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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
05.06.2015
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter bei Umwandlung einer GmbH in eine KG

FG Münster, Urteil vom 17.11.2014 – 5 K 2396/13 G, F, Rev. eingelegt (Az. BFH: I R 77/14)

Nichtamtlicher Leitsatz

§ 3 S. 1 UmwStG 1995 gewährt ein Ansatzwahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter

UmwStG 1995 § 3 S. 1, § 14 S. 1

Sachverhalt

Streitig ist, ob nach formwechselnder Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft in der Eröffnungsbilanz der neu gegründeten Personengesellschaft selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter aktiviert werden dürfen.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die im Wege einer formwechselnden Umwandlung der Z. - X. GmbH (nachfolgend: Z. GmbH) nach den Vorschriften der §§ 190ff. UmwG zum 01.07.2004 entstanden ist.

Die Z. GmbH aktivierte in ihrer Schlussbilanz auf den 30.06.2004 erstmals einen selbstgeschaffenen Firmenwert in Höhe von 600.000,00 EUR sowie einen Auftragsbestand in Höhe von 100.000,00 EUR. Trotz der gewinnerhöhenden Zuschreibungen auf Firmenwert und Auftragsbestand ergab sich für die Z. GmbH aufgrund des vorhandenen Verlustvortrags eine festzusetzende Körperschaftsteuer von 0 EUR. Im Rahmen einer nachfolgenden Betriebsprüfung betrachtete der Prüfer diese Zuschreibungen als unzulässig. Er war der Auffassung, dass der selbstgeschaffene Firmenwert und der Auftragsbestand gem. § 5 Abs. 2 EStG nicht aktivierungsfähig seien. Nachfolgend zur Betriebsprüfung wurde ein entsprechend geänderter Körperschaftsteuerbescheid für 2004 gegenüber der Z. GmbH erlassen, mit dem unverändert eine Körperschaftsteuer von 0 EUR festgesetzt wurde. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht Münster statt (Urteil vom 06.10.2011, 9 K 1308/10, EFG 2012, 990). Die Revision des Finanzamts hatte indes Erfolg und führte zur Klageabweisung durch den Bundesfinanzhof. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs war die Klage der Z. GmbH unzulässig. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis, da die Z. GmbH durch die Streichung der Zuschreibungen auf den selbstgeschaffenen Firmenwert und den Auftragsbestand steuerlich nicht beschwert sei (BFH-Urteil vom 19.12.2012, I R 5/12, BFH/NV 2013, 743).

In der Eröffnungsbilanz der Klägerin auf den 01.07.2004 waren der selbstgeschaffene Firmenwert und der Auftragsbestand korrespondierend zu der Schlussbilanz der Z. GmbH ausgewiesen. Im Rumpfgeschäftsjahr 2004 nahm die Klägerin eine Abschreibung auf den Firmenwert in Höhe von 20.010,00 EUR und in den Geschäftsjahren 2005 und 2006 in Höhe von jeweils 40.020,00 EUR vor. Den mit 100.000,00 EUR aktivierten Auftragsbestand löste die Klägerin noch im Rumpfgeschäftsjahr 2004 gewinnmindernd auf.

Die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitjahre sind durch den Beklagten zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen worden. Im Rahmen der nachfolgend durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer auch hier die Auffassung, dass der selbstgeschaffene Firmenwert und der Auftragsbestand in der Schlussbilanz der Z. GmbH und der Eröffnungsbilanz der Klägerin zu streichen seien. Dementsprechend seien die Abschreibungen auf den Firmenwert und die Auflösung des Auftragsbestandes rückgängig zu machen und der Gewinn der Klägerin entsprechend zu erhöhen. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ geänderte Feststellungs- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie den Firmenwert in Höhe von 600.000,00 EUR und den Auftragsbestand in Höhe von 100.000,00 EUR in ihrer Eröffnungsbilanz zu Recht aktiviert habe. Der Umstand, dass diese Positionen im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung gegenüber der Z. GmbH durch das Finanzamt gestrichen worden seien, stehe dem nicht entgegen. Zwar sei bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft grundsätzlich die aufnehmenden Personengesellschaft an die Wertansätze in der Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft gebunden (§ 14 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UmwStG 2002). Diese Bindung sei jedoch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs keine formelle, sondern „nur“ eine materiell-rechtliche; der Körperschaftsteuerbescheid der übertragenden Körperschaft sei kein Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung gegenüber der aufnehmenden Personengesellschaft. Die Klägerin könne sich daher auf die Wertansätze in der Schlussbilanz der Z. GmbH berufen und diese Werte fortschreiben bzw. im Wege der Absetzung für Abnutzung gewinnmindernd berücksichtigen.

