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Arbeitsrecht
21.01.2008
Arbeitsrecht
: Zumutbarer Anfahrtsweg zur Arbeit

ArbG Frankfurt, Urteil vom 19.11.2007 - 1 Ca 5428/07

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit betriebsbedingter Änderungskündigungen.

Die 41-jährige Klägerin, die verheiratet und für einen sechsjährigen Sohn unterhaltspflichtig ist, trat zum 1. Juli 1993 auf der Grundlage des hiermit in Bezug genommenen Anstellungsvertrages vom 9. März 1993 (Bl. 19 - 21 d. A.) als „Kreditsachbearbeiter für den Bereich Kredite/Wohnungsbau - Kred/W" in die Dienste der Beklagten. Zuletzt bezog sie ein monatliches Gehalt von 4.815,00 € brutto.  

Die Beklagte hatte bis zum Jahr 2002 ihren Sitz und ihren Betrieb in Wiesbaden. Im Jahr 2002 wurde ihr Geschäftsbereich Immobilien auf die X- Bank übertragen und der verbliebene Bereich S, zu dem auch die Klägerin gehört, nach Frankfurt am Main verlegt. Die Klägerin, die sich bis zum 4. Mai 2004 in Elternzeit befand, wurde seit dem 1. April 2003 - zunächst in Teilzeit - mit weiteren 5 Arbeitnehmern in Wiesbaden weiterbeschäftigt, um die Ausgliederung des Immobiliengeschäftes auf die Areal Bank mit Sitz in Wiesbaden zu betreuen. Seit Januar 2007 arbeitete sie mit dieser Aufgabenstellung nur noch mit dem Arbeitnehmer Y in Wiesbaden. 

Unter dem 9. September 2005 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat jeweils einen Interessenausgleich und einen Sozialplan „Restrukturierung". Auf beide Dokumente wird Bezug genommen (Bl. 32 - 44 d. A.). In § 2 Abs. 1 des Interessenausgleichs heißt es:

Entsprechend der strategischen Neuausrichtung werden die geschäftlichen Aktivitäten des aus 97 Mitarbeitern bestehenden Betriebes reduziert und Funktionen ausgegliedert. Außerdem ist eine räumliche Verlagerung in den Vordertaunus, voraussichtlich nach Eschborn, Hattersheim oder Kronberg geplant.

Nachdem es den Parteien nicht gelang, Einvernehmen über einen Wechsel der in Saulheim wohnenden Klägerin von Wiesbaden nach Eschborn zu erzielen, und nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 9. Mai 2007, auf das Bezug genommen wird (Bl. 130, 131 d. A.) sprach die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 2007 eine Änderungskündigung aus, die  auszugsweise wie folgt lautet:

... wie Sie wissen, befinden sich die Stabsbereiche und die Back Office Funktionen der D-AG seit August 2006 in Eschborn. Wie mit Ihnen besprochen, hat der Vorstand beschlossen, das Wiesbadener Büro zum 31. Mai 2007 zu schließen. Aufgrund dessen wird Ihr Arbeitsplatz in Wiesbaden zum 31. Mai 2007 wegfallen.

Aus diesem Grund erklären wir Ihnen folgende außerordentliche Änderungskündigung:

1. Wir bieten Ihnen an, Ihr Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juni 2007 bei der D-AG, in Eschborn zu ansonsten unveränderten Bedingungen fortzusetzen.

2. Für den Fall der Ablehnung unseres Angebotes, kündigen wir hiermit das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 2007.

Bitte teilen Sie uns spätestens bis zum 25. Mai 07 mit, ob Sie mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den oben genannten Bedingungen einverstanden sind ...

Die Klägerin nahm das Änderungsangebot am 25. Mai 2007 unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung an. Seit dem 21. Mai 2007 ist die Klägerin krank geschrieben.

Unter dem 26. Juni 2007 sprach die Beklagte der Klägerin eine weitere Änderungskündigung mit dem Angebot aus, das Arbeitsverhältnis bei ansonsten unveränderten Bedingungen „ab dem 1. Juli 2007, hilfsweise zum 1. Januar 2008, bei der D-AG, in Eschborn fortzusetzen. Auf das Kündigungsschreiben wird Bezug genommen (Bl. 83 d. A.). Zuvor hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 15. Juni 2007 an, auf das Bezug genommen wird (Bl. 132, 133 d. A.). Der Betriebsrat gab, wie auch im Falle der Änderungskündigung vom 18. Mai 2007, innerhalb einer Woche keine Stellungnahme ab.  

Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 1. Juli 2007 auch dieses Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung an.

Mit ihrer am 5. Juni 2007 zunächst beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß Änderungskündigung vom 18. Mai 2007 sei sozial ungerechtfertigt. Mit der am 13. Juli 2007 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung macht sie geltend, auch die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß Änderungskündigung vom 26. Juni 2007 sei sozial ungerechtfertigt. Insbesondere müsse sie es nicht hinnehmen, dass die Arbeitsbedingungen schon vor Ablauf der sozialen Auslauffrist geändert werden sollen. Die Klägerin behauptet, die Fahrtstrecke von ihrem Wohnort Saulheim nach Eschborn betrage 64 km. Sie benötige für die Anfahrt im Berufsverkehr für diese Strecke mehr als 90 Minuten. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei sie sogar 175 Minuten und mehr unterwegs. Sie bestreite, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Wegen der Einzelheiten ihrer Argumentation wird auf die Darstellung unter 9. bis 11. der Klageschrift (Bl. 15  - 18 d. A.) und in der Klageerweiterung (Bl. 81 d. A.) sowie auf die Ausführungen unter II.1.a ihres Schriftsatzes vom 27. September 2007 (Bl. 138 - 140 d. A.) und unter 2. u. 3. desselben Schriftsatzes (Bl. 142, 143 d. A.)  verwiesen.

Mit abermaliger Klageerweiterung vom 9. November 2007 begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Angebot der Weiterbeschäftigung in Eschborn nicht den in § 5 des Sozialplans vom 5. September 2005 bestimmten regionalen Zumutbarkeitskriterien entspreche. Darüber hinaus verlangt sie für den Fall des Obsiegens mit ihren Anträgen zu 1. - 3., dass ihr die Beklagte die betriebsbedingte Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung einer Auslauffrist von 6 Monaten und Zahlung einer Sozialplanabfindung von 83.639,41 € anbietet. Die Fahrzeit von Saulheim nach Eschborn betrage bei Berücksichtigung durchschnittlicher Stauzeiten auf der A 66 in den Kernzeiten des Berufsverkehrs mindestens 100 Minuten. Hinzuzurechnen seien weitere 10 Minuten, die sie benötige, um ihren Sohn in der Betreuungseinrichtung abzugeben. Tatsächlich könne sie aber aus gesundheitlichen Gründen den PKW gar nicht benutzen. Aufgrund eines Traumas nach einem Verkehrsunfall vom 1. Dezember 2004 sei sie nicht in der Lage, in den Hauptverkehrszeiten längere Wegstrecken, insbesondere auf der Autobahn zurückzulegen. Auf das von der Klägerin vorgelegte Attest vom 13. Oktober 2007 der Diplompsychologin Z wird Bezug genommen (Bl. 160 d. A.). Wegen der weiteren Einzelheiten ihrer Argumentation wird auf die Ausführungen unter 5. ihres Schriftsatzes vom 9. November 2007 (Bl. 153 - 156 d. A.). verwiesen.

Die Klägerin beantragt

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß Änderungskündigung vom 18. Mai 2007 sozialwidrig ist;

2. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der am 26. Juni 2007 zugegangenen Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Änderungstatbestände geändert wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 1. Juli 2007 hinaus fortbesteht;

3. festzustellen, dass das Angebot einer Weiterbeschäftigung am Standort Eschborn nicht den in § 5 des Sozialplans vom 9. September 2005 bestimmten regionalen Zumutbarkeitskriterien entspricht;

4. für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1.-3. die Beklagte zu verurteilen, ihr zum nächstmöglichen Termin ein Angebot auf betriebsbedingte Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung einer Auslauffrist von 6 Monaten zum Monatsende zu unterbreiten und im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund dieses Angebotes eine Sozialplanabfindung in Höhe von 83.639,41 € brutto an sie zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, ie Klage abzuweisen.

Sie hält die Änderung der Arbeitsbedingungen spätestens durch die Änderungskündigung vom 26. Juni 2007 für wirksam.

