanzlich - wie tenoriert - mit rd. EUR 1,499 Mio. Daraus errechnet sich eine Obsiegensquote von 31,5 % und eine Unterlegensquote von 68,5 % - und eine entsprechend spiegelbildliche Kostentragung.

 

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

 

 

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