FG Münster: Ausgleich eines negativen Kapitalkontos durch einen Veräußerungsgewinn zum Bilanzstichtag
FG Münster, Urteil vom 4.9.2012 - 1 K 998/09 F, Rev. eingelegt (Az. BFH IV R 40/12)
Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2012-3070-1
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Sachverhalt
Streitig ist, ob ein laufender Verlust der Firma D GmbH & Co. KG (KG) ausgleichsfähig oder nur verrechenbar (§ 15a Einkommensteuergesetz - EStG - ) ist.
Die KG betrieb bis Ende des Streitjahres 2006 im Windpark E eine Windkraftanlage. Kommanditisten der KG waren der Kläger und die Beigeladene. Mit Kaufvertrag vom 29.11.2006 veräußerte die KG die Windkraftanlage. Da es sich bei der Windkraftanlage um ihre einzige wesentliche Betriebsgrundlage handelte, stellte sie ihren Geschäftsbetrieb zum 31.12.2006 ein und meldete ihn ab.
Mit der Feststellungserklärung für das Streitjahr 2006 erklärte die KG einen laufenden Verlust i. H. v. 70.488,05 EUR, einen Aufgabegewinn von 662.369 EUR sowie einen verrechenbaren Verlust aus dem Vorjahr i. H. v. 20.769 EUR. Im Rahmen der Feststellungserklärung beantragte die KG den tarifbegünstigten Aufgabegewinn mit 641.600 EUR festzustellen (Aufgabegewinn 662.369 EUR abzgl. verrechenbarer Verlust aus dem Vorjahr 20.769 EUR).
Die Einzelpositionen aus der Feststellungserklärung sind der Höhe nach zwischen den beteiligten Parteien unstreitig.
Am 19.11.2007 erließ der Beklagte einen Feststellungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Ausgehend von den Zahlen aus der Feststellungserklärung kürzte das beklagte Finanzamt den tarifbegünstigten Aufgabegewinn um den laufenden Verlust der KG aus dem Streitjahr 2006.
Mit Schreiben vom 07.01.2008 - eingegangen im Finanzamt am 16.01.2008 - stellte die KG einen Antrag auf Änderung des o. g. Feststellungsbescheides entsprechend der abgegebenen Feststellungserklärung. Zur Begründung führte sie an, in 2006 sei kein Verlust im Sinne von § 15a EStG entstanden. Nach dieser Vorschrift dürfe ein Verlust, der einem Kommanditisten zuzurechnen sei, nicht mit anderen Einkünften verrechnet werden, wenn am Bilanzstichtag ein negatives Kapitalkonto entstehe oder sich erhöhe. Diese Tatbestandsvoraussetzung liege im Streitfall nicht vor. Aufgrund des erklärten Veräußerungsgewinns zum 31.12.2006 habe sich im Streitjahr ein positives Kapitalkonto ergeben. Insoweit sei der laufende Verlust des Jahres 2006 als ausgleichsfähiger Verlust zu behandeln.
Diesen Änderungsantrag lehnte das beklagte Finanzamt mit Schreiben vom 27.02.2008 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 26.01.1995, BStBl. II 1995, 467 ab. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die KG mit Schreiben vom 17.03.2008 Einspruch ein.
Zur Begründung führte sie aus, zum 31.12.2006 bestehe keine Beschränkung des Verlustabzuges nach § 15a Abs. 4 EStG. Das negative Kapitalkonto zum 31.12.2005 sei durch Verrechnung mit dem in 2006 erzielten Veräußerungsgewinn ausgeglichen worden. Der Veräußerungsgewinn selbst habe dann im weiteren zu einem positiven Kapitalkonto zum 31. 12. des Streitjahres geführt. Dies ergebe sich sinngemäß aus dem vom Beklagten selbst zitierten BFH-Urteil.