Unwidersprochen behauptet die Beklagte, aufgrund Vorstandsbeschlusses sei das Wiesbadener Büro zum 31. Mai 2007 geschlossen worden, weil die Betreuung der Ausgliederung des auf die X-Bank übergegangenen Geschäftsbereichs von Wiesbaden aus nicht mehr erforderlich sei. Der Mitarbeiter H arbeite seit Anfang Juni 2007 einvernehmlich in Eschborn.

Die Beklagte meint, die Aufnahme der Arbeit in Eschborn sei der Klägerin auch zumutbar. Der neue Arbeitsplatz, so behauptet sie, sei für die Klägerin bei einer Entfernung von Saulheim nach Eschborn von 53 km in 40 Fahrtminuten von ihrem Wohnort Saulheim erreichbar. Die Fahrtzeit sei nur ca. 13 Minuten länger als nach Wiesbaden. Der Klägerin habe es vorher am Standort Wiesbaden frei gestanden wie auch jetzt am Standort Eschborn ihre individuelle Arbeitszeit so zu legen, dass sie eine Fahrt während des Berufsverkehrs vermeidet. Ihre Berufung auf die Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei treuwidrig. Schließlich sei sie seit Beginn ihrer Teilzeittätigkeit am 1. März 2003 bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 21. Mai 2007 durchgehend mit dem Auto nach Wiesbaden gefahren. Wegen ihrer weiteren Argumentation zur Wirksamkeit der Änderungskündigungen wird auf die Ausführungen der Beklagten unter II. der Klageerwiderung vom 10. August 2007 (Bl. 91 - 95 d. A.) und im Schriftsatz vom 9. November 2007 (Bl. 161 - 172 d. A.) Bezug genommen.  

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den weiteren Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen:

1. Die Klage ist unzulässig soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 3.) die Feststellung begehrt, das Angebot einer Weiterbeschäftigung am Standort Eschborn entspreche nicht den in § 5 des Sozialplans vom 9. September 2005 bestimmten regionalen Zumutbarkeitskriterien. Für diesen Feststellungsantrag fehlt das Rechtsschutzinteresse nach § 256 ZPO, denn die unterschiedliche Einschätzung der Parteien, ob die Versetzung nach Eschborn den regionalen Zumutbarkeitskriterien des Sozialplans entspricht, ist im Rahmen der Änderungsschutzanträge der Klägerin zu prüfen.

Unzulässig ist die Klage darüber hinaus soweit die Klägerin in ihrem Antrag zu 2.) zusätzlich die Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch andere Änderungstatbestände geändert worden, sondern bestehe zu unveränderten Bedingungen über den 1. Juli 2007 hinaus fort. Für diesen Antrag fehlt das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Aus dem Parteivortrag ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass weitere Änderungstatbestände als die beiden Änderungskündigungen vom 18. Mai 2007 und vom 26. Juni 2007 im Streit sind.

Unschädlich ist hingegen, dass die Klägerin ihre Anträge darauf gerichtet hat, die mit den Änderungskündigungen erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozialwidrig bzw. sozial ungerechtfertigt. Die Formulierung „sozialwidrig" bzw. „sozial ungerechtfertigt", die auch in die Entscheidungsformel eingeflossen ist,  lässt sich aus der  Begründung der Anträge zwanglos dahin auslegen, dass die Klägerin das Ziel verfolgt, die Rechtsunwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen deshalb gerichtlich feststellen zu lassen, weil aus ihrer Sicht ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 BGB nicht vorliegt, der die Änderung der Arbeitsbedingungen rechtfertigen könnte.

2. Der Klageantrag zu 1., der sich auf die Änderungskündigung vom 18. Mai 2007 bezieht, ist begründet mit der Folge, dass die Änderungskündigung in entsprechender Anwendung von § 8 KSchG (vgl. APS / Künzl § 8 KSchG Rn. 19) als von Anfang an rechtsunwirksam gilt. Für die mit dieser Kündigung angebotene, von der Klägerin unter Vorbehalt angenommene Änderung der Arbeitsbedingungen gibt es keinen wichtigen Grund i. S. d. §626 BGB.

