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Arbeitsrecht
11.10.2019
Arbeitsrecht
LAG Düsseldorf: Zustimmungsersetzung bei unterlassener innerbetrieblicher Ausschreibung

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.4.201910 TaBV 46/18

ECLI:DE:LAGD:2019:0412.10TABV46.18.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2489-1

Leitsätze:

1. Die auf die Unterlassung einer gemäß § 93 BetrVG erforderlichen Ausschreibung gestützte Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG ist nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn nicht mit internen Bewerbern zu rechnen ist (wie Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 14. September 2012 - 5 TaBV 18/12 -, juris). 2. Auch die arbeitgeberseitige Argumentation, dass nur ein externer Bewerber die erforderliche Qualifikation in Gestalt von Objektivität, Neutralität, Distanz und vor allem Unabhängigkeit zu und von den betroffenen Arbeitnehmern gewährleiste, gibt keine Veranlassung, auf eine interne Ausschreibung von vornherein zu verzichten.

§ 99, § 93 BetrVG

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers, der dauerhaft als OP-Manager tätig werden soll, sowie um die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.

Die Antragstellerin (im folgenden: Arbeitgeberin) betreibt ein Lungenzentrum am Universitätsklinikum F.. Sie ist eine 100-prozentige Tochter des Universitätsklinikums F.. Der Beteiligte zu 2. ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin ist konzernrechtlich verbunden mit dem Universitätsklinikum F. und verfügt über vier Operationssäle. Am 15.02.2018 schloss sie mit dem Universitätsklinikum F. einen Vertrag über die dauerhafte konzerninterne Überlassung des am Universitätsklinikum langjährig tätigen OP-Managers Herrn G. nach Bedarf für maximal durchschnittlich acht Stunden pro Woche. Wegen der vollständigen Fassung des Vertrags wird auf die mit der Antragsschrift als Anlage AST2 vorgelegte Kopie Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin hatte diese Stelle nicht intern ausgeschrieben, obgleich der Betriebsrat nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Beteiligten zu einem früheren Zeitpunkt die interne Ausschreibung sämtlicher zu besetzenden Stellen nach § 93 BetrVG verlangt hatte.

Mit Schreiben vom 19.02.2018, dem Betriebsrat am Folgetag zugegangen, unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die geplante Einstellung nach § 99 BetrVG und beantragte dessen Zustimmung. Ausweislich des Unterrichtungsschreibens, wegen dessen vollständiger Fassung auf die mit der Antragsschrift als Anlage AST1 vorgelegte Kopie verwiesen wird, erhoffe sie sich eine strategische Optimierung des OP-Managements. Ihre vier OP-Säle seien regelmäßig nicht voll bzw. nicht optimal ausgelastet, da von der ursprünglichen Belegungsplanung vielfach kurzfristig und ohne Not abgewichen werde. Der externe OP-Manager werde unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt und gegenüber sämtlichen ihrer Arbeitnehmer, mit denen eine Zusammenarbeit im Rahmen der OP-Planung erforderlich sei, mit der erforderlichen Kompetenz ausgestattet. Speziell der Einsatz eines externen OP-Managers solle zu einer signifikanten Reduzierung der bisher vielfachen Änderungen an den OP-Plänen führen. Der in Aussicht genommene OP-Manager verfüge über langjährige Erfahrung und erziele im Universitätsklinikum sowie dem weiteren Krankenhaus, in dem er tätig sei, gute Erfolge. Da er nicht unmittelbar in einem Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin stehe, könne er eine objektive und freie Entscheidung über die OP-Planung vornehmen. Dadurch sei zu erwarten, dass die OP-Planung von den betroffenen Arbeitnehmern einschließlich der leitenden Ärzte nicht leicht infrage gestellt werde. Als Externer sei er der internen Hierarchie entzogen und unterliege damit keinen internen Zwängen. Der betroffene Arbeitnehmer sei mit der Tätigkeit bei ihr einverstanden.

Mit Schreiben vom 22.02.2018, der Arbeitgeberin am selben Tag zugegangen, verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur geplanten Einstellung. Er berief sich auf insgesamt sieben Punkte, von denen schon im erstinstanzlichen Verfahren zuletzt nur noch die ausgebliebene interne Ausschreibung strittig blieb.

Unter dem 26.02.2018 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die vorläufige Einstellung, wobei sie auf die bisherige mangelhafte OP-Auslastung und die drohenden Nachteile auf Seiten der Arbeitnehmer verwies; der Betriebsrat bestritt die dringende Erforderlichkeit mit Schreiben vom 28.02.2018 und berief sich auf die im Zustimmungsverweigerungsschreiben angeführten Gründe.

