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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
01.09.2023
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: § 20 UmwStG – zum Buchwertprivileg bei negativen Anschaffungskosten durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum

FG Münster, Urteil vom 17.5.2023 – 9 K 935/21 K, rkr.

ECLI:DE:FGMS:2023:0517.9K935.21K.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2023-2031-1

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Beigeladene das Betriebsvermögen des vom Kläger eingebrachten Einzelunternehmens mit dem Buchwert ansetzen darf.

Der Kläger erzielte als … (Berufsbezeichnung) (C Inh. A B e.K.) bis 2015 Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009).

Mit Vertrag vom …2016 (Urkundenrolle Nr. …/2016 des Notars D mit dem Amtssitz in E) brachte der Kläger sein Einzelunternehmen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die Beigeladene ein (§ 1 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags). Diese war vom Kläger am …2015 gegründet und am ….2016 ins Handelsregister eingetragen worden. Der Kläger war auch deren Geschäftsführer.

Das übertragene Vermögen (Aktiva und Passiva) ergab sich aus der Schlussbilanz nebst Inventarverzeichnis des einzelkaufmännischen Unternehmens. Die Schlussbilanz wies ein Eigenkapital von 1.777,34 € auf. Alle auf den Bilanzstichtag bis zur Eintragung der Ausgliederung vom Einzelkaufmann hinzu erworbenen oder veräußerten Vermögensgegenstände wurden mit übertragen (§ 2 Abs. 1 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags). Die Einbringung des einzelkaufmännischen Unternehmens erfolgte zu Buchwerten, die sich aus dem Jahresabschluss des einzelkaufmännischen Unternehmens zum 31.12.2015 ergaben. Die Einbringung erfolgte unter Anwendung des § 20 des Umwandlungssteuergesetzes 2006 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2015 (StÄndG 2015) vom 2.11.2015 --BGBl I 2015, 1834-- (UmwStG 2006) gegen Ausgabe eines Geschäftsanteils an der Beigeladenen mit einem Nominalbetrag von 1.500 €. Der diesem Nominalbetrag übersteigende Buchwert des einzubringenden einzelkaufmännischen Unternehmens stellte der Kläger der Beigeladenen als Darlehen zur Verfügung (§ 2 Abs. 2 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags).

Als Gegenleistung für die vorstehende Vermögensübertragung erhielt der Kläger gemäß § 3 Abs. 1 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags einen Geschäftsanteil an der aufnehmenden Beigeladenen im Wert von 1.500 €. Zur Durchführung der Ausgliederung wurde das Kapital der Beigeladenen von 25.000 € auf 26.500 € erhöht (§ 3 Abs. 4 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags).

Der Ausgliederung lag nach § 4 Abs. 1 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags die Bilanz des Klägers zum 31.12.2015 zugrunde. Die Übertragung der Vermögensgegenstände des Einzelunternehmens erfolgte im Innenverhältnis mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2015. Vom 1.1.2016 an sollten alle Handlungen und Geschäfte, die sich auf die übertragenen Vermögensgegenstände bezogen, als für Rechnung der übernehmenden Beigeladenen vorgenommen gelten (Ausgliederungsstichtag, § 4 Abs. 2 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags).

Die Umwandlung wurde am …2016 in das Handelsregister B des Amtsgerichts F (HRB 1111111) eingetragen.

Aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2016 und 2017 sowie bei der Beigeladenen für die Jahre 2015 bis 2017 führte der Beklagte (das Finanzamt--FA--) in den Prüfungsberichten aus, dass der Wert, mit dem die übernehmende Beigeladene das eingebrachte Betriebsvermögen angesetzt habe, für den Einbringendenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile gelte. Soweit neben den Gesellschaftsanteilen auch andere Wirtschaftsgüter gewährt würden, sei deren gemeiner Wert bei der Ermittlung der Anschaffungskosten abzuziehen. Gem. § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006 seien die Anschaffungskosten darüber hinaus um den Wert der im Rückwirkungszeitraum vorgenommenen Entnahme zu mindern. Das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens sei zunächst mit 1.777,34 € angesetzt worden. Im Rückwirkungszeitraum (Januar bis März 2016) seien Entnahmen in Höhe von 19.546,85 € sowie 33.000 € vorgenommen worden, die bei der C GmbH über das Konto #1508 als Forderungen gegenüber dem Gesellschafter verbucht worden seien. Die im Rückwirkungszeitraum vorgenommenen Entnahmen seien jedoch noch dem Einbringenden zuzurechnen und stellten keine Forderungen der aufnehmenden Gesellschaft (= der Beigeladenen) gegenüber dem Einbringenden dar. Nach Abzug dieser Entnahmen ergäben sich negative Anschaffungskosten in Höhe von ./. 50.769,51 €.

