LAG Köln: Zur ordnungsgemäßen Ausstellung eines qualifizierten Endzeugnisses
LAG Köln, 27.3.2020 – 7 Ta 200/19
ECLI:DE:LAGK:2020:0327.7TA200.19.00
Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2020-1790-1
Leitsätze
Das Zeugnisdatum, mit dem ein qualifiziertes Arbeitsendzeugnis versehen wird, hat regelmäßig den Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bezeichnen, nicht dagegen den Tag, an dem das Zeugnis tatsächlich physisch ausgestellt worden ist.
§ 109 GewO
Sachverhalt
I. Die Parteien stritten in dem Kündigungsschutzverfahren Arbeitsgericht Siegburg, 1 Ca 449/19 u. a. um eine außerordentliche, fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.01.2019. Am 14.01.2019 erklärte die Beklagte, dass sie an der außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 03.01.2019 nicht festhalte, so dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 03.01.2019 zum 15.02.2019 enden werde.
Mit Klageerweiterung vom 21.03.2019 machte die Klägerin u. a. hilfsweise für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses geltend.
Im Gütetermin vom 26.03.2019 schlossen die Parteien einen Vergleich, welcher mit Ablauf der Widerrufsfrist am 09.04.2019 rechtskräftig wurde. In Ziffer 4 des Vergleichs verpflichtete sich die Beklagte, „der Klägerin ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, die Klägerin in ihrem beruflichen Fortkommen unterstützt, eine gute Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel enthält. Die Klägerin ist berechtigt, bei der Beklagten einen Zeugnisentwurf einzureichen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen darf.“
Die Klägerin ließ der Beklagten daraufhin unter dem 22.05.2019 einen Zeugnisentwurf zukommen (Bl. 74 d. A.). Die Beklagte erteilte der Klägerin in der Folgezeit mehrere Zeugnisversionen, die jedoch jeweils Abweichungen von dem Formulierungsvorschlag der Klägerin aufwiesen. Die Klägerin stellte mit Schriftsatz vom 04.07.2019 einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld/Zwangshaft gemäß § 888 ZPO (Bl. 64 ff. d. A.). Einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag über die Formulierung eines Zeugnisses lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerin hat im Rahmen des Zwangsgeldverfahrens an dem von der Beklagten zuletzt erteilten Zeugnis beanstandet, dass dieses nicht auf dem von der Beklagten üblicherweise verwendeten Geschäftspapier geschrieben wurde, dass das Zeugnis das Datum „05.09.2019“ trägt und nicht das Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, „31.12.2018“ und schließlich, dass die Beklagte in ihrem Zeugnis formuliert hat: „Das Arbeitsverhältnis endet im gegenseitigen Einvernehmen zum 31.12.2018“, und nicht, wie in dem Entwurf der Klägerin steht, „das Arbeitsverhältnis endet auf Wunsch von Frau F zum 31.12.2018“.
Mit Beschluss vom 28.10.2019 hat das Arbeitsgericht Siegburg gegen die Beklagte zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 26.03.2019 zur Erteilung eines Zeugnisses ein Zwangsgeld in Höhe von 600,- € verhängt. Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, die Klägerin habe einen Anspruch darauf, dass das Zeugnis auf dem üblichen Geschäftspapier der Beklagten geschrieben wird und das als Zeugnisdatum der 31.12.2018 aufgeführt wird. Auf die Begründung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 28.10.2019 (Bl. 138/138 R/139 d. A.) wird Bezug genommen.
Die Beklagte und Zwangsvollstreckungsschuldnerin hat gegen den ihr am 02.11.2019 zugestellten Beschluss am Montag, dem 18.11.2019 fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie beschränkt ihre sofortige Beschwerde auf den Gesichtspunkt, dass sie aufgrund des Zwangsgeldbeschlusses verpflichtet sein soll, ein Zeugnis zu erteilen, das als Zeugnisdatum den „31.12.2018“ aufführt. Die Beklagte und Vollstreckungsschuldnerin meint, sich insoweit auf einen wichtigen Grund im Sinne von Ziffer 4 des Vergleichs vom 26.03.2019 berufen zu können, der sie dazu berechtige und sogar verpflichte, von dem Zeugnisentwurf der Klägerin abzuweichen. Der wichtige Grund bestehe in dem Grundsatz der Zeugniswahrheit. Dieser Grundsatz gebiete, dasjenige Datum anzugeben, an welchem sie tatsächlich das Zeugnis – unbeschadet später vorgenommener einzelner Berichtigungen – erstmals ausgestellt habe, zumal die Klägerin ihren Zeugnisanspruch auch nicht „zeitnah“ nachdem in Rede stehenden Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht habe.