Mit Antragsschrift vom 02.03.2018, die am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, hat die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Einwand der fehlenden internen Ausschreibung sei unzulässig. Kern der geplanten Besetzung sei gerade, dass Aufgabenteile des OP-Managements von einem Externen wahrgenommen würden, um die bisherigen Schwierigkeiten auszuschließen. Es gehe ihr gerade darum, dass durch einen Externen die erforderliche Objektivität, Neutralität, Distanz und vor allem Unabhängigkeit zu und von den betroffenen Arbeitnehmern einschließlich der leitenden Ärzte gewährleistet werde. Dadurch stehe fest, dass definitiv keiner ihrer bisherigen Arbeitnehmer in Betracht gekommen sei. Es handle sich um einen objektiven, nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund. Die Beschäftigung eines Internen sei damit von vornherein ausgeschieden. Die interne Ausschreibung hätte daher eine sinnfreie Förmelei dargestellt. In Literatur und Rechtsprechung sei anerkannt, dass eine Stellenausschreibung unterbleiben könne, wenn sicher feststehe, dass geeignete interne Arbeitnehmer nicht vorhanden seien.

Die vorläufige Einstellung sei auch aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen. Es habe einer schnellstmöglichen Veränderung der OP-Planung bedurft, um die den Arbeitnehmern und Patienten drohenden Nachteile abzuwenden. Insbesondere sei es ihr um eine deutliche Entlastung ihrer Arbeitnehmer gegangen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1.die Zustimmung zur Einstellung des OP-Managers Herrn E. G. zu ersetzen,

2.festzustellen, dass die mit Wirkung zum 26.02.2018 erfolgte vorläufige Einstellung von Herrn E. G. als OP-Manager aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Zustimmung zur Einstellung des Herrn G. unter Berufung auf die unterbliebene interne Ausschreibung zu Recht nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG i.V.m. § 93 BetrVG verweigert zu haben. Sinn und Zweck des § 93 BetrVG sei es, innerbetrieblichen Bewerbern Kenntnis von einer freien Stelle zu vermitteln. Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn Gewissheit bestehe, dass sämtliche Stellen ausgeschrieben würden. Durch die Ausschreibung soll der Arbeitgeber gerade vor einer Fehleinschätzung darüber bewahrt werden, ob ein bereits im Betrieb tätiger Arbeitnehmer für eine konkrete Stelle zur Verfügung stehe. Im Betrieb sei ein OP-Koordinator tätig, der ohne weiteres die Aufgaben des OP-Managers übernehmen könne. Es sei keinesfalls erkennbar, dass dieser kein Interesse an der Position habe.

Die Argumentation der Arbeitgeberin führe dazu, dass eine Ausschreibung stets entbehrlich sei, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz mit einem externen Bewerber besetzen wolle.

Mit Beschluss vom 04.07.2018, auf dessen Gründe wegen der im Einzelnen zugrundeliegenden Erwägungen verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht den Anträgen stattgegeben.

Der Betriebsrat habe seine Zustimmung zur Einstellung des Herrn G. als OP-Manager nicht unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigern dürfen. Zwar sei auf das Verlangen des Betriebsrats nach § 93 BetrVG grundsätzlich jede zu besetzende Stelle im Betrieb vom Arbeitgeber auszuschreiben. Wenn der Arbeitgeber jedoch - wie hier - aus nachvollziehbar dargelegten sachlichen Gründen, die mit der zu besetzenden Stelle und dem dafür notwendigen gewünschten Anforderungsprofil in engem Zusammenhang stünden, allein eine externe Person einstellen wolle, komme die Eigenschaft "extern" einer formellen Qualifikation so nah, dass eine parallele Wertung zu dem in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Ausnahmefall gerechtfertigt sei, wonach eine Ausschreibung unterbleiben könne, wenn von vornherein feststehe, dass kein im Betrieb tätiger Arbeitnehmer für die zu besetzende Stelle in Betracht komme.

Da angesichts der von der Arbeitgeberin geschilderten unbefriedigenden Zustände in der OP-Planung einiges dafür gesprochen habe, dass die strittige Maßnahme vorläufig habe umgesetzt werden müssen, sei auch der Feststellungsantrag zu 2. begründet.

Mit seiner form- und fristgemäß eingelegten Beschwerde wendet sich der Betriebsrat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts, dessen rechtliche Wertungen er aus näher dargelegten Gründen, wegen deren teils wiederholenden, teils vertiefenden Details auf die Beschwerdebegründung verwiesen wird, für fehlerhaft hält.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 04.07.2018 - 4 BV 23/18 - abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit ihrer Beschwerdebeantwortung, auf die wegen der teils wiederholenden, teils vertiefenden Details des zweitinstanzlichen Vorbringens verwiesen wird, verteidigt der Arbeitgeberin die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Beteiligten ergänzend Bezug genommen auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Anhörungstermine aus beiden Instanzen.

Aus den Gründen

II.

Die Beschwerde ist zulässig, denn sie ist an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 520 ZPO).

In der Sache war sie teilweise von Erfolg. Der Beschluss des Arbeitsgerichts war insoweit abzuändern, als das Arbeitsgericht die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des OP-Managers Herrn G. ersetzt hat. Unbegründet und aus diesem Grunde zurückzuweisen war die Beschwerde hingegen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass die Maßnahme dringend erforderlich war.