Nach (derzeitiger) Verwaltungsauffassung (Textziffer 20.19 des Anwendungserlasses zum UmwStG vom 11.11.2011 --AEUmwStG--) könne es durch die Minderbewertungsvorschriften des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 keine negativen Anschaffungskosten geben, so dass als Rückschluss auch im Fall von Überentnahmen ein Zwischenwertansatz erfolgen müsse. Das Betriebsvermögen würde ansonsten während des Rückwirkungszeitraums negativ. Insoweit habe eine Wertaufstockung zu erfolgen. Aus Vereinfachungsgründen werde die Wertaufstockung in einem Firmenwert dargestellt und über 15 Jahre abgeschrieben.

Der Bundesfinanzhof (BFH), so das FA weiter, habe dieser Rechtsauffassung mit Urteil vom 7.3.2018 (Az.: I R 12/16 [BB 2018, 2160 m. BB-Komm. Bünning]) zwar ausdrücklich widersprochen, da sich § 20 Abs. 5 UmwStG 2006 ausdrücklich nur auf die Ermittlung des Einkommens der übernehmenden Gesellschaft und nicht auf den Ansatz des Vermögens der übernehmenden Gesellschaft beziehe. Das Urteil sei allerdings nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht und daher nicht generell anzuwenden.

Unter dem 26.7.2019 erließ das FA daraufhin gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) einen entsprechenden Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2016 gegenüber der Beigeladenen (adressiert an Herrn G als Empfangsbevollmächtigten für die Firma C GmbH). Den seitens der Beigeladenen, der C GmbH, gegen den Änderungsbescheid eingelegten Einspruch vom 28.8.2019 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23.9.2019 als unbegründet zurück.

Die Beigeladene ließ die Einspruchsentscheidung bestandskräftig werden.

Unter dem 29.7.2019 erließ das FA ferner u.a. einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2015 gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau (adressiert an „G Steuerberater … als Empfangsbevollmächtigter für Herrn A B und Frau H I …“), in dem es einen Einbringungsgewinn in Höhe von 50.769 € berücksichtigte. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es durch Einspruchsentscheidung vom 10.10.2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die im Rückwirkungszeitraum vorgenommenen Entnahmen seien dem Kläger zuzurechnen und stellten keine Verbindlichkeiten der Beigeladenen gegenüber dem Kläger dar. Hierfür spreche auch die buchhalterische Erfassung; für ein seitens des Klägers postuliertes Darlehen verbleibe angesichts dessen kein Raum. Nach alldem ergäbe sich ein Wertansatz von ./. 50.769,51 €. Da es nach Tz. 20.19 AEUmwStG aber keine negativen Anschaffungskosten geben könne, sondern diese maximal 0 € betragen könnten, erhöhe sich der Wertansatz bei der GmbH um 50.769,51 €. Dieser Wert stelle zugleich den Veräußerungspreis und damit den Veräußerungsgewinn dar.

In dem daraufhin seitens des Klägers angestrengten Klageverfahren (3 K 3350/19 E,G,F) gegen seinen Einkommensteuerbescheid 2016 wies der dortige Berichterstatter unter dem 22.1.2021 darauf hin, dass Rechtsschutz in diesen Konstellationen nicht durch eine Anfechtung des Einkommensteuerbescheides gesucht werden könne, sondern aufgrund der materiellen Bindung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 2006 allein durch eine Drittanfechtung des Einbringenden gegen den Körperschaftsteuerbescheid der aufnehmenden Kapitalgesellschaft.

Daraufhin gab das FA dem Kläger die Körperschaftsteuerbescheide 2016 vom 21.2.2018 sowie vom 26.7.2019 als Drittbetroffenen am 11.3.2021 bekannt.

Dieser erhob hiergegen am 8.4.2021 Sprungklage, die dem FA am 12.4.2021 zugestellt worden ist und der es am 19.4.2021 zugestimmt hat.

Außerdem nahmen der Kläger und seine Ehefrau am 8.4.2021 ihre Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2015, nicht aber gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 (Az. 3 K 3350/19 E,G,F) zurück.

Im vorliegenden Verfahren trägt der Kläger vor, der BFH habe in seinem Urteil I R 12/16 vom 7.3.2018, BFHE 261, 251, BFH/NV 2018, 1063 [BB 2018, 2160 m. BB-Komm. Bünning], zu der streitgegenständlichen Frage explizit Stellung genommen. Danach folge aus dem zwischen § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2002 und § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 bestehenden Regelungszusammenhang nicht, dass § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2002 über seinen Wortlaut hinaus, der einen negativen Buchwert des Einbringungsgegenstandes am steuerlichen Übertragungsstichtag voraussetze, im Wege der teleologischen Extension auch insoweit anzuwenden sei, als der negative Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum (ggf. saldiert mit Einlagen im Rückwirkungszeitraum) weiter gemindert werde. Die Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall unverändert zu übertragen.

