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Arbeitsrecht
16.01.2008
Arbeitsrecht
: Zuständigkeit bei Lohnsteuereinbehalt

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4.1.2008 - 6 Ta 2548/07

Leitsätze:

1. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 127 Abs. 2 Satz 2 Ts. 2 ZPO kommt es für die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde auf den Wert der gesamten Hauptsache an, selbst wenn nur teilweise Prozesskostenhilfe beantragt oder diese nur teilweise bewilligt worden ist.

2. Begehrt ein Arbeitnehmer von seinem früheren Arbeitgeber Zahlung restlicher Nettovergütung, liegt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis vor, für die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig sind, auch wenn Quelle des Streits die Frage ist, ob der Arbeitgeber die Lohnsteuer in korrekter Höhe einbehalten hat.

§§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a , 11a Abs. 3 ArbGG; §§ 114 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 Ts. 2, 148 ZPO

aus den gründen:

1.  Die Zulässigkeit der fristgemäß und formgerecht beim ArbG Berlin eingelegten sofortigen Beschwerde der Klägerin scheitert nicht daran, dass es ihr damit um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Forderung in Höhe von lediglich 148,27 € netto geht. § 127 Abs. 2 Satz 2 Ts. 2 ZPO, der gemäß § 11a Abs. 3 ArbGG entsprechende Anwendung findet, schließt zwar die sofortige Beschwerde aus, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag von 600 € nicht übersteigt, der sich mit der in § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG genannten Erwachsenheitssumme deckt. Nach seinem eindeutigen Wortlaut kommt es jedoch auf den Wert der gesamten Hauptsache an, selbst wenn nur teilweise Prozesskostenhilfe beantragt oder diese nur teilweise bewilligt worden ist (Musielak/Fischer, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 127 R 19). Vorliegend beläuft sich dieser Wert wegen der weiteren Forderung nach Zahlung von 503,50 € brutto auf mehr als 600 €.

2.  Die sofortige Beschwerde ist begründet, weil auch für die erhobene Netto­forderung der Klägerin die nach § 114 Satz 1 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht besteht.

2.1  Indem die Klägerin Zahlung restlicher Nettovergütung begehrt, liegt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus einem früheren Arbeitsverhältnis vor, für die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig sind.

Soweit es für die Entscheidung darauf ankommt, ob die Beklagte Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag von der zugrunde liegenden Bruttoforderung in richtiger Höhe abgezogen hat, ist der Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen und eine Entscheidung des dafür allein zuständigen Finanzamts einzuholen (Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 12. Aufl. 2007, § 71 R 99). Diese Entscheidung kann in einer bloßen Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG bestehen, die vom Arbeitgeber selbst dann zur Grundlage seines Lohnsteuereinbehalts gemacht werden darf, wenn sie sich später bei der Veranlagung des Arbeitnehmers zur Einkommen­steuer als unrichtig herausstellen sollte (dazu BAG, Urteil vom 11.10.1989 - 5 AZR 585/88 - NZA 1990, 309 zu II der Gründe).

2.2  Für einen Anspruch der Klägerin auf restliche Nettovergütung spricht, dass zwar gemäß § 39b Abs. 2 Satz 10 EStG bei monatlicher Lohnzahlung die monatliche Lohnsteuer 1/12 der Jahreslohnsteuer beträgt, für deren Ermittlung der Arbeitslohn eines monatlichen Lohnzahlungszeitraums gemäß Satz 5 dieser Bestimmung mit 12 zu vervielfältigen ist. Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Arbeitslohn wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhält­nisses in diesem Abrechnungszeitraum entsprechend geringer ausgefallen ist.

Soweit nach einer Bescheinigung des Steuerberaters der Beklagten vom 06. Juni 2007 (Bl. 15 d.A.) für die Lohnabrechnung der Klägerin eine Tagestabelle verwendet worden sein soll, kann es sich dabei um keine amtliche Tabelle gehan­delt haben, weil solche Tabellen seit Außerkrafttreten des § 38c EStG am 31.12.2000 nicht mehr herausgegeben werden. Die Ermächtigung des Bundes­ministeriums für Finanzen zur Aufstellung eines Programmablaufplans für die Herstellung von Lohnsteuertabellen zur manuellen Berechnung der Lohnsteuer nach § 51 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1a EStG sieht in Satz 4 vor, dass die Monats-, Wochen- und Tagestabellen aus den Jahrestabellen abzuleiten sind, weshalb es nicht nachvollziehbar erscheint, wie sich aus einer derartigen Tagestabelle eine höhere Lohnsteuer ergeben haben kann. Dementsprechend soll nach der von der Klägerin in der Klageschrift angeführten Auskunft ihres Finanzamts die Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag auf ihren Vergütungsanspruch für die Zeit vom 01. bis 15. April 2007 nur in einer der Klageforderung entsprechenden geringeren Höhe angefallen sein.

3.  Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 72 Abs. 2, 78 Satz 2 ArbGG sind nicht erfüllt. Die Rechtsbeschwerde kann im Ver­fahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur wegen solcher Fragen zugelassen werden, die das Verfahren oder die persönlichen Voraussetzungen betreffen (BGH, Beschluss vom 21. 11. 2002 - V ZB 40/02 - NJW 2003, 1126 zu II 1 der Gründe).

4.  Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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