1. Die vom Betriebsrat verweigerte und nach den zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts nicht schon nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt geltende Zustimmung zur Einstellung des OP-Managers Herrn G. war nicht gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung mit Recht unter Berufung auf die nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Beteiligten nach § 93 BetrVG erforderliche aber ebenso unstreitig nicht durchgeführte Ausschreibung der Stelle des OP-Managers verweigert. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war eine solche Ausschreibung nicht ausnahmsweise entbehrlich. Der Widerspruch war auch nicht rechtsmissbräuchlich.

a) Wie das Landesarbeitsgericht Köln in seiner Entscheidung vom 14.09.2012 dargestellt hat (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 14. September 2012 - 5 TaBV 18/12 -, Rn. 57, juris), wird in der Literatur die Meinung vertreten, ein Widerspruch sei rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig, wenn von vornherein feststehe, dass kein Arbeitnehmer des Betriebs für die ausgeschriebene Stelle in Betracht komme (ErfK/Kania § 99 BetrVG Rn. 35; GK-Raab § 99 BetrVG Rn. 167 und § 93 Rn. 47; Richardi/Thüsing § 99 BetrVG Rn. 238 und § 93 Rn. 32). Nach der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Gegenauffassung ist der Widerspruch des Betriebsrats hingegen regelmäßig selbst dann nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn nicht mit internen Bewerbern zu rechnen ist (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2010 - 26 TaBV 1954/09 - juris; LAG Frankfurt 2. November 1999 - 4 TaBV 31/99 - AP § 93 BetrVG 1972 Nr. 7; Fitting § 99 BetrVG 248; Wlotzke/Preis/Preis § 99 BetrVG Rn. 55 und im Ergebnis auf LAG Köln a.a.O).

b) Das Beschwerdegericht schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Wie das Landesarbeitsgericht Köln zutreffend festhält, trägt zum einen die generelle Überlegung, dass die Ausschreibung gerade dazu dienen soll, herauszufinden, ob - und ggf. welche - anderen Arbeitnehmer sich bewerben werden, während zum anderen die Ausschreibung der Stelle dem Arbeitgeber regelmäßig keinen großen Aufwand abverlangt (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 14. September 2012 - 5 TaBV 18/12 -, Rn. 58 f, juris).

c) Der gegebene Fall gibt auch und gerade unter Berücksichtigung der arbeitgeberseitigen Argumentation, dass nur ein externer Bewerber die erforderliche Qualifikation in Gestalt von Objektivität, Neutralität, Distanz und vor allem Unabhängigkeit zu und von den betroffenen Arbeitnehmern einschließlich der leitenden Ärzte gewährleiste, keine Veranlassung, auf eine interne Ausschreibung von vornherein zu verzichten.

Die Vorschrift des § 93 BetrVG soll es dem Betriebsrat im Interesse der von ihm vertretenen Belegschaft ermöglichen, durch die Bekanntmachung der freien Beschäftigungsmöglichkeiten den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sollen die Gelegenheit erhalten, sich auf die zu besetzenden Arbeitsplätze zu bewerben. Daneben soll das Stellenbesetzungsverfahren für die verfügbaren Arbeitsplätze durch die innerbetriebliche Stellenausschreibung transparent ausgestaltet werden (BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 -, Rn. 22, juris). Die Ausschreibung soll der Arbeitgeberin mithin einen konkreten Eindruck davon vermitteln, welche Mitarbeiter sich für die zu besetzende Stelle konkret interessieren und geeignet halten. Dieser Zweck würde unzulässig verkürzt, wenn es die Arbeitgeberin in der Hand hätte, den Blick auf den internen Arbeitsmarkt und die dort konkret zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer mit dem Argument zu verweigern, dass sie von vornherein nur einen externen Bewerber für geeignet halte. Eine verlässliche Antwort auf die Frage, ob es erforderlich ist, einen externen Bewerber einzustellen, lässt sich auch in der gegebenen Situation erst in Ansehung und ggf. negativer Beurteilung der konkret in Betracht kommenden internen Bewerber geben. Andernfalls bestünde in der Tat das nicht auszuschließende Risiko einer Fehleinschätzung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2010 - 26 TaBV 1954/09 - juris). In diesem Zusammenhang das Merkmal "intern" als "sachlichen Grund" zu qualifizieren, stellt einen das Stellenbesetzungsverfahren verkürzenden Zirkelschluss dar, bei dem alle internen Bewerber ohne genauere Auseinandersetzung mit ihrer konkreten Eignung schon vorab pauschal als ungeeignet disqualifiziert wurden.

2. Der auf die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der Maßnahme gerichtete Antrag zu 2. ist demgegenüber begründet.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, sprach angesichts der von der Arbeitgeberin geschilderten unbefriedigenden Zustände in der OP-Planung, einiges dafür, dass die strittige Maßnahme vorläufig umgesetzt werden musste. Gründe, die diese Wertung in einem anderen Licht erscheinen ließen, sind von Betriebsratsseite mit der Beschwerdebegründung nicht vorgebracht worden.

III.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2 , 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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