§ 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 sehe vor, dass von den Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile i.S. des § 20 Abs. 4 UmwStG 2002, der inhaltlich § 20 Abs. 3 UmwStG 2006 entspreche, der Buchwert der Entnahmen abzuziehen und der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG 2009) ergebende Wert der Einlagen hinzuzusetzen sei. Die Norm beinhalte nach ihrem Wortlaut lediglich eine Korrektur der sich nach § 20 Abs. 4 UmwstG 2002 ergebenden Anteilsanschaffungskosten, nicht hingegen die Vorgabe eines „Mindestansatzes“ des eingebrachten Betriebsvermögens. Dem Normtext sei insbesondere nicht zu entnehmen, dass das Ergebnis der vorgenannten Rechenoperation nicht ggf. negativ sein könne.

Für Letzteres spreche neben dem Wortlaut des § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 in systematischer Hinsicht auch der Umstand, dass § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 2002 zwar „das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft“ erfasse und diese auf Antrag so zu ermitteln seien, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Für Entnahmen und Einlagen nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag enthalte indessen Satz 2 der Vorschrift eine davon abweichende Anordnung, nach der Satz 1 hinsichtlich „des Einkommens und des Gewerbeertrags" nicht gelte. Satz 2 schließe demnach die Anwendung von Satz 1 auf das übergehende Vermögen nicht aus, sondern trete als Ausnahmebestimmung (für Entnahmen und Einlagen) neben die Grundregel des Satzes 1.

§ 20 Abs. 7 Sätze 2 und 3 UmwStG 2002 stellten ihrem Gesetzeszweck nach besondere Einkommensermittlungsvorschriften dar, durch die vermieden werden solle, dass durch die grundsätzliche Anwendung körperschaftsteuerlicher Vorschriften Vorgänge als verdeckte Gewinnausschüttungen besteuert würden, die nach dem Recht der Personengesellschaft Entnahmen gewesen wären.

Das vom Gesetzgeber mit § 20 Abs. 7 Sätze 2 und 3 UmwStG 2002 verfolgte Ziel, dass sich die im Rückwirkungszeitraum vorgenommenen Entnahmen und Einlagen bei einer späteren Veräußerung der Gesellschaftsanteile nicht erfolgswirksam auswirken sollen, lasse sich zudem statt durch sofortige Zwangsrealisierung aller im eingebrachten Betriebsvermögen vorhandener stiller Reserven auch durch die Anerkennung negativer Anteilsanschaffungskosten erreichen. Es gebe es keinen allgemeinen Grundsatz des Ertragssteuerrechts, der dies von vornherein ausschlösse. Derartiges folge auch nicht aus § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2002, der lediglich den Fall regele, dass die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten überstiegen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid zur Körperschaftsteuer für das Jahr 2016 vom 21.2.2018 in Gestalt des Bescheides vom 26.7.2019, dem Kläger jeweils zugestellt am 11.3.2021, ergangen zu Steuernummer …, dahingehend zu ändern, dass im Rahmen der Einbringung des Einzelunternehmens des Klägers in die „C GmbH“ mit steuerlichen Wirkung zum 1.1.2016 die Buchwerte anzusetzen sind, d. h. der Ansatz eines Firmenwerts und der entsprechenden AfA darauf entfällt,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Zur Begründung verweist es zunächst auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung gegen den Einkommensteuerbescheid 2015.

Es meint ferner, es sei erklärtes Ziel des § 20 UmwStG 2006, negative Anschaffungskosten im Rahmen einer Einbringung nach § 20 UmwStG zu vermeiden. Dies ergebe sich bereits aus dem Grundfall der gesetzlichen Einschränkung der Buchwerteinbringung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006 und der dahinterstehenden Gesetzessystematik. Da das eingebrachte Betriebsvermögen nicht negativ sein dürfe, zwinge § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006 insoweit zur Aufdeckung der stillen Reserven. Im Ergebnis müssten die Anschaffungskosten der Anteile damit mindestens 0 € betragen.

Darüber hinaus werde in der Neuregelung bei Einbringungsfällen mit sonstigen Gegenleistungen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG 2006 i.R. des StÄndG 2015) die Absicht des Gesetzgebers, negative Anschaffungskosten zu vermeiden, erneut deutlich. Negative Anschaffungskosten --und damit eine Besserstellung gegenüber dem bisherigen Recht-- hätten dann auftreten können, wenn bei sehr hohen Zuzahlungen (höher als der gemeine Wert des eingebrachten Betriebsvermögens abzüglich 25 % der stillen Reserven; „Grenzbetrag“) der Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens infolge des „Freibetragseffekts“ in § 20 Abs. 2 UmwStG 2006 unter dem gemeinen Wert der Gegenleistung lägen. Zur Verhinderung sei die Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 aufgenommen worden.