Auf den vollständigen Inhalt der Beschwerdebegründungsschrift vom 16.11.2019 und des weiteren Schriftsatzes der Beklagten und Zwangsvollstreckungsschuldnerin vom 21.01.2020 wird Bezug genommen.
Die Beklagte und Vollstreckungsschuldnerin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 28.10.2019 insoweit aufzuheben, als die Schuldnerin zur Zeugniserteilung mit dem Ausstellungsdatum des 31.12.2018 verpflichtet wird.
Die Klägerin und Vollstreckungsgläubigerin tritt der sofortigen Beschwerde und den Ausführungen der Beklagten zu deren Begründung entgegen. Auf die Stellungnahme der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 10.10.2020 wird ebenfalls im Einzelnen Bezug genommen.
Aus den Gründen
Als Zeuhnisdatum ist dasjenige Datum der Beendigung des Arbeitverhältnisses zu nutzen, um der Annahme eventueller Streitigekeiten über die Ausstellung des Zeugnisses entgegenzuwirken
II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten und Vollstreckungsschuldnerin gegen den Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 28.10.2019 ist in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte in seinem Zwangsgeldbeschluss zu Recht dazu angehalten, dass der Klägerin zu erteilende Zeugnis mit dem Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also des 31.12.2018 zu versehen.
Die Beklagte hat sich in dem Vergleich vom 26.03.2019 dazu verpflichtet, der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen und dabei einen von der Klägerin erstellten Entwurf zu übernehmen, falls kein „wichtiger Grund“ vorhanden ist, der sie berechtigt, von dem Entwurf der Klägerin abzuweichen. Ein solcher „wichtiger Grund“ dafür, ein anderes Datum in das Zeugnis aufzunehmen als dasjenige, welches die Klägerin in ihrem Zeugnisentwurf verwendet hat, nämlich das Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, existiert nicht, wie das Arbeitsgericht Siegburg zutreffend erkannt hat. Zwar kann ein „wichtiger Grund“ für die Abweichung von einem arbeitnehmerseitig formulierten Zeugnisentwurf sehr wohl darin liegen, dass der Arbeitgeber gegen das Gebot der Zeugniswahrheit verstoßen müsste, wenn er dem Entwurf folgt. So liegt der Fall vorliegend aber nicht.
Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Im Arbeitsleben hat sich die weit verbreitete und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG auch gebilligte Gepflogenheit herausgebildet, in ein Arbeitszeugnis als Zeugnisdatum das Datum der rechtlichen Beendigung aufzunehmen. Diese Gepflogenheit schafft zum einen Rechtssicherheit. Zum anderen beugt sie der Gefahr von Spekulationen vor, ob zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein Streit über Erteilung und Inhalt des Zeugnisses ausgetragen worden ist, die entstehen können, wenn zwischen der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Erstellung eines Zeugnisses ein längerer Zeitraum verstrichen ist
Zur Überzeugung des Beschwerdegerichts spricht aber auch noch ein innerer sachlicher Grund dafür, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit dem Datum zu versehen, an dem das Rechtsverhältnis rechtlich beendet wurde und die gegenseitigen Rechte und Pflichten erloschen sind. Von diesem Beurteilungszeitpunkt aus sind nämlich in der Rückschau auf das Arbeitsverhältnis die Bewertungen über Führung und Leistung des Arbeitnehmers vorzunehmen, die das Charakteristikum eines qualifizierten Arbeitszeugnisses darstellen. Es verhält sich damit ähnlich wie etwa mit dem Grundsatz, dass Beurteilungszeitpunkt für die rechtliche Wirksamkeit von Gründen, die eine streitige Kündigung rechtfertigen sollen, stets der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ist und nicht irgendwelche spätere Zeitpunkte.