Die Unwirksamkeit der Änderungskündigung vom 18. Mai 2007 ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die angebotenen Änderung der Arbeitsbedingungen, nämlich die Verlagerung des Arbeitsortes von Wiesbaden nach Eschborn schon zum 1. Juni 2007 erfolgen soll, d. h. erhebliche Zeit vor Ablauf der sozialen Auslauffrist am 31. Dezember 2007. Die Kammer folgt hier der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der eine ordentliche Änderungskündigung, die auf eine vor Ablauf der Kündigungsfrist des betreffenden Arbeitnehmers wirksam werdende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zielt, nach § 1 Abs. 2, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist (Urteil des BAG vom 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 in EzA KSchG § 2 Nr. 61). Die Entscheidung des BAG bezieht sich zwar auf eine ordentliche Änderungskündigung, währen es in diesem Rechtsstreit um eine außerordentliche Änderungskündigung geht. Für die hier zu beurteilende Fallkonstellation trifft die Erwägung des BAG, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sein kann, auf einen Teil der ihm zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen einzuwilligen, gleichermaßen zu. Denn an sich ist die Klägerin - darüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit - im Wege der ordentlichen Kündigung gar nicht mehr kündbar. Die Möglichkeit, auf eine außerordentliche Änderungskündigung zurückzugreifen, besteht für die Beklagte nur deshalb, weil ihr der Weg, über eine ordentliche Änderungskündigung, die von ihr erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen herbeizuführen, verschlossen ist und es ihr andererseits nicht zugemutet werden kann, die Klägerin auf noch unabsehbar lange Zeit unter Freistellung von der Arbeitsleistung zu vergüten (vgl. Urteil des BAG vom 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/98 - in EzA BGB § 626 Nr. 2 Unkündbarkeit). Diese „Rückausnahme" von der ordentlichen Unkündbarkeit setzt aber voraus, dass die außerordentliche Änderungskündigung nur mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist erfolgen kann. Anderenfalls würde der Unkündbarkeitsschutz geradezu in sein Gegenteil verkehrt.

3. Der Klageantrag zu 2., der sich auf die Änderungskündigung vom 26. Juni 2007 bezieht, ist lediglich begründet soweit die Beklagte mit dieser Änderungskündigung die Änderung der Arbeitsbedingungen zu Lasten der Klägerin bereits zum 1. Juli 2007 durchsetzen möchte. Die Ausführungen unter 2. der Entscheidungsgründe treffen insoweit gleichermaßen zu.

Das mit der Änderungskündigung vom 26. Juni 2007 darüber hinaus verbundene und von der Klägerin unter Vorbehalt angenommene Angebot, sie bei sonst gleichen Arbeitsbedingungen ab 1. Januar 2008 in Eschborn weiterzubeschäftigen, hat den Arbeitsvertrag der Parteien mit Wirkung zu diesem Zeitpunkt jedoch wirksam abgeändert.

Die Änderungskündigung ist entgegen der Meinung der Klägerin nicht wegen mangelhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den bei ihr gebildeten Betriebsrat vor Ausspruch der Änderungskündigung vielmehr ordnungsgemäß angehört. Für die Anhörung des Betriebsrats gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung", d.h. der Betriebsrat ist immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Hinsichtlich dieser Umstände genügt es andererseits in der Regel nicht, dass der Arbeitgeber sie nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig vorträgt oder bloße Werturteile mitteilt. Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt ist vielmehr so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (vgl. Urteil des BAG vom 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - in EZA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten vorgenommene Anhörung des Betriebsrats. Die vom Kläger angenommene Fehlerhaftigkeit der Anhörung liegt nicht vor. In dem Anhörungsschreiben vom 15. Juni 2007 hat die Beklagte ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie die Versetzung der Klägerin jedenfalls zum 1. Januar 2008 nach Eschborn vornehmen möchte und weshalb sie die Versetzung für zumutbar hält. Die dem Betriebsrat mitgeteilte Annahme, die Fahrtdauer vom Wohnsitz der Klägerin nach Eschborn betrage 40 Minuten, mag sich als Fehleinschätzung erweisen. Von einer Irreführung des Betriebsrats, die zur Unwirksamkeit der Anhörung führt, kann indes nicht die Rede sein. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, inwiefern der Betriebsrat zum tatsächlichen Umfang des Änderungsangebots unzureichend angehört sein soll. Die Beklagte hat dargestellt, dass die örtliche Änderung des Arbeitsortes der Klägerin die einzige von ihr beabsichtigte Änderung des Arbeitsverhältnisses ist. Dass die Beklagte bei Anhörung des Betriebsrats die Absicht hegte, die Klägerin in Eschborn nicht innerhalb des ihr in Absatz 3 des Arbeitsvertrags vom 9. März 1993 eingeräumten Direktionsrechts zu beschäftigen, ist nicht ansatzweise erkennbar.