Aus dem Regelungszusammenhang von § 20 Abs. 5 Satz 3 und § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG 2006 folge, dass nicht lediglich zum Übertragungsstichtag vorhandenes negatives Betriebsvermögen auszugleichen sei, sondern auch insoweit zwingend ein Zwischenwert anzusetzen sei, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen (erst) durch Entnahmen während des Rückwirkungszeitraums negativ werde (vgl. Tz. 20.19 AEUmwStG bzw. bereits Tz. 20.25 des Umwandlungssteuererlasses 1998).

Mit Beschluss vom 24.3.2022 hat der Berichterstatter die C GmbH gemäß § 60 Abs. 3 FGO zu dem Verfahren beigeladen.

Der Senat hat die Akten des Verfahrens 3 K 3350/19 E,G,F zu diesem Verfahren beigezogen.

Am 17.5.2023 hat der Senat mit den Beteiligten mündlich verhandelt. Zu dem Termin ist für die ordnungsgemäß Beigeladene niemand erschienen. Wegen der weiteren Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet. Das FA hat den Wert des vom Kläger eingebrachten Betriebsvermögens bei der Beigeladenen zu Unrecht mit einem höheren Wert als dem Buchwert angesetzt.

Drittanfechtungsklage des Einbringenden gegen den KSt-Bescheid der Übernehmenden ist zulässig

I. Die Drittanfechtungsklage des Klägers ist zulässig.

1. Im Fall der Einbringung eines Betriebs i.S. des § 20 UmwStG 2006 steht dem Einbringenden ein eigenes Anfechtungsrecht gegen die gegenüber dem aufnehmenden Unternehmen ergangene Steuerfestsetzung zu, wenn er geltend macht, die darin zu Grunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch (BFH-Urteile vom 8.6.2011 I R 79/10, BFHE 234,101, BStBl II 2012, 421 [BB 2012, 879 m. BB-Komm. Frotscher]; vom 13.9.2018 I R 19/16, BFHE 262, 526, BStBl II 2019, 385 [BB 2019, 496 m. BB-Komm. Bünning]). Dementsprechend ist der Kläger aufgrund der Einbringung seines Einzelunternehmens in das Vermögen der Beigeladenen befugt, den gegenüber der Beigeladenen ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2016 mit der Begründung anzufechten, das FA habe in diesen Bescheiden das eingebrachte Vermögen zu Unrecht mit einem höheren Wert als dem Buchwert angesetzt.

2. Die Klage ist trotz fehlender Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. § 44 FGO) als Sprungklage nach § 45 FGO zulässig. Das FA hat der am 8.4.2021 erhobenen und ihm am 12.4.2023 zugestellten Sprungklage innerhalb eines Monats (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO), nämlich am 19.4.2021, zugestimmt.

Der Zulässigkeit Sprungklage steht auch nicht entgegen, dass die Körperschaftsteuer 2016 bereits zuvor bestandskräftig festgesetzt und damit unanfechtbar geworden wäre. Nach Auffassung des Senats ist es nicht möglich, die Bekanntgabe des Bescheids vom 26.7.2019 an die Beigeladene zugleich als eine Bekanntgabe an den Kläger zu werten, denn es fehlte dem FA bei der Bekanntgabe des Bescheids an die Beigeladene an dem Willen, zugleich eine Bekanntgabe an den Kläger selbst zu bewirken. Die Behörde muss sich bei Erlass eines Bescheides nicht nur Gedanken darüber machen, ob sie einen Verwaltungsakt bekannt geben will, sondern auch an wen (Urteil des Finanzgerichts Münster vom 6.10.1987 X 1826/85 G, Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 56). Dass neben der gewollten Bekanntgabe des Körperschaftsteuerbescheides 2016 an die Beigeladene auch noch eine Bekanntgabe an eine weitere Person als Drittbetroffene in Betracht kam, hatte das FA im Zeitpunkt der ursprünglichen Bekanntgabe aber nicht erkannt und dementsprechend eine derartige Bekanntgabe auch nicht gewollt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es Kenntnis von der in der Finanzverwaltung vertretene Auffassung hatte, wonach die Änderungsbescheide auch gegenüber dem Einbringenden als Drittbetroffenen --dann aber auch mit einem entsprechenden Hinweis auf die Drittbetroffenheit-- bekannt zu geben seien (so das Schreiben des Finanzministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 1.11.2012 - IV 301-S 1978c-00000-2010/002, juris; gültig bis 31.10.2017), und es sich daher über die Notwendigkeit einer Bekanntgabe an den Kläger Gedanken gemacht hätte. Auf die Möglichkeit einer Drittanfechtung ist das FA vielmehr erst durch den Berichterstatter in dem Verfahren 3 K 3350/19 E,G,F hingewiesen worden. Daraufhin hat es den Körperschaftsteuerbescheid 2016 an den Kläger als Drittbetroffenen bekannt gegeben, und zwar ausdrücklich „zur Wahrung Ihrer Rechte als Drittbetroffener“.