Bezeichnet das in ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aufzunehmende Datum somit im realen Arbeitsleben nicht zwingend das vordergründige Datum, in welchem das Zeugnis physisch erstellt wurde, und spricht darüber hinaus sogar viel dafür, das Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch deshalb als Zeugnisdatum vorzusehen, weil es den Zeitpunkt bezeichnet, von dem aus der Zeugnisinhalt beurteilt worden ist, so kann die der Beklagten angesonnene Verpflichtung, insoweit den Entwurf der Klägerin übernehmen und als Zeugnisdatum den 31.12.2018 anzugeben, auch nicht gegen die Zeugniswahrheitspflicht verstoßen.
Die Geltendmachung des Anspruches auf ein qualifiziertes Zeugnis erfolgte zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Nichts anderes gilt auch dann, wenn man der Auffassung des BAG folgt, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Angabe des Datums der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Zeugnisdatum hätte, wenn er seinen Zeugnisanspruch nicht zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend macht. Die Klägerin hat durch die Klageerweiterung vom 21.03.2019 ihren Zeugnisanspruch sehr wohl „zeitnah“ in diesem Sinne geltend gemacht. Zwischen dem in dem laufenden Kündigungsschutzprozess von der Beklagten angestrebten Beendigungsdatum 15.02.2019 bis zum 21.03.2019 sind nur knapp 5 Wochen vergangen. Dies kann gerade auch unter Berücksichtigung des damals noch laufenden Kündigungsschutzprozesses ohne weiteres als „zeitnah“ angesehen werden.
Neben der Sache liegt die Ansicht der Beklagten, dass es sich bei der Geltendmachung vom 21.03.2019 gar nicht um eine „gütige“ Geltendmachung gehandelt habe, da sie nur in einem Hilfsantrag und somit bedingt in den Prozess eingeführt worden sei. Der Arbeitnehmer, der im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses in seinem Hauptantrag den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anstrebt, widerspricht sich selbst, wenn er in einem weiteren Hauptantrag den Anspruch auf ein Endzeugnis geltend macht, der aber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Im fortbestehenden Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis. Die Beklagte hingegen als Klagegegner, die von der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht, verhielte sich ihrerseits widersprüchlich, wenn sie nicht die Bedingung, unter der die Zeugnisgeltendmachung in einem Hilfsantrag gestellt ist, als eingetreten behandelt würde.
Die Höhe des vom Arbeitsgericht angesetzten Zwangsgeldes ist ebenfalls in keiner Weise zu beanstanden. Sie liegt im unteren Bereich der in § 888 Abs. 1 S. 2 vorgesehenen Bandbreite. Zudem zeigt das Prozessverhalten der Beklagten, dass es eines nachhaltigen Anreizes bedarf, um sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtung auf Erteilung eines Zeugnisses im Sinne von Ziffer 4 des Vergleichs vom 26.03.2019 anzuhalten.
Abschließend sieht das Beschwerdegericht Anlass zu der Klarstellung, dass die in dem zuletzt von der Beklagten erteilten Zeugnis enthaltene Formulierung „das Arbeitsverhältnis endet im gegenseitigen Einvernehmen zum 31.12.2018“ nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und auch nicht Gegenstand des von der Beklagten (!) angegriffenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Siegburg vom 28.10.2019 ist. Das Arbeitsgericht hat seinen Zwangsgeldbeschluss ausschließlich damit begründet, dass die Beklagte das Zeugnis nicht auf ihrem üblichen Geschäftspapier ausgefertigt hat und dass sie zu Unrecht ein von dem Zeugnisentwurf der Klägerin abweichendes Zeugnisdatum in das Zeugnis aufgenommen hat. Dagegen hat das Arbeitsgericht das Zwangsgeld nicht angesetzt, um die Beklagte dazu anzuhalten, eine andere Formulierung als die soeben zitierte über die Beendigungsmodalitäten des Arbeitsverhältnisses in das Zeugnis aufzunehmen. Die Klägerin ihrerseits hat hiergegen keine Beschwerde eingelegt.
Die Klägerin hat der Sache nach, wie das Arbeitsgericht Siegburg augenscheinlich zutreffend erkannt hat, auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte in dem Zeugnis ausführt, dass das Arbeitsverhältnis „auf Wunsch von Frau F “ geendet hätte. Vielmehr haben die Parteien in Ziffer 1 des Vergleichs vom 26.03.2019 ausdrücklich festgelegt, dass das Arbeitsverhältnis „im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 31.12.2018 sein Ende gefunden hat.“
Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat die Beklagte und Vollstreckungsschuldnerin zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.