Die Zuschreibungen der Z. GmbH auf den selbstgeschaffenen Firmenwert und den Auftragsbestand seien steuerrechtlich zulässig gewesen. Gem. § 3 Abs. 1 UmwStG 1995 darf die übertragende Körperschaft die Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert ansetzen. Diese gesetzliche Regelung beziehe sich auf alle zu übertragenden Wirtschaftsgüter; eine irgendwie geartete Beschränkung sei nicht ersichtlich. Das Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter gem. § 5 Abs. 2 EStG finde im Rahmen eines Formwechsels bei Aufstellung der Schlussbilanz keine Anwendung.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2004 vom 23.10.2009, für 2005 vom 28.10.2009 und für 2006 vom 23.11.2009, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.07.2013, dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2004 um 120.010,00 EUR und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2005 und 2006 um jeweils 40.020,00 EUR gemindert werden,

die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2004 bis 2006 vom 02.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.067.2013 dergestalt zu ändern, dass der Gewerbeertrag für 2004 um 120.010,00 EUR und die Gewerbeerträge für 2005 und 2006 um jeweils 40.020,00 EUR gemindert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei als übernehmende Gesellschaft an die Werte in der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft materiell-rechtlich gebunden. Der gegen die Z. GmbH ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2004 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges seien unter Nichtansatz der immateriellen Wirtschaftsgüter unanfechtbar geworden. Eine Korrektur auf Ebene der Klägerin scheide aus. Hilfsweise trägt der Beklagte vor, dass die selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter Firmenwert und Auftragsbestand dem Grunde nach gem. § 5 Abs. 2 EStG nicht hätten aktiviert werden dürfen. Das Aktivierungsverbot werde auch durch § 3 Satz 1 UmwStG 1995 nicht durchbrochen. Denn diese Norm räume lediglich ein Bewertungswahlrecht ein; sie gestatte jedoch nicht die Aktivierung von Wirtschaftsgütern, die nach den allgemeinen Regelungen dem Grunde nach nicht aktivierungsfähig seien. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.10.2005 (Az. I R 38/04, BFHE 211, 472). Dieses Urteil habe die Umwandlung einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft betroffen; hier liege steuerlich ein Anschaffungsvorgang vor, welcher die Aktivierung der selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter rechtfertige. Bei dem Formwechsel einer GmbH in eine KG scheide indes mangels eines Anschaffungsvorgangs eine Aktivierung aus. Für den Fall, dass die Aktivierung des Firmenwertes und des Auftragsbestandes dem Grunde nach zu Recht erfolgt ist, hat der Beklagte die von der Klägerin vorgenommene Ermittlung der Bilanzwerte dieser Wirtschaftsgüter sowie die Ermittlung der Höhe der Abschreibungen unstreitig gestellt.

Die Akte des Klageverfahrens 9 K 1308/10 ist beigezogen worden.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Steuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Unrecht hat der Beklagte bei Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. des Gewerbeertrages die gewinnmindernde Auflösung der Bilanzposition „Auftragsbestand“ im Jahr 2004 und die Abschreibungen auf den Firmenwert in den Jahren 2004 bis 2006 nicht anerkannt.

In der Eröffnungsbilanz der Klägerin auf den 01.07.2014 waren der Firmenwert in Höhe von 600.000,00 EUR und der Auftragsbestand in Höhe von 100.000,00 EUR zu aktivieren.