Der vorgenannten Beurteilung stehen die Ausführungen im BFH-Beschluss vom 6.2.2014 I B 168/13 (BFH/NV 2014, 921) nicht entgegen. Im dortigen Rechtsstreit waren die das aufnehmende Unternehmen betreffenden Bescheide an den Einbringenden als Inhaltsadressaten bekanntgegeben worden, und zwar als Rechtsnachfolger des aufnehmenden Unternehmens (wenngleich nicht nochmals gesondert in seiner Eigenschaft als Drittbetroffener). Demgegenüber war im Streitfall allein die Beigeladene die Inhaltsadressatin des ihr gegenüber ergangenen Körperschaftsteuerbescheides 2016.

Der fehlende Bekanntgabewille und damit die fehlende Bekanntgabe gegenüber dem Kläger ist des Weiteren nicht im Hinblick auf die Regelung des § 166 AO entbehrlich. Nach dieser Norm hat derjenige, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter anzufechten, eine unanfechtbare Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen auch gegen sich gelten zu lassen. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Der Kläger war zwar Geschäftsführer der Beigeladenen, konnte die gegenüber der Beigeladenen ergangenen Bescheide hinsichtlich des vorliegenden Streitpunkts jedoch gerade nicht in deren Namen zulässigerweise anfechten, weil die Beigeladene durch den über dem Buchwert liegenden Wertansatz des Betriebsvermögens nicht beschwert war, sondern ihr aufgrund dessen ein höheres Abschreibungsvolumen zur Verfügung stand (vgl. BFH-Urteile in BFHE 234,101, BStBl II 2012, 421, und in BFHE 262, 526, BStBl II 2019, 385).

Zur Wahrung seiner Rechte als Drittbetroffenem muss dem Einbringenden der KSt-Bescheid der Übernehmenden bekanntgegeben werden

3. Im vorliegenden Fall stehen der Zulässigkeit der Klage auch nicht die Grundsätze der prozessualen Verwirkung entgegen.

a) Das Klagerecht unterliegt der Verwirkung (BFH-Beschluss vom 5.5.2003 II B 1/03, BFH/NV 2003, 1142; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 25.1.1974 – IV C 2.72, BVerwGE 44, 294, und vom 16.5.1991 – 4 C 4.89, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 1991, 1182; BVerwG-Beschluss vom 23.6.1989 – 4 B 100.89, NVwZ 1990, 263). Die hier maßgebende prozessuale Verwirkung beruht auf der unredlichen, Treu und Glauben zuwiderlaufenden Verzögerung der Klageerhebung. In diesem Sinne dient die prozessuale Verwirkung auch dem öffentlichen Interesse an der Wahrung des Rechtsfriedens. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes steht einer prozessualen Verwirkung der Klagemöglichkeit nicht entgegen. Allerdings darf der Rechtsweg nicht in unzumutbarer Weise verkürzt werden (BVerwG-Urteil vom 10.8.2000 – 4 A 11/99, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl-- 2000, 1862).

b) Die prozessuale Verwirkung eines materiellen Abwehranspruchs setzt einen längeren Zeitraum voraus, während dessen die Möglichkeit der Klageerhebung bestand und dies dem Berechtigten bewusst gewesen ist. Der positiven Kenntnis steht es dabei regelmäßig gleich, wenn der Berechtigte von der ihn belastenden Maßnahme zuverlässig Kenntnis hätte haben müssen, weil sich ihm --zum Einen-- deren Vorliegen hätte aufdrängen müssen und es ihm --zum Anderen-- möglich und auch zumutbar war, sich über die getroffene Maßnahme letzte Gewissheit zu verschaffen. Die (verspätete) Klageerhebung muss gerade deshalb gegen Treu und Glauben verstoßen, weil der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis oder der ihm zuzurechnenden Möglichkeit der Kenntniserlangung erst zu einem Zeitpunkt Klage erhebt, zu dem die Behörde und der Adressat des Bescheides nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen mussten. Dies ist dann der Fall, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen Jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen hätte. Durch das Unterlassen wird eine tatsächliche Lage geschaffen, auf die sich die Behörde und der Begünstigte einstellen und sich in einer Weise hierauf einrichten dürfen, dass für sie eine (begründete) Klage mit nicht mehr zumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BVerwG-Urteile in NVwZ 1991, 1182 und in DVBl 2000, 1862; Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21.12.2017 – 2 B 1493/17, Baurecht --BauR-- 2018, 812).

c) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, obwohl es dem fachkundig vertretenen Kläger durchaus möglich gewesen wäre, die Notwendigkeit der Drittanfechtung selbst und v.a. früher zu erkennen. So ist die hierzu ergangene Rechtsprechung keineswegs neu (BFH-Urteile vom 8.6.2011 I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl 2012, 421 [BB 2012, 879 m. BB-Komm. Frotscher]; nachfolgend BFH-Urteile vom 30.9.2015 I R 77/13, BFH/NV 2016, 959; vom 15.6.2016 I R 69/15, BFHE 254, 299, BStBl II 2017, 75 [BB 2016, 2799 m. BB-Komm. Bünning]); hinzu kommt, dass seit der Betriebsprüfung zwischen den Beteiligten die Anwendbarkeit der Grundsätze des BFH-Urteils vom 7.3.2018 I R 16/12, BFHE 261, 251, BFH/NV 2018, 1063, diskutiert wurden, dem ebenfalls eine Drittanfechtungskonstellation zugrunde lag. Angesichts dessen ist es auffallend, dass es rund 20 Monate bis zur Drittanfechtung gedauert hat. Gleichwohl ändert dieser Umstand nichts daran, dass es sich um eine prozessual besonders gelagerte Situation handelt, die von beiden Seiten nicht gesehen worden ist, so dass sich insbesondere auch nicht das FA darauf berufen kann, es habe darauf vertraut, dass der Kläger von der Möglichkeit zur Drittanfechtung keinen Gebrauch machen werde. Im Gegenteil hatten der Kläger und die Beigeladene seit dem Erlass der Änderungsbescheide --wenngleich auf untauglichen Wegen-- versucht, sich gegen den Einbringungsgewinn zur Wehr zu setzen. So hat er gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 Einspruch eingelegt und nachfolgend Klage erhoben (Aktenzeichen 3 K 3350/19 E,G,F). Auch gegen den Körperschaftsteuerbescheid hat die Beigeladene Einspruch eingelegt. Das FA hat sich sachlich auf die Rechtsbehelfe eingelassen und ist aufgrund seiner eigenen falschen prozessualen Einschätzung der Situation jederzeit davon ausgegangen, dass die Richtigkeit des Ansatzes des Einbringungsgewinns noch in Rede stand.

Keine Notwendigkeit eines Zwischenwertansatzes; damit Vermeidung eines Einbringungsgewinns

II. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid für 2016 über Körperschaft-steuer ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht ist das FA aufgrund der Entnahmen und Einlagen im Rückwirkungszeitraum von der Notwendigkeit eines Zwischenwertansatzes ausgegangen, der bei dem einbringenden Kläger zu einem nicht begünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe von 50.769,51 € geführt haben soll. Der hierauf beruhende Ansatz eines Firmenwerts bei der Beigeladenen und die auf diesen vorgenommene AfA müssen entfallen. Maßgebend sind vielmehr die Buchwerte des eingebrachten Einzelunternehmens des Klägersauf den 31.12.2015, wie sie vom FA in dem letzten gegenüber dem Kläger ergangenen Einkommensteuerbescheid für 2015 berücksichtigt wurden.

Rückwirkung der Einbringung ist unstrittig

1. Wird ein Betrieb oder Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 --KStG 2002--) eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft (Sacheinlage), so gelten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 für die Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens und der neuen Gesellschaftsanteile die nachfolgenden Absätze dieser Norm. Nach § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG 2006 darf dabei „in anderen Fällen der Sacheinlage“ (d.h. außerhalb einer Sacheinlage durch Verschmelzung) die Einbringung auf einen Tag zurückbezogen werden, der höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags liegt und höchstens acht Monate vor dem Zeitpunkt liegt, an dem das eingebrachte Betriebsvermögen auf die Kapitalgesellschaft übergeht. Zwischen den Beteiligten steht insoweit nicht im Streit, dass im Streitfall der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG 2006 mit der Folge eröffnet war, dass die Einbringung des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens des Klägers auf den 1.1.2016 zurückbezogen werden konnte. Der Senat sieht insoweit von eigenen Ausführungen ab.

2. Für die Einkommens- und Vermögensermittlung im Streitjahr ist im Rahmen des bei der Beigeladenen gemäß § 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 2009 durchzuführenden Betriebsvermögensvergleichs § 20 Abs. 5 UmwStG 2006 maßgeblich. Nach dessen Satz 1 sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft auf Antrag so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (Abs. 6) auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Dies gilt nach dem Satz 2 der Vorschrift hinsichtlich des Einkommens und des Gewerbeertrags jedoch nicht für Entnahmen und Einlagen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen. Nach Satz 3 der Vorschrift sind die Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile (Abs. 3) um den Buchwert der Entnahmen zu vermindern und um den sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG 2009 ergebenden Wert der Einlagen zu erhöhen.

Voraussetzungen für die Buchwertfortführung sind gegeben

3. Im Anwendungsbereich des § 20 UmwStG 2006 darf die aufnehmende Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG 2006 das eingebrachte Betriebsvermögen zwar grundsätzlich mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen. Der Buchwertansatz wird jedoch nach näherer Maßgabe des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1-4, Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 eingeschränkt bzw. ausgeschlossen.

