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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
26.07.2012
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Niedersächsisches FG: Ansammlungszeitraum bei der Rückstellungsberechnung für eine Mieter-Abbruchverpflichtung bei Mietvertragsverlängerung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.5.2012 - 6 K 108/10, Revision eingelegt (Az. BFH I R 46/12)


Leitsatz


Ein neuer Miet- oder Pachtvertrag über ein Grundstück, für das bereits eine Ansammlungsrückstellung gebildet wurde, führt nicht zu einer Neuberechnung des Ansammlungszeitraums



Aus den Gründen


  • Entfernungsverpflichtung für bauliche Anlagen auf fremdem Grund und Boden

[...] 1. Errichtet ein Mieter auf fremden Grund und Boden bauliche Anlagen, so ist er - sofern mit dem Vermieter keine anders lautende Vereinbarung getroffen worden ist - zivilrechtlich verpflichtet, die Anlagen bei Ende des Mietverhältnisses zu beseitigen (§ 556 Abs. 1 BGB; BFH-Urteil vom 28.3.2000 - VIII R 13/99, BStBl. II 2000, 612 unter 1.a der Entscheidungsgründe). Besteht für den Mieter eine Entfernungsverpflichtung, muss er für die anfallenden Abbruchkosten in der Handelsbilanz (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB) und der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) eine Rückstellung ausweisen (BFH-Urteile vom 19.2.1975 - I R 28/73, BStBl. II 1975, 480; vom 27.11.1968 - I 162/64, BStBl. II 1969, 247). Es handelt sich dabei um eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit. Die Rückstellung ist in der Steuerbilanz (nur) in Höhe der am jeweiligen Bilanzstichtag zu erwartenden Abbruchkosten zu bilden (BFH-Urteil vom 5.5.2011 - IV R 32/07, BStBl. II 2012, 98 Rn. 24). Zu erwartende Preissteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt sind steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen, wie der Gesetzgeber zwischenzeitlich in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG 2009 ausdrücklich geregelt hat. Gleiches gilt auch für Veranlagungszeiträume vor 2009 (BFH, a. a. O.).


  • Verpflichtung zur Bildung einer Ansammlungsrückstellung

2. Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1 EStG). Diese Regelung bezieht sich nur auf echte Ansammlungsrückstellungen (vgl. BT-Drucks 14/443, S. 18). Solche Rückstellungen sind für Verpflichtungen zu bilden, die am Bilanzstichtag bereits feststehen, aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die für ihr Entstehen ursächlichen Geschäftsjahre verteilt werden müssen (BFH-Urteil vom 5.5.2011 - IV R 32/07, BStBl. II 2012, 98 Rn. 29).


a) Nach diesen Maßstäben war die Klägerin zunächst verpflichtet, eine Rückstellung für die Verbindlichkeit zum Abriss der von ihrer Rechtsvorgängerin auf dem Pachtgrundstück errichteten Gebäude bis zum 30.9.1991 anzusammeln. Zu diesem Zeitpunkt endeten der ursprüngliche Pachtvertrag der Fa. X mit Y und der Unterpachtvertrag der Klägerin mit X, in dem die Klägerin sich dazu verpflichtete, die entsprechende Beseitigungspflicht der X aus deren Pachtvertrag mit Y zu übernehmen.


b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin außerdem eine weitere Ansammlungsrückstellung für den Zeitraum vom 1.8.2004 (Datum der Fertigstellung des Anbaus) bis zum 30.6.2018 im Hinblick auf die Abrisskosten des 2004 erstellten Anbaus zu bilden. Deren Höhe ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.


  • Frage, welche Auswirkungen es auf die Höhe einer Ansammlungsrückstellung hat, wenn nach Ablauf des ursprünglich vereinbarten Miet- bzw. Pachtzeitraums eine weitere Nutzung des Miet- bzw. Pachtgegenstands vereinbart wird, wurde in der Rechtsprechung noch nicht entschieden

3. Soweit ersichtlich, wurde die Frage, welche Auswirkungen es auf die Höhe einer Ansammlungsrückstellung hat, wenn nach Ablauf des ursprünglich vereinbarten Miet- bzw. Pachtzeitraums eine weitere Nutzung des Miet- bzw. Pachtgegenstands vereinbart wird, in der Rechtsprechung noch nicht entschieden.


  • Beklagter: Neuberechnung und Neuverteilung der Ansammlungsrückstellung auf den gesamten Zeitraum ist erforderlich

Der Beklagte ist der Ansicht, bei Verlängerung eines Miet- oder Pachtvertrags oder anderweitiger Fortführung dieses Dauerschuldverhältnisses über den ursprünglich vereinbarten Zeitraum hinaus sei eine bereits gebildete Ansammlungsrückstellung neu zu berechnen und (neu) auf den Zeitraum vom ursprünglichen Beginn des Nutzungsverhältnisses bis zu dessen voraussichtlichem Ende zu verteilen. Hieraus ergäbe sich im Streitfall ein Ansammlungszeitraum vom 1.6.1984 (Beginn des ersten Unter-Pachtvertrags) bis zum 30.6.2018 (Vertragsende lt. Mietvertrag vom 2./8.7.2003 ohne Inanspruchnahme der Verlängerungsoption).