Der Beklagte wies den Einspruch der KG mit Einspruchsentscheidung vom 25.02.2009 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung weist die KG als Inhaltsadressatin aus. Er vertrat in der Sache die Auffassung, der laufende Verlust des Jahres 2006 sei als verrechenbarer Verlust im Sinne des § 15a EStG zu behandeln, da sich durch diesen Verlust das bereits vorhanden gewesene negative Kapitalkonto der Kommanditisten weiter erhöht habe. Der Auffassung der KG, durch den Veräußerungsgewinn seien die Kapitalkonten wieder positiv geworden, es läge von daher kein Fall des § 15a EStG vor, könne nicht gefolgt werden. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Am 30.03.2009 erhob der Kommanditist der KG, Herr W, gegen die Einspruchsentscheidung Klage.
Zur Begründung führt er zunächst aus, die KG sei zwischenzeitlich aufgelöst. Sie könne daher nicht mehr in gesetzlicher Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter tätig werden. Daher seien die vormaligen, vom Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter klagebefugt.
Er macht im Übrigen sinngemäß geltend, der laufende Verlust des Streitjahres 2006 sei entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamtes kein verrechenbarer Verlust im Sinne von § 15a EStG. Ein Verlust sei im Sinne dieser Vorschrift nur dann verrechenbar, wenn durch ihn ein negatives Kapitalkonto entstehe oder erhöht werde. Vorliegend sei der verrechenbare Verlust des Vorjahres i. H. v. 20.769 EUR mit dem Aufgabegewinn zu verrechnen. Im Übrigen sei dem Kapitalkonto der Kommanditisten im Streitjahr 2006 der erzielte Aufgabegewinn gutzuschreiben. Dadurch entstehe durch den laufenden Verlust i. H. v. 63.289 EUR kein negatives Kapitalkonto. Es handele sich insoweit eindeutig um einen ausgleichsfähigen Verlust.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 15.05.2009 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Finanzamt zu verpflichten den Feststellungsbescheid vom 19.11.2007 dahingehend zu ändern, dass ein laufender Verlust i. H. v. 70.488,05 EUR als ausgleichsfähiger Verlust und ein begünstigter Veräußerungsgewinn i. H. v. 641.600,00 EUR festzustellen sind und dem Kläger sowie der Beigeladenen jeweils zu 50 v. H. zugerechnet werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und im Falle des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
Der Senat entscheidet in der Sache über den am 07.01.2008 gestellten Änderungsantrag hinsichtlich des Feststellungsbescheides vom 19.11.2007. Im Streitfall weist die Einspruchsentscheidung vom 25.02.2009 zwar die frühere D GmbH & Co. KG als Inhaltsadressatin aus, obwohl zum Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung die KG bereits durch Gesellschafterbeschluss von Ende 2006 beendet und seit dem 29.01.2008 im Handelsregister gelöscht war. Dazu bemerkt der Senat klarstellend, dass er insoweit in Übereinstimmung mit den beteiligten Parteien von einer unschädlichen Falschbezeichnung des Klägers als gesetzlichen Liquidator der vollbeendeten KG ausgeht. Der Inhalt der Einspruchsentscheidung insgesamt macht deutlich, dass das beklagte Finanzamt die streitigen Rechtsfragen gegenüber dem Kläger als ehemaligen Kommanditisten der D GmbH & Co. KG rechtsverbindlich entscheiden wollte. Dies ist auch nicht zuletzt dadurch nach außen deutlich geworden, dass der Kläger in Person am 30.03.2009 gegen die Einspruchsentscheidung Klage erhoben hat.
Einer erneuten Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zur Heilung eines Bekanntgabemangels durch den Beklagten bedurfte es daher nach Auffassung des Senates nicht.
Zu dessen Klageverfahren war die weitere Kommanditistin der KG Frau M nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen, da insoweit eine Entscheidung gegenüber beiden Kommanditisten nur einheitlich möglich ist.
Der Senat sieht im Übrigen von einer Beiladung der vormaligen Komplementärin (D GmbH) ab, da eine Rechtsverletzung diesbezüglich durch die Festlegung einer festen Haftungsvergütung ausgeschlossen ist. Des Weiteren ist die Verlustfeststellung nach § 15a EStG ohnehin nur gegenüber einem Kommanditisten möglich und berührt die Rechtsstellung der Komplementärin nicht.