Ausgehend von diesen Regelungen hatte die Beigeladene im vorliegenden Fall das Wahlrecht, das eingebrachte Betriebsvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 mit den (steuerrechtlichen) Buchwerten (§ 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG 2006) anzusetzen. Die vorausgesetzte inländische Steuerverstrickung des eingebrachten Betriebsmögens (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 3 UmwStG) lag vor. Außerdem überstiegen die Passivposten (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) in der Bilanz zum 31.12.2013 unstreitig nicht die Aktivposten, so dass ausgehend vom Wortlaut der Norm eine Wertaufstockung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006 nicht erforderlich war. Ebensowenig war ein höherer Wertansatz gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 4 oder § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 geboten. Erhält der Einbringende neben den neuen Gesellschaftsanteilen auch sonstige Gegenleistungen, so ist ein Buchwertansatz nur möglich, wenn der gemeine Wert der sonstigen Gegenleistungen nicht mehr beträgt als 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG 2006) und außerdem ist abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens mit dem gemeinen Wert der sonstigen Gegenleistung anzusetzen, wenn dieser den sich nach Satz 2 ergebenden Wert übersteigt. Zwar hat der Kläger neben den neuen Gesellschaftsanteilen auch sonstige Gegenleistungen in der Form der ihm eingeräumten Darlehensforderung gegenüber der Beigeladenen erhalten (vgl. zum Begriff der sonstigen Gegenleistungen Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 219), doch überstiegen diese Gegenleistungen weder den Buchwert des übernommenen Betriebsvermögens noch den Höchstbetrag von 500.000 €. Schließlich hat die Beigeladene das ihr zustehende Wahlrecht --wiederum unstreitig-- fristgerecht (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006) zugunsten der Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens mit dem Buchwert ausgeübt. Etwaige Bilanzberichtigungen -- wie etwa aufgrund einer nachfolgende Betriebsprüfung-- lassen die Wahl des Buchwertansatzes unberührt; die Bilanz der aufnehmenden Kapitalgesellschaft ist in derartigen Fällen entsprechend anzupassen (vgl. Patt, a.a.O., § 20 UmwStG Rz. 194, 214; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, 3. Aufl. 2019, § 20 UmwStG Rz. 358).

Entgegen einer teleologischen Extension des § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UmwStG schließen Überentnahmen im Rückwirkungszeitraum einen Buchwertansatz nicht aus

4. Die Berechtigung der Beigeladenen, das eingebrachte Betriebsvermögen zum Buchwert anzusetzen, wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Abzug der vom FA festgestellten Entnahmen im Rückwirkungszeitraum gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006 im Streitfall zu negativen Anschaffungskosten führt.

Aus dem zwischen § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006 und § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006 bestehenden Regelungszusammenhang folgt nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch nicht, dass § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006 über seinen Wortlaut hinaus, der einen negativen Buchwert des Einbringungsgegenstandes am steuerlichen Übertragungsstichtag voraussetzt, im Wege der teleologischen Extension auch insoweit anzuwenden wäre, als der Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum (ggf. saldiert mit Einlagen im Rückwirkungszeitraum) gemindert wird und sich aus dieser Rechenoperation --wie (unstreitig) im vorliegenden Streitfall-- ein (ggf. höheres) negatives Ergebnis ergibt.

BFH-Urteile: Vorschriften sollen die Behandlung von Entnahmen im Rückwirkungszeitraum als verdeckter Gewinnausschüttungen verhindern, nicht einen Entnahmezeitpunkt fingieren

a) Soweit einer derartigen Extension unter der Geltung des UmwStG 2002 der ausdrückliche Wortlaut des § 20 Abs. 7 Sätze 2 und 3 UmwStG 2002 entgegenstand (BFH-Urteil in BFHE 261, 251, BFH/NV 2018, 1063, m.w.N.), gilt dies weiterhin, da diese Vorschriften lediglich nach § 20 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UmwStG 2006 verschoben worden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die eingehenden Ausführungen des vorstehend zitierten Urteils. Ergibt sich nach diesen zutreffenden Maßgaben kein Mindestansatz für das eingebrachte Betriebsvermögen, der ggf. durch einen Zwischenwertansatz herbeigeführt werden muss, besteht auch im vorliegenden Fall kein Anlass, den vom Kläger und der Beigeladenen vorgesehenen und durchgeführten Buchwertansatz zu verweigern. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich trotz des unveränderten Wortlauts der lediglich anders platzierten Regelungen in § 20 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UmwStG 2006 die Wertungen in § 20 UmwStG 2006 gegenüber dem UmwStG 2002 insoweit entscheidend verändert hätten. So ging der BFH zu den Vorgängerregelungen des § 20 Abs. 7 Sätze 2 und 3 UmwStG 2002 davon aus, dass sie ihrem Gesetzeszweck nach besondere Einkommensermittlungsvorschriften dar, durch die vermieden werden solle, dass durch die grundsätzliche Anwendung körperschaftsteuerlicher Vorschriften Vorgänge als verdeckte Gewinnausschüttungen besteuert werden, die nach dem Recht der Personengesellschaft Entnahmen gewesen wären (vgl. BFH-Urteile vom 23.4.1986 I R 178/82, BFHE 147, 125, BStBl II 1986, 880; vom 29.4.1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797, jeweils zu § 17 Abs. 7 Satz 4 UmwStG 1969 [BB 1987, 2065]). Die Normen zielten hingegen nicht darauf, einen geänderten Entnahmezeitpunkt zu fingieren (BFH-Urteil in BFHE 261, 251, m.w.N.).