  • Klägerin: Bereits gebildete Ansammlungsrückstellung ist beizubehalten und lediglich an die Preisentwicklung zum jeweiligen Bilanzstichtag anzupassen

Die Klägerin ist dagegen der Ansicht, ein neuer Miet- oder Pachtvertrag über das bisher bereits genutzte Grundstück führe nicht zu einer Verlängerung des Ansammlungszeitraums. Vielmehr sei die nach Maßgabe der ursprünglich vereinbarten Nutzungsdauer bereits gebildete Ansammlungsrückstellung beizubehalten und lediglich an die Preisentwicklung zum jeweiligen Bilanzstichtag anzupassen.


  • Senat hält die Rechtsauffassung der Klägerin für zutreffend

Der Senat hält die Rechtsauffassung der Klägerin für zutreffend. Eine Verpflichtung zum Abbruch der am 1.6.1984 bereits errichteten Gebäude ist die Klägerin erstmals bei Abschluss des (Unter-)Pachtvertrags vom 28.6./18.10.1984 eingegangen. Hierdurch war diese Verpflichtung rechtlich bereits entstanden. Wirtschaftlich war sie durch die damals vereinbarte Nutzungsdauer verursacht. Die Klägerin hatte die Abbruchkosten deshalb im Wege der Ansammlungsrückstellung auf die ursprünglich vereinbarte Nutzungsdauer zu verteilen (vgl. BFH-Urteil vom 19.2.1975 - I R 28/73, BStBl. II 1975, 480 - heute § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1 EStG).


  • Durch die später vereinbarte Verlängerung des Nutzungszeitraums hat die Klägerin keine neue Verpflichtung begründet

Durch die später vereinbarte Verlängerung des Nutzungszeitraums hat die Klägerin insoweit keine neue Verpflichtung begründet, sondern lediglich eine Vereinbarung getroffen, durch die der Zeitpunkt, zu dem der Abbruch zu erfolgen hat, in die Zukunft verlagert wurde. Die Klägerin hat stets das gleiche Grundstück gemietet oder gepachtet. Die auf diesem Grundstück vorhandenen Gebäude waren im Wesentlichen bereits von der Rechtsvorgängerin der Klägerin errichtet und wurden bei Abschluss des ersten Unterpachtvertrags der Klägerin übereignet. Im Zusammenhang mit der Beseitigungspflicht der Klägerin nehmen sowohl der Pachtvertrag vom 12./25.8.1992 als auch der Mietvertrag vom 2./8.7.2003 Bezug auf das Eigentum der Klägerin an den Gebäuden. Die Klägerin ist nach § 19 Ziff. 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Vermietung von Flächen und Einrichtungen der Y verpflichtet, die von ihr oder einem Dritten auf der Mietsache errichteten baulichen Anlagen einschließlich der Fundamente bei Beendigung des Mietverhältnisses zu beseitigen, sofern nicht ein Mietnachfolger die Baulichkeiten und die Beseitigungspflicht übernimmt.


Der erkennende Senat geht davon aus, dass die Klägerin bei Abschluss des Pachtvertrags vom 12./25.8.1992 bereits eine Ansammlungsrückstellung in Höhe der vollen Kosten für die Beseitigung der ursprünglich vorhandenen Baulichkeiten gebildet hatte, da das ursprüngliche Nutzungsverhältnis am 30.9.1991 endete. Die späteren Verlängerungen der Nutzungsdauer durch den Pachtvertrag vom 12./25.8.1992 nebst Nachtrag und den Mietvertrag vom 2./8.7.2003 führten nicht zu einer Neuberechnung des Ansammlungszeitraums, weil eine Ansammlungsrückstellung im Sinne des BFH-Urteils vom 19.2.1975 (I R 28/73, BStBl. II 1975, 480) und im Sinne des heutigen § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1 EStG bereits gebildet war. Für eine neue Ansammlung war kein Raum, da bereits die gesamten Abbruchkosten während des ursprünglich vereinbarten Nutzungsverhältnisses angesammelt wurden.


Zu jedem nachfolgenden Bilanzstichtag musste lediglich eine Anpassung an zwischenzeitlich erfolgte Kostensteigerungen (heute § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG) erfolgen.


Eine teilweise Auflösung der bereits gebildeten Ansammlungsrückstellung nach § 249 Abs. 3 S. 2 HGB 2004 (heute: § 249 Abs. 2 S. 2 HGB) hat nicht zu erfolgen. Da die rechtliche Verpflichtung der Klägerin fortbestand, ist der Grund für die Bildung der Ansammlungsrückstellung nach Auffassung des erkennenden Senats nicht entfallen.


  • Nunmehr ist ein neuer Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung der Verpflichtung i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buch. e EStG anzunehmen, was zu einer entsprechenden Abzinsung des Rückstellungsbetrags führt

4. Der Abschluss des neuen Mietvertrags über das Grundstück vom 2./8.7.2003 führt allerdings dazu, dass nunmehr ein neuer Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung der Verpflichtung i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buch. e EStG anzunehmen ist, was zu einer entsprechenden Abzinsung des Rückstellungsbetrags führt. Hierüber und über die zugunsten der Klägerin gewinnmindernd zu berücksichtigende Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 EStG haben die Beteiligten im Rahmen des Klageverfahrens 6 K 5/12 inzwischen Einvernehmen erzielt.


5. [...] 6. [...] 7. [...] 8. [...]

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