Der Bescheid vom 19.11.2007 für das Streitjahr 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG ist rechtswidrig, soweit er den laufenden Verlust für 2006 i. H. v. 70.488,05 EUR als verrechenbaren Verlust nach § 15a EStG ausweist. Zwischen den beteiligten Parteien sind die Höhe des laufenden Verlustes, die Höhe des erzielten Veräußerungsgewinnes sowie deren Verteilung auf den Kläger und die Beigeladene nicht streitig. Streitig ist vielmehr, wie sich der der Höhe nach unstreitige Anteil des Klägers am Verlust der KG in einen ausgleichsfähigen und einen nicht ausgleichsfähigen (verrechenbaren) Verlust aufteilt. Darüber wird nicht im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2a der AO, sondern im Verfahren zur Festsetzung des verrechenbaren Verlustes des beschränkt haftenden Gesellschafters nach § 15a Abs. 4 EStG entschieden. Beide Verfahren können miteinander verbunden werden (§ 15a Abs. 4 S. 5 EStG), führen aber doch zu besonderen Verwaltungsakten, die auch gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können (vgl. Beschluss des BFH vom 19.05.1987 VIII B 104/85, BFH/NV 1987, 640; Urteil vom 26.01.1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467). Vorliegend ist hiernach davon auszugehen, dass Gegenstand des Änderungsverfahrens ausschließlich die Feststellung der verrechenbaren und damit auch der ausgleichsfähigen Verlustanteile des Klägers im Streitjahr in dem Verfahren nach § 15a Abs. 4 EStG sind.
Der Antrag des Klägers auf Änderung des nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheides hat auch Erfolg, da der Beklagte den laufenden Verlust des Streitjahres 2006 i. H. v. 70.488,05 EUR rechtsfehlerhaft nur als verrechenbar im Sinne von § 15a EStG festgestellt hat.
Nach § 15a Abs. 4 S. 1 EStG ist der verrechenbare Verlust eines Kommanditisten jährlich gesondert festzustellen. Ausgangsgröße für diese Feststellung ist jeweils der verrechenbare Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Diesem Ausgangsbetrag wird der nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust des Kommanditisten hinzugerechnet. Durch Abzug etwaiger verrechenbarer Verlustanteile aus früheren Wirtschaftsjahren und Hinzurechnung etwaiger nach § 15a Abs. 3 EStG wegen Einlage- oder Haftungsminderung zu erfassender Beträge wird der nunmehr sich ergebende verrechenbare Verlust ermittelt und gesondert festgestellt. Der Betrag des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Wirtschaftsjahres (hier 2006) bestimmt sich nach der Vorschrift des § 15a Abs. 1 EStG.
Danach darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.
Am 01.01.2006 bestand ein negatives Kapitalkonto des Klägers aus den Vorjahren (= verrechenbarer Verlust) i. H. v. 20.769,00 EUR. Dieser Betrag unterliegt der Ausgleichsbeschränkung nach § 15a EStG. Aus dem einleitenden Satzteil des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG ergibt sich, dass der Ausgleichsbeschränkung der Anteil am Verlust der KG unterliegt. Das Verlustausgleichsverbot bezieht sich nur auf das Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft einschließlich der Ergebnisse etwaiger Ergänzungsbilanzen. Gewinn oder Verlust aus dem Gesellschaftsvermögen wird aber realisiert, wenn wie vorliegend, die Personengesellschaft ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen veräußert (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.1995, VI R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467 für den Fall der Anteilsveräußerung). Es kommt in diesen Fällen zur Aufdeckung und Besteuerung der anteiligen stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens. Mit dem Veräußerungsgewinn wird also insoweit ein Gewinn aus der Beteiligung an der KG erzielt. Ein Veräußerungsgewinn dieser Art wird, wenn er in einem Veranlagungszeitraum nach dem der Entstehung eines nicht ausgleichsfähigen Verlustes erzielt wird, gem. § 15a Abs. 2 EStG mit den verrechenbaren Verlusten der Vorjahre saldiert (vgl. BFH vom 26.01.1995, a. a. O.; Schmidt, § 15a EStG Anmerkung 30a). Denn zu den Einkünften aus der Beteiligung an der KG gehören auch Gewinne aus der Veräußerung des Gesellschaftsvermögens der KG.
