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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
25.01.2008
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
: Ausübung des Wahlrechts zwischen Betriebsvermögensvergleich und Einnahmen-Überschuss-Rechnung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.8.2007 - 12 K 1027/04 B

Leitsätze (des Kommentators)

1. Gewerbetreibende, die nicht buchführungspflichtig sind, üben ihr Wahlrecht, anstelle des Betriebsvermögensvergleichs (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG) eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) vorzunehmen, in der Regel durch schlüssiges Verhalten aus.

2. An einem schlüssigen Verhalten fehlt es, wenn der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung neben einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung noch eine Eröffnungsbilanz beifügt.

EStG § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 1

Sachverhalt:

Der Kläger bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus der Vermittlung von Versicherungen und dem Handel mit Immobilien. Im Rahmen des gewerblichen Grundstückshandels erwarb der Kläger in der Zeit von 1992 bis 1997 42 Objekte und veräußerte 34 Objekte.

Für den Betrieb des gewerblichen Grundstückshandels erstellte der Kläger am 30.4.1994 eine Eröffnungsbilanz zum 1.1.1993. Im Februar 1995 reichte er zusammen mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die Eröffnungsbilanz, eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und eine Berechnung der Gewinnkorrektur aufgrund des Überganges zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein. Durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart ergab sich ein negativer Korrekturposten von DM 1 470 162,11 und insgesamt ein Verlust in Höhe von DM 2 373 374,85. Etwa im Juli 1995 teilte das seinerzeit für den Kläger zuständige FA S dem Steuerberater des Klägers mit, dass der Kläger im Jahr 1993, dem Streitjahr, buchführungspflichtig gewesen sei. Dem trat der Steuerberater des Klägers mit Schreiben vom 25.7.1995 entgegen.

Das FA S setzte die Einkommensteuer zunächst mit Bescheid vom ..., der gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, auf DM 0 fest. Dieser Bescheid wurde auf den Einspruch des Klägers wegen hier nicht mehr streitiger Punkte durch Bescheid vom ... geändert.

In den Jahren 1998 bis 2000 fand bei dem Kläger eine Außenprüfung statt. Danach vertrat das FA S die Auffassung, dass der Grundstückshandel des Klägers nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich mache. Das FA S ermittelte danach den Gewinn für den gewerblichen Grundstückshandel nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG mit der Folge, dass nur noch ein Verlust in Höhe von DM 30 112,66 anzuerkennen war. Der entsprechende Änderungsbescheid wurde am ... zur Post gegeben. Der Einspruch, mit dem der Kläger im Wesentlichen geltend machte, dass Art und Umfang des gewerblichen Grundstückshandels keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich machten, hatte keinen Erfolg. Der inzwischen für den Kläger zuständig gewordene Beklagte vertrat die Auffassung, dass wegen der Aufstellung der Eröffnungsbilanz und Erfassung der Einnahmen und Ausgaben über Konten nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger sein Wahlrecht zugunsten einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung i. S. d. §§ 4 Abs. 3 EStG ausgeübt habe. Eine nachträgliche Ausübung des Wahlrechts sei nicht möglich. Im Übrigen hielt der Beklagte an der Ansicht fest, dass der Grundstückshandel des Klägers nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich mache.

Der Kläger tritt der Auffassung, dass sein Grundstückshandel nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich mache, entgegen. Er macht geltend, dass die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung trotz Erstellung einer Eröffnungsbilanz und laufender Buchführung auch nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres getroffen werden könne, indem der Steuerpflichtige auf den Abschluss der Buchführung verzichte. Die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung sei bei richtigem Verständnis des § 4 Abs. 3 EStG nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige Bücher führe, sondern nur dann, wenn er Bücher führe und Abschlüsse mache. Folglich werde die Wahl zugunsten des § 4 Abs. 3 EStG erst durch die Entscheidung, einen Abschluss zu erstellen, ausgeschlossen. Er, der Kläger, habe die Eröffnungsbilanz nicht zeitnah aufgestellt, sondern erst im Jahre 1995 und damit zeitgleich mit der Übergangsrechnung zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Damit habe er seine Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung wiederholt. Die Eröffnungsbilanz sei somit zumindest gegenstandslos, wenn nicht nichtig. Er, der Kläger, habe gar nicht mehr die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wählen können, zum einen, weil er für drei Jahre an seine zuvor ausgeübte Wahl für die Einnahmen-Überschuss-Rechnung gebunden gewesen sei, zum anderen wegen des steuerlichen Rückwirkungsverbotes. Schließlich vertritt der Kläger die Ansicht, dass das FA S durch Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides vom ... bzw. ... einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Anerkennung der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung geschaffen habe, denn diese Bescheide seien in Kenntnis der ausführlichen Darlegung seines, des Klägers, Steuerberaters hinsichtlich der Berechtigung zum Wechsel der Gewinnermittlungsart ergangen. Er, der Kläger, habe danach darauf vertrauen dürfen, dass sich die in dem Schreiben aus dem Juli 1995 vertretene Auffassung des FA S, dass er buchführungspflichtig sei, durch das Schreiben seines Steuerberaters vom ... erledigt gehabt habe. Er habe auf der Grundlage der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch Investitions- und Finanzierungsentscheidungen für die Folgejahre getroffen.