Für die Änderung des Arbeitsvertrages mit dem Ziel, die Klägerin von Wiesbaden nach Eschborn zu versetzen, liegt auch ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 BGB vor. Der Arbeitsplatz der Klägerin in Wiesbaden ist unstreitig weggefallen. Dieser Sachverhalt rechtfertigt an sich nur eine ordentliche Änderungskündigung aus dringenden betrieblichen Gründen. Diese Möglichkeit besteht für die Beklagte aufgrund der Unkündbarkeit der Klägerin allerdings nicht. Es ist deshalb - wie schon unter 2.) der Entscheidungsgründe ausgeführt - der Beklagten ausnahmsweise das Recht zur außerordentlichen Änderungskündigung einzuräumen, weil es ihr nicht zugemutet werden kann, die Klägerin auf noch unabsehbar lange Zeit unter Freistellung von der Arbeitsleistung zu vergüten (vgl. Urteil des BAG vom 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/98 - in EzA BGB § 626 Nr. 2 Unkündbarkeit).

Die Versetzung der Klägerin nach Eschborn ist ihr auch zumutbar. Der Zeitaufwand für das Erreichen der Betriebsstätte Eschborn von ihrem Wohnort Saulheim beträgt - wie eine Recherche des Gerichts im Shell Routenplaner ergeben hat - etwa 40 Minuten. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem Zeitansatz, den die Beklagte dem von ihr verwendeten Routenplaner entnommen hat. Selbst wenn man im Hinblick auf eine durch den Berufsverkehr hervorgerufene längere Fahrtdauer von dem doppelten Zeitaufwand, d. h. 80 Minuten ausgeht, bleibt diese Zeitspanne immer noch unter der Zumutbarkeitsgrenze von 90 Minuten, die die Betriebsparteien in § 5 des Sozialplans „Restrukturierung" vom 9. September 2005 vereinbart haben. In den Zeitaufwand für das Erreichen der Betriebsstätte in Eschborn sind entgegen der Annahme der Klägerin weitere 10 Minuten, die sie benötige, um ihren Sohn in der Betreuungseinrichtung abzugeben, nicht hinzuzurechnen. Die von den Betriebsparteien getroffenen Bestimmungen in § 5 des Sozialplans bieten hierfür keine Grundlage.

Die Klägerin verweist darauf, dass die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Saulheim nach Eschborn 175 Minuten in Anspruch nimmt. Das mag sein. Den in § 5 des Sozialplans getroffenen Bestimmungen lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass, es den Arbeitnehmern gestattet sein soll, abweichend von den bisherigen Gepflogenheiten die Anfahrt zu der neuen Betriebsstätte so zu wählen, dass sie nur unter den ungünstigsten Umständen erreicht werden kann. Ihren bisherigen Arbeitsort in Wiesbaden hat die Klägerin aber unbestritten mit dem eigenen PKW erreicht. Die Klägerin meint, tatsächlich könne sie  aus gesundheitlichen Gründen den PKW nicht benutzen. Aufgrund eines Traumas nach einem Verkehrsunfall vom 1. Dezember 2004 sei sie nicht in der Lage, in den Hauptverkehrszeiten längere Wegstrecken, insbesondere auf der Autobahn zurückzulegen. Das zur Stützung dieser Argumentation vorgelegte handschriftliche Attest der Diplompsychologin Z vom 13. Oktober 2007 hält die Kammer - zurückhaltend ausgedrückt - für wenig überzeugungskräftig. Ganz abgesehen davon handelt es sich nicht, wie nach § 5 des Sozialplans vorausgesetzt, um ein fachärztliches Attest und es bescheinigt auch nicht, dass ein längerer An- und Abfahrtsweg zum Arbeitsort aus anderen gesundheitlichen Gründen „dauerhaft" nicht wahrgenommen werden kann.

4. Der Klageantrag zu 4.) ist nicht zur Entscheidung angefallen, denn er ist nur für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1.-3. anhängig gemacht worden.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. 

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