Der im Streitjahr erzielte, der Höhe nach unstreitige Veräußerungsgewinn i. H. v. 662.369,00 EUR ist nach diesen Grundsätzen zunächst mit dem verrechenbaren Verlust zu Beginn des Wirtschaftsjahres zu verrechnen. Durch diese Verrechnung entfällt das zu Anfang des Streitjahres bestehende negative Kapitalkonto des Klägers. Diese Rechtsfolge ist zwischen den beteiligten Parteien unstreitig.
Entgegen der Auffassung des Beklagten entsteht oder erhöht sich aber durch den laufenden Verlust der Firma D GmbH & Co. KG i. H. v. 70,488,05 € insoweit kein negatives Kapitalkonto des Klägers, da die KG im gleichen Zeitraum einen der Höhe nach ebenfalls unstreitigen Veräußerungsgewinn i. H. v. 662.369,00 EUR erzielt hat. Bei einer Saldierung entsteht dadurch zum 31.12.2006 auf dem Kapitalkonto des Klägers ein positiver Saldo, so dass der laufende Verlust in der angeführten Höhe als ausgleichsfähig festzustellen ist.
Anders als vom Beklagten gehandhabt ist der festgestellte verrechenbare Verlust zu Beginn des Streitjahres 2006 nicht zunächst um den laufenden Verlust aus 2006 zu erhöhen und in dieser Höhe dann insgesamt als verrechenbar zu behandeln.
Nach herrschender Meinung sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung (vgl. BFH vom 26.01.1995, a. a. O.; Frotscher, EStG § 15a RdZiff. 163; Schmidt, § 15a EStG, RdZiff. 81a) ist maßgeblich für den Stand des Kapitalkontos jeweils das Ende des Wirtschaftsjahres.
Ein Zwischenstand im Laufe des Wirtschaftsjahres bleibt dabei unberücksichtigt.
Die Vorgehensweise des Beklagten verletzt diese angeführten Grundsätze durch Berücksichtigung eines Zwischensaldos auf dem Kapitalkonto des Klägers vor Veräußerung des Gesellschaftsvermögens durch die KG.
Eine Rechtfertigung kann sich nicht daraus ergeben, dass laufender Verlust der KG und Veräußerungs- oder Aufgabegewinn separat voneinander ermittelt werden, wobei letzterer nach Abschluss der Betriebsaufgabe nach Auffassung des Beklagten (gedanklich) nicht mehr in ein gesellschaftsrechtliches Kapitalkonto eingehen soll. Diese Rechtsauffassung widerspricht eindeutig dem bereits mehrfach angeführten Urteil des BFH vom 26.01.1995, wonach ein Kommanditist mit dem Veräußerungsgewinn einen Gewinn aus seiner Beteiligung an der KG erzielt. Auch nach der herrschenden in der Literatur entsteht ein Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung eines Betriebes oder Teilbetriebes im Gesamthandvermögen einer KG (vgl. Frotscher, § 15a EStG RdZiff. 207 m. w. N.).
Die Behandlung des laufenden Verlustes für das Streitjahr 2006 als ausgleichsfähig entspricht im Übrigen auch der Intention des Gesetzgebers, nach der Einlagen eines Kommanditisten während eines Wirtschaftsjahres unabhängig vom Zeitpunkt geeignet sind, einen bis zum Zeitpunkt der Einlage möglicherweise nur verrechenbaren Verlust des laufenden Jahres als ausgleichsfähig zu gestalten. Für Veräußerungsgewinne kann nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten.
Nach alledem ist der Beklagte verpflichtet, in einem geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr 2006 den laufenden Verlust des Jahres 2006 als ausgleichsfähig zu behandeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.