Gemäß § 14 Satz 1 i.V.m. 4 Abs. 1 UmwStG 1995 hat im Falle des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft letztere die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft enthaltenen Wert zu übernehmen. In der steuerlichen Schlussbilanz der Z. GmbH waren der Firmenwirt mit einem Wert von 600.000,00 EUR und der Auftragsbestand mit einem Wert von 100.000,00 EUR aktiviert. Diese Werte waren durch die Klägerin in ihrer Eröffnungsbilanz somit zu übernehmen.

Dem steht nicht entgegen, dass gegenüber der Z. GmbH Steuerbescheide für 2004 ergangen sind, in welchem das Finanzamt die Zuschreibungen auf den Firmenwert und den Auftragsbestand nicht anerkannt hat. Denn diese gegenüber der Z. GmbH ergangenen Steuerbescheide sind keine Grundlagenbescheide für die Steuerfestsetzungen gegenüber der Klägerin. Die Bindung der übernehmenden Gesellschaft an die Werte der Schlussbilanz ist gemäß der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs „nur“ eine materiell-rechtliche.  Die Steuerfestsetzung bei der übernehmenden Gesellschaft erfolgt auf der Grundlage des tatsächlich erfolgten Ansatzes in der Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft. Eine etwaige Änderung in der Schlussbilanz (z.B. nach einer Außenprüfung) wirkt nur über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Der übernehmende Rechtsträger ist an den Ansatz der übertragenden Körperschaft gebunden. Wenn der Bilanzansatz bei der übertragenden Körperschaft unzutreffend war, kann allerdings in der Eröffnungsbilanz der übernehmenden Personengesellschaft diese den Bilanzierungsfehler, der sich bei ihr bislang nicht ausgewirkt hat, berichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2013 – I R 36/12 –, juris). Der Senat folgt daher im Ergebnis der Auffassung der Klägerin, dass die Nichtanerkennung der Zuschreibungen in der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft einem Ausweis der Wirtschaftsgüter in der Eröffnungsbilanz der Klägerin nicht entgegensteht. Die materiell-rechtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Zuschreibungen erfolgt bei der Klägerin, denn nur diese ist durch eine Versagung der Bilanzierung der Wirtschaftsgüter beschwert. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass die Klägerin an die Werte der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft gebunden ist, würde dazu führen, dass eine gerichtliche Überprüfung der Auffassung des Beklagten nicht möglich ist.

Der Bilanzansatz in der Eröffnungsbilanz der Klägerin auf den 01.07.2004 ist auch materiell-rechtlich zutreffend. Die Z. GmbH durfte in ihrer Schlussbilanz auf den 30.06.2004 Zuschreibungen auf den Firmenwert und den Auftragsbestand vornehmen. Dass es sich hierbei um selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter handelt, steht der Zuschreibung nicht entgegen. Das Verbot der Aktivierung selbstgeschaffener Wirtschaftsgüter gem. § 5 Abs. 2 EStG findet im Rahmen des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft keine Anwendung. Der Senat verweist insoweit auf das Urteil des 9. Senats vom 06.10.2011 in dem Klageverfahren 9 K 1308/10 und macht sich dessen Begründung zu Eigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht ersichtlich, weshalb der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft in Bezug auf die Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter anders behandelt werden sollte als der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19.10.2005, I R 38/04, BStBl II 2006, 568).

Die Bilanzpositionen „Auftragsbestand“ und „Firmenwert“ sind auch der Höhe nach zutreffend gebildet worden. Dies ist durch den Beklagten unstreitig gestellt worden. Die Bilanzposition „Auftragsbestand“ durfte durch die Klägerin im Jahr 2004 gewinnmindernd aufgelöst werden. Denn der im Rahmen des Formwechsels übergegangene Auftragsbestand ist – was ebenfalls unstreitig ist – noch im Jahr 2004 verbraucht worden. Die Abschreibung des Firmenwerts ist durch die Klägerin zutreffend gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG vorgenommen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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