Deckelung der sonstigen Gegenleistung in § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 UmwStG dient nicht der Vermeidung negativer Anschaffungskosten

b) Nicht zu überzeugen vermag den erkennenden Senat die Auffassung des FA, durch die weitergehende Einschränkung der Buchwertfortführung bei Einbringungsfällen mit sonstigen Gegenleistungen durch Einfügung des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG 2006 i.R. des StÄndG 2015 werde die Absicht des Gesetzgebers, negative Anschaffungskosten zu vermeiden, erneut deutlich; daher müsse auch im Streitfall eine Buchwerteinbringung ausscheiden. Im Gegenteil geht aus der Begründung zum Entwurf des StÄndG 2015 allein hervor, dass es dem Gesetzgeber darum ging, die Möglichkeit einer steuerneutralen Einbringung in den Fällen der Gewährung sonstiger Gegenleistungen (namentlich Zuzahlungen) einzuschränken (BR-Drucks. 121/15, 55; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 20 Rz. 376). In diesem Bereich mag es auch darum gegangen sein, negative Anschaffungskosten bei den Anteilen zu vermeiden (hierzu Herlinghaus, a.a.O., Rz. 373, 378). Jedoch handelt es sich nur um die Verschärfung einer im Ansatz bereits im UmwStG 2002 für die Buchwertfortführung vorgesehenen Begrenzung von Zuzahlungen (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 5 UmwStG 2002, § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006; s.a. Patt, a.a.O., § 20 UmwStG Rz. 224 ff.). Außerdem wird durch § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG 2006 die alte Rechtslage bis zu der absoluten Grenze von 500.000 € beibehalten und dies weist darauf hin, dass für kleinere und mittlere Unternehmen keine Steuerverschärfung eintreten sollte (vgl. Patt, a.a.O.). Gerade Letzteres wäre aber die Folge, wenn die vorgenannte Gesetzesänderung zur Ablehnung negativer Anschaffungskosten nunmehr dafür herangezogen würde, im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006 negative Anschaffungskosten nicht anzuerkennen, sondern eine Wertaufstockung zu fordern.

Im Übrigen geht auch der BFH –wenngleich zu Fragen der Kapitalertragsteuer-- in seinem Urteil vom 12.4.2022 VIII R 35/19 (BFHE 277, 113, BStBl II 2023, 394) davon aus, dass die Erwägungen in der Entscheidung des I. Senats des BFH zum UmwStG 2002 im zeitlichen Anwendungsbereich des § 20 UmwStG 2006 i.d.F. des StÄndG 2015 unverändert Geltung beanspruchen. Denn der VIII. Senat des BFH verwies darin nicht nur auf die Entscheidung des I. Senats, sondern führte außerdem zu der nicht betrieblich veranlassten Auszahlung im Rückwirkungszeitraum einer im Jahr 2016 erfolgten Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH aus, dass die Entnahme gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006 die Anschaffungskosten der Anteile des dortigen Einbringenden an der aufnehmenden GmbH vermindere, ohne sich zum Ergebnis dieser Berechnung (positive oder negative Anschaffungskosten) näher zu äußern. Des Weiteren gehen die der vorgenannten BFH-Entscheidung zeitlich nachfolgenden Stellungnahmen im Schrifttum zur Rechtslage nach dem StÄndG 2015 davon aus, dass (weiterhin) negative Anschaffungskosten aufgrund von Entnahmen im Rückwirkungszeitraum möglich sind (vgl. Herlinghaus, a.a.O., Rz. 488; Hageböke, Finanz-Rundschau --FR-- 2019, 97, 105; 161; Menner in Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG § 20 Rz. 670; Hellmann/Krinninger, Deutsches Steuerrecht 2018, 2565; offen gelassen in Dürrschmidt in BeckOK UmwStG § 20 Rz. 1279, 2611; s.a. Mitschke, FR 2018, 1155, der die BFH-Entscheidung zum UmwStG 2002 zwar als problematisch ansieht, aber eher eine Änderung des UmwStG erwägt; a.A. Schmitt in Schmitt/Hörtnagel, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 249).

Berechnung der Körpeschaftsteuer

IV. Die Berechnung der festgesetzten Körperschaftsteuer 2016 wird dem FA übertragen.

Kostenentscheidung

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, 3, § 139 Abs. 4 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Revisionszulassung

VI. Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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