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 1993 vom ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... dahingehend zu ändern, dass der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird und dabei Betriebseinnahmen in Höhe von DM 1 121 083,94 sowie Betriebsausgaben in Höhe von DM 3 428 135,78 angesetzt werden,

sowie, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

            Erstellt der Steuerpflichtige eine Eröffnungsbilanz und richtet er eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung ein, so hat er sich endgültig für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entschieden

1. Der Gewinn des Klägers im Streitjahr ist durch Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Ein Korrekturposten ist nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger die Gewinnermittlungsart nicht wechseln konnte. Der Betriebsvermögensvergleich ist nach § 5 Abs. 1 EStG anzuwenden von Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die dies ohne eine solche Verpflichtung tun.

Die Beteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass der Kläger im Streitjahr einen gewerblichen Grundstückshandel betrieb (zu den Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels vgl. Urteil des BFH vom 15.3. 2005 - X R 39/03, BStBl. II 2005, 817, BB 2005, 1541, unter B.II.1. der Gründe).

Der Senat kann dahingestellt lassen, ob der Kläger aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet war, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, weil sein Grundstückshandel nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich machte (vgl. §§ 2, 262 HGB in der im Streitjahr geltenden Fassung). Der Kläger hat sich jedenfalls freiwillig für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entschieden.

Die Wahl zwischen der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG (Betriebsvermögensvergleich) und § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) wird in der Regel durch schlüssiges Verhalten ausgeübt (BFH-Urteile vom 12.10.1994 - X R 192/93, BFH/NV 1995, 587, unter 2. der Gründe; vom 1.10.1996 - VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403, unter II.2.b) der Gründe). Zwar geht der BFH davon aus, dass das Wahlrecht prinzipiell unbefristet sei (BFH-Urteil vom 19.10.2005 - XI R 4/04, BStBl. II 2006, 509, BB 2006, 434, m. BB-Komm. Schulze-Osterloh, BB 2006, 436, unter II.1. der Gründe) und - erst - nach Ablauf des betreffenden Gewinnermittlungszeitraums nicht mehr änderbar sei (BFH in BFH/NV 1995, 587, BB 2006, 434, m. BB-Komm. Schulze-Osterloh, BB 2006, 436). Praktisch erkennt aber auch der BFH an, dass das Wahlrecht der Sache nach durch die Einrichtung bzw. Nichteinrichtung einer entsprechenden Buchführung - und damit zu Beginn eines Veranlagungszeitraumes - ausgeübt werden muss (BFH in BStBl. II 2006, 509, BB 2006, 434, m. BB-Komm. Schulze-Osterloh, BB 2006, 436). Dementsprechend nimmt er an, dass ein Steuerpflichtiger, der tatsächlich Bücher führt und Abschlüsse macht, nicht mehr die Einnahmen-Überschuss-Rechnung wählen kann (BFH in BStBl. II 2005, 509, BB 2006, 434, m. BB-Komm. Schulze-Osterloh, BB 2006, 436) und dass das Wahlrecht zur Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nur zu Beginn eines Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden kann (BFH-Urteil vom 9.2.1999 - VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195, unter 2.b) der Gründe). Erstellt der Steuerpflichtige eine Eröffnungsbilanz und richtet er eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung ein, so hat er sich folglich - endgültig, also jedenfalls bis zum darauffolgenden Veranlagungszeitraum - für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entschieden (vgl. BFH in BFH/NV 1995, 587, a.a.O.).

Hier ergibt sich eindeutig aus dem Umstand, dass der Kläger seiner Steuererklärung für das Streitjahr eine Eröffnungsbilanz beigefügt hat und erklärt hat, er wolle zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG übergehen, dass er sich zu Beginn des Streitjahres für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entschieden hatte. Ein solcher „Übergang" ist nämlich nur möglich, wenn vorher die Entscheidung für die Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG gefallen ist. An dieser Wahl muss der Kläger sich bis zum darauffolgenden Veranlagungszeitraum festhalten lassen. Auf die Frage, ob die Eröffnungsbilanz zeitnah aufgestellt worden ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er mit seiner Steuererklärung bereits - auch - die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eingereicht hat. Das Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart wird gerade nicht durch das Einreichen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung beim Finanzamt ausgeübt (so ausdrücklich BFH in BFH/NV 1995, 587, unter 3. der Gründe), sondern durch das Verhalten zu Beginn des Veranlagungszeitraumes. Wer aber erklärt, dass er nach Erstellen einer Eröffnungsbilanz zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung übergehen wolle, hat damit dokumentiert, dass er zu Beginn des Veranlagungszeitraumes nicht die Einnahmen-Überschuss-Rechnung gewählt hat - denn dann wäre ein „Übergang" ja nicht erforderlich -, sondern die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich.

            Der Vorbehalt der Nachprüfung wirkt dem Entstehen eines Vertrauenstatbestandes entgegen

2. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, dass das FA S durch die ursprüngliche Veranlagung zur Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, der die Finanzverwaltung nunmehr hindere, eine Steuerfestsetzung unter Berücksichtung der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG vorzunehmen. Die ursprüngliche Steuerfestsetzung stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gemäß § 164 AO kommt eine solche Steuerfestsetzung in Betracht, solange der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist. Damit gibt die Finanzbehörde bei Erlass des Bescheides gerade zu erkennen, dass die getroffene Regelung vorläufigen Charakter hat und sie sich vorbehält, sowohl den Sachverhalt zu ermitteln als auch gegenteilige rechtliche Würdigungen zu treffen. Der Vorbehalt der Nachprüfung wirkt dem Entstehen eines Vertrauenstatbestandes also entgegen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 13.9.2006 - 6 K 256